“Wohin hast du dich denn jetzt wieder verrannt?“ – Zusammenstehen, gemeinsam Schwierigkeiten überwinden, neue Wege beschreiten

Gemeinde Jesu ist nicht um jeden Preis machbar

Predigttext: Philipper 2, 5-11
Kirche / Ort: Dossenheim
Datum: 04.04.2004
Kirchenjahr: Palmsonntag (6. Sonntag der Passionzeit)
Autor/in: Pfarrer Manfred Billau

Predigttext: Philipper 2, 5-11 (Übersetzung nach “Die Gute Nachricht“ 1997)

5 Habt im Umgang miteinander stets vor Augen, was für einen Maßstab Jesus Christus gesetzt hat: 6 Er war in allem Gott gleich, und doch hielt er nicht daran fest, zu sein wie Gott. 7 Er gab es willig auf und wurde einem Sklaven gleich. Er wurde ein Mensch in dieser Welt und teilte das Leben der Menschen. 8 Im Gehorsam gegen Gott erniedrigte er sich so tief, dass er sogar den Tod auf sich nahm, ja den Verbrechertod am Kreuz. 9 Darum hat Gott ihn auch erhöht und ihm den Ehrennamen verliehen, der ihn hoch über alle stellt. 10 Vor Jesus müssen alle niederknien- Alle, die im Himmel sind, auf der Erde und unter der Erde; 11 alle müssen feierlich bekennen: „Jesus Christus ist der Herr!“ So, sollen sie Gott, den Vater, ehren.

Vorbemerkung zum Ziel der Predigt

Es geht mir mit der Predigt zu Palmarum 2004 um Trost in einer unfreundlichen, kälter gewordenen Welt, die von der Angst vor Terror und der Zukunft geprägt ist. Die Predigt soll mit wenigen Wörtern wesentliches sagen, da es in der Informationsflut unserer Zeit immer schwerer wird, wesentliches vom unwesentlichen zu unterscheiden.

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Jesus Christus – König und Herr. Dies ist die Botschaft des heutigen Psalmsonntags, liebe Gemeinde. Zunächst aber sieht es nicht danach aus. Zwar empörten sich die Schriftgelehrten „alle Welt läuft ihm nach“ nach der Erzählung des Johannes ( 12, 19) über die Begeisterung der Menschen, als Jesus auf einen Esel in Jerusalem einzieht, aber bald schlägt die Begeisterung in Hass um.

I.

Gleich zweimal im Kirchenjahr begegnet uns das Motiv des kommenden Königs, der auf alle Insignien eines starken Herrschers verzichtet und statt dessen den geduldigen Esel wählt. Einmal in der Adventszeit und am Sonntag vor Ostern, der die Karwoche einleitet, dem Palmsonntag. So genannt nach den Erzählungen der Evangelisten, wonach die Menschen vor Begeisterung für Jesus Palmzweige von den Bäumen rupften und den einziehenden Jesus von Nazareth damit überschwänglich feierten.

Heute Jubel, morgen kreuzige, heute himmelhoch jauchzend, morgen zu Tode betrübt. Auch uns ist dieses Gefühl, diese Lebensäußerung, nicht fremd; je nach Charakter und persönlichem Temperament etwas stärker oder schwächer ausgeprägt. Aber Jubel über Jesus – heute noch? Ist nicht eher das „zu Tode betrübt“ vorherrschend, in den Gemeinden, die Jesus als ihren Herrn bekennen, der für die Sünden der Welt ans Kreuz ging, und den Gott am Ostermorgen vom Tod ins Leben rief? Nichts mehr mit dem konsternierten Aufschrei der Pharisäer damals: Alle Welt läuft ihm nach! Statt dessen finden wir: Klagen allenthalben über Mitgliederschwund und geringere Einnahmen. Strategien der Kirchenleitungen dagegen, die sich an Marketingstrukturen der Wirtschaftsunternehmen und teuren Empfehlungen von Unternehmensberatern orientieren und dabei übersehen, dass Gemeinde Jesu Christi durch Gottes Geist wird und nicht um jeden Preis machbar ist. Zumal Gott schon seinen Preis bezahlt hat, indem sein Sohn selbst den Tod am Kreuz auf sich nahm, den Verbrechertod am Kreuz, wie es im heutigen Predigttext heißt.

Klagen allenthalben über den Zustand der Gemeinden, das Leben, den Lebenswandel der Freundinnen und Freunde Jesu, die sich Christinnen und Christen nennen, mehr Jammern als Freude.

Nichts ist perfekt in der Kirche Jesu Christi, ein Makel, wo doch heute alles nach mehr Perfektion heute schreit. Perfektes Layout der Gemeindebriefe zum Beispiel ist gefragt, geschickt darstellen, Werbung machen für die eigene Sache, Sponsoren gewinnen, immer wieder lese ich solche Meldungen in der Zeitung als sogenannte Zielvereinbarungen bei Gemeindevisitationen. Dies mag sicherlich legitim sein, ist aber dort fragwürdig, wo außer Schaumschlägerei nicht viel rauskommt, weil die Substanz fehlt. Das wird in der Regel sehr schnell deutlich, wenn es darum geht, zusammenzustehen, Schwierigkeiten zu überwinden und gemeinsam neue Wege zu beschreiten.

II.

Da tut es gut, aus dem Hymnus, der den größten Teil des Predigttextes ausmacht, zu erfahren: Gott wurde in Jesus ganz Mensch, er teilte das Leben der Menschen. Für mich heißt das: Nichts Menschliches ist unserem Gott fremd. Er kennt mich mit meiner Freude, aber auch meinen Sorgen, er kennt mich mit meinen Schwächen und den Fallen, die ich mir immer wieder selbst stelle und auch prompt hineintappe, indem ich zum Beispiel, so oft sich die Gelegenheit bietet, auf meinen Lieblingsfeindbildern herumhacke und mich in Selbstmitleid verliere.

Erfahren habe ich, dass mir dann oft eines hilft: Ich flüchte mich zum Kreuz meines Herrn flüchte und versuche ein Gespräch mit ihm. Habe ich ihm mein Herz ausgeschüttet, meine ich ihn lächeln zu sehen und höre ihn sagen: ‚Wohin hast du dich denn jetzt wieder verrannt? Darauf kommt es doch gar nicht an. Du weißt doch, du sollst den Menschen erzählen, wie lieb Gott sie hat. Sie dürfen zu Gott Vertrauen haben als ihrem Vater im Himmel, der die Seinen mit Namen kennt.

Und noch etwas sollst du wissen: Ich lasse dich nicht im Stich. Erinnere dich doch an meinen alten Freund und Weggefährten Simon, den wir Petrus nannten. Damals auf dem See, als er und seine Freunde in der Nacht allein unterwegs waren. Die See ging hoch, es war gefährlich und sie hatten schreckliche Angst, denn ich war ja nicht mit ins Boot gestiegen und mitgefahren. Ich bin ihnen dann auf dem Wasser entgegen gekommen; zuerst konnten sie es überhaupt nicht glauben, dass ich es bin, so verschwommen, nebulös war ihre Sicht, so groß die Angst, ich könnte ein Gespenst sein.

Und dann der großmäulige Petrus auch immer ein bisschen mehr Schein als Sein: „Bist du es, Herr, dann will ich auch auf dem Wasser gehen.“ „Komm“, sagte ich, und er stieg aus dem Boot. Die ersten Schritte gingen ganz gut, dann aber war die Angst vor der Gefahr mächtiger und er verlor den Blickkontakt mit mir und er begann zu sinken. Er ging aber nicht unter, denn meine Hand hielt ihn fest. Er war trotz aller Gefährdung gehalten. Verstehst du? Trotz aller Gefährdung gehalten sein, trotz aller Gefährdung nicht untergehen, trotz allem Mangel und aller Klage steht am Ende das Lob.’ Und damit verstummt er.

III.

Ich gehe zurück in meinen Alltag. Seine Worte haben mir gut getan. Mir fällt das alle Lied wieder ein, das Paulus an die Christinnen und Christen in Philippi schickte. Wie hieß es doch dort am Schluss? Alle müssen feierlich bekennen: Jesus Christus ist der Herr, und so sollen Sie Gott, den Vater, ehren.

Meine Gedanken haken sich fest an dem: „Alle müssen…“ – Heißt das nicht: Gottes Weg setzt sich durch. Heißt das nicht: Das Leben siegt, um Jesu Willen. Heißt das nicht: Gott bleibt der handelnde in dieser Welt, in meinem Leben? Oder einfach gesagt: Jesus Christus, mein König und Herr! Diese sechs Wörter sollen mich in die Karwoche begleiten.

Amen

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