Wo der Geist Gottes ist, da herrschen Einheit und Frieden
Predigttext: Apostelgeschichte 2,1-18 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden. Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein. Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und laßt meine Worte zu euren Ohren eingehen! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage; sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist: »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.Vorüberlegungen
An Pfingsten geht das Versprechen Jesu „Ihr werdet mit dem Heiligen Geist getauft werden“ (Apg 1,5) in Erfüllung. Die Geistausgießung wird von Lk zugleich als Erfüllung der alttestamentlichen Prophetie aus dem Buch Joel interpretiert (Joel 3,1-5). Das Wort „danach“ in Joel 3,1 LXX hat er durch „in den letzten Tagen“ ersetzt, dadurch charakterisiert er die Geistausgießung als Eröffnung der Endzeit (vgl. Apg 1,6-8). Der Heilige Geist bewirkt in Apg 2 das Pfingstwunder, die Pfingstpredigt des Petrus genauso wie die ersten Bekehrungen in Jerusalem und nicht zuletzt das Festhalten an der Gemeinschaft. In Apg 2,44-47 wird näher entfaltet, wie diese Gemeinschaft aussieht: Wie am Tag des Pfingstfestes (Apg 2,1) waren auch die Getauften alle an demselben Ort zusammen, verharrten einmütig im Gebet, feierten zusammen Mahl und hatten alles gemeinsam. Der vom Heiligen Geist in Jerusalem gewirkte Ruhm der göttlichen Taten zielt ins Weite, wie an der Völkerliste in Apg 2,9ff. deutlich wird. Die christliche Kirche hat von Anfang an eine universale Ausrichtung. Die Pfingstgeschichte ist dabei die Gegengeschichte zur Turmbaugeschichte (Gen 11,1-9): Zerstreuen sich die Menschen in Babel durch eine Sprachverwirrung, so daß keiner mehr den anderen versteht, obwohl sie alle eine Sprache sprechen, so stiftet der Geist in Jerusalem Einheit und Verständigung, obwohl die Jerusalemer verschiedene Sprachen sprechen.Literatur:
W. Eckey, Die Apostelgeschichte Bd. 1., Neukirchen 2000, S. 68-100; M. Wenk, Community-Forming Power — The Socio-Ethical Role of the Spirit in Luke-Acts, Journal of Pentecostal Theology Supplement Series 19, Sheffield 1999.Spiel zum Predigteinstieg
1. Spieldurchgang: Alle sagen gleichzeitig laut: ihren Vornamen, Nachnamen und die Straße, in der sie wohnen. 2. Spieldurchgang: Vornamen, Nachnamen und die Straße, in der man wohnt, wiederholen, doch jeder sagt das nacheinander zu seiner/m Nachbarn/in.Liebe Pfingstgemeinde,
Die Zerstreuung in Babel
am Anfang, so erzählt uns die Bibel, hatten alle Menschen die gleiche Sprache. Da beschlossen sie, einen Turm bis in den Himmel zu bauen. Der Turm ist ein Symbol für Zivilisation und Kultur. Die Bibel will sagen: Die Menschen wollten eine große Zivilisation erschaffen. So weit so gut, aber sie wollten es ohne Gott tun. Sie wollten Gott durch eine hochstehende Kultur überflüssig machen.
Was geschieht mit einer hohen Zivilisation ohne Glauben an Gott? Kommen die Menschen sich innerlich näher? Erreichen sie den uralten Traum von einer Menschheit ohne Krieg und Zwietracht?
Es gab in der Geschichte der Menschheit viele Bemühungen, ohne Gott ein Paradies auf Erden aufzurichten. Die Französische Revolution versuchte es, der Stalinismus, der Nationalsozialismus. Die Liste ließe sich noch lang fortsetzen. Alle diese Projekte sind gescheitert, wie der Turmbau zu Babel. Statt Einheit zu bringen, brachten sie Entzweiung und schreckliche Blutopfer. Statt das Paradies auf Erden, die Hölle.
Wieso scheiterte in Babel das Projekt, einen Turm bis in den Himmels zu bauen? Es geschah das, was Sie vorhin im 1. Spieldurchgang selbst vorgeführt haben: Alle reden gleichzeitig und keiner versteht mehr den anderen. Es entsteht eine Sprachverwirrung. Der hebräische Name „Babel“ bedeutet übersetzt: „Wirrsal“. In Babel entstand ein Sprachwirrsal, und der Turm konnte nicht mehr weitergebaut werden. Eine Zivilisation braucht eine funktionierende Kommunikation, sonst zerstreut sie sich. Jede Zivilisation geht zugrunde, wenn die Menschen sich nicht mehr verständigen können. Jede Zivilisation bringt unaussprechliches Elend, wenn Menschen anderen Menschen ihren Glauben aufzwingen.
Leid zufügen kann man freilich auch, wenn man den Namen Gottes im Munde führt. Seit dem 11. September erleben wir dies: Islamistische Terroristen berufen sich auf den Schöpfer des Himmels und der Erde, um greuelhafte Terroranschläge zu verüben. Den Namen des Islam beflecken sie mit Blut. Als Antwort ruft der amerikanische Präsident eine neue Weltordnung aus und führt einen weltweiten Krieg, gegen die „Achse des Bösen“, wie er seine Feinde nennt. Auch er führt den Namen Gottes unentwegt im Munde und fühlt sich von Gott gesendet, um Krieg zu führen. Das Ergebnis dieser Kriege ist seit Wochen im Fernsehen zu sehen: schreckliche Folterbilder und nicht endende Attentatsketten.
Die Pfingstversammlung in Jerusalem
Zur Turmbaugeschichte aus dem Alten Testament gibt es im Neuen Testament eine Gegengeschichte: die Pfingstgeschichte. Am jüdischen Pfingstfest waren die Jünger in Jerusalem. Sie saßen in einem Saal beisammen und beteten. Ihr Gebet war ratlos. Jesus war auferstanden, das hatten sie erlebt. Er war ihnen erschienen. Aber ängstlich, wie sie waren, hatten sie niemandem davon erzählt. Sie fürchteten die Römer und die jüdischen Führer, die ihn hingerichtet hatten. Irgendwie hatten sie das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken. Sie hatten sich in ihrem Saal eingeschlossen. Draußen auf der Straße feierten die Leute das Pfingstfest. Von überallher waren sie geströmt: aus Kreta, aus Phrygien, aus Pamphylien und anderswo.
Urplötzlich kam eine Kraft vom Himmel. Der Text sagt, es war wie ein Brausen und etwas wie Feuerzungen ließ sich auf die Jünger nieder. Sie wurden vom Heiligen Geist erfüllt. Brausen und Feuer, das sind nur Bilder für den Heiligen Geist. Sie meinen: Der Heilige Geist ist eine Kraft, die wie ein Sturm die Menschen erfaßt. Wen der Geist in Liebe entzündet, der brennt wie Feuer.
Der Geist kam auf die Jünger herab und ergriff sie wie mit Feuerzungen. Die bisher schweigsamen und furchtsamen Jünger begannen zu reden. Und jedermann auf der Straße verstand sie, jeder in seiner Muttersprache. Da trat Petrus zu den Leuten auf die Straße hinaus und predigte.
Obwohl die Menschen in Jerusalem verschiedene Muttersprachen hatten, verstanden sie die Jünger. Das war nicht etwa die Wirkung des Weingeistes, wie manche argwöhnten. Die Verständigung geschah durch den göttliche Geist, betont die Pfingstgeschichte. Während in Babel alle dieselbe Sprache sprachen und sich doch nicht verstanden, da sie auf ihre eigenen Fähigkeiten vertrauten, ist es an Pfingsten genau umgekehrt. Die Jünger waren kraftlos und vertrauten trotz der Auferstehung nicht auf ihre eigene Kraft. Der göttliche Geist stärkte sie. Da wurden sie von den Jerusalemern verstanden, obwohl diese verschiedene Sprache sprachen. Es geschah etwas Ähnliches wie im 2. Spieldurchlauf: Sie hören aufeinander. Sie achten aufeinander. Sie verstehen einander.
Die Pfingstversammlung in Basel 1989
Wo der Geist Gottes ist, da herrscht kein Streit. Da herrschen Einheit, Versöhnung und Frieden. Das, liebe Gemeinde, ist die Pfingstbotschaft. Abgebildet sehen Sie diese Botschaft auf der großen Fahne, die im Altarraum hängt. Wie ein Lichtstrahl, der vom Himmel fällt, wirkt die sonnengelbe Fahne auf der weißen Wand. Zu sehen ist der Geist Gottes, der vom Himmel auf die Erde herabkommt. Links unten auf der Fahne sieht man Bergkuppen angedeutet. Auffällig ist, daß der Geist Gottes auf zwei verschiedene Weisen dargestellt wird. Zum einen als Feuerflamme, zum anderen als Taube.
Der Geist als Feuerflamme erinnert an die Jünger an Pfingsten, auf die der Geist wie Feuerflammen herabkam. Die Geistflammen auf der Fahne sind rot. Rot ist die Farbe der Liebe. Dies drückt aus, was Martin Luther einmal so formulierte: ,Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe’.
Weshalb ist der Geist aber auch als Taube abgebildet? Die Taube erinnert zunächst an die Taube mit dem Ölzweig aus der Noah-Geschichte. Sie ist ein Symbol für Frieden, daher kommt auch das Wort Friedenstaube. Wenn die Bibel bei der Taufe Jesu berichtet, daß der Geist Gottes wie eine Taube auf Jesus herabkam, dann meint das: Gottes Geist ist ein Geist des Friedens. Die Friedenstaube auf der Fahne ist violett. Violett ist die Kirchenfarbe. Pfingsten ist das Geburtstagsfest der Kirche. Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe, und er sammelt Menschen, um sie zu entflammen.
Die Fahne an der Altarwand wehte am Pfingstfest 1989 auf einer Brücke in Basel. Vor 15 Jahren. Es war bei der Ökumenischen Versammlung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Alle Kirchen Europas waren in Basel zusammengekommen, um zu beraten, wie man aus dem christlichen Glauben heraus Antworten auf drängende Fragen der Zeit geben kann. Liebe Gemeinde, die Pfingstfahne erinnert uns auch nach 15 Jahren an die Botschaft von Basel: Baut nicht am Turm eures Untergangs! Sucht Wege der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens! Die Antworten sehen heute anders aus als 1989 in Basel, aber die Kraftquelle ist dieselbe: Gottes Geist führt uns auf Wegen des Friedens und der Gerechtigkeit.
Wege der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens heute
Sucht Wege der Versöhnung, das bedeutet ein Jahr nach dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin, die Ökumene zwischen den Konfessionen voranzutreiben. Gerade dann, wenn wir noch kein gemeinsames Abendmahl feiern dürfen. Was uns Evangelische besonders schmerzt. Der Geist Gottes schafft in der Pfingstgeschichte Einheit zwischen den verschiedenen Menschen. Einheit ist dabei nicht als große Gleichmacherei mißzuverstehen. Geistgestiftete Einheit ist vielmehr Einheit in der Vielfalt. Die Menschen in Jerusalem behalten ihre eigene Sprache. Ökumene bedeutet daher nicht, daß wir alle gleich werden sollen. Ich umschreibe Ökumene gern mit dem Begriff: versöhnte Verschiedenheit. Das meint: Katholiken und Evangelische sind verschieden. Und das ist gut so. Aber trotz unserer Unterschiedlichkeit sollen wir miteinander versöhnt sein. Versöhnte Gegensätze.
Sucht Wege der Gerechtigkeit, das bedeutet heute beispielsweise, die Gesundheitsreform zu überdenken. Für sozial Schwache und für viele Rentner sind Medikamente unbezahlbar geworden. Eine Studentin erzählte mir folgendes: Sie hatte eine Darminfektion und ging zum Arzt. 10 € bezahlte sie direkt beim Arzt, drei Medikament verschrieb er ihr. Nochmals 15 € Rezeptgebühr, das macht zusammen 25 €. 25 €, das reicht ihr normalerweise eine ganze Woche zum Essen. Sie sagte zu mir: „Das nächste Mal gehe ich nicht mehr zum Arzt. Ich kann es mir nicht leisten!“
Sucht Wege des Friedens, das bedeutet nach dem 11. September, verstärkt den Dialog mit dem Islam zu suchen. Vom katholische Theologen Hans Küng stammt der Satz: Es kann keinen Frieden auf der Welt geben ohne Frieden zwischen den Religionen. Keinen Frieden zwischen den Religionen ohne einen Dialog zwischen den Religionen.
Freilich, wir haben jahrelang versäumt, Gespräche mit den Muslimen in Deutschland zu führen. Es gibt kaum Kontakte zwischen christlichen und islamischen Gemeinden. Diese Kontakte müssen aber aufgebaut werden. Einen Frieden zwischen den Religionen gibt es erst, wenn wir miteinander ins Gespräch kommen. Uns kennenlernen. Entdecken, daß wir gemeinsam an einen einzigen Gott glauben. Unsere Verschiedenheit genauer in den Blick nehmen. Vorurteile überwinden. Auch wenn diese sitzen tief. Es liegt im Pfingstgeist der Liebe und des Friedens, solche Schritte zu tun. Am letzten Schultag vor den Pfingstferien haben wir hier in der Arche einen kleinen Schritt getan. Es waren muslimische Kinder von der Geschwister-Scholl-Schule mit ihrem Türkischlehrer und dem Hodscha der Moschee in Heidelberg-Rohrbach hier. Ich habe ihnen unsere Kirche gezeigt und einen christlichen Gottesdienst erläutert. Der Hodscha hat daraufhin unsere Gemeinde zu einem Gegenbesuch in die Moschee eingeladen. Ich nahm die Einladung gerne an. Waren Sie schon einmal in einer Moschee? Interessierte am Moscheebesuch können sich nach dem Gottesdienst bei mir melden…
Papst Paul VI. sagte bereits 1972 in einem weltweiten Wort an die Muslime: „Da wir nun den Glauben an den gleichen Gott teilen, sollten wir ihn anrufen, daß er uns einander jeden Tag näherbringen möge, damit wir fähig werden, jeder auf seine Art für eine höhere Wahrheit, für Gerechtigkeit und für den Frieden in der Welt zusammenzuarbeiten”.
Amen.
Ja, wo in der Welt herrschen Einheit und Frieden? Ergo, der Geist Gottes ist nirgends in der Welt!
Erzdiöse Freiburg:
Wo Gott ist, da ist Frieden! Wo in der Welt ist Frieden? Ergo, wo ist Gott?