Lobgesänge in der Nacht

Wunderbare Musik - Singen und musiziern tun unserer Seele gut

Predigttext: Apostelgeschichte 16,23-34
Kirche / Ort: St.Stephanus Lübeck
Datum: 14.05.2006
Kirchenjahr: Kantate (4. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pastor Heinz Rußmann

Predigttext: Apostelgeschichte 16,23-34 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984

23 Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. 25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so daß die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offenstehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muß ich tun, daß ich gerettet werde? 31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, daß er zum Glauben an Gott gekommen war.

Exegetische und homiletische Anmerkungen

Kontext und Übersetzung: Der Abschnitt 16,11-40 ist eine Komposition des Lukas. Mehrere Episoden werden dramatisch und gekonnt verdichtet. Im Mittelpunkt stehen einige Wunder. Lukas ist mit den allgemeinen Umständen und der Rechtsprechung recht vertraut. Deswegen ist der Text recht durchsichtig. Als Übersetzung empfehle ich gerade für Kantate die genauere Übersetzung von Ulrich Wilckens (1970): (23) Viele Schläge ließen sie ihnen geben und warfen sie danach ins Gefängnis, mit der Weisung an den Gefängnisaufseher, sie sicher zu verwahren. (24) Auf solchen Befehl hin legte der sie in die innerste Gefängniszelle und schloß ihre Füße in den Block. (25) Gegen Mitternacht aber, als Paulus und Silas beteten und Gottes Lob sangen, und die Mitgefangenen ihnen zuhörten, (26) da geschah plötzlich ein gewaltiges Erdbeben, und das Gefängnis wurde bis in die Fundamente erschüttert. Es sprangen sofort alle Türen auf, und von allen Gefangenen fielen die Fesseln ab. (27) Der Gefängnisaufseher schreckte aus dem Schlaf hoch, und als er sah, dass die Gefängnistüren offenstanden, zog er sein Schwert und wollte sich das Leben nehmen, weil er glaubte, die Gefangenen seien entflohen. (28) Paulus aber rief ihm mit lauter Stimme zu: „Tu dir kein Leid an! Wir sind ja alle hier!“ (29) Da rief er nach Fackeln, sprang in das Gefängnis hinein und warf sich zitternd Paulus und Silas zu Füßen. (30) Dann führte er sie hinaus und sagte: „Ihr Herren, was muß ich tun, um gerettet zu werden?“ (31) Sie sagten: „Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus gerettet werden.“ (32) Und sie verkündigten ihm das Wort Gottes, ihm und allen, die zu seinem Hause gehörten. (33) Und noch in derselben Nachtstunde nahm er sie als seine Gäste auf und wusch ihnen die Wunden. Gleich danach ließ er sie mit allen seinen Angehörigen taufen. (34) Dann führte er sie in sein Haus, setzte ihnen ein Mahl vor und jubelte mit seinem ganzen Hause darüber, daß er zum Glauben an Gott gekommen war. Ulrich Wilckens übersetzt den zentralen Vers 25: „…als Paulus und Silas beteten und Gottes Lob sangen“ ( vgl Luther 1984: „Paulus und Silas beteten und lobten Gott“). Predigtziel: Zentrum der Predigt soll sein, dass die gefangenen und geschlagenen Paulus und Silas Lobgesänge anstimmen. Danach geschehen etliche Wunder. Am Sonntag Kantate ist es m.E. unerlässlich, Gott für die Gabe der Musik zu danken, und über das Wunder der Musik nachzudenken. Sehr tiefsinnig ist zu diesem Thema die Predigt: Musik - ein Gleichnis Gottes, von Gerd Theißen in: Lichtspuren. Gütersloh 1994.

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Liebe Gemeinde!

Wunder nach Lobgesängen in der Nacht

Paulus und Silas stimmen im Gefängnis um Mitternacht Lobgesänge an! Daraufhin geschehen etliche Wunder. Das erste Wunder geschieht schon vorher, dass die beiden es schaffen, im Kerker, geschlagen und gefesselt, Lieder zu Gottes Lob anzustimmen. Uns hätte vermutlich eher nahe gelegen, Klagelieder zu singen. Warum konnten sie im dunklen Kerker Gott loben? Als Christen folgten sie dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus nach. Sie waren dabei gewohnt zu leiden, ohne sich von Jesus verlassen zu fühlen. Es wirkt wohl aber auch nach, dass sie als Juden feste Gebetszeiten kannten. Wir Evangelischen sollten solche Ordnungen wieder besser anerkennen und leben. Von frommen jüdischen Chassidim wird erzählt, dass sie sich nach einer schlimmen Verfolgung wegen ihres Glaubens zusammensetzten und eine Nacht lang Gott anklagten und schließlich verurteilten! Als aber die Sonne aufging, sagte einer: Es ist Zeit, dass wir jetzt den morgendlichen Lobpsalm singen! Von ihnen und Paulus und Silas können wir sicher etwas lernen!

Das zweite Wunder ist, dass Jesus seine Leute nicht im Stich lässt und im rechten Augenblick ein Erdbeben schickt, so dass die Gefängnistüren sich öffnen. Dann folgt das Wunder, dass die Gefangenen nicht fliehen und dadurch der Gefängnisaufseher nicht verurteilt wird. Das wichtigste Wunder ist, dass der Gefängnisaufseher deswegen Christ werden will und sich taufen lässt. Das letzte Wunder ist, dass er sogleich nicht nur glaubt, sondern gute Werke folgen lässt: Er wäscht und verbindet und bewirtet die beiden.

Der Predigttext will uns ermutigen, dass auch wir mit Wundern rechnen können! Wenn wir dem auferstandenen Jesus und universalen, kosmischen Christus vertrauen, ihm nachfolgen und nicht vergessen, Gott zu loben, werden uns Wunder im Alltag immer begegnen.

Dankbarkeit für das Wunder der Musik

Besonders bedanken wollen wir uns heute am Singe-Sonntag „Kantate“ bei Gott für das Wunder der Musik, für das Loben Gottes mit Gesang und Instrumenten. Kennen Sie Herrn Jubal? Er ist zwar auch vielen Musiklehrern heute leider nicht bekannt. Nach der Bibel ist er der erste Musiker ( 1.Mose 4,21 ). Als Ururenkel vom Brudermörder Kain, vertrieben aus dem Paradies , hat Jubal die Musik erfunden, um sich und andere in dunkler Welt ein wenig durch schöne Töne zu trösten. Die Aufgabe hat die Musik ja bis heute. Gott selbst aber hat Mose befohlen, silberne Trompeten zu bauen, um die Gottesdienste zu verschönern ( 4.Mose 10,1-10). Nach einem Psalmwort thront Gott über den Lobgesängen Israels ( Psalm 22,4 ).

Unser Lobgesang verbindet sich mit dem Gesang der Engel. Deswegen ist manche Musik einfach himmlisch schön. Wir singen mit beim Engelchor, wenn wir Gott im Gottesdienst oder zu Haus loben. Physiker betonen, dass das ganze Weltall von Schwingungen durchdrungen ist. Der Musikkritiker Joachim Ernst Berendt schreibt ein ganzes Buch mit dem Titel: Die Welt ist Klang. Deswegen verbindet uns besonders der Lobgesang mit dem Engelgesang und erhebt unsere Seele zu Gott. Für Pastoren/innen hat das allerdings eine lustige Konsequenz: Ein Kirchenmusiker sagte zu einem Pastor: Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie dereinst im Himmel ohne Aufgaben sein werden? Niemand braucht dort mehr Ihre Predigten oder Ihre Seelsorge. Aber Chorleiter werden beim riesigen Engelchor sicher gebraucht, um mitzusingen und die Harmonie zu bewahren!

Tröstliche Klänge

Wir bedanken uns heute bei Gott, dass uns Lobgesang und schöne Musik bis heute unzählige Male zutiefst getröstet haben. Nach dem Lobgesang von Paulus und Silas geschahen damals viele Wunder. Das größte Wunder ist aber, dass wir schon oft nach dem Singen unglaublich getröstet waren. Neuer Lebensmut füllte uns wieder aus. Martin Luther hat deswegen die Musik immer wieder empfohlen als ein Mittel gegen Schwermut. Unglaublich tröstlich und ergreifend sind ja immer wieder die Lieder von Paul Gerhardt! Er war selbst in der Zeit des furchtbaren Dreißigjährigen Krieges wie in einem dunklen Gefängnis von Krieg, Armut und Not. Wie Paulus und Silas gebetet und gesungen haben, hat er die tröstlichsten Lieder für sich und seine schwermütige Frau gebetet, gesungen und für andere gedichtet. Gerade in Krisenzeiten entfalten seine Lieder Wunder von großem Trost: „Befiehl Du Deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt…“

Musik tut unserer Seele gut

Wie wichtig das Singen und Beten für unsere Seele ist, wird heute übrigens sogar durch die moderne Psychologie und Gehirnforschung bestärkt. Professor Julius Kuhl in seinem Buch „Wider den Kalten Krieg im Kopf“ beschreibt: Unsere beiden Gehirnhälften haben verschiedene Fähigkeiten. Die linke denkt sehr logisch und eindeutig, die rechte dagegen umfassend und folgt Gefühlen, Intuitionen und innerer Stimmen. Heute wird im Beruf und schon bei Schülern einseitig das logische Denken überstrapaziert. Das künstlerische und religiöse Denken wird vernachlässigt. Das rächt sich, wenn wir in Angst und Not sind. Mit reinem Verstand kreisen wir gewöhnlich um Argumente und Gegenargumente. Nur wenn wir uns den umfassenden großen Gedanken zuwenden, meditieren, beten oder die komplexen Harmonien der Musik in uns aufnehmen, überblicken wir unsere Probleme. Durch den großen und ganzen Gott, der uns kennt und sieht, können wir getröstet werden, wenn wir uns ihm öffnen. Dietrich Bonhoeffer, der wahrhaft große Christ, hat deswegen mal wunderbar gesagt: Man muss sich durch die kleinen Gedanken, die einen ärgern, immer wieder hindurchfinden zu den großen Gedanken, die einen stärken!

Gott thront nicht nur über unserem Lobgesang. Er ist ganz nahe bei uns

Paulus und Silas, geschlagen und gefoltert, wussten darum, wer sie tröstet und stimmten einen Lobgesang an. Dietrich Bonhoeffer hat im Gefängnis gebetet: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiß an jedem neuen Tag!“ Wie wunderbar ist es, dass wir Christen singen und beten können! Gott thront nicht nur über unserem Lobgesang. Er ist so nahe bei uns, wie unser Lieblings-Lied uns begleitet und in uns klingt und uns ermutigt!

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