Vor dir eine geöffnete Tür
Stiller Glaube, kleine Kraft
Predigttext: Offenbarung 3,7-13 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
(7) Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf: (8) Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet. (9) Siehe, ich werde schicken einige aus der Synagoge des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind's nicht, sondern lügen; siehe, ich will sie dazu bringen, daß sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, daß ich dich geliebt habe. (10) Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen. (11) Siehe, ich komme bald; halte, was du hast, daß niemand deine Krone nehme! (12) Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalem, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen. (13) Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!Liebe Gemeinde!
Vor verschlossener Tür
Haben Sie schon einmal vor einer verschlossenen Tür gestanden? Ich meine keine Haustür, die aus Versehen ins Schloss gefallen ist und vor der man dann zur Belustigung der Nachbarn mit Hausschuhen davor steht. Da kommt im Zweifelsfall der Schlüsseldienst, macht die Tür auf – und das Missgeschick ist noch lange noch für einen kleinen Lacher gut. Ich meine auch nicht die kleine Tür des Adventskalenders, die heute Morgen noch verschlossen und die doch mit einem leichten Griff zu öffnen war. Und her mit der Leckerei!
Ich meine: haben Sie das wirklich einmal erlebt, dass sie vor einer verschlossenen Tür standen? Dass Ihnen der Zugang zu etwas oder jemandem unüberwindbar versperrt war? Ich meine, Türen unseres Lebens vor denen wir stehen, klopfen oder sogar mit den Fäusten dagegen hämmern und die verschlossen sind und bleiben. Und wo es dann keinen Schlüsseldienst gibt, der dann mal eben mit dem richtigen Kniff die Tür öffnen kann. Karl-Heinz ist Mitte 50. Seit über dreißig Jahren war er bei „seiner“ Firma beschäftigt. Damit hätte er nie gerechnet, dass er in seinem Alter und nach all den Jahren einmal entlassen werden würde. Vor einem halben Jahr hatte sich dann für ihn das Werkstor ein für alle mal geschlossen. Bewerbung für Bewerbung hat er seitdem geschrieben, aber ohne Erfolg. Ja, wenn er zehn Jahre jünger wäre. Aber so? Die Tür zu einem neuen Arbeitsplatz scheint für immer verschlossen zu bleiben.
Das Ehepaar, das aus dem Ruhrgebiet in das schöne Fehnhaus am Kanal gezogen war, überlegt ernsthaft, die Sachen wieder zu packen und das Haus zu verkaufen. Wie schön hatten sie sich ihren Ruhestand im hohen Norden vorgestellt! Und wie sehr hatten sie sich darüber gefreut, dass hier die Häuser für einen Bruchteil des Preises zu bekommen waren verglichen mit ihrem Zuhause in Essen. Vor fünf Jahren waren sie hergezogen. Sie hatten-nach ihrem Dafürhalten – alles unternommen, um sich in die Nachbarschaft einzufinden: im Sommer haben sie zum Grillen eingeladen, sie waren bei jedem runden Geburtstag dabei und hatten sich sogar im Volkssport „Boßeln“ probiert. Aber es ist nichts zu machen: sie bleiben einsam unter all den Leuten. Sie bleiben die Fremden, „die aus dem Ruhrpott“. Die Tür zur Nachbarschaft bleibt zu.
Oder Elke. Sie wird am Telefon immer stiller. Ihre Freundin erzählt voller Vorfreude davon, dass sie mit ihren beiden Brüdern und Familie den Heiligen Abend feiern will. „Würde ich das nicht auch gern tun?“ Elke horcht ganz tief in sich hinein. Aber seitdem ihre Schwester sie in einer schwierigen Lebenssi-tuation einmal schwer beleidigt hat und ihr in den Rücken ge-fallen war, hat Silke jeden Kontakt abgebrochen. In den letzten Jahren, seitdem sie Kinder hat, denkt sie manchmal: „Wie schade ist das! Ich habe doch nur diese eine Schwester.“ Aber der Schmerz und die Enttäuschung wiegen immer noch schwerer. Silke kann die Tür zu ihrer Schwester –noch nicht?- öffnen. Verschlossene Türen. Jeder und jede stand schon einmal davor. Manche sind unüberwindbar.
Advent – Die Tür ist offen!
Heute am zweiten Advent dürfen wir eine sagenhaft frohe Bot-schaft hören! Von einer Tür, die sich nicht nur für uns Menschen öffnet, sondern auch offen bleibt!
(Lesung des Predigttextes)
„ Siehe, ich habe eine Tür vor dir aufgetan!“
Liebe Gemeinde, wie viele Menschen würden wir schon mit dieser einen Nachricht glücklich machen? Die Tür ist offen! Für Karl-Heinz gibt es eine Firma, die ihm eine Probearbeitszeit einräumt! Die Nachbarn öffnen ihre Türen und zeigen ehrlich Interesse „am Anderen“. Elke kann sich einen Ruck geben und ihre Schwester anrufen.
„Siehe, ich habe eine Tür vor dir aufgetan und niemand kann sie zuschließen“! Für die, die mit einer geschlossenen Tür kämpfen, eine befreiende, ein wunderbare Nachricht, die ein neues Leben eröffnet!
Der das sagt ist Jesus Christus, der Auferstandene. Er redet zu den Menschen in der kleinen, wirtschaftlich schwachen Gemeinde in Philadelphia. Ihm ist wichtig, dass gerade diese kleine junge Christengemeinde in Zuspruch und Stärkung erfährt. „Ich habe eine Tür aufgetan“. Hier geht es um die Tür, die Gott selbst in Jesus Christus geschaffen und geöffnet hat. Seit dem Jesus einst im Stall von Bethlehem geboren ist, steht diese Tür zu Gott jedem Menschen offen, der durch sie hindurch gehen möchte. Nichts, rein gar nichts kann uns den Durchgang durch die Tür versperren und es wird keinen Augenblick in unserem Leben geben, in dem diese Tür zu Gott über Jesus Christus ver-schlossen ist. Oder mit Paulus gesagt (Röm 8): „Wer will uns scheiden von der Liebe Christi?“ – Wer kann uns diese Tür zuschlagen? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Nein, sagt Paulus: Ich bin mir ganz sicher, dass „weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges“ uns diese Tür zu Gott zuschlagen können, die uns durch Jesus Christus aufgeschlossen ist. „Weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur“ kann uns von der Liebe Gottes trennen, die sich in Jesus Christus ein für allemal gezeigt hat.
„Im Stillen weitergeglaubt“
Stimmt das denn, liebe Gemeinde? Kann uns wirklich nichts von Gott trennen? Erst neulich erzählte mir eine Frau, dass sie in ihrer Kindheit mit der Kirchengemeinde vor Ort sehr verbunden war. Oft ging sie in der Kirche und im Gemeindehaus ein und aus. Das war gar nicht selbstverständlich, schließlich wohnte sie damals mit ihren Eltern in der ehemaligen DDR. Später als sie ihren Mann geheiratet hat und weggezogen ist, wurde jeder Kontakt zur Kirche abgebrochen, nicht einmal die Kinder wurden getauft.
Muss man hier nicht sagen, dass diese Frau durch die Verbindung mit jemandem, der mit Kirche und Glauben nichts anfangen kann, von Gott getrennt wurde? Jahre später, als sie ihren zweiten Mann kennen gelernt hatte, ist sie mit ihm zusammen zu einem Glaubenskurs gegangen und er lässt sich jetzt sogar konfirmieren- mit Mitte Vierzig. Die beiden sind sehr glücklich, dass sie ihren Glauben zusammen leben können. „Wir wollen auf jeden Fall kirchlich heiraten, und zwar in meiner Heimatkirche“. Die Frau strahlt.
Die Tür zu Gott war nie verschlossen. Sie ist für diese Frau nie zugeschlagen worden, auch damals nicht, als sie sich vom Thema Kirche und Gott entfernt hatte. Jahre später hat sie selbst wieder angeklopft und es wurde ihr aufgetan. Die Tür blieb offen. Warum? Während der Zeit ohne Gemeinde hat diese Frau „im Stillen weitergeglaubt“ so erzählt sie. So ähnlich stelle ich mir auch die Christen in der Gemeinde in Philadelphia vor. Von denen werden keine großen Taten berichtet. Jeder Einzelne wird ganz realistisch gesehen. Jesus sagt zu den Menschen: Ich mache euch die Tür für immer auf, nicht, weil ihr so großartige Leute seid. Nein, weil ihr alle, jede und jeder von euch eine kleine Kraft habt.
Die kleine Kraft
Liebe Gemeinde, was ist das für eine Zusage? Das hat mich doch überrascht. Was ist das schon eine kleine Kraft? Wofür soll die denn schon reichen? Aber wir können es drehen und wenden wie wir wollen: Das ist das die frohe Botschaft, dass Jesus den Menschen dort sagt: Du hast eine kleine Kraft. Ja, du hast sie, diese kleine Kraft! Wofür sie reicht? Jesus sagt es so: Euch mit eurer kleinen Kraft mache ich euch zu Stützpfeilern im Hause Gottes! Das ist also die Gemeinde wie Gott sie sieht. Menschen mit kleiner Kraft. Aber als solche mit ungeheurer Tragkraft und Ausdauer. Eine jede und ein jeder eine Stütze für sein kommendes Reich.
Liebe Gemeinde, bestimmt haben Sie schon mal vor einer verschlossenen Tür gestanden. Vielleicht auch vor einer Kirchentür. Und trotzdem, ganz gleich, welche Erfahrungen Sie ge-macht haben: Die Tür zu Gott, die Tür zum Glauben steht für Sie, steht uns alle ganz weit offen! Klopfen Sie immer wieder an, auch wenn es lange her ist, dass Sie sich mit Ihrem Glauben befasst haben.
Ja, das bisschen, das Kleine, das Stille reicht aus. Wir brauchen nichts Besonderes mitzubringen, es genügt wirklich der stille Glaube, die kleine Kraft: das Festhalten an Gott, auch dann, wenn wir ihn einmal nicht begreifen und verstehen. Auch wenn uns keiner im Umfeld unterstützt.
Heut ist Advent. Jesus Christus will zu uns kommen. Machen wir ihm die Tür auf! Lassen wir ihn in unser Leben einziehen.
Amen