„Ihre ganz persönliche Auferstehung“

Werbung für einen Neuanfang - als österliche Menschen schauen wir nicht gebannt auf das Dunkle

Predigttext: 1. Korinther 15,50-58
Kirche / Ort: Emmausgemeinde / Karlsruhe-Waldtstdt
Datum: 09.04.2012
Kirchenjahr: Ostermontag
Autor/in: Pfarrer Klaus Paetzholdt

Predigttext: 1. Korinther 15,50-58 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

50 Das sage ich aber, liebe Brüder, daß Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit.  51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden;  52 und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden.  53 Denn dies Verwesliche muß anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muß anziehen die Unsterblichkeit.  54 Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: »Der Tod ist verschlungen vom Sieg.  55 Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?«  56 Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz.  57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!  58 Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wißt, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.

 

Zur Predigt

Das Eingangszitat habe ich entdeckt bei: Wolfgang Kruse, Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext zur Perikopenreihe IV, Neuhausen. Im Ostermontagsbeitrag von Eckhard Benz-Wenzlaff in diesem Buch (S. 157ff.) habe ich auch sonst die hilfreichsten Anregungen gefunden.

 

 

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„Ihre ganz persönliche Auferstehung: eine Zukunft ohne Rauchen“ –  das war irgendwann einmal in einem Apothekenschaufenster zu lesen. Nun habe ich selber noch nie geraucht, habe diese Art von Auferstehung nicht erlebt, auch will ich heute keine Anti-Raucher-Predigt halten. Mir jedenfalls hat dieser Werbetext gefallen; geworben wird hier für einen Neuanfang. Wir wissen alle, wie gefährlich die Suchtmittel alle sind: Allein das Rauchen gefährdet 50 Bereiche des menschlichen Körpers. Wir wissen auch, wie schwierig jemand von einer Sucht loskommt. Als wir am Anfang unseres Studiums abends bei einem Glas Wein oder Bier zusammen saßen, zitierte einer gerne folgenden Trinkspruch: Alkohol und Nikotin / rafft die halbe Menschheit hin./ Doch ohne Alkohol und Rauch / stirbt die andre Hälfte auch. Er meinte es nicht so resigniert, wie sich das anhört; aber ein resignierender Ton liegt durchaus in diesen Zeilen: Nichts bleibt, alles vergeht, wir sind mit allem, was zu uns gehört, unterwegs in den Tod, mit Sucht und ohne Sucht. Paulus drückt es so aus: Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben, auch das Verwesliche nicht die Unverweslichkeit. Ist es tröstlich oder ziehen wir den Kopf ein vor dem Unabänderlichen, wenn wir betonen: Im Tod sind alle gleich? Natürlich: Der Tod gehört zum Leben. Wer es überspielt, betrügt sich selbst. Sollen wir uns also mit dem Tod arrangieren: Er kommt ja sowieso irgendwann? Suchtmittel wie Teufelskreise sind für mich Ausdruck dieser Haltung. Ich habe mich auf etwas Tödliches eingelassen. Jetzt lässt es mich nicht mehr los, ich bin abhängig, ich habe mich eingerichtet mit dem zu leben, was mich gefährdet.

Ich denke jetzt genauso an Lebenszusammenhänge: Es können sich in einer Beziehung und in der Erziehung Muster im Umgang miteinander einspielen, aus denen kommen die Beteiligten nicht mehr heraus und fürs Miteinander sind die tödlich. Nicht als Sucht, aber als Haltung begegnet uns das sogar in unserer evangelischen Frömmigkeit. Wir sind alle Sünder! Wir können nichts Gutes aus eigener Kraft! Alles fällt unter Gottes Gericht! Das wurde zeitweise stark betont und der Glaube wurde damit etwas Dunkles, Tristes und trug eher die Farben des Todes als des Lebens. Gibt es keine Alternative gegen diese Resignation? Auch wenn der Weg in den Tod der Weg alles Lebendigen ist: Welche Haltung verbinde ich damit? Irgendwie werde ich dieses Leben schon herumbringen! Oder betone ich: Gerade weil ich vergänglich bin, klammere ich mich an jeden Tag und feiere all das Schöne, das es gibt auf der Welt! Wir feiern Jesu Auferstehung, seine Auferstehung ins Leben. Im Glaubensbekenntnis heißt es nur: „auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes…“ Als wenn er für immer weg wäre! Er ist ins Leben hinein auferstanden, nicht in sein biologisches. In unser Leben hinein ist er auferstanden. Für seine Freunde und Freundinnen ist er lebendig geworden. Paulus hat ihn erst lange nach dem Ereignis, das wir Himmelfahrt nennen, als lebendig erlebt. Das alles war nur der Anfang für viele Begegnungen mit dem Auferstandenen. Der vierte Evangelist betont: Im Geist ist und bleibt Jesus lebendig mitten unter uns.

Sich z. B. vom Rauchen zu befreien ist bekanntlich schwierig. Aber Befreiungen sind möglich; denn Jesu Auferstehung ist ein Grund für Hoffnungen und neue Möglichkeiten. Anders als vorhin betont Paulus später in diesem Abschnitt: Das Sterbliche zieht die Unsterblichkeit an. Für das neue Leben gibt es also Möglichkeiten. Darum kann Paulus den Tod verspotten: Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?  Ich kenne ein österliches Kinderlied: Jesus ist nicht mehr tot, Gott hat ihn auferweckt, dessen Melodie (535’655’535’655 in Dur) hört sich so ähnlich an wie die Melodie, mit der Kinder sich  gegenseitig verspotten (553-‘553-’5566’553-). Auch das Lied 116 hat für mich viel von einem Spottlied. Wir verspotten den Tod nicht, weil es ihn nicht gäbe. Das bliebe eine gefährliche Selbsttäuschung. Wir verspotten ihn, weil wir ihm seine Alleinherrschaft über uns bestreiten.

Wir leben, strecken uns aus nach der Sonne und entreißen dem Tod den Raum, den wir unser Leben nennen. Das ist keine Selbsttäuschung angesichts der Vergänglichkeit, der Hinfälligkeit. Natürlich richten sich manche in ihren Illusionen, in ihren Wunschfantasien ein. Die fallen irgendwann zusammen wie ein Kartenhaus. Der Tod bleibt unsere Wirklichkeit und steht hinter jeder bedrohlichen Gefahr. Doch als österliche Christusmenschen schauen wir nicht gebannt auf das Dunkle, bleiben wir nicht fixiert aufs Negative. Ich will die Wirklichkeit anerkennen, wie sie sich zeigt: Da durchdringen sich gegenseitig, manchmal kaum entwirrbar, die Fäden des Lebens und die Fäden des Todes. Aber ich will den Augenblick leben: Heute, jetzt und hier, genieße ich das Wunder: Es gibt mich. Wie schön, ich darf da sein, es gibt mich heute immer noch. Kein Tag ist selbstverständlich. Das Wunder des Lebens zu preisen, dazu lädt mich der lebendige Jesus ein. Dazu lade ich euch alle ein.

„Der Stachel des Todes ist die Sünde, die Kraft der Sünde ist das Gesetz.“ Ich bedauere fast, wie Paulus mitten in seinem Siegesjubel über den Tod zurückfällt ins Negative: Gesetz, Sünde, Tod. Aber ich verstehe: Sein Glaube lehnt alle Versuche ab, sich vor Gott durch Gesetze und Werke in ein helleres Licht zu stellen. Es gilt allein der Glaube: Ich lege mich mit allem, was ich bin und was zu mir gehört, in Gottes Hände und befehle mich seiner Gnade an. Auch wenn es im Kreuz das Gericht über alles gibt, steckt in der Auferstehung die Zusage: Ich darf dieses mein Leben vor Gott und vor meinen Mitmenschen leben. Christus hat mir das Feld geschenkt, das ich mein Leben nenne, so kann ich diesen meinen Zeitraum gestalten als Leben in ihm und aus ihm. Ich erfuhr von einem alten Mann, der jeden Morgen als Beginn seines Tages Gott dankt: Wieder darf er einen neuen Tag erleben, noch gibt es ihn für diese Welt und die Welt für ihn. Dazu haben wir unsere Sinnesorgane: Mit allem, was wir wahrnehmen, dringt das Leben in uns ein, erfüllt uns, bereichert uns. Ich selber brauche immer einige Zeit zum Einschlafen. Ich nutze dieses Wach-Sein Tag täglich, um mich zu erinnern: Was ist heute geschehen? Wem bin ich begegnet? Was hat diesen Tag zu einem besonderen Tag meines Lebens gemacht? Es gibt natürlich Schönes und weniger Begeisterndes. Aber meine Bilanz lautet täglich: Das Beglückende war viel mehr als das Bedrückende. Auch dieser Tag hat sich gelohnt. Auch für diesen Tag habe ich Grund zum Danken. Bin ich tot, spielt die Zeit keine Rolle mehr für mich. Darum ist alle Zeit dem Tod abgerungene Zeit. „Gott aber sei Dank, er gibt uns den Sieg durch unseren Herrn Jesus Christus“. Es ist kein endgültiger Sieg. Aber es ist ein ganzer Sieg:

Christus ist auferstanden – trotz Krankheit und Behinderung genieße ich das Leben.
Christus ist auferstanden – ich begegne anderen grundsätzlich mit einem Grundvertrauen.
Christus ist auferstanden – obwohl es das Hässliche auch gibt, empfinde ich so unendlich Vieles als schön.
Christus ist auferstanden – ich lebe bewusst in meinen Sinnesorganen und lasse das Leben um mich in mich hineinfließen.
Christus ist auferstanden – auch wenn anderen jetzt nicht danach zumute ist, juble und tanze ich.
Christus ist auferstanden – trotz aller düsteren anderen Prognosen trage ich eine Fülle von Hoffnungen in mir.

 

 

 

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