Vom Glauben erzählen
Gottes Kinder sind wir, von ihm über alles geliebt - von dieser Liebe dürfen wir weitergeben
Predigttext: 1. Thessalonicher 1, 2-10 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
2 Wir danken Gott allezeit für euch alle und gedenken euer in unserm Gebet 3 und denken ohne Unterlass vor Gott, unserm Vater, an euer Werk im Glauben und an eure Arbeit in der Liebe und an eure Geduld in der Hoffnung auf unsern Herrn Jesus Christus. 4 Liebe Brüder, von Gott geliebt, wir wissen, dass ihr erwählt seid; 5 denn unsere Predigt des Evangeliums kam zu euch nicht allein im Wort, sondern auch in der Kraft und in dem Heiligen Geist und in großer Gewissheit. Ihr wisst ja, wie wir uns unter euch verhalten haben um euretwillen. 6 Und ihr seid unserm Beispiel gefolgt und dem des Herrn und habt das Wort aufgenommen in großer Bedrängnis mit Freuden im Heiligen Geist, 7 sodass ihr ein Vorbild geworden seid für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja. 8 Denn von euch aus ist das Wort des Herrn erschollen nicht allein in Mazedonien und Achaja, sondern an allen Orten ist euer Glaube an Gott bekannt geworden, sodass wir es nicht nötig haben, etwas darüber zu sagen. 9 Denn sie selbst berichten von uns, welchen Eingang wir bei euch gefunden haben und wie ihr euch bekehrt habt zu Gott von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott 10 und zu warten auf seinen Sohn vom Himmel, den er auferweckt hat von den Toten, Jesus, der uns von dem zukünftigen Zorn errettet.
Zu Predigttext (I) und Predigt (II)
I. Die Perikope ist formgeschichtlich ein Proömium, in dem Paulus nach einem ausgesprochen knappen Präskript - entsprechend den antiken Vorbildern aus der paganen Literatur - Wünsche für die Gesundheit des Empfängers, die Verbundenheit im christlichen Glauben und die Dankbarkeit für das christliche Leben der Gemeinde in Thessalonich anspricht. Diese Perikope kann deshalb einerseits als ein ganz persönliches Wort des Apostels an die Gemeinde und andererseits auch als Vorwort des ganzen Briefes gelesen werden.
Die Briefe, die im Neuen Testament und in der außerkanonischen Literatur überliefert sind, machen deutlich, wie sehr die Autoren ihre persönliche Beziehung zur jeweiligen Gemeinde einfließen lassen. Von Anfang an gehörte diese Betonung von Gemeindefürsorge, persönlicher Beziehung zum christlichen Glauben sowie die Beziehung zur Kirche mit hinzu. Wir wissen auch, dass die Briefschreiber trotz der räumlichen Trennung sich immer mit ihren Gemeinden verbunden fühlten und sich für diese auch verantwortlich wussten. Der Paulustext ist kein Einzelfall, vielmehr ist er ein Beispiel für eine tiefe Verbundenheit innerhalb der entstehenden frühchristlichen Kirche, weil die Autoren in ihren Briefen immer Anteil am Glück und den Nöten ihrer Gemeinden nehmen.
„Dank“ steht als Begriff im Zentrum des ersten Teils dieser Perikope. Das Dankeswort erstreckt sich auf die Verse 2–5 und nimmt damit fast die Hälfte des ganzen Abschnitts ein. Der Apostel dankt in diesem Teil für das christliche Leben der Gemeinde und kleidet diesen Dank in die klassische Trias von Glaube, Liebe und Hoffnung. Indem Paulus das christliche Leben der Gemeinde in Thessalonich besonders herausstellt, erinnert er auch an die Entstehung der Gemeinde, die einerseits von Gott erwählt ist, andererseits aber auch von Paulus missioniert wurde. Traugott Holtz hält darum fest: „Und nur so, vermittelt durch ihn, den Apostel, kann die Gemeinde `Nachfolger` Christi werden. Von einer direkten `Nachfolge Christi` redet Paulus nicht“ (S. 48).
Ähnlich differenziert spricht Paulus von den charismatischen Anfängen, als das Wort des Glaubens Wirklichkeit wurde; nur wenig später deutet er das Charisma als Kraft im Leiden. Bei der Gründungsgeschichte der Gemeinde in Thessalonich spricht Paulus von Geistesgabe, aber nicht im Sinne einer Überlegenheit, sondern er sieht sie als geschenkte Kraft, die in Zeiten der Not hilft, das Leben zu bestehen.
In Thessalonich vertrauen die ChristInnen auf ihren auferstandenen Herrn und können deshalb auch in der Not zusammenhalten. Damit werden sie für andere Gemeinden zum Vorbild. Ihr Festhalten an diesem Grund-Bekenntnis hilft Paulus bei seiner weiteren missionarischen Arbeit in Griechenland und anderen Regionen Europas.
Die ChristInnen in Thessalonich lebten in der Hoffnung einer unmittelbar bevorstehenden Eschatologie, deshalb haben sie alle ihre bisherigen Lebensinhalte aufgegeben und sich von allem Weltlichen abgewandt. Sie warteten auf die Wiederkunft Christi, weil damit für sie alle Not ein Ende hätte und die endgültige Gemeinschaft mit Gott sichtbar würde. In diesem Warten blieben sie doch von der Welt bedroht. In dieser Spannung ruft Paulus sie auf, nicht das Werk des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung zu vergessen. Mit den Begriffen Dank und Eschatologie sind in dieser Perikope zwei Hauptthemen angesprochen, die Paulus in den folgenden Kapiteln seines Thessalonicherbriefes weiter ausführt.
II. Der Schwerpunkt der Predigt könnte vom Text hergesehen die Dankbarkeit sein. Die persönlichen Worte des Paulus erlauben auch persönliche Worte in der Predigt, die das Erfreuliche und Ermutigende in der eigenen Gemeinde benennen. Bei vielen Gemeindegliedern ist heute eine große Distanz zum Gemeindeleben wahrnehmbar. Für mich ist hier ein Wort Dietrich Bonhoeffers wichtig: „Wir verdanken unser Christsein der Kirche. Sie ist es, die die Botschaft von Jesus Christus, die frohe Botschaft Gottes, an uns weitergegeben hat“. In bedrängten oder stürmischen Zeiten gilt nach Bonhoeffer genau das, was schon Paulus der Gemeinde in Thessalonich deutlich machte: „In solchen Zeiten meine keiner, dass er noch allein stehen kann. Wir stehen alle miteinander durch das Gebet, das wir füreinander tun dürfen. Ob nun alles noch viel dunkler und undurchsichtiger wird, es ist ja nur eine kurze Zeit, bis alles ganz klar sein wird ... Lasst uns fest sein im brüderlichen Dienst, in dem einer den anderen stärkt". Auch wenn diese Worte Bonhoeffers in einer für die Kirche kritischen Zeit des Dritten Reichs geschrieben wurden und wir heute nicht in einer unmittelbaren Notzeit leben, so sollen sie deutlich machen, dass die Dankbarkeit in der Gemeinde wie selbstverständlich zum Dienst an- und füreinander führt.
Dabei höre ich oft den Einwand, es sei doch besser, den christlichen Glauben für sich allein und nicht in der Kirche öffentlich zu bedenken. Viele sagen mir auch, ich glaube zwar an Gott, aber die Kirche - mit der habe ich nichts am Hut. Nicht in der Distanz zur Kirche, sondern allein durch Mitwirkung und eine aktive Teilnahme am kirchlichen Leben können die Zustände, die wir kritisieren, überwunden werden. Nur durch aktives Mitmachen werden auch in der Kirche notwendige Veränderungen erreicht. Für die Predigt soll der Predigttext auf einem Blatt ausdruckt und in einen großen Briefumschlag gesteckt werden. Im Laufe der Predigt wird der Briefumschlag geöffnet und nach und nach von einer anderen Stimme vorgelesen (z. B. LektorIn, Gemeindekirchenratsmitglied, KonfirmandIn).
Literatur
Dietrich Bonhoeffer, Rundbriefe, in: Gesammelte Schriften 2. Aufl., München 1966, S. 447ff. - Günter Haufe, Der erste Brief des Paulus an die Thessalonicher, ThKNT 12/1, Leipzig 1999. - Otfried Hofius, Paulusstudien, 2. Aufl., Tübingen 1994. - Traugott Holtz, Der erste Brief an die Thessalonicher, EKK XIII, Neukirchen-Vluyn 1986. - Eberhard Jüngel, Das Evangelium von der Rechtfertigung der Gottlosen als Zentrum des christlichen Glaubens, Tübingen 1998. - Peter Pilhofer, Das Neue Testament und seine Welt. Eine Einführung, Tübingen 2010, 120-128. - Eckhart Reinmuth, Der erste Brief an die Thessalonicher, NTD 8/2, Göttingen 1998; ders., Paulus – Gott neu entdecken, Leipzig 2004. - Wolfgang Weiß, Glaube - Liebe - Hoffnung. Zu der Trias bei Paulus, in: ZNW 84/1993, 196.
Lieder
"Liebster Jesu" (EG 161) - "Wunderbarer König" (EG 327) - "Lobt Gott gestrost mit Singen" (EG 243) - "Erd und Himmel sollen singen" (EG 499).
Heute habe ich ihnen etwas mitgebracht, nicht hier aus Berlin, sondern von ganz weit weg (großen Briefumschlag zeigen). Dieser Brief hier stammt aus Thessalonich, der Hauptstadt Mazedoniens. Jedenfalls ist er an die Gemeinde dort geschrieben und zwar von Paulus und seinem Gefährten Silvanus. Ich muss zugeben, ich bin richtig aufgeregt. So ein Brief ist für mich immer ganz spannend, weil ich nie so genau weiß, was da wohl drin steht. Denn der Briefschreiber hat sich viel Mühe gegeben, um nach richtigen Worten zu suchen. Die Menschen müssen ihm sehr nahe stehen oder ihm zumindest sehr wichtig sein. Auch über große Entfernungen hinweg. So etwas kennen viele von uns auch. Wir tauschenmit Menschen, die wir kennengelernt haben, ziemlich rasch die e-mail-Adressen aus. Wir wollen, wenn uns die Menschen wichtig sind, die Verbindung über weite Entfernungen beibehalten. Trotzdem muss ich immer wieder feststellen, dass viele Beziehungen nicht dauerhaft halten werden. Doch einige wenige werden halten, die engen und persönlichen Freundschaften und die, die vielleicht zu solchen werden.
Ein Brief hat immer etwas Persönliches, auch dieser hier. Er strahlt Wärme und Nähe aus. Wie ging es damals rund her, um das Jahr 50 n. Christus, als Paulus und sein Mitarbeiter Silvanus in Thessalonich waren. Erst wurden die beiden in Philippi ins Gefängnis geworfen, und dann mussten sie in Thessalonich eilig die Stadt verlassen. Denn
Menschen dort fühlten sich von Paulus bedroht, weil Paulus und Silvanus das Christentum unter sehr einflussreichen Frauen und einigen Männern verbreiteten. Vielleicht mussten sie sich auf der Straße damals so
Einiges anhören, wurden beschimpft oder angespuckt für ihre Botschaft vom lebendigen und auferstandenen Herrn. So genau wissen wir das nicht, wir können da nur Vermutungen anstellen. Vielleicht kennt aber
Paulus die Antwort auf unsere Fragen und Vermutungen. Ich mache jetzt einmal den Brief au, und wir hören, was Paulus da schreibt:
(Lesung Predigttext Verse 2–3).
Hier schreibt einer voller Begeisterung. Da wird von Arbeit in der Liebe und von Geduld in der Hoffnung auf Jesus Christus gesprochen. Die Christen in der Stadt haben durchgehalten. Kein Wunder, dass Paulus da fröhlich ist. Wo doch Rom, die Staatsmacht damals, das frühe Christentum mit allen Mitteln bekämpfte. Doch wie gehts weiter?
(Lesung Predigttext Verse 5-7).
Damit scheint alles klar. Doch bitte noch einen Augenblick, der Briefabschnitt ist noch nicht zu Ende, Paulus schreibt weiter:
(Lesung Predigttext Verse 8-10).
Paulus ist erleichtert, dass die Gemeinde stark geblieben ist und sich nicht dem Druck von außen gebeugt hat. Paulus und Silvanus sehen sich in ihrer Arbeit bestätigt und können deshalb auch selbstbewusst schreiben, dass die Gemeinde gewachsen ist, trotz der Bedrängnis von innen und außen. Doch auch Paulus und Silvanus wissen: Dieser Erfolg geht nicht auf sie allein zurück. Gott hat sie in dieser Situation immer begleitet. Er hat sie ermutigt nicht nachzulassen in der Sorge und Fürsorge für diese Gemeinde. Die Einschränkungen und Belastungen, unter denen damals die Christen lebten, waren groß. Ihr Glaube wurde jeden Tag aufs Neue auf eine harte Probe gestellt. Deshalb haben Paulus und sein Mitarbeiter Silvanus ihnen Mut zugesprochen: Ihr, hier in Thessalonich, habt euch zu Gott bekannt, zum lebendigen und wahren Gott, der Jesus Christus von den Toten auferweckt hat. Die Menschen damals in Thessalonich trugen die Hoffnung auf Rettung aus ihrer Notsituation in sich. Das stärkte ihnen den Rücken und verband sie. Diese neu gegründete Gemeinde hat die Botschaft von Jesus Christus in die Welt verbreitet. Sie haben damit das Werk ihrer Gründer Paulus und Silvanus fortgesetzt. Doch diese christliche Gemeinde, wie wir aus dem Brief erfahren, musste wegen Paulus und Silvanus Einiges erdulden. Paulus deutet das nur an. Die Menschen damals wussten sicher genauer, was er damit meinte.
Wir heutigen Zuhörerinnen und Zuhörer können da nur mutmaßen. Was auch immer vorgefallen ist, welche Fehler gemacht wurden, es geschah nicht mutwillig oder in böser Absicht. Paulus möchte, dass die Menschen nicht auf möglichen Fehlern ihr Leben bauen, sondern in Liebe miteinander umgehen. Denn die Liebe in Jesus Christus verbindet ChristInnen miteinander, sogar über große Entfernungen hinweg. Paulus wusste, dass es oft schwer ist, die Verbindung zu Gott in seinem Leben zu spüren. Auch für ihn war Gott ganz oft weit weg. Wie können wir uns ihm nähern? Vielleicht so, wie ich es mit KonfirmandInnen erprobt habe: Im Konfi-Raum gab es verschiedene Begegnungsorte, die durch Kojen abgetrennt waren (z. B. Bibelkoje mit biblischen Texten zu Gott; Malkoje für eine biblische Umsetzung: Wie stelle ich mir Gott im Bild vor?). An einem dieser Orte hatten die Jugendlichen die Möglichkeit, Gott eine SMS zu schreiben. Versuchen Sie doch mal, Gott eine SMS zu schreiben. Wenn ich mich hinsetze, um eine SMS zu verfassen, dann überlege ich mir, wer die Person ist, an die ich schreibe. Wie sieht sie aus, was denkt sie vielleicht? Es ist so, als würde ich direkt zu Gott sprechen. Versuchen Sie es doch einmal selbst. Auch wenn ich Gott vielleicht nicht näher komme, erfahre ich ganz viel über mich.
Uns trennen Zeit und Raum von Paulus, Silvanus und den Thessalonichern. Trotzdem baut dieser Brief eine Brücke zwischen damals und heute, seine Botschaft erreicht alle: Diese Botschaft Gottes, der uns liebt, hält und trägt zu allen Zeiten unseres Lebens. Versuchen wir es doch, einem anderen Menschen zu zeigen, dass dieser Mensch ein liebenswerter, ein von Gott geliebter Mensch ist. Wir können es zeigen, indem wir einem Menschen helfen, ihn anlächeln, ihm eine Karte, eine mail oder SMS oder einen Brief schreiben. Den Brief, den wir heute von Paulus bekommen haben, dürfen, ja sollen wir immer und immer wieder lesen. Dieser Brief hat über die Jahrhunderte hinweg nichts von seinem Wert eingebüßt. Weil er genau wie damals zu uns heute spricht: Gottes Kinder sind wir, von ihm über alles geliebt. Von dieser Liebe dürfen wir weitergeben, an unsere NachbarInnen im Gottesdienst oder an die Menschen, denen wir in unserer Gemeinde oder an anderen Orten. Wenn wir das tun, dann begeistern wir wie Paulus andere Menschen, die vielleicht, ebenfalls begeistert, von unserem Glauben an den lebendigen Herrn erzählen.