Offener Himmel

Die Geschichte von der Geburt Jesu - eingebettet in die große Weltgeschichte

Predigttext: Lukas 2,(1-14)15-20
Kirche / Ort: Christuskirche / Aachen
Datum: 25.12.2014
Kirchenjahr: Christfest (1)
Autor/in: Pfarrer Manfred Wussow

Predigttext: Lukas 2,(1-14)15-20 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

(...) Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander:Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Vorüberlegung

Ich schlage vor, das Weihnachtsevangelium im Lesungsteil des Gottesdienstes mit den VV 1-14 vorzutragen, dann die VV 15-20 auf der Kanzel. Das Glaubensbekenntnis (von Nizäa-Konstantinopel – EG 854) werde ich nach der Predigt platzieren. Das Evangelium wird dann nur durch ein Lied unterbrochen bzw. gegliedert. Mein Vorschlag: EG 24,1-6. Als Lied nach der Predigt empfiehlt sich EG 37,1-4.

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Es tagt

Warm und hell ist es in unserer Kirche. Kerzen leuchten. Wir singen die alten, wir singen die neuen Lieder. Von der stillen, von der heiligen Nacht. Von Sternen. Von Hirten. Von Engeln. Wir lassen nichts aus. Heute muss gesungen, heute muss gefeiert werden! Was wir immer schon sehen wollten – heute sehen wir es: Der Himmel ist offen. Der Himmel feiert. Der Himmelt glänzt und leuchtet. In einem – polnischen – Lied heißt es:

„Als die Welt verloren, Christus ward geboren;
In das nächt’ge Dunkeln fällt ein strahlend Funkeln.
Und die Engel freudig singen:
Gloria, Gloria, Gloria in excelsis Deo!”

Wir kommen aus der Nacht. Wir gehen in den Tag. Wir erwarten das Licht. Das Evangelium erzählt uns von einem Glanz, der aus einer, aus der anderen Welt kommt. Engel haben ihren großen Auftritt – auf einem Feld. Verdreckt sind die Hirten, die hier hausen – unweit vom Dorf, aber weit genug weg von der Zivilisation. Leute mit schlechtem Ruf und noch schlechteren Manieren hüten für einen Hungerlohn die Schafe ihrer Herren. Es gibt Tage, an denen sie nicht einmal richtig satt werden. Schade, dass sie nicht auch Gras fressen können. Das Leben auf der kargen Weide ist hart, erbärmlich hart – und macht hart, erbärmlich hart. Die Wölfe hatten es besser. Wölfe haben es immer besser. Von einer Idylle – an der uns so viel liegt – erzählt auch der Evangelist nichts. Nachdrücklich, wenn auch einsilbig, erzählt er von der Nachtwache. Von durchwachter Nacht. Aber: die Engel gastieren hier. Schön, glanzvoll – es ist, als ob der Himmel über diese Nacht seinen Glanz ausschüttet. Ohne Maß, ohne Berechnung. Dann erklingt auch das Lied, das nur aus dem Himmel kommen kann: Ehre sei Gott in der Höhe – und Friede auf Erden. Haben die Hirten etwas mit dem Unfrieden zu schaffen? Sind sie – schuldig? Verantwortlich?- Oder: Sind sie Opfer? Leidtragende? Ein wenig verwundert höre ich zu. Verschwendete Liebesmüh, verschwendete Liebe – an diesem Ort. Denke ich. Hätten die Engel nicht lieber ein Machtwort zu den Despoten, Tyrannen und Terroristen bringen sollen? Ultimativ, drohend, unerbittlich? Mit Schwertern zwischen den Flügeln, mit Kanonen unter dem Rock? Stattdessen singen sie den Hirten ein Lied. Mitten in der Nacht. Und uns auch. Weil doch die Freude allem Volk widerfahren wird … Wohin das noch führen soll …

Krippe

Alles, was die Engel singen, alles wir die Hirten hören, alles, was wir hören – führt uns zur Krippe. Zu einer Futterkrippe. Heute liegt in ihr ein Baby, neu geboren, gerade geboren. Maria und Josef finden keinen besseren Ort. Es ist kein Raum in der Herberge. Warum ist immer alles voll, wenn Menschen ein Dach über dem Kopf brauchen, ein warmes Bett für die Nacht, einen Platz für den Säugling, das kleine, das schwache Kind. Nein, Lukas erzählt ohne Unterton, er erzählt auch nichts zwischen den Zeilen – nur: mir müssen diese Gedanken kommen! An diesem Tag! Bevor der Tag seine Höhe erreicht! Jesus, der Messias, der Herr – so wird er im Evangelium genannt – findet in einem Stall sein erstes Zuhause. Die großen Worte, dass Gott Mensch wird, dass seine Verheißungen in Erfüllung gehen, dass eine neue Zeit anbricht, werden hier ganz klein. Und bescheiden. In Stroh gebettet. Den Tieren näher als den Mächtigen. Aber was deutlich wird, so deutlich, dass es niemand übersehen kann: Gott hat sich klein gemacht, nein, nicht nur klein: niedrig, gering.

So lange ist es noch nicht her, dass am Heiligen Abend oder in der Christnacht von Flucht und Vertreibung gesprochen wurde. Nach dem Krieg feierten viele Menschen Weihnachten nicht nur in Ruinen, sondern auch mit der Erfahrung, wohl nie mehr zurückzukönnen. Nach Schlesien, Ostpreußen, Pommern. Sie hatten ihre Heimat verloren, aber die neue noch nicht gefunden. Innerlich. Viele spürten auch die Ablehnung, manchmal fein getarnt, manchmal zu offen. Jetzt saßen sie alle in der Kirche und feierten Weihnachten. Die Einheimischen und die – Fremden. Hieß es im Evangelium dann „in der Herberge (sei) kein Platz für sie“ gewesen, entstanden in den Köpfen der Menschen ganz eigene Bilder. Zwischen Traum und Albtraum, zwischen Hoffnung und Angst. Aus Fremden wurden dann Einheimische. So mancher Weihnachtsgottesdienst baute Brücken, gab neue Ideen, überwand Vorurteile. Soll, darf ich das – Erfolgsgeschichte nennen? Im nächsten Jahr denken wir an das Ende des 2. Weltkrieges. 70 Jahre ist das her. Die Dramen von Flucht, Vertreibung und Heimatlosigkeit sind aber älter. In vielen Völkern werden grausige Geschichten erzählt. Schuld und Versagen kommen dann wieder hoch. Aber auch die Geschichten geglückter Neuanfänge – und die Wunder der Versöhnung.

Dass Gott sich klein macht, sich in unsere Welt begibt, nicht einmal auf Augenhöhe: in eine Krippe! – das lässt Bilder, Worte und Lieder unter uns wachsen. Zu Weihnachten. Liebe ist immer zärtlich, kindlich, zutraulich. Liebe ist aber auch immer zerbrechlich, gefährdet, bedrängt. Liebe muss behütet werden. Wie ein Licht Maria und Josef kommen in einem Stall unter. Die Themen Flucht, Vertreibung, Heimatlosigkeit sind auf einmal auch wieder bei uns da. Wir bekommen mit, wie Krieg und Terror viele Menschen hinwegfegt, auseinanderreißt und vielleicht für immer trennt. Sie aber haben schreckliche Wege vor sich – und hinter sich. Können sie bei uns – wenigstens für eine Zeit – eine Heimat finden, ein Zuhause? Können sie bei uns ausruhen? Noch einmal neu anfangen? Die schwierigen Fragen, die mit diesen Themen verbunden sind, werden wir in an diesem Tag nicht lösen, aber es fällt ein Licht, ein Glanz auf sie: Gott hat sich, als er Mensch wurde, auf die Seite derer geschlagen, die ganz unten sind. Wohin wir gehören? Schwer zu beantworten ist die Frage nicht … Von den letzten und vorletzten, gestrigen und ewig-gestrigen Diskussionen und Demonstrationen mag ich jetzt nicht reden. Wo doch alles klar ist – und mit himmlischer Freude ins Licht geholt.

Zeichen

In dieser Weihnachtsnacht hören wir die Geschichte von der Geburt Jesu. Eingebettet in die große Weltgeschichte. Kaiser Augustus wird namentlich genannt, sein syrischer Statthalter Quirinius auch. Aber Gott hat seine eigene Geschichte mit den Menschen. Mit den großen – und mit den kleinen. Seine Geschichte ist eine Liebesgeschichte. Da sehen wir zwei Menschen auf einem langen Weg. Maria trägt ein Kind unter dem Herzen. In einem Stall kommt Jesus zur Welt. Engel besingen diese Geburt. Es wird ganz hell. Augustus weiß das nicht, Quirinius auch nicht. Aber ich! Dann machen sich die Hirten auf. Sie müssen vor keinem Palast warten – sie werden auch nicht verjagt. Sie müssen nicht auf ihre Schuhe gucken. Ställe kennen sie. In ihrer vertrauten Welt finden sie ein Kind. So, wie ihnen zugesagt war: „Ihr werden ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt”. In dem polnischen Weihnachtslied heißt es:

„Zu dem heilgen Kinde eilten sie geschwinde,
konnten staunend sehen, was da war geschehen:
Gott im Himmel schenkt uns allen mit dem Kind sein Wohlgefallen.
Gloria, Gloria, Gloria in excelsis Deo“

Dass Gott hier selber liegt, ist ein Geheimnis. Sein Geheimnis. Ein offenes Geheimnis. „Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Herr, das Gott lobte und sprach: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf Erden ist Friede
bei den Menschen seiner Gnade.“ Ist Gott denn in der Krippe herrlich? Ist denn jetzt Friede auf Erden? Vielleicht sind die Engel schlauer, weiser als ich? Weitgereister? Mutiger? Engel erzählen, Engel besingen eine lange, eine große Geschichte.
Die Geschichte, die Gott mit Menschen teilt, die Menschen mit Gott verbindet. IHM kommt das letzte Wort zu. Es ist auch sein erstes: Es werde Licht! Und siehe: es ward Licht!

Warm und hell wird es in unserem Leben.
Kerzen leuchten.
Wir singen die alten, wir singen die neuen Lieder.
Von der stillen, von der heiligen Nacht.
Von Sternen. Von Hirten. Von Engeln. Wir lassen nichts aus.
Dieser Tag ist anders, anders als die vielen anderen Tage,
die wir hinter uns gebracht haben, die über uns gekommen sind,
die wir sehnsüchtig erwarteten, die uns überfuhren,
die wir mit Leben füllten, die wir vergeigten,
die trösteten, die kränkten.
Wir waren aufgeschreckt, verunsichert,
wir dachten mit Schrecken an das, was kommt –
und wir spürten das Glück.
Auf der Haut. In den Augen.
Wir sind Menschen seiner Gnade!
Jetzt geht die Sonne auf.

(Nach einem kurzen Innehalten, Schweigen:) „Als sie – die Hirten – es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.”

Der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus, unserem Herrn.

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