Wir warten auf ein Fest
Das Jahr heiter und gelassen angehen
Predigttext: Lukas 12,35-40 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun. Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch:Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen. Und wenn er kommt in der zweiten oder in der dritten Nachtwache und findet's so:selig sind sie. Das sollt ihr aber wissen:Wenn ein Hausherr wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen. Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint.
Vorüberlegungen zum Predigttext
Zum Kasus Silvester ist bestimmt schon alles gesagt worden. Die Gemeinde erwartet Rückblick und Ausblick, den Blick auf die Welt und ins Individuelle. In der Predigt einen Jahresrückblick zu halten, finde ich unangebracht. Politische und sportliche Jahresrückblicke können die Medien besser. Das Klischee von den guten Vorsätzen möchte ich auch nicht bedienen. Also bleibe ich nah beim Text. Versuche es mit Anspielungen Mir gefällt die Übersetzung von Klaus Berger und Christiane Nord, weil sie in mir eine Alltagsszene lebendig werden lässt.
Ich starte mit dem Versuch den „garstigen Graben“ schon vor der Textlesung zu überwinden. Meine eigene Gedankenspur und meine Assoziationen zum Text führen mich allerdings in Sackgassen: Alarmbereitschaft wird bei mir schnell zum Burnout. Die Situation, auf jemanden zu warten, assoziiere ich mit zermürbender Grübelei. Gar nicht so einfach, den Hoppla-Effekt im Text zu entdecken: die verkehrte Welt, die mir eigentlich ein Lachen entlocken sollte.
Also nach und nach die gute Aussicht auf Gottes Neue Welt herausarbeiten. Eine verkehrte Welt, in der der Herr die Dienerschaft zum Essen einlädt. Mein Ziel ist: Lassen sie uns das Jahr heiter und gelassen angehen, weil der Hausherr kommt.
Ob ich predigend das Ziel erreiche?
Wenn wir biblische Geschichten aufschlagen, ist es manchmal als setzten wir uns in eine Zeitmaschine. Wir reisen 2000 Jahre zurück in die Welt des damaligen Israel. Zu einer Zeitreise gehört ein bisschen Wissen über die alte Welt. Ein bisschen phantasiere ich bei so einer Zeitreise einfach dazu.
Der Evangelist Lukas versetzt uns in das aller Gewöhnlichste: in einen Haushalt. Na ja, so ganz gewöhnlich ist dieser Haushalt nicht, denn wir sind bei wohlhabenden Leuten zu Gast. Ich stell mir vor, es ist ein großes Haus. Heller Steinfußboden und ein Innenhof mit Grünpflanzen. Ok, meine Phantasie geht mit mir durch. Auf jeden Fall ist der Hausherr so reich, dass er einige Sklaven hat. Sklaven sind kostbarer Besitz. Sie haben nichts zu sagen, sondern tun, was ihnen gesagt wird. Aber sie werden so behandelt, wie man kostbare Dinge behandelt. Sie sollen auch morgen noch funktionieren. Putzen, kochen und waschen ist Sache der Haussklaven. Die Öllampen im Hause und im Hof sind bei Dunkelheit anzuzünden und müssen immer wieder nachgefüllt werden, damit sie nicht ausgehen. Am Abend wird die Eingangstür mit einem schweren Balken versperrt, damit kein ungebetener Besuch kommt. Wenn allerdings der Hausherr unterwegs ist, dann muss jemand aufbleiben, sobald es klopft, den Balken vor der Tür wegnehmen und den Hausherrn zu später Stunde hereinzulassen. (Lesung des Predigttextes, wie ihn Klaus Berger und Christiane Nord übersetzten:)
„Wie Sklaven, die in der Nacht dienstbereit angekleidet sind und das Licht brennen lassen, so sollt ihr dienstbereit den Herrn erwarten. Dann könnt ihr ihm, wenn er von der Hochzeitfeier nach Hause kommt und klopft, sofort die Tür öffnen. Selig sind die Sklaven, die der Herr wachend antrifft, wenn er kommt. Amen, ich sage euch, er wird so begeistert von euch sein, dass er euch zu Tisch bittet, sich selbst die Kellnerschürze umbindet und euch bedient. Und wenn der Herr kommt, wenn die zweite Schicht der Nachtwache oder auch schon die dritte vorbei ist und dann trotzdem die Sklaven so in Bereitschaft vorfindet, kann man sie nur selig preisen. Denn eines ist klar: Wenn der Hausherr genau wüsste, wann der Einbrecher kommt, würde er den Einbruch zu verhindern wissen. Da er es aber nicht weiß, muss er ständig in Alarmbereitschaft sein. Das gilt auch für euch, denn ihr wisst nicht, wann der Menschensohn wiederkommt.“
Alarmbereitschaft – bei diesem Stichwort geht bei mir sofort der Alarm im Kopf an. Jugendliche sind ständig in Alarmbereitschaft. Konfirmandinnen und Konfirmanden werfen nach dem Unterricht sofort einen Blick auf ihr Handy. Eben mal schauen, ob neue Nachrichten eingegangen sind und gucken, was die Freunde auf Facebook so machen. Auch viele Erwachsene haben sich angewöhnt, regelmäßig aufs Handy zu schauen. Sie sind in Alarmbereitschaft, wenn es um ihren Beruf geht. Es kann ja sein, dass etwas ganz Eiliges sofort abgearbeitet werden muss. Diese Art Alarmbereitschaft macht Einigen mehr Stress als ihnen gut tut. Fordert das Gleichnis Jesu etwa auf, rund um die Uhr zu arbeiten? Wird hier dem sogenannten Burnout der Weg bereitet? Ich habe mich von der Alarmbereitschaft auf die falsche Spur lenken lassen. Eine ständige Alarmbereitschaft wurde und wird immer im Schichtdienst organisiert. Auch die Sklaven teilten sich die Nachwache. Wie gesagt: Sie waren wertvoll. Wertvollen Besitz macht man nicht mutwillig kaputt.
Der Witz an der Geschichte ist ein anderer. Das heißt: Eigentlich sind es zwei Geschichten, es sind zwei Gleichnisse und auch zwei versteckte Verrücktheiten. Die Sklaven hüten das Haus und schieben abwechselnd Nachtwache. Als es klopft und sie den Hausherrn reinlassen, ist der völlig begeistert über die Wachsamkeit seines Personals. Über seinen schwarzen Anzug zieht er eine Schürze, er stellt sich zum Eierbraten in die Küche und bedient die Sklaven mitten in der Nacht. Das ist verkehrte Welt! Unsere Zukunft mit Gott ist eine verkehrte Welt. Jesus bedient die Menschen. Knecht und Herr tauschen die Rollen. Also Gott muss Humor haben. Das nächste Gleichnis ist genauso schräg. Jetzt wird der Menschensohn, also Jesus, mit einem Dieb verglichen! Der Menschensohn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Der Heiland und Erlöser, den wir vor einer Woche als kleines unschuldiges Kind in der Krippe gefeiert haben, wird als Einbrecher bezeichnet. Der Menschensohn kommt wie ein Dieb in der Nacht! Verkehrte Welt.
Aber das kennen wir: Wir sind in einer verkehrten Welt zu Hause. Vor einigen Jahren war unser östlicher Nachbar Putin noch ein lupenreiner Demokrat, und mit Bundeskanzler Schröder verband ihn eine sogenannte „Männerfreundschaft“. Angelika Merkel spricht zwar russisch, aber offenbar nicht die Sprache Wladimir Putins. Es sieht nicht so aus, als ob die beiden sich verständigen könnten. Westeuropa und Russland haben wieder Schwierigkeiten miteinander, verkeilen sich in Sanktionen und Forderungen. Vom neuen kalten Krieg ist die Rede. Was vorgestern galt, ist heute ins Gegenteil verkehrt. – Mit dem Friedensnobelpreis wurden oft Männer geehrt, die Friedensverhandlungen zwischen Feinden geführt haben. Jassir Arafat und Jitzchak Rabin, Nelson Mandela und Willem de Klerk. – In Oslo wurde in diesem Jahr Malala auch aus Pakistan geehrt. 17 Jahre jung. Heute müssen offenbar die Jungen den Alten erzählen, wie das Leben geht. Malala verlangt Bücher und Bildung für Mädchen. Sie verlangt, was selbstverständlich sein sollte und wird dafür ausgezeichnet. Wenn das nicht verrückt ist, was dann?
Verrückte Gleichnisse bei Lukas, verrückte Welt! Ist das jetzt zum Verrückt werden oder doch eher zum Lachen? Ich habe in den letzten Tagen einen Jahresrückblick quer gelesen. Das war keine leichtverdauliche Lektüre. Manches macht mir Sorgen, wie der eben erwähnte neue kalte Krieg. Erwarte ich nun mit Kummer ein neues Jahr? Habe ich Angst vor der Zukunft? Ja und Nein. Es kommt darauf an, was ich erwarte. Auf wen ich warte.Im Gleichnis wird von den Sklaven erzählt, die auf ihren Hausherrn warten, in der Nacht. Nachts wachen und warten. Bei dieser Vorstellung zieht sich mein Magen wie von selbst zusammen. Wenn ich warte, dann ist einer von meinen Lieben noch unterwegs. Ich male mir aus, was alles passieren kann, wenn jemand im Winter Auto fährt. Nachts wach, dabei denke ich an Grübeln und Sorgen. Heute Nacht ist das ganz anders. Heute Nacht bleiben viele Menschen wach, aber mit Grübeln und Angst hat das nichts zu tun. Heute ist Party und Feier und Feuerwerk. Zugegeben, das ist nicht jedermanns Sache, aber wenn Sie heute Nacht nicht schlafen, dann ist es wahrscheinlich draußen einfach laut.
Im Gleichnis von den Sklaven ist von Sorgen und Angst auch keine Rede. Die Dienstboten machen ihren Job. Sie sorgen dafür, dass die Lampen brennen, sie behalten ihre Dienstbekleidung an und lauschen, ob der Hausherr nicht bald kommt. Dieses Warten ist keine sorgenvolle Angelegenheit. Ich sehe vor mir zwei oder drei Leute, die etwas trinken und sich mit einem Würfelspiel wach halten. Sie reden leise miteinander. Aber immer wieder lauschen sie auf das Klopfen an der Tür. Der Herr kommt. Sich um den Herrn Sorgen machen ist wirklich Nonsens. Er macht sich doch Sorgen um uns! Wenn Jesus Christus kommt, kommt alles in Ordnung. Selig sind die Sklaven, die der Herr wachend antrifft.
Beim ersten Lesen der Gleichnisse habe ich die Seligpreisungen nicht bemerkt! Ich war zu sehr auf das sorgenvolle Warten programmiert. Selig sind die Sklaven, die der Herr wachend antrifft. Warten und wachen kann ganz verschieden aussehen. Für die Sklaven ist wachen und warten ein ganz normaler Dienst. Sie dürfen ihre Arbeit nicht vernachlässigen. Die Lampen dürfen nicht ausgehen. Der Schlendrian darf sich nicht einschleichen, aber Stress ist das nicht. Heiter und geduldig kann man auch warten. Wenn der Hausherr kommt, dann ist die Arbeit erledigt, dann ist ausruhen und zu Bett gehen angesagt. Aber es kommt viel besser als gedacht. Wenn der Hausherr kommt, werden die Diener bedient. Dann wird nicht zu Bett gegangen, weil die Freude ausgekostet werden muss. Es macht einen Unterschied beim Warten und Wachen, ob man auf schlechte Nachrichten wartet oder auf ein Fest. Wir warten auf ein Fest, bei dem wir bedient werden. Also diese verrückte neue Welt Gottes lass ich mir gern gefallen.
Und bis dahin?
Wird es noch manche sorgenvolle Nacht geben,
werde ich mir Sorgen machen
um politische Ereignisse in dieser Welt,
werde ich mir Gedanken machen um meine Familie,
werde ich Mitleiden mit Menschen,
die auf einer brennenden Fähre um ihr Leben bangen.
Aber um im Bild des Gleichnisses zu bleiben: Ich bin nur eine Sklavin. Ich bin nicht der Lenker dieser Welt. Ich tue meine Job und sorge dafür, dass das Licht des Evangeliums nicht ausgeht. Mehr nicht. Wenn der Hausherr kommt, dann kehrt sich alles um. Dann wird alles anders. Wenn ich so daran denke, kann ich´s eigentlich kaum erwarten.
Zuerst erklärt Pastorin Handelsmann die Umstände damals, als der Predigttext verfasst wurde. Das Ziel des Gleichnisses ist, dass wir wie die Sklaven damals den Chef auch nachts erwarten. Dann werden wir die Anerkennung des Herrn geschenkt bekommen. Christen sollten ja immer in Alarmbereitschaft sein, wenn die Endereignisse, die Vollendeung der Weltgeschichte nach Teilhard de Chardin “der Punkt Omega” am Ende der Evolution, eintreffen werden. Heute gibt es schon die ständige Handy- Alarmbereitsachaft auf wichtige Nachrichten. Der Text hat daneben ein anderes Ziel: Gott der Herr wird so begeistert sein von der Wachsamkeit der erwartungsvollen Christen, dass er sie mit einem Festessen belohnt und sie bedient. Jesus wird die Christen so beschenken. Gott hat nach dem Gleichnis Humor: er kommt wie ein Einbrecher! Eine verkehrte Welt! Wir leben oft in so einer Welt. Früher waren Putin und Schröder wie Freunde. Frau Merkel spricht Russisch, aber die Verständigung klappt nicht mehr, alles verdreht. Was erwarten wir vom kommenden Jahr? Was macht uns Angst? Christen warten als Ziel nur das Heil durch ihren Freund und Erlöser Jesus wie bei einem Fest. Eine kräftige, prägnant formulierte Predigt , die hoffnugsfroh stimmt.