Hoffnung – Lob – Versöhnung
Hoffen, um nicht verrückt zu werden
Predigttext: Römer 15,4-13 Übersetzung nach (Martin Luther, Revision 2017)
4 Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben.
5 Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, wie es Christus Jesus entspricht,
6 damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.
7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre.
8 Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Beschneidung geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind;
9 die Heiden aber sollen Gott die Ehre geben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht (Psalm 18,50): »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.«
10 Und wiederum heißt es (5. Mose 32,43): »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!«
11 Und wiederum (Psalm 117,1): »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preisen sollen ihn alle Völker!«
12 Und wiederum spricht Jesaja (Jesaja 11,10): »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais, und der wird aufstehen, zu herrschen über die Völker; auf den werden die Völker hoffen.«
13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Exegetische und homiletische Hinweise zum Predigttext
Der 3. Advent steht in der Spannung zwischen Niedergeschlagenheit und Trost, zwischen Verheißung und Erfüllung. Mit Jesaja 40 werden Trost und Verheißung in den Blick gerückt. Das zerschlagene Jerusalem soll getröstet werden und wird zur Freudenbotin Gottes. Es ist der Text, auf den sich das Evangelium bei Matthäus bezieht (nach dem ausdrücklichen Zitat in Matthäus 3,3).
Im Evangelium erleben wir einen geschlagenen Johannes den Täufer. Den Propheten und Freund klarer Worte plagen Zweifel. Er ist verhaftet worden, und im Gefängnis fragt er sich: War das richtig. Ist Jesus der, auf den alle gewartet haben oder kommt noch jemand anderes? Doch Jesus bleibt ihm eine klare Antwort schuldig. Johannes bekommt kein einfaches: „Ja klar, ich bin`s“. Das bliebe eine reine Behauptung von Seiten Jesu. Mit seiner Antwort lädt Jesus Johannes vielmehr dazu ein, das zu sehen, was geschieht. Dieses Geschehen soll Johannes selbst mit den Augen des Glaubens deuten. Das Himmelreich ist mit Jesus schon nahe herbei gekommen. Anschließend legt er Zeugnis ab für Johannes. Dieses gipfelt in dem Satz: „Er ist mehr als ein Prophet.“
Die Epistel ruft nun die Gemeinde selbst in die Rolle der treuen Haushalter über die Geheimnisse Gottes. Ob wir dieser Aufgabe gerecht werden, darüber urteilen aber nicht wir Menschen, sondern der Herr allein, wenn er kommt. Unsere Aufgabe ist es nur, treu zu bleiben und Gottes Wort zu halten.
Der Predigttext aus der vierten Perikopenreihe steht im 15. Kapitel des Römerbriefes und ergänzt die drei Lesungstexte des 3. Advents um einen weiteren Aspekt. Mit Kapitel 12 beginnt der zweite Hauptteil des Briefes. Während in den Kapiteln 12 und 13 allgemeine Mahnungen zu finden sind, folgen in den Kapiteln 14 und 15 spezielle Mahnungen (gerne auch als „Starke“ und „Schwache“ in Rom bezeichnet), die im Predigttext zum Abschluss kommen. Die Argumentation des Paulus ist klar und nachvollziehbar: Jesus Christus hat die Starken und die Schwachen gleichermaßen angenommen. Das ermöglicht uns die gegenseitige Annahme. Sie realisiert sich immer neu im Lob Gottes.
Paulus stellt seine Argumentation sogar in eine heilsgeschichtliche Begründung, die er mit Bibelzitaten belegt (V8-12). Gott hat die alttestamentlichen Verheißungen mit der Sendung Jesu zu seinem Volk erfüllt. Damit hat er die Erwählung Israels ist bestätigt, auch wenn die heilsgeschichtliche Erfüllung noch wartet (Röm 9-11). Gott ist gegenüber seinem Volk verlässlich und gegenüber den Heiden barmherzig. Tod und Auferstehung Jesu gelten auch allen Nichtjuden. Der Lobpreis der Heiden selbst ist ja schon in der Schrift angekündigt und führt ins gemeinsame Loben von Juden und Heiden.
Als christlicher Gemeinde ist uns die Frage der Versöhnung von Juden und Heidenchristen heute erst einmal fremd. Nichtsdestotrotz ist die Unterschiedlichkeit in verschiedenen Gemeinden - zwischen Menschen und zwischen den Konfessionen - stets ein Thema, auch und gerade im zu Ende gehenden Reformationsjahr 2017. Wie ist Versöhnung über die Unterschiede hinweg möglich? Wie ist aber auch Versöhnung in einer Welt möglich, die einerseits immer stärker zusammenwächst und sich andererseits wieder zunehmend feindlicher gegenübersteht? Wie ist Versöhnung in der Familie möglich, um in angemessener Weise das Weihnachtsfest zu feiern und sich auf das Kommen Jesu vorzubereiten? Das können Fragen sein, die in der Gemeinde da sind oder auf die Gemeinde ansprechbar ist.
Lieder:
„Mit Ernst o Menschenkinder“ (EG 10 – Wochenlied)
„Wie soll ich dich empfangen“ (EG 11)
Rache und Hoffnung
„Bis zu dem Tage, wo es Gott gefallen wird, den Menschen die Zukunft zu enthüllen, besteht die ganze menschliche Weisheit in den zwei Worten: Warten und Hoffen!“, so heißt es am Ende des Romans über den Grafen von Monte Christo von Alexandre Dumas (A. D., Der Graf von Monte Christo, Frankfurt 1978, Bd. 2, 1199). Die Geschichte des Grafen von Monte Christo alias Edmond Dantes hat mich als Jugendlicher fasziniert. Aufgrund einer Verschwörung kommt er für 14 Jahre ins Gefängnis. Während der Zeit dort wird er beinahe verrückt und will eigentlich schon Selbstmord begehen. Doch dann lernt er den Mitgefangenen Abbé Faria kennen, der beim Graben eines Fluchttunnels aus Versehen in seiner Zelle landet. Das gibt ihm neuen Lebensmut. Mit ihm gräbt er weiter an einem Fluchttunnel. Und er erkennt mit der Hilfe des Abbés, wer für seine Leidenszeit verantwortlich ist und schwört Rache. Als er schließlich entkommt, entdeckt er einen Schatz, von dem ihm der Abbé vor seinem Tod erzählt hatte, und er wird unermesslich reich. Nun sinnt er auf Rache. Aber während der Erzählung erlebt er, dass die Rache an Menschen auch immer Folgen für andere Menschen hat, die er liebt. So zweifelt er schließlich an seiner „Mission“ und wird am Ende versöhnlicher und bescheidener.
Warten und Hoffen
Seitdem lassen mich diese zwei Worte nicht mehr los. Denn immer wieder erlebe ich Situationen im Kleinen wie im Großen, die nur schwer auszuhalten sind, wo es anscheinend keine Lösung gibt. Warten ist für mich oft zu passiv. Ich würde eigentlich immer gerne etwas tun. Nur was, ist manchmal die Frage. Sich nicht blind seinen Gefühlen hingeben. Beim eigenen Tun immer die nötige Weitsicht behalten. Eher auf Versöhnung als auf Rache zu setzen. Das lehrt mich die Erzählung vom Grafen von Monte Christo. Und dass wir ohne Hoffnung wahrscheinlich verrückt würden oder gar nicht leben könnten. Denn Hoffnung hat etwas mit Zukunft zu tun. Zukunft, die wir erwarten oder wünschen. Die wir planen und gestalten wollen. Wie geht es weiter in Schule, Beruf, Familie, mit den Freunden? Was passiert im Großen? Bekommen wir eine tragfähige Regierung in Deutschland? Wie geht es mit Europa, mit der Welt weiter?
Zu all diesen Fragen, die etwas mit unserer Zukunft zu tun haben, kommen dann noch die Fragen nach dem was an Unerwartetem und Schrecklichem passieren wird. Wo zerstört eventuelle ein Unglück alle meine Planungen? Wo trifft mich das Schicksal unerwartet in seinem Lauf? Warten und hoffen, um nicht verrückt zu werden. Warten und hoffen. Damit sind wir mitten im Advent. Wir erinnern uns in dieser Zeit besonders daran, dass dieses „Hoffen“ einen guten Grund hat. Die Texte am heutigen dritten Advent erzählen in unterschiedlicher Perspektive von Hoffnung. Der Predigttext für den heutigen 3. Advent steht bei Paulus im Römerbrief im 15. Kapitel.
(Lesung des Predigttextes)
Versöhnung für alle
Die Argumentation des Paulus ist für seine Zeit klar und nachvollziehbar: Hoffnung ist allen verheißen. Jesus Christus hat alle gleichermaßen angenommen. Das ermöglicht uns die gegenseitige Annahme. Im Lob Gottes kommt dies zum Ausdruck. Paulus stellt seinem Argumentationszusammenhang sogar in eine heilsgeschichtliche Begründung, die er mit Bibelzitaten belegt. Gott hat die alttestamentlichen Verheißungen mit der Sendung Jesu zu seinem Volk erfüllt. Damit hat er die Erwählung Israels bestätigt, auch wenn die Erfüllung noch wartet.
Gott ist gegenüber seinem Volk verlässlich und barmherzig gegenüber den Heiden. Tod und Auferstehung Jesu gelten auch allen Nichtjuden. Der Lobpreis der Heiden selbst ist ja schon in der Schrift angekündigt und führt ins gemeinsame Loben von Juden und Heiden. Und irgendwann wird dieses gemeinsame Lob erklingen. Bis dahin soll Gott uns mit Freude, Frieden und Hoffnung erfüllen. Nun ist ein gutes Miteinander oder die Versöhnung von Juden- und Heidenchristen angesichts der Wiederkunft Christi nicht mehr unser Thema. Aber wie leben wir in der Hoffnung, die Gott uns schenkt? Was kann für uns heute Versöhnung heißen? Da gibt es sehr unterschiedliche Antworten.
Zeit, sich zu versöhnen
Novembergrau. Eine Frau bewegt sich im stillen Haus. Sie geht ins Zimmer ihrer Tochter. Im Rückblick sehen wir, wie sie im Streit auseinander gegangen sind. So beginnt der Werbefilm einer Supermarktkette [Penny] zu Weihnachten. Er wirbt nicht mit tollen Produkten, er wirbt mit Emotionen – und macht neugierig. Schließlich bricht die Frau auf, um ihrer Tochter eine alte Decke vorbeizubringen. Wir begleiten sie auf ihrem scheinbar langen Weg. Dabei bricht sie auf einem zugefrorenen See ein. Sinkt unter das Eis. Kann sich aber schließlich aus der Situation befreien. Nur um im nächsten Augenblick von Wölfen im Wald bedroht zu werden. Anschließend steht sie auf einem hohen Berg von Wolken und Nebel umgeben und wagt den nächsten Schritt ins Ungewisse. Da wird der Boden fest und sie steht vor der Tür ihrer Tochter. Sie klingelt.
Zeit sich zu versöhnen, steht als Überschrift über dieser Werbung. Auch in diesem Jahr machen sich Millionen Menschen auf den Weg, um sich gegenseitig zu Weihnachten zu besuchen. Vollgestopfte Autobahnen und Züge. Da liegen schnell mal die Nerven blank. Die Ansprüche sind hoch. Es soll noch mal so friedlich und geheimnisvoll wie in den Kindertagen sein. Und wenn dann auch noch Schnee fällt …
Immer wieder erleben wir das Gegenteil. Unausgesprochenes bleibt auch ungesagt. Es gärt unter der Oberfläche, weil alles ja „perfekt“ sein soll. Und wenn der Druck dann zu stark wird, knallt es.
Versöhnung an Weihnachten
Schade. Denn Weihnachten feiern wir nicht aus Perfektionsgründen. Im Gegenteil. Jesus kommt nicht in einem wohltemperierten Luxushotel zur Welt. Seine ersten Gäste sind nicht die Promis der damaligen Zeit. Die ersten Besucher sind wahrscheinlich so arm, dass sie noch nicht mal Geschenke dabei haben. Aber sie nehmen etwas mit von dem Licht, von der Freude. Sie nehmen etwas mit von der Hoffnung auf eine bessere Welt, von der Sehnsucht nach Frieden.
Das hat doch was Beruhigendes. Nicht wir müssen alles von uns aus hell machen. Weihnachten hängt nicht daran, ob wir die Gans perfekt braten oder die selbstgebackenen Kekse in entsprechender Vielfalt präsentieren.
Gott ist auf uns zugekommen. Er schenkt uns Licht in aller Finsternis und Dunkelheit der Welt. Er will sich mit uns versöhnen. Wann kann man das besser feiern als in der dunkelsten Jahreszeit? Und wie schön, wenn wir dadurch motiviert werden, es auch hell und licht werden zu lassen in unserem Leben. Mit unseren Mitteln. Für die Menschen in unserer kleinen Welt, aber auch für die Menschen weltweit, die wir durch unser Tun erreichen können.
Der weite Weg – so nah
Eine kleine Überraschung hat die Werbung noch bereit. Die Tochter öffnet. Sieht ihre Mutter, versteht ohne Worte und nimmt sie in den Arm. Am Ende fährt die Kamera von den beiden Frauen weg, und der Zuschauende sieht, dass die beiden Häuser keine zehn Meter voneinander entfernt stehen. Und ein Text wird eingeblendet: „Wie weit der Weg auch scheint, es ist Weihnachten“.
Wie weit der Weg auch scheint, es wird Weihnachten.
Warten und Hoffen , mit diesem Motto und einer interessanten Geschichte beginnt die Predigt von Pfarrer Löwensen. Darüber reflektiert der Pfarrer lebendig im Hinblick auf unseren Allteg. Warten und Hoffen, damit sind wir mitten im Advent und im Predigttext aus dem Brief an die Römer von Paulus und dem Thema Hoffnung für Juden und Heiden. Darauf zitiert der Prediger eine hoffnungsfrohe, aktuellen Geschichte von Versöhnung. Weihnachten sollten auch wir uns versöhnen, weil Jesus zu uns kommt. Von ihm bekommen wir Licht, Freude Hoffnung und Frieden. Mit dem interessanten Schluß der Geschichte schließt die Predigt ab. – Durch die beiden Geschichten gelingt es dem Pfarrer, den ja abstrakten Brieftext des Paulus lebendig zu veranschaulichen und in unsere Zeit umzusetzen. Die Weihnachtsbotschaft kommt uns durch die Predigt nahe, auch in unseren Emotionen und wir werden motiviert, das Fest zum Anlass zu nehmen, uns mit Menschen in der Nähe zu versöhnen und weiter zu hoffen .