Gottes Wirken und unsere Verpflichtung
Gott will dabeisein und mitgehen, wenn Menschen in schwierigen Lebenssituationen sind
Predigttext: Rut 1, 1 -19 (Übersetzung nach M. Luther, Revision 2017)
1 Zu der Zeit, als die Richter richteten, entstand eine Hungersnot im Lande. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog aus ins Land der Moabiter, um dort als Fremdling zu wohnen, mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen. 2 Der hieß Elimelech und seine Frau Noomi und seine beiden Söhne Machlon und Kiljon; die waren Efratiter aus Bethlehem in Juda. Und als sie ins Land der Moabiter gekommen waren, blieben sie dort. 3 Und Elimelech, Noomis Mann, starb, und sie blieb übrig mit ihren beiden Söhnen. 4 Die nahmen sich moabitische Frauen; die eine hieß Orpa, die andere Rut. Und als sie ungefähr zehn Jahre dort gewohnt hatten, 5 starben auch die beiden, Machlon und Kiljon. Und die Frau blieb zurück ohne ihre beiden Söhne und ohne ihren Mann.
6 Da machte sie sich auf mit ihren beiden Schwiegertöchtern und zog aus dem Land der Moabiter wieder zurück; denn sie hatte erfahren im Moabiterland, dass der HERR sich seines Volkes angenommen und ihnen Brot gegeben hatte. 7 Und sie ging aus von dem Ort, wo sie gewesen war, und ihre beiden Schwiegertöchter mit ihr. Und als sie unterwegs waren, um ins Land Juda zurückzukehren, 8 sprach sie zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Geht hin und kehrt um, eine jede ins Haus ihrer Mutter! Der HERR tue an euch Barmherzigkeit, wie ihr an den Toten und an mir getan habt. 9 Der HERR gebe euch, dass ihr Ruhe findet, eine jede in ihres Mannes Hause! Und sie küsste sie.
Da erhoben sie ihre Stimme und weinten 10 und sprachen zu ihr: Wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen. 11 Aber Noomi sprach: Kehrt um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Wie kann ich noch einmal Kinder in meinem Schoße haben, die eure Männer werden könnten? 12 Kehrt um, meine Töchter, und geht hin; denn ich bin nun zu alt, um wieder einem Mann zu gehören. Und wenn ich dächte: Ich habe noch Hoffnung!, und diese Nacht einem Mann gehörte und Söhne gebären würde, 13 wolltet ihr warten, bis sie groß würden? Wolltet ihr euch einschließen und keinem Mann gehören? Nicht doch, meine Töchter! Mein Los ist zu bitter für euch, denn des HERRN Hand hat mich getroffen.
14 Da erhoben sie ihre Stimme und weinten noch mehr. Und Orpa küsste ihre Schwiegermutter, Rut aber ließ nicht von ihr. 15 Sie aber sprach: Siehe, deine Schwägerin ist umgekehrt zu ihrem Volk und zu ihrem Gott; kehre auch du um, deiner Schwägerin nach. 16 Rut antwortete: Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte.
Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. 17 Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HERR tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden. 18 Als sie nun sah, dass sie festen Sinnes war, mit ihr zu gehen, ließ sie ab, ihr zuzureden. 19 So gingen die beiden miteinander, bis sie nach Bethlehem kamen.
Vorüberlegungen zum Predigttext
Der Text ist als beliebter Trauspruch bekannt und wird daher gar zu leicht in eben diesem gedanklichen Kontext gelesen. Daher ist es besonders wichtig, den Predigttext in Kontext der Weihnachtsgeschichte zu rücken. Erster Ansatz dazu ist der Stammbaum Jesus und Ruts Rolle darin. Ein zweiter Punkt, der eine Verbindung zur Weihnachtserzählung schafft, ist der Umstand, dass auch Maria, Josef und Jesus in Bethlehem keine Herberge finden, also nicht gewollt sind, aber dennoch Gott genau an diesem Ort seinen neuen Bund mit uns Menschen beginnt. Gottes Wirken an Rut und im Stall ist Zusage und Verpflichtung für uns Christen.
„Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der Herr tue mir dies und das, nur der Tod wird dich und mich scheiden.“ – Ich habe anlässlich von Hochzeiten schon sehr oft über diese Worte aus dem heutigen Predigttext gepredigt. Insbesondere bei gemischt-konfessionellen Paaren oder Paaren aus unterschiedlichen Herkunftsländern ist das ein sehr beliebter Trauspruch. Aber wie passt dieser Text nun in die Epiphaniaszeit? Ich glaube es ist dies:
I.
Die heidnische Schwiegertochter Rut, die ihrer Schwiegermutter Noomi aus dem Volk Israel sagt: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch,“ hat es in den Stammbaum Jesu im Matthäusevangelium geschafft. Sie gehört somit auch irgendwie zur Geschichte vom Kind in der Krippe. Ohne Rut, ihre Worte und ihr Leben, gäbe es keinen Jesus. So haben das die ersten Christinnen und Christen im Stammbaum Jesu ausgedrückt. So war das für sie wichtig. Wegen Menschen wie Noomi und Rut ist Gott auf die Welt gekommen. Jesus Christus, Gottes Sohn, ist für uns da. Gott sind Menschen mit Schicksalen wie Noomi und Rut wichtig. Werfen wir doch mal einen Blick darauf, was Noomi und Rut im Laufe der Geschichte alles durchmachen müssen:
Zunächst muss Noomi mit ihrer Familie weg aus ihrer Heimat Bethlehem in ein ungeliebtes fremdes Land, um nicht zu verhungern. Was ein bisschen etwas von Hohn hat, da Bethlehem übersetzt „Haus des Brotes“ bedeutet. Ausgerechnet nach Moab gehen sie, um zu überleben. Für einen frommen Juden war das fürchterlich, weil Moab für sie der Inbegriff eines verkommenen, gottfeindlichen Landes war. Doch des Elends nicht genug:
Noomis Ehemann stirbt in der Fremde, und sie verliert ihre Rechte als Ehefrau. Sie ist nur noch als Mutter ihrer Söhne geduldet. Als ihre Söhne auch noch sterben, ist sie nur noch Entrechtete, ein unwürdiger Flüchtling. Noomi gehört nicht mehr zu Israel und sie gehört nicht zu Moab. Sie ist nichts mehr, da niemand für sie eintritt. Noomi rät daher realistisch den ihr verbliebenen Schwiegertöchtern, dass sie sie auch verlassen sollen, damit sie in Moab wieder einen neuen Mann finden und damit wieder einen Rechtsstatus haben, auch wenn sie sich selbst damit ihren letzten Halt nimmt. Die jungen Frauen sollen sich nicht mehr um Noomi kümmern, sondern stattdessen lieber an sich selbst denken.
II.
Eine ihrer Schwiegertöchter folgt Noomis Rat, wie es jeder vernünftig denkende Mensch hätte machen müssen. Rut aber, die andere moabitische Schwiegertochter, sagt die Worte zu Noomi, die bis heute zu Herzen gehen: Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der Herr tue mir dies und das, nur der Tod wird dich und mich scheiden.
Rut geht mit Noomi zurück nach Bethlehem, wo sich die ganze Stadt über diese fremden Flüchtlingsfrauen aufregt. Sie gehen in die Stadt, in der später auch Maria und Josef für sich und Jesus nur einen Stall als Unterkunft finden. Diese Rut also begegnet uns dann wieder im Stammbaum Jesu. Für Menschen wie sie ist Gott selbst Mensch geworden. Rut steht mit ihren Worten und den Irrungen und Wirrungen ihres Lebens in Jesu Stammbaum für alle Fremden und Herumgeschubsten, die ihren Weg zu Gott finden.
Da, wo sich die ganze Stadt über diese fremden Flüchtlingsfrauen aufregt, wo Jesu Eltern später auch keine Herberge finden, genau da wird Gott Mensch. Dieses Bekenntnis wird in der Weihnachtsgeschichte abgelegt: Gott will dabei sein, wenn Menschen vor Hunger fliehen müssen. Gott will dabei sein, wenn Menschen durch den Tod geliebter Menschen, wie Ehepartnern und Kindern, geschlagen werden und keinen Weg mehr für sich sehen. Gott ist da für die Rechtlosen und der Menschenwürde beraubten.
III.
Noomi und Rut führen uns im heutigen Predigttext ein Menschenschicksal vor Augen, wie sie tausende Male im Laufe der Geschichte erlebt werden mussten. Mir gefällt hier, dass nüchtern und nicht geschönt ausgesprochen wird, wie das Leben laufen kann und läuft. Viele können und konnten Ähnliches, vielleicht noch Schlimmeres erzählen. Gleichzeitig nimmt es mir etwas von der Angst vor totaler Verzweiflung und Sinnlosigkeit in dieser Welt. Menschen schaffen das, mitten in so fürchterlichen Lebenslagen hilfreiche, Mut machende Worte füreinander zu finden und einander Halt und Kraft auf dem scheinbar aussichtslosen Weg zu geben: Wo du hingehst, da will ich auch hingehen.
Diese Geschichte mahnt mich aber auch, dass ich mich für die von Hunger geplagten, für in die Flucht Getriebenen, für rechtlos hin und her geschubsten Menschen einzusetzen habe. Ich merke, wie schlimm das ist, sich gegenüber Schutz suchenden Fremden, Wohnraum suchenden Familien mit Schwangeren so wie die Menschen in Bethlehem zu verhalten. Ich bewundere alle, die es besser machen, die sich einsetzen, damit Menschen wie Noomi und Rut, wie Jesu Eltern Platz bei ihnen finden, ihnen Leben ermöglicht wird. Deswegen steht Rut im Stammbaum Jesu. Die vielen Ruts dieser Welt gehören mit dazu, wenn Leben im Sinne Gottes, wie in seinem Sohn Jesus Christus möglich wird.
An dem Ort, an dem Noomi und Rut als fremde Flüchtlingsfrauen mit Argwohn betrachtet werden und keiner Lust hat, sich mit ihnen zu belasten – in Bethlehem – kommt Gottes Sohn zur Welt. Wie Rut zu Noomi so sagt Gott zu uns: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch“. So wie Noomi und Rut füreinander da waren, ist Gott für uns in Jesus Christus da – das sollen wir als Einladung verstehen, genauso füreinander da zu sein. Vielleicht kann ich das dann gelegentlich auch selbst zu Gott sagen: Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch.
Danke, liebe Kollegin Mager, für diese ansprechende und anrührende Predigt.
Ich war fast traurig, als Ihre Predigt zuende war.
Gerne hätte ich noch mehr gelesen und gehört zu der Frage:
Wer sind Noomi und Rut heute?
Sind wir vielleicht nicht manchmal auch Noomi und Rut? Heimatlos? Orientierungslos? Gerade in Zeiten von Corona …?
Ich denke, so eine tolle Predigt sollte nicht nur mit einem Appell enden, die Noomis und Ruts unserer Zeit gastfreundlich aufzunehmen.
Sondern auch mit einem Zuspruch: Da wo ich hingehe, geht auch Gott mit. Egal, was kommt …