Zuspruch und Anspruch

Notwendige Regeln

Predigttext: Epheser 5,1-9
Kirche / Ort: Lübeck
Datum: 07.03.2021
Kirchenjahr: Okuli (3. Sonntag der Passionszeit)
Autor/in: Pastor i.R. Heinz Rußmann

Predigttext: Epheser 5,1-9 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

1So ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder 2und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. 3Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört, 4auch nicht von schändlichem Tun und von närrischem oder losem Reden, was sich nicht ziemt, sondern vielmehr von Danksagung. 5Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das ist ein Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. 6Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. 7Darum seid nicht ihre Mitgenossen. 8Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts; 9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.

Überlegungen zur Predigt

Die beiden ersten Verse und der letzte Vers sind reines Evangelium. Die Verse dazwischen sind ethische Ermahnungen, die sich aus der frohen Botschaft ergeben.

Predigthilfen

Heinz Dieter Knigge in Gottesdienst Praxis Erg.band, Exegesen S. 47.

Heinz Janssen, Predigtimpuls zu Epheser 5,1-2(3-7)8-9, in: Deutsches Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt, 121. Jg., 2021, Heft 1, S. 54.

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Erstaunliche Bibel

Tiefsinnige Worte aus der Bibel können uns ermutigen, die Coronazeit auszuhalten. „Lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat.“ Dieser schöne Vers aus dem Predigttext für den Sonntag Okuli kann uns die Seele öffnen für Gottes Liebe. Bei unserer Corona-Wüstenwanderung mit ihren vielen Einschränkungen wollen solche Bibelworte uns Mut machen und helfen, mit festem Gottvertrauen weiterzugehen dem ewigen Leben entgegen.

Persönliches

Viele Christen erfuhren durch Bibelworte sogar ihr Bekehrungserlebnis. Während der Kuba-Krise, als ein Atom-Weltkrieg drohte, krempelte mir Jesus die ganze innere Haltung um. Im Manöver las ich als Wachsoldat am Elbe-Deich bei Jagd-Bomber-Geknatter über mir die Bergpredigt Jesu. Besonders beeindruckten mich mich seine Worte: „Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen“. Tief ergriff mich die Erkenntnis: Jesus hat einfach recht. Nur mit ihm kann die Menschheit überleben!“

Nach der Soldatenzeit wurde ich deshalb Theologie-Student. Eine himmlische Fügung war, dass ich mich mit dem Mitstudenten und Schachmeister Gisbert Jacoby und unserem befreundeten Friedemann, dem später bedeutenden Psychologieprofessor Schulz von Thun fast täglich zum Essen und zur Diskussion traf. Seine Gespächstherapie nach Carl Rogers hat christliche Wurzeln; sie betont liebevolle Zuwendung, aber auch kluge konstruktive Distanz. Das war für mich die allerbeste Vorbereitung für die vielen, anspruchsvollen Seelsorge- Gespräche mit alt und jung als Gemeindepastor in Lübeck. Durch diese Bekehrung zum Jesus-Jünger und durch diese Vorbildung konnte ich als Vikar und Gemeindepastor etwas von der christlichen Liebe als geliebtes Kind Gottes in meiner Gemeinde in St. Stephanus Lübeck weitergeben und die Gemeindegruppen stärken.

Besonders erfolgreich war die Jugendarbeit. Bald sammelten sich so viele Jugendliche in unserer Gemeinde, dass sich eine große Jugendgruppe bildete. Sie war so groß, dass der Gemeinderaum nicht ausreichte. Aber ein wohlhabender Unternehmer und Kirchenvorsteher ließ für sie ein eigenes Jugendzentrum bauen. Auch viele zusätzliche wilde und halbstarke Jugendliche kamen bald dazu und grölten bis in die Nacht hinein.

Da niemand einen Jugendleiter anstellte, wuchs mir die Aufgabe über den Kopf. Mit dem Gebot der Liebe, Freundlichkeit und Sanftmut in der Bergpredigt war nichts zu machen. Es drohte meine Beurlaubung und Versetzung. Da besann ich mich auf das Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ und organisierte durch Spenden und Beziehungen einen hauptamtlichen Jugendleiter. Verständnisvolle Jugendleiter setzten die Jugendarbeit mit mir fort.

Notwendige Regeln

Unsere Welt braucht dringend den Geist der Bergpredigt, aber allein mit ihr lässt sich unser Zusammenleben nicht regeln. Auch Gebote und Regeln sind für unser Zusammenleben nötig. Deswegen stehen zwischen der jubelnden Evangeliums- Frohbotschaft am Beginn und am Schluss des Predigttextes mahnende Worte, damit wir nicht unbedacht böse oder unverantwortlich handeln.

Die Aufforderung, Unzucht und Unsittlichkeit und Gier zu meiden, bleibt aktuell. Seit je gibt es in den Partnerbeziehungen Untreue und auch Ehebruch. Paare haben sich mal innig geliebt und sich eheliche Treue geschworen. Aber in langen Ehejahren kann die Begeisterung füreinander schwinden und die Kritik wachsen. Nur mit der Liebe füreinander kann eheliche Treue bewahrt werden.

Wir können uns glücklich schätzen, dass wir in einem wohlhabenden Land leben. Der Tüchtige und Fleißige kann viel erreichen. Der Normalbürger wird nicht ausgebeutet, und der sozial Schwache und Arme bekommt das Nötigste zum Leben. In meiner Gemeinde hat der schon zitierte reiche Unternehmer und Kirchenvorsteher nicht nur ein Jugendzentrum bei uns, sondern über eine Stiftung und die Diakonie Millionen für Heime für Asoziale und Heimatlose gespendet –ein Beispiel, im Sinne unseres Predigttextes Gott an die erste Stelle zu setzen.

Umgang miteinander

Aktuell ist auch heute die Aufforderung, Lügen oder Falschmeldungen zu vermeiden, die andere Menschen und Institutionen beleidigen und herabsetzen. Auch in der Politik bezichtigt man sich gegenseitig der Lüge. Verbreitet ist ebenso üble Nachrede unter Nachbarn und Arbeitskollegen.

Böse können tief verletzen, sogar jemanden erledigen. Solches Verhalten passt nicht zu unserem Christsein. Liebevoller Umgang miteinander baut auf. Manches Lob und manche konstruktive Kritik behalten wir und vergessen sie nicht, sie begleiten uns ein Leben lang.

Heute in Corona-Zeit sollten alle Christen es als ihre Aufgabe sehen, überall Menschen zu erfreuen und ihnen Glauben, Liebe und Hoffnung zu schenken. Ein freundlicher, leicht ergänzter Alltagsgruß kann schon viel bewirken, zum Beispiel: „Auf Wiedersehen, und bleiben Sie gesund …“!

Gott nachahmen

Die Bibel ermutigt uns nicht nur, sondern sie hilft uns, uns anderen Menschen von Herzen zuzuwenden. Im Predigttext werden wir aufgerufen, die christliche Gemeinschaft zu fördern. Es gibt kein intensives Christentum ohne eine Gemeinschaft. Gespräche über die Bibel, über Glauben und Leben, schaffen gute Verbindung.

Lesen wir die Bibel als Gottes gute Botschaft an uns alle! Praktizieren wir Nächstenliebe, solche Zuwendung wird heute überall sehr gebraucht. Es ist, wie wenn Gott uns bittet: Hilf mir doch, dass es weniger Leid gibt. In diesem Sinn höre ich heute die Worte aus dem Epheserbrief an: „So ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat“.

 

 

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Ein Kommentar zu “Zuspruch und Anspruch

  1. Hans-Dieter Krüger

    Eine gute Predigt, die sich am Bibeltext orientiert und die Pole „Zuspruch und Anspruch“ beispielhaft anhand der persönlichen, beruflichen Erfahrungen des Verfassers als Pastor in der Lübecker St. Stephanus-Gemeinde entfaltet. Einen hilfreichen Tipp für den täglichen Umgang miteinander hält er auch bereit: Freundlichkeit, z.B. beim Abschied mit den Worten „Auf Wiedersehen, und bleiben Sie gesund“, eine Redewendung, die wir gern gebrauchen, und für die Heinz Rußmann eine originelle Formulierung kreiert hat, die mir gefällt: „Leicht ergänzter Alltagsgruß“.

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