Nötige Neujustierung

Gottes Wort genügt

Predigttext: 2. Mose 33,18-23 (mit Einführung)
Kirche / Ort: 09322 Penig
Datum: 15.01.2023
Kirchenjahr: 2. Sonntag nach Epiphanias
Autor/in: Pfarrerin Ursula Bürger

Predigttext: 2.Mose 33,17b-23 (Übersetzung nach Martin Luther)

(17a Der HERR sprach zu Mose: Auch das, was du jetzt gesagt hast, will ich tun; 17bdenn du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen.)  18 Und Mose sprach: Laß mich deine Herrlichkeit sehen!  19 Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des HERRN: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.  20 Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. 21 Und der HERR sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen.  22 Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin.  23 Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.

Exegetische Bemerkungen zum Predigttext

Nach dem Abfall, der Anbetung des Goldenen Kalbes (Ex 32), musste JHWHs Verhältnis zu Israel und Israels zu seinem Gott neu justiert werden. Es konnte nicht einfach so weitergehen, als wäre nichts gewesen. Diese Neujustierung geschieht im ganzen Kapitel Ex 33, aus dem die Perikope Ex 33,17b-23 zum 2. So. n. Ep. genommen ist. Ohne Gottes Geleit kann Israel die Weiterwanderung nicht antreten. JHWHs lässt seine „Panim“ mitgehen. „Diese fast schon hypostasierende Verselbständigung des „Angesichtes“= Panim als einer besonderen Erscheinungsform Gottes vor Israel ist hier singulär“ (G. v. Rad, Theol. AT, I).

Zu dieser Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Gott und seinem Volk wünscht sich Mose sichtbare Zeichen. Aber das Wort, die Rede JHWHs mit Mose, muss zur Vergewisserung reichen. Gott schützt Mose, der ihn sehen will, vor seinem Lichtglanz/ seiner Herrlichkeit (kabod V. 18) bzw. seinem Angesicht (panim V. 20), weil kein Mensch das Schauen Gottes überleben würde.

Schlüsselworte im hebräischen Text sind: kabod = Gewicht(igkeit), Glanz, Herrlichkeit, panim = Angesicht/Vorderseite, ät-achorai = von hinten, Hinter-/Rückseite. V. 17b: Mit dem Reden JHWHs steht und fällt das Verhältnis zwischen JHWHs und Israel. Durch dieses Reden erkennt Israel nicht nur JHWH, sondern wird auch selbst zur Erkenntnis seiner Lage vor Gott geführt. Die Geschichte wird zum Wort, und das Wort wird zur Geschichte (vgl. Joh 1,14). So geschieht auf unspekulative Weise die Gotteserkenntnis in Israel.

Die Verkündigung des „Wortes“ bekommt hier ihr Schwergewicht. JHWH spricht mit Mose. Mose hat Gnade in Gottes Augen gefunden und wird von Gott gekannt. Deshalb redet Gott – wieder – mit ihm und verspricht Mose, mit dem Volk weiter zu ziehen. V. 18: Mose will Gottes kabod = Herrlichkeit sehen. Joh 1,14 liest sich wie eine Erfüllung dieses Wunsches: „Wir sahen seine Herrlichkeit“. In der Epiphaniaszeit legt sich diese Erinnerung nahe, obwohl auch wir „nur“ Erscheinungsformen Gottes „gesehen“ haben. V. 19: Gott verspricht, in seiner ganzen Güte an Mose vorüberzuziehen und vor ihm seinen Namen kundzutun. Das war schon ein Teilerfolg für Mose. Gott redet wieder mit ihm!

Mose war ein besonders begnadeter Mensch, aber auch er kann nicht Gottes Angesicht sehen, denn: V. 20: …niemand kann Gottes Angesicht sehen, ohne das Leben zu verlieren. JHWH schützt sein Volk selbst vor der zerstörenden Begegnung, und er trifft Vorkehrungen, dass sein Plan, Israel zu seiner Ruhe zu bringen, zum Ziel kommt.

V. 21: „Stelle dich auf den Felsen“, erhält Mose als Anweisung. Berge werden als Orte der Gottesbegegnung und Throne der Götter in vielen Kulten gesehen.

V. 22: Aber wenn Gottes Herrlichkeit vorüberzieht, will Gottes Hand Mose schützend bedecken. Gott sorgt dafür, dass sein Heilsplan zum Erfolg kommt.

V. 23: Mose darf, halb witzig vom Erzähler bemerkt, nicht das Angesicht, Panim, sondern das Hinterteil, ät-achorai, hinter ihm herschauen, wie es das Wesen aller Geschichtsschreibung und –deutung ist. Obwohl Gott mit Mose vertraut geredet hat, ist ihm die Schau der Herrlichkeit Gottes verwehrt, weil Mose das nicht überleben würde.

Hier schimmert der „deus absconditus“ durch, der dunkle, nicht bis ins letzte durchschaubare, nicht deutbare, nicht anschauliche Gott. Das ist das Problem jeder Daseinsdeutung, ob nun Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Der Mensch schaut immer hinterher. Das muss nicht in jedem Fall ein Nachsehen sein. Manchmal ist es gut, Gott nicht ins Angesicht sehen zu können. Die jüngst verstorbene Dichterin Eva Strittmatter nennt eine „Ursubstanz“, der man zwar nahekommen kann, die aber nicht fassbar ist (ich zitiere das Gedicht am Schluss meiner Predigt).

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Von bewegenden Zeiten für das Gottesvolk Israel hören wir im Predigttext. Der Auszug aus Ägypten unter Führung von Mose war mit Gottes Hilfe geschafft. Aber es kam zum Rückfall in alte Verhaltensmuster. Die Anbetung des Goldenen Kalbes macht den ganzen Zug in die Freiheit fraglich. Mose ist zornig und hat seine Mission und das Volk gründlich satt. Aber er nimmt doch wieder Kontakt mit Gott auf. Wie soll es weitergehen? Es geht nur mit einer Neujustierung nach dem Rückfall. Mose will am liebsten etwas greifbar Vorzeigbares für das Volk, das die Größe und Stärke Gottes unwiderlegbar beweist. Und Gott redet mit Mose. Sein Wort muss genügen. Mose darf Gott hinterherschauen.

Neujustierung

Wir kennen im privaten wie auch in gesellschaftlichen Bereich Umbrüche, Krisenzeiten, Aufbrüche. Mancher möchte nicht innehalten, sondern atemlos Augen zu und durch oder Schwamm drüber und weitermachen, nur in die andere Richtung. Die Erfahrung: Das funktioniert nicht. Das verdrängte Übel kommt immer wieder hoch, meist zur unpassenden Zeit. Das Volk Israel hatte den Auszug aus der Sklaverei geschafft, aber war wieder in alte Verhaltensweisen zurückgefallen. Die Anbetung des Goldenen Kalbes steht für jede Abwendung von Gott. Mose weiß nach seinem Abstieg vom Gottesberg, dass es eine Neubesinnung, eine Neuausrichtung auf den Gott geben müsse, der das Volk in die Freiheit führte.

Gott redet wieder mit Mose. Wir sagen, wenn sich zwei zerstritten haben: Die reden nicht mehr miteinander, und wenn sie sich wieder vertragen haben, sagen wir: Nun reden sie wieder miteinander. So ist es auch zwischen Gott und Mose. Mose fand Gnade vor Gott. Gott redet mit ihm. Es ist für das Volk Israel ein ganz großes Geschenk, solch einen von Gott akzeptierten Mittler zu haben. Den richtigen Vermittler zu finden, kann schon eine Sache befördern, die fest steckte. Auf Vermittlern liegen oft die letzten Hoffnungen. In Tarifstreitigkeiten, bei Eheauseinandersetzungen, bei Friedensverhandlungen,  überall werden weise und geschickte Vermittler gesucht. Israel hatte in Mose eine solche vermittelnde Person. Aber natürlich hörte das Volk nicht immer auf ihn, das Volk, der große Lümmel, der greint, wenn er nicht bekommt, was er will (H. Heine).

Suche nach etwas Greifbarem

Mose sucht nach etwas Vorzeigbarem, Greifbarem, das er dem Volk präsentieren kann, damit sie doch endlich das tun, was Gott durch ihn verkündet. Das sind priesterliche Seiten an Mose. Im Grunde sucht er ein Sakrament, das er greifbar, anfassbar immer wieder als die zugewandte Gnade den Menschen anbieten kann. „Lass mich deine Herrlichkeit schauen.“ Das wäre doch später durch Mose darstellbar, ein Kult der Anschauung Gottes. Ein angeschauter Gott, eine Gottesanschauung, wie es eine Weltanschauung gibt. Da hätte man doch etwas, ein Fundament, von dem aus sich manches bewegen ließe. Natürlich gibt es dann ein Drinnen, für die, die diese Anschauung teilen, und ein Draußen derer, die diese Anschauung nicht teilen. Sind dann die Welt und die Menschen in Gut und Böse eingeteilt, und wir gehörten zu den Insidern, den Guten?  Dem widersetzt sich der Gott Moses. Es gibt von diesem Gott keine Anschauung, er lässt sich nicht festsetzen, auch nicht im Sakrament. Denn sein Wort und Gebot muss genügen.

Sein Wort muss genügen

Dabei hat Mose nicht das Nachsehen. Er muss nur begreifen, dass Gott in seinem Wort Geschichte macht. Dieser Hauch des vorübergehenden und mit dem Wort Geschichte schreibenden Gottes muss als Vergewisserung genügen. Immer wieder war dies Menschen zu wenig. Tradition, Sakramente, Bilder können “Lebenshilfe” sein, sie können aber auch den Blick für den Weg Gottes mit uns verstellen. Nach dem „Justierungsgespräch“ zwischen Gott und Mose geht es mit Israel weiter: Es gibt neue Gesetzestafeln, einen neuen Bundesschluss und neue Bundespflichten. Es war kein Zuckerschlecken, was dann kam, aber es war eine Weg in die Freiheit mit klaren Regeln und Pflichten und einem begnadeten Mann an der Spitze. Heute kann ich mir auch eine Frau vorstellen, die in besonderer Gottesweisheit Menschen leiten kann.

 

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Ein Kommentar zu “Nötige Neujustierung

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Nach der sehr gründlichen und erhellenden Exegese zeigt Pfarrerin Bürger, wie Gott mit Mose eine Neujustierung des Glaubens mit dem Gottesvolk schafft. Mose hat eine vermittelnde Funktion. Mose muss begreifen, dass sein Wort eine vermittelnde Funktion hat und er mit seinem Wort Geschichte formt. Neue Gesetzestafeln und ein neuer Bundesschluss zeigen den Weg mit Gott und Mose in die Zukunft. Ein begnadeter Mann an der Spitze oder heute mit einer Frau an der Spitze können allezeit es eine gute Zukunft für das Gottesvolk und heute der Christen geben.

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