Predigt

Nach Anknüpfungspunkten suchen

Einfühlsam mit anderen Menschen, ihrem Denken und Glauben, umgehen

PredigttextApostelgeschichte 17,16-34
Kirche / Ort:Heidelberg
Datum:11.05.2014
Kirchenjahr:Jubilate (3. Sonntag nach Ostern)
Autor:Kirchenrat Pfarrer Heinz Janssen

Predigttext: Apostelgeschichte 17,16-34 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

16 Als aber Paulus in Athen auf sie wartete, ergrimmte sein Geist in ihm, als er die Stadt voller Götzenbilder sah. 17 Und er redete zu den Juden und den Gottesfürchtigen in der Synagoge und täglich auf dem Markt zu denen, die sich einfanden. 18 Einige Philosophen aber, Epikureer und Stoiker, stritten mit ihm. Und einige von ihnen sprachen: Was will dieser Schwätzer sagen? Andere aber: Es sieht so aus, als wolle er fremde Götter verkündigen. Er hatte ihnen nämlich das Evangelium von Jesus und von der Auferstehung verkündigt. 19 Sie nahmen ihn aber mit und führten ihn auf den Areopag und sprachen: Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du lehrst? 20 Denn du bringst etwas Neues vor unsere Ohren; nun wollen wir gerne wissen, was das ist. 21 Alle Athener nämlich, auch die Fremden, die bei ihnen wohnten, hatten nichts anderes im Sinn, als etwas Neues zu sagen oder zu hören.

22 Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, daß ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. 23 Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt. 24 Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. 25 Auch läßt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. 26 Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, 27 damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. 28 Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts. 29 Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht. 30 Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber, gebietet er den Menschen, daß alle an allen Enden Buße tun. 31 Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.

32 Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, begannen die einen zu spotten; die andern aber sprachen: Wir wollen dich darüber ein andermal weiter hören. 33 So ging Paulus von ihnen. 34 Einige Männer schlossen sich ihm an und wurden gläubig; unter ihnen war auch Dionysius, einer aus dem Rat, und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen.

Exegetische und dramaturgische Hinweise zum Predigttext

Zur Abgrenzung der Perikope

Die Perikopenordnung setzt die Vv. 28b-34 in Klammer. Aber damit klammert sie die grundlegende christologisch-soteriologische Ausrichtung des Textes aus, die zweifellos die Mitte der Areopagrede des Apostels Paulus bildet. Daraufhin will der Apostel letztlich hinaus, darauf zielt seine ganze Verkündigung. Darum sollte die Lesung des Predigttextes auf keinen Fall mit V.28a enden – oder falls die Vv.28b-34 nicht vor gelesen werden, sollten sie im Verlauf der Predigt zur Sprache gebracht werden.

Inszenierung

Für die Areopagrede empfiehlt es sich geradezu, den ganzen in Apg 17,16-34 überlieferten Text zu inszenieren, diesen durch verschiedene Stimmen (Sprecher/innen aus der Gemeinde) zu Gehör zu bringen.

Es bietet sich an, die Rede durch eine andere Stimme ein- und ausleiten zu lassen (V.16-22a/32-34). Dabei können auch einzelne Stimmen besonders verlautet werden:

„Was will dieser Schwätzer sagen?“ (V.18 Stimmen der Philosophen: Epikureer und Stoiker - damit sind die bekanntesten damaligen Philosophenschulen gemeint, wobei Lukas „kein ausgeführtes Bild geben, sondern die Szene nur skizzenhaft andeuten“ will, E. Haenchen, S.459, Anm.2).

Dann die Stimmen der anderen: „Es sieht so aus, als wolle er fremde Götter verkündigen.“ (V.18) Die Stimmen der Athener und Fremden, die darauf aus sind, Neues zu sagen bzw. Neues zu hören – „neu-“gierig sind: „Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du lehrst?“ (V.19b) Die Stimmen, die auf die Rede reagieren: Stimmen des Spottes …(V.32). Szenisch ließe sich dies so darstellen, dass der Spott gleichsam den Redner an dem Punkt unterbricht, wenn die Redestimme auf die Auferstehung der Toten zu sprechen kommt (V.31 „indem er ihn von den Toten auferweckt hat“). Andere Stimmen: "Wir wollen dich darüber ein andermal weiter hören.“ Diese Äußerung ist ambivalent. Sie könnte bedeuten, dass die Hörer/innen tatsächlich wieder das Gespräch mit Paulus aufnehmen wollen oder aber, dass sie abwinken und jede weitere Diskussion ablehnen (V.32)

Die Rede selbst (V.22b-31) liest nicht der/die Pfarrer/in, der/die sich auf die Predigt/Auslegung konzentriert, sondern ebenfalls eine andere Stimme aus der Gemeinde. Dazu bedarf es einer guten inhaltlichen Vorbereitung in Verbindung mit Sprechübungen und Mikrofonprobe. Die verschiedenen Sprecher/innen stehen am besten vor dem Altarraum, Ort der Predigt/Auslegung ist, wo möglich, die Kanzel.

Inhaltliches zur Areopagrede

Die Areopagrede bzw. -predigt ist ein Exempel für Empathie, für Anknüpfung („Aggiornamento“) an der Vorstellungswelt der Menschen, welche die Adressaten der Rede sind. Hier wird niemandem der existenzielle Ernst des Fragens nach dem Lebenssinn, des Philosophierens und theologischen Denkens, abgesprochen. Es wird vielmehr das Gespräch gesucht.

In unserem Zusammenhang ist es der Apostel Paulus, der – ergriffen von der Dynamis des Evangeliums und der Auferstehung von Jesus (V.18 vgl. Phil 3,10) – diejenigen zu überzeugen und zu gewinnen sucht, denen seine überwältigende Erfahrung und die daraus sich ergebende neue Lebensperspektive(n) noch fremd sind. Forum der Rede des Apostels ist der „Areopag“ in Athen (Areios pagos V.19), der „Areshügel“, der dem griechischen Gott Ares geweihte, nordwestlich von der Akropolis gelegene Hügel, der ebenso als der geographische Ort, der „touristische“ Anziehungspunkt, wie als Sitz der (Aufsichts-)Behörde/des Gerichts aufgefasst werden kann (W. Bauer, WbNT, 5.Aufl., Sp. 208, E. Haenchen, S.460). In der Forschung ist es umstritten, ob Paulus auf dem Areopag vor Gericht gestellt wurde (epilabomenoi V.19) und eine Verteidigungsrede hielt oder ob er in eigener Freiheit auf dem imposanten Forum „ungestört vom Marktlärm“ (E. Haenchen, S.466) das Wort ergriff.

Paulus holt seine Zuhörer/innen, die ihn unterschiedlich herausfordern, bei ihrer Religiosität ab (deisidaimon V.22, das auch „abergläubisch/dämonenfürchtig“ meinen kann, bedeutet hier im Sinne der captatio benevolentiae des Apostels Paulus „religiös/fromm“, E. Haenchen, S.461, Anm. 2). Unter ihren Heiligtümern (sebasma = „das Verehrte, der Gegenstand religiöser Verehrung, d. Heiligtum“, W. Bauer, WbNT, 5.Aufl., Sp. 1478) fand er einen Altar, der dem „Unbekannten Gott“ (Agnostos Theos) gewidmet war, und eben diesen ihnen unbekannten Gott stellt er ihnen vor, verkündigt ihnen, „was/den ihr unwissend/nicht kennend verehrt“ (agnoountes eusebeite V.23).

Der Apostel greift in seiner Rede auf die biblische Schöpfungsgeschichte Gen 1f. und Jes 42,5 zurück, d. h. er setzt bewusst das Alte/Erste Testament/die Hebräische/Griechische (LXX) Bibel voraus, um ihnen Gott als den Schöpfer der Welt (kosmos V.24) vor Augen zu stellen, und er nimmt auf das Tempelweihgebet des israelitischen Königs Salomo Bezug, um die Universalität/Ubiquität Gottes zu betonen, 1.Kön 8,27: „Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es denn dies Haus tun, das ich gebaut habe?“, vgl. Apg 17,24 „Gott wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind“. „Die Erkenntnis des wirklichen göttlichen Wesens wird…der Polemik gegen den heidnischen Tempelkult dienstbar gemacht“ (E. Haenchen, S.462).

Aber die Universalität Gottes, die unsere Vernunft weit übersteigt, bedeutet nicht, dass Gott uns Menschen fern, unerreichbar und unnahbar ist. Indem Gott aus einem Menschen (ex henos = „aus einem [Menschen]“, die Formulierung ist auf Adam (im gattungsmäßigen Sinn) zu beziehen) das ganze „Menschenvolk“ (ethnos) schuf (V.26), gab Gott seinem Geschöpf auch die Möglichkeit, den Sinn, nach Gott zu „tasten“ (so wörtlich das griechische Wort psaelaphein V.27, das Martin Luther und andere mit „fühlen“ übersetzen) und damit seiner eigentlichen Bestimmung zu entsprechen. Durch diesen heute mehr denn je aktuellen Gedanken wird die Einheit bzw. Zusammengehörigkeit der Menschheit, auch in ihrer Gottesbeziehung, herausgestellt. „Fürwahr, Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir“ (V.27f. – es sei an die wunderbare Jahreslosung vor einigen Jahren erinnert, vgl. Dtn 4,29; Jes 55,6). Paulus appelliert, indem er an den im antiken Griechentum vertrauten Gedanken, dass der Mensch mit Gott wesensverwandt sei, und zugleich an den biblischen Schöpfungsgedanken anknüpft, an die schöpfungsmäßige und nicht ableitbare Zugehörigkeit aller Menschen zu Gott, um hervorzuheben, dass Gott ganz anders ist, anders als wir Gott in unseren menschlichen Vorstellungen und in unserer Kult-/Gottesdienstpraxis sehen wollen (V.29).

Die schöpfungsgemäße Beziehung des Menschen zu Gott „besagt für Lukas nicht, daß die Menschen im rechten Verhältnis zu Gott leben“ (E. Haenchen, S. 465), sondern des „Bußetuns“, d. h. der Besinnung/Umkehr/Bekehrung/des Umdenkens/Sich-Veränderns (metanoein V.30) bedürfen. Gott ruft den Menschen in die heilsame Veränderung des Lebens und der ganzen Existenz. Es handelt sich hier um einen eschatologischen Bußruf/Ruf zur Besinnung, der die Aufmerksamkeit auf Jesus als den Weltenrichter lenken will. Gott wird „durch einen Mann“, gemeint ist Jesus (darum ergänzen einige griechische Handschriften den Namen Jesus ausdrücklich), die ganze Welt (oikumenae) richten (krinein, d. h. vor die Entscheidung für die Gerechtigkeit/das Gerechtverhalten stellen und damit auch vor die Entscheidung für oder gegen Jesus. Gott hat Jesus dadurch legitimiert, dass er ihn von den Toten „aufgestellt“ (anhistanein)/“aufstehen gemacht/auferweckt hat“ und damit jedem Menschen angeboten hat, in der Kraft dieses Glaubens zu leben (V.31).

V.32 macht deutlich, dass die Lehre/Verkündigung der Auferstehung der Toten/von den Toten „der eigentliche Stein des Anstoßes“ (E. Haenchen, S. 465) bei den Zuhörern/innen ist. Man kann sich vorstellen, was aus V.32 aber nicht eindeutig hervorgeht, dass Paulus, als er von der Auferstehung zu reden anfing, von verschiedenen Gruppen unterbrochen wurde. Szenisch (s. o. unter „Inszenierung“) ließe sich dies darstellen, wenn die Redestimme an diesen Punkt kommt (V.31 „indem er ihn von den Toten auferweckt hat“), ohne dass damit exegetisch signalisiert werden soll, dass die Rede ursprünglich noch weitergegangen und nur noch als Bruchstück erhalten sei.

V. 34 will mitteilen, dass die Apostelrede bei den Zuhörern/innen nicht nur auf Spott und Ablehnung stieß, sondern dass einige, indem sie sich Paulus eng anschlossen, glaubten (pisteuein) – unter ihnen werden namentlich „Dionysios der Areopagit“, also ein Beisitzer des Gerichts auf dem Areopag, und eine Frau Namens Damaris genannt. Es ist im Hinblick auf die Erwähnung des Glaubens nach E. Haenchen „nicht ganz sicher, ob Lukas hier mehr beschrieben fand als einen gewissen Achtungserfolg“ (S.466), weil eine Taufe nicht erwähnt ist (vgl. Apg 13,12), die das Verb pisteuein im Sinn von „Christ/in werden“ verstehen ließe.

Literatur

Das Neue Testament, übers. u. komm. V. Ulrich Wilckens, 5.Aufl., 1977. - Kommentare: E. Haenchen, KEK III, 7.Aufl., 1977. - G. Schille, ThHK 5, 3.Aufl., 1990. - A. Weiser, ÖTK 5/1.2, 2.Aufl., 1989. - J. Roloff, NTD 5, 2.Aufl., 1988.

Lieder

„Gott liebt diese Welt“ (EG 409) „Jubilate Deo" (EG 181.7, zum gleichnamigen Sonntag) „Mit Freuden zart! (EG 108, Wochenlied) „Christ ist erstanden“ (EG 99) „Gott gab uns Atem, damit wir leben“ (EG 432)

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