Nach Anknüpfungspunkten suchen
Einfühlsam mit anderen Menschen, ihrem Denken und Glauben, umgehen
Predigttext: Apostelgeschichte 17,16-34 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
16 Als aber Paulus in Athen auf sie wartete, ergrimmte sein Geist in ihm, als er die Stadt voller Götzenbilder sah. 17 Und er redete zu den Juden und den Gottesfürchtigen in der Synagoge und täglich auf dem Markt zu denen, die sich einfanden. 18 Einige Philosophen aber, Epikureer und Stoiker, stritten mit ihm. Und einige von ihnen sprachen: Was will dieser Schwätzer sagen? Andere aber: Es sieht so aus, als wolle er fremde Götter verkündigen. Er hatte ihnen nämlich das Evangelium von Jesus und von der Auferstehung verkündigt. 19 Sie nahmen ihn aber mit und führten ihn auf den Areopag und sprachen: Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du lehrst? 20 Denn du bringst etwas Neues vor unsere Ohren; nun wollen wir gerne wissen, was das ist. 21 Alle Athener nämlich, auch die Fremden, die bei ihnen wohnten, hatten nichts anderes im Sinn, als etwas Neues zu sagen oder zu hören.
22 Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, daß ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. 23 Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt. 24 Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. 25 Auch läßt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. 26 Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, 27 damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. 28 Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts. 29 Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht. 30 Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber, gebietet er den Menschen, daß alle an allen Enden Buße tun. 31 Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.
32 Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, begannen die einen zu spotten; die andern aber sprachen: Wir wollen dich darüber ein andermal weiter hören. 33 So ging Paulus von ihnen. 34 Einige Männer schlossen sich ihm an und wurden gläubig; unter ihnen war auch Dionysius, einer aus dem Rat, und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen.
Exegetische und dramaturgische Hinweise zum Predigttext
Zur Abgrenzung der Perikope
Die Perikopenordnung setzt die Vv. 28b-34 in Klammer. Aber damit klammert sie die grundlegende christologisch-soteriologische Ausrichtung des Textes aus, die zweifellos die Mitte der Areopagrede des Apostels Paulus bildet. Daraufhin will der Apostel letztlich hinaus, darauf zielt seine ganze Verkündigung. Darum sollte die Lesung des Predigttextes auf keinen Fall mit V.28a enden – oder falls die Vv.28b-34 nicht vor gelesen werden, sollten sie im Verlauf der Predigt zur Sprache gebracht werden.
Inszenierung
Für die Areopagrede empfiehlt es sich geradezu, den ganzen in Apg 17,16-34 überlieferten Text zu inszenieren, diesen durch verschiedene Stimmen (Sprecher/innen aus der Gemeinde) zu Gehör zu bringen.
Es bietet sich an, die Rede durch eine andere Stimme ein- und ausleiten zu lassen (V.16-22a/32-34).
Dabei können auch einzelne Stimmen besonders verlautet werden:
„Was will dieser Schwätzer sagen?“ (V.18 Stimmen der Philosophen: Epikureer und Stoiker - damit sind die bekanntesten damaligen Philosophenschulen gemeint, wobei Lukas „kein ausgeführtes Bild geben, sondern die Szene nur skizzenhaft andeuten“ will, E. Haenchen, S.459, Anm.2).
Dann die Stimmen der anderen:
„Es sieht so aus, als wolle er fremde Götter verkündigen.“ (V.18)
Die Stimmen der Athener und Fremden, die darauf aus sind, Neues zu sagen bzw. Neues zu hören – „neu-“gierig sind:
„Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du lehrst?“ (V.19b)
Die Stimmen, die auf die Rede reagieren:
Stimmen des Spottes …(V.32). Szenisch ließe sich dies so darstellen, dass der Spott gleichsam den Redner an dem Punkt unterbricht, wenn die Redestimme auf die Auferstehung der Toten zu sprechen kommt (V.31 „indem er ihn von den Toten auferweckt hat“).
Andere Stimmen:
"Wir wollen dich darüber ein andermal weiter hören.“ Diese Äußerung ist ambivalent. Sie könnte bedeuten, dass die Hörer/innen tatsächlich wieder das Gespräch mit Paulus aufnehmen wollen oder aber, dass sie abwinken und jede weitere Diskussion ablehnen (V.32)
Die Rede selbst (V.22b-31) liest nicht der/die Pfarrer/in, der/die sich auf die Predigt/Auslegung konzentriert, sondern ebenfalls eine andere Stimme aus der Gemeinde. Dazu bedarf es einer guten inhaltlichen Vorbereitung in Verbindung mit Sprechübungen und Mikrofonprobe. Die verschiedenen Sprecher/innen stehen am besten vor dem Altarraum, Ort der Predigt/Auslegung ist, wo möglich, die Kanzel.
Inhaltliches zur Areopagrede
Die Areopagrede bzw. -predigt ist ein Exempel für Empathie, für Anknüpfung („Aggiornamento“) an der Vorstellungswelt der Menschen, welche die Adressaten der Rede sind. Hier wird niemandem der existenzielle Ernst des Fragens nach dem Lebenssinn, des Philosophierens und theologischen Denkens, abgesprochen. Es wird vielmehr das Gespräch gesucht.
In unserem Zusammenhang ist es der Apostel Paulus, der – ergriffen von der Dynamis des Evangeliums und der Auferstehung von Jesus (V.18 vgl. Phil 3,10) – diejenigen zu überzeugen und zu gewinnen sucht, denen seine überwältigende Erfahrung und die daraus sich ergebende neue Lebensperspektive(n) noch fremd sind. Forum der Rede des Apostels ist der „Areopag“ in Athen (Areios pagos V.19), der „Areshügel“, der dem griechischen Gott Ares geweihte, nordwestlich von der Akropolis gelegene Hügel, der ebenso als der geographische Ort, der „touristische“ Anziehungspunkt, wie als Sitz der (Aufsichts-)Behörde/des Gerichts aufgefasst werden kann (W. Bauer, WbNT, 5.Aufl., Sp. 208, E. Haenchen, S.460). In der Forschung ist es umstritten, ob Paulus auf dem Areopag vor Gericht gestellt wurde (epilabomenoi V.19) und eine Verteidigungsrede hielt oder ob er in eigener Freiheit auf dem imposanten Forum „ungestört vom Marktlärm“ (E. Haenchen, S.466) das Wort ergriff.
Paulus holt seine Zuhörer/innen, die ihn unterschiedlich herausfordern, bei ihrer Religiosität ab (deisidaimon V.22, das auch „abergläubisch/dämonenfürchtig“ meinen kann, bedeutet hier im Sinne der captatio benevolentiae des Apostels Paulus „religiös/fromm“, E. Haenchen, S.461, Anm. 2). Unter ihren Heiligtümern (sebasma = „das Verehrte, der Gegenstand religiöser Verehrung, d. Heiligtum“, W. Bauer, WbNT, 5.Aufl., Sp. 1478) fand er einen Altar, der dem „Unbekannten Gott“ (Agnostos Theos) gewidmet war, und eben diesen ihnen unbekannten Gott stellt er ihnen vor, verkündigt ihnen, „was/den ihr unwissend/nicht kennend verehrt“ (agnoountes eusebeite V.23).
Der Apostel greift in seiner Rede auf die biblische Schöpfungsgeschichte Gen 1f. und Jes 42,5 zurück, d. h. er setzt bewusst das Alte/Erste Testament/die Hebräische/Griechische (LXX) Bibel voraus, um ihnen Gott als den Schöpfer der Welt (kosmos V.24) vor Augen zu stellen, und er nimmt auf das Tempelweihgebet des israelitischen Königs Salomo Bezug, um die Universalität/Ubiquität Gottes zu betonen, 1.Kön 8,27: „Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es denn dies Haus tun, das ich gebaut habe?“, vgl. Apg 17,24 „Gott wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind“. „Die Erkenntnis des wirklichen göttlichen Wesens wird…der Polemik gegen den heidnischen Tempelkult dienstbar gemacht“ (E. Haenchen, S.462).
Aber die Universalität Gottes, die unsere Vernunft weit übersteigt, bedeutet nicht, dass Gott uns Menschen fern, unerreichbar und unnahbar ist. Indem Gott aus einem Menschen (ex henos = „aus einem [Menschen]“, die Formulierung ist auf Adam (im gattungsmäßigen Sinn) zu beziehen) das ganze „Menschenvolk“ (ethnos) schuf (V.26), gab Gott seinem Geschöpf auch die Möglichkeit, den Sinn, nach Gott zu „tasten“ (so wörtlich das griechische Wort psaelaphein V.27, das Martin Luther und andere mit „fühlen“ übersetzen) und damit seiner eigentlichen Bestimmung zu entsprechen. Durch diesen heute mehr denn je aktuellen Gedanken wird die Einheit bzw. Zusammengehörigkeit der Menschheit, auch in ihrer Gottesbeziehung, herausgestellt. „Fürwahr, Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir“ (V.27f. – es sei an die wunderbare Jahreslosung vor einigen Jahren erinnert, vgl. Dtn 4,29; Jes 55,6). Paulus appelliert, indem er an den im antiken Griechentum vertrauten Gedanken, dass der Mensch mit Gott wesensverwandt sei, und zugleich an den biblischen Schöpfungsgedanken anknüpft, an die schöpfungsmäßige und nicht ableitbare Zugehörigkeit aller Menschen zu Gott, um hervorzuheben, dass Gott ganz anders ist, anders als wir Gott in unseren menschlichen Vorstellungen und in unserer Kult-/Gottesdienstpraxis sehen wollen (V.29).
Die schöpfungsgemäße Beziehung des Menschen zu Gott „besagt für Lukas nicht, daß die Menschen im rechten Verhältnis zu Gott leben“ (E. Haenchen, S. 465), sondern des „Bußetuns“, d. h. der Besinnung/Umkehr/Bekehrung/des Umdenkens/Sich-Veränderns (metanoein V.30) bedürfen. Gott ruft den Menschen in die heilsame Veränderung des Lebens und der ganzen Existenz. Es handelt sich hier um einen eschatologischen Bußruf/Ruf zur Besinnung, der die Aufmerksamkeit auf Jesus als den Weltenrichter lenken will. Gott wird „durch einen Mann“, gemeint ist Jesus (darum ergänzen einige griechische Handschriften den Namen Jesus ausdrücklich), die ganze Welt (oikumenae) richten (krinein, d. h. vor die Entscheidung für die Gerechtigkeit/das Gerechtverhalten stellen und damit auch vor die Entscheidung für oder gegen Jesus. Gott hat Jesus dadurch legitimiert, dass er ihn von den Toten „aufgestellt“ (anhistanein)/“aufstehen gemacht/auferweckt hat“ und damit jedem Menschen angeboten hat, in der Kraft dieses Glaubens zu leben (V.31).
V.32 macht deutlich, dass die Lehre/Verkündigung der Auferstehung der Toten/von den Toten „der eigentliche Stein des Anstoßes“ (E. Haenchen, S. 465) bei den Zuhörern/innen ist. Man kann sich vorstellen, was aus V.32 aber nicht eindeutig hervorgeht, dass Paulus, als er von der Auferstehung zu reden anfing, von verschiedenen Gruppen unterbrochen wurde. Szenisch (s. o. unter „Inszenierung“) ließe sich dies darstellen, wenn die Redestimme an diesen Punkt kommt (V.31 „indem er ihn von den Toten auferweckt hat“), ohne dass damit exegetisch signalisiert werden soll, dass die Rede ursprünglich noch weitergegangen und nur noch als Bruchstück erhalten sei.
V. 34 will mitteilen, dass die Apostelrede bei den Zuhörern/innen nicht nur auf Spott und Ablehnung stieß, sondern dass einige, indem sie sich Paulus eng anschlossen, glaubten (pisteuein) – unter ihnen werden namentlich „Dionysios der Areopagit“, also ein Beisitzer des Gerichts auf dem Areopag, und eine Frau Namens Damaris genannt. Es ist im Hinblick auf die Erwähnung des Glaubens nach E. Haenchen „nicht ganz sicher, ob Lukas hier mehr beschrieben fand als einen gewissen Achtungserfolg“ (S.466), weil eine Taufe nicht erwähnt ist (vgl. Apg 13,12), die das Verb pisteuein im Sinn von „Christ/in werden“ verstehen ließe.
Literatur
Das Neue Testament, übers. u. komm. V. Ulrich Wilckens, 5.Aufl., 1977. - Kommentare: E. Haenchen, KEK III, 7.Aufl., 1977. - G. Schille, ThHK 5, 3.Aufl., 1990. - A. Weiser, ÖTK 5/1.2, 2.Aufl., 1989. - J. Roloff, NTD 5, 2.Aufl., 1988.
Lieder
„Gott liebt diese Welt“ (EG 409)
„Jubilate Deo" (EG 181.7, zum gleichnamigen Sonntag)
„Mit Freuden zart! (EG 108, Wochenlied)
„Christ ist erstanden“ (EG 99)
„Gott gab uns Atem, damit wir leben“ (EG 432)
Wer kennt nicht das Gefühl der Sprachlosigkeit und inneren Leere, wenn wir mit einem anderen Menschen über Gott, unseren Glauben, über das, was uns umtreibt und was uns trägt, sprechen möchten! “Fürwahr, GOTT ist nicht ferne von einem jeden unter uns…” – werbend rief der Apostel Paulus diese Worte seiner berühmten Areopagrede vor nahezu zwei Jahrtausenden in Athen aus. Sein Besuch in Athen datiert in die Zeit seiner zweiten Missionsreise. Wenn wir auch wahrscheinlich nicht den genauen Wortlaut seiner Rede vor uns haben, so können wir ihr doch etwas von dem missionarischen Eifer abspüren, an den der Evangelisten Lukas die jungen christlichen Gemeinden offenbar erinnern will, um sie damit zu ermutigen, von ihrem Glauben zu reden und ihre Glaubenserfahrung weiterzugeben. Über den aktuellen Anlass der Rede, einer leidenschaftlichen Predigt, erfahren wir aus dem Zusammenhang, dass der Apostel auf dem Weg durch das altehrwürdige Athen war, das damals als “Metropole des antiken Geistes” galt. Das kulturelle und religiöse Leben musste für viele beeindruckend gewesen sein. Auch Paulus konnte sich diesem Eindruck bestimmt nicht ganz entziehen. Aber es waren die vielen Götterstatuen und Götterbilder, die ihn so richtig wütend/zornig machten. Unmöglich für den Apostel, dazu zu schweigen.
An-reiz des Neuen
Paulus suchte darüber in der Synagoge ebenso wie draußen in der größeren Öffentlichkeit des Marktplatzes das Gespräch. Zu seinen Gesprächspartnern gehörten Juden und religiös gesinnte Nichtjuden, die der Evangelist ausdrücklich nennt. Es kam dabei zu Auseinandersetzungen mit einigen Philosophen, den Epikureern und Stoikern, die damals viel beachtete Philosophenschulen waren. Die einen werteten ab, was Paulus sagte: „Was will denn dieser (Klug-)Schwätzer?“ Andere meinten, er wolle fremde Götter verkündigen. Bei den Athenern und Fremden (Gästen/Touristen?) stieß das Neue, das Paulus zu sagen hatte, zunächst einfach um der Neuigkeit willen durchaus auf Interesse. Sie „hatten nichts anderes im Sinn, als etwas Neues zu sagen oder zu hören”, erklärt Lukas. Wir können es verstehen: Das Neue hat die Menschen schon immer gereizt, und das ist heute nicht anders. Dies war die Chance des Apostels „das Evangelium von Jesus und von der Auferstehung” zu “verkündigen” (Vers 18). Aber wie diese unerhörte Botschaft den Menschen in Athen nahebringen? – Der Apostel sucht nach Anknüpfungspunkten. Der Bibeltext lässt vermuten, dass er die Menschen nicht überrumpeln will, sondern sie gleichsam abholen, sich in ihre Kultur und Religion einfühlen. Paulus geht klug auf ihre Gedanken ein, und er argumentiert. Es liegt ihm alles daran, Jesus ins Gespräch zu bringen, und er erweist sich dabei als sehr geschickt – hören wir:
“Ihr Leute von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt”(Vers 22f.). Mit welchem Gespür geht Paulus, der Völkerapostel, auf die Menschen in Athen ein! In dem von den Athenern dem unbekannten Gott gewidmeten Altar entdeckt der Apostel den “Anknüpfungspunkt”, die Möglichkeit, den Gott zu verkündigen, der sein Gesicht in der Person Jesu von Nazareth zeigte.
An-knüpfungen
Der Apostel kann an Gedanken bekannter Philosophen anknüpfen und durchdringt sie aus der Sicht des Glaubens, vertieft und korrigiert sie: “Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie leben sollen, damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten…“ (V.24-27) Die Unmöglichkeit der Gottesverehrung in Tempeln, die von Menschenhand gebaut sind, – solche oder ähnliche Überzeugungen waren in der zeitgenössischen Philosophie geläufig. Paulus stellt diese Gedanken in den biblischen Zusammenhang, er erinnert an König Salomo, als dieser den Tempel in Jerusalem einweihte und betete: “Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?”(1. Könige 8, 27).
Aber diese Universalität Gottes, die unsere Vernunft weit übersteigt, bedeutet für Paulus nicht, dass Gott uns Menschen fern, unerreichbar und unnahbar ist. Indem Gott den Menschen schuf, gab Gott seinem Geschöpf auch die Möglichkeit, den Sinn, nach Gott zu „tasten“ (so wörtlich das griechische Wort, das Martin Luther und andere mit „fühlen“ übersetzen) und damit seiner eigentlichen Bestimmung zu entsprechen. Damit sagt/verkündigt Paulus: Alle Menschen gehören zusammen, weil sie Geschöpfe Gottes und durch diese Gottesbeziehung miteinander verbunden sind. Die schöpfungsmäßige Zugehörigkeit aller Menschen zu Gott ist unableitbar und unteilbar, sie geht von Gott aus und nicht von uns Menschen, vom Schöpfer und nicht von seinen Geschöpfen. In diesem Sinn ruft Paulus aus: „Fürwahr, Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir“. (V.27f.) Die bei griechischen Philosophen und Dichtern damals oft zitierte Verwandtschaft des Menschen mit Gott bekräftigt Paulus sogar, um sie dann auf den biblischen Gedanken der Gottesebenbildlichkeit des Menschen zurückzuführen – “und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn…”(1. Mose 1, 27)
Wende-punkt
Dem Wesen des wahren Gottes stellt Paulus die Nichtigkeit der in Athen verehrten Götter gegenüber, der Gottesbilder, die Menschenwerk sind – “durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht” (Vers 29). Ihn, den wahren Gott, gilt es zu erkennen. Vorbei „die Zeit der Unwissenheit“, betont der Apostel. Ich habe eine gute neue Nachricht für euch! Die Zeit der Unwissenheit über Gott ist durch einen einzigen Menschen, Jesus, zu Ende. Eure Chance! Gott mitten unter uns, in unserer Lebenswirklichkeit und Lebendigkeit. Welch ein Wendepunkt in deinem Leben, wenn du diese Neuigkeit verstehst. Alles kehrt sich um, Paulus hat es selbst leibhaftig erfahren. Der Wochenspruch fasst diese Erfahrung mit den Worten des Apostels zusammen: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur/Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. (2.Korinther 5,17)
Darum sein leidenschaftlicher, einladender und zugleich dringlich-ernster Aufruf, sich auf dieses wirklich Neue zu besinnen, umzudenken, sich zu verändern. Gott ruft den Menschen in die heilsame Veränderung des Lebens und der ganzen Existenz. Mit diesem Buß-/Umkehrruf lenkt Paulus die Aufmerksamkeit auf Jesus als den Weltenrichter. Gott wird „durch einen Mann“, gemeint ist Jesus, die ganze Welt „richten“ – d. h. (im Sinn des griechischen Urtextes) vor die Entscheidung für die Gerechtigkeit/das Gerechtverhalten stellen und damit auch vor die Entscheidung für oder gegen Jesus. Gott hat Jesus dadurch legitimiert, dass er ihn von den Toten auferweckt hat“. Gott hat damit jedem Menschen angeboten, in der Kraft dieses Glaubens zu leben (V.31). Die Areopagrede des Apostels löste die verschiedensten Reaktionen aus. Die einen spotteten darüber, insbesondere, als Paulus von der Auferstehung der Toten predigte. Die anderen wollten den Apostel “ein andermal weiter hören” (Vers 32), wenn dieser Wunsch wirklich ernst zu nehmen war. Aber es gab auch einige, bei denen seine Predigt ankam und die dadurch zum Glauben fanden. Zwei unter ihnen nennt der Evangelist Lukas namentlich: Dionysios, ein Beisitzer der Gerichtsbehörde auf dem Areopag, und eine Frau mit Namen Damaris (Vers 34f.). Und wenn es nur ein einziger Mensch gewesen wäre – mit einem fängt es an, und andere kommen dazu!
Nach-wirkungen
Der Apostel hatte mit seiner Predigt kräftig gewirkt. Er hat dabei Widerspruch und Spott, aber auch Nachdenklichkeit und Glaube hervorgerufen. Was bewirken wir, wenn wir über Glauben und Leben miteinander ins Gespräch kommen? Könnten doch auch wir den Einen oder die Andere überzeugend gewinnen, dass sie aus ihrem „unwissenden Leben“ umkehren und sich Gott zuwenden! In unserer Christlichen Gesellschaft stehen die „Ahnungslosen“, durchaus Getauften, doch ständig neben den anderen, mit ihrem Spott oder ihrer Anlehnung oft sprachgewandter als bekennende Christen. Es war schon für Paulus nicht leicht, Menschen zu überzeugen, und es bleibt auch für uns schwer.
Wir können von Paulus vielfältig lernen. Diese Rede, diese Predigt des Apostels, kann uns ganz aktuell dazu anregen, einfühlsam, tastend, achtsam mit anderen Menschen, ihrem Denken und Glauben, umzugehen. Von Joseph Joubert, einem französischen Schriftsteller, stammt der Ausspruch: „Nicht Sieg sollte Zweck der Diskussion sein, sondern Gewinn“. Die Areopagrede kann uns dazu ermutigen, uns mit den (zeitgenössischen) philosophischen Gedanken und ideologischen Strömungen ernsthaft auseinanderzusetzen und dabei nach Anknüpfungspunkten zu suchen. Paulus folgte dem Beispiel Jesu, der auf die Menschen einging und sich ihnen voller Liebe zuwandte. Gleichzeitig kann uns die Areopagpredigt dazu veranlassen, unsere Gottesbilder, unsere Vorstellungen von Gott und unsere religiösen Gedanken immer wieder in Frage zu stellen, sie „durchkreuzen“ zu lassen, und uns durch die Verkündigung des „Evangelium(s) von Jesus und von der Auferstehung“ (Vers 18) immer wieder neu sagen zu lassen, wer Gott für uns ist und wie tröstlich nahe Gott uns ist, “denn in ihm leben, weben und sind wir” – und dieser Gott ist uns nicht mehr unbekannt, sondern bekannt durch Jesus, den er von den Toten auferweckt hat, damit wir den Mut, das Vertrauen nicht verlieren und das Angebot des Glaubens nicht ausschlagen. „Jubilate – Jauchzet Gott, alle Lande! Lobsinget zur Ehre seines Namens!“ (Psalm 66,1-2)
Eine gute, tiefsinnige, einfühlsame Predigt. Die exegetischen und homiletischen Überlegungen sind ausführlich, solide und hilfreich. Gut gelungen ist die Darstellung der “Anknüpfungspunkte”, die Paulus für seine Botschaft gesucht und die der Prediger für die heutige Verkündigungs – und Missionsarbeit fruchtbar gemacht hat : Respektvolle Kritik und liebenswerte Sympathie für religiöse Vorstellungen und philosophische Standpunkter in einem anderen Kulturkreis und die durch das Evangelium daraus weiter führende Gotteserkentnis hin zu einem lebendigen Glauben an den Auferstandenen.
Interessant ist der Vorschlag, das Geschehen auf dem Areopag mit verschiedenen Stimmen vorzutragen. Der gewünschten Aktualisierung folgend werden heutige Anliegen hinzugefügt! Wie kann der heutige Paulus ins Gespräch, in den Diskurs mit den heutigen Hörern kommen? Wie könnte jener Altar „dem unbekannten Gott“ heute aussehen?
Der Hörer wird ermutigt durch die Ansage des Autors, dass Gott auch ihm nahe ist, ja, dass der moderne Mensch IHM gehört! Und dass er, der heutige Mensch, IHN im Gottesdienst wie auch außerhalb findet.
Diese Ansagen (des Paulus) stoßen auf Reaktionen unter den Hörenden. Das ist in heutigen Gottesdiensten nicht immer der Fall! Und wenn Paulus auch nicht unbedingt ein rhetorisches Supertalent gewesen sein mag, so stand er doch hinter seiner Botschaft: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur (so der Wochenspruch).
Dem lasst uns nach-tasten, nach-fühlen, nach-spüren – Fähigkeiten des Menschlichen. Und dann das Neue, das Neue IN CHRISTUS ergreifen, dass wir „in ihm leben, weben und sind“. Jubilate Deo!
Ein aufmunternder Schlussakkord der Predigt!