Pfingstliche Kirche: „Viele Gaben – ein Geist“

Widerstand gegen zerstörerische Tendenzen des Ungeistes

Predigttext: 1. Korinther   12, 4 – 11 (mit Einführung)
Kirche / Ort: 74834 Elztal- Dallau
Datum: 24.05.2021
Kirchenjahr: Pfingstmontag
Autor/in: Pfarrerin Birgit Lallalthin
Predigttext: 1. Korinther   12, 4 – 11 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984):

Es sind verschiedene Gaben, aber es ist e i n Geist
Und es sind verschiedene Ämter, aber es ist e i n Herr.
Und es sind verschiedene Kräfte, aber es ist e i n Gott, der da wirkt alles in allen.
In einem jedem offenbart sich der Geist zum Nutzen aller.
Dem einen wird durch den Geist gegeben, von der Weisheit zu reden, dem anderen wird gegeben, von der Erkenntnis zu reden, nach demselben Geist,
einem anderen Glaube, in demselben Geist, einem anderen die Gabe, gesund zu machen, in einem anderen Geist, einem anderen die Kraft, Wunder zu tun, einem anderen prophetische Rede, einem anderen die Gabe, die Geister zu unterscheiden, einem anderen mancherlei Zungenrede, einem anderen die Gabe, sie auszulegen.
Dies alles aber wirkt derselbe eine Geist und teilt einem jeden das Seine zu, wie er will.

Hinführung zum Predigttext

Der erste Korintherbrief gehört zweifelllos zu den Herzstücken der christlichen Tradition. „Viele Gaben – ein Geist“, Motto des Predigtwortes 1. Kor 12, 4 – 11, wiederum kann als Herzstück einer Ekklesiologie gelten, bekannt, vielfach verkündigt. Kirche ist nur Kirche, wenn die unterschiedlichsten Gaben der Glaubenden, der aktiv am kirchlichen Leben Teilhabenden, ohne hierarchische Wertung zur Geltung gelangen. Soweit der Konsens

Worin kann im Jahr 2021, am Pfingstmontag eines von der Coronapandemie gebeutelten Landes, daraus Hoffnung und Glauben gepredigt werden? Die Autorin, nach über 10 Jahren  Gemeindepfarramt, über 20 Jahren in einer großen Einrichtung der Diakonie in Süddeutschland tätig, seit 1 ½ Jahren im gesundheitsbedingten Vorruhestand lebend, erkennt im Gemeinsinn, aus einem Geist, dem Heiligen Geist lebend, die Hoffnung, die verkündet werden soll.

Zeitlos aktuell, wie schon für Paulus ist die Hoffnung auf das Wirken des Heiligen Geistes, den Paulus interessanterweise nur selten (12,3) „Heilig“, sondern allein „Geist“ nennt. Schon darin darf eine gewisse Ver-weltlichung des Begriffes „Geist“ verstanden werden. Der Geist, den Paulus den zerstrittenen Korinthern in Erinnerung ruft, soll die „Pneumatika“ gegen die „Schismatika“ beleben. Andererseits gilt es, die Ekstatiker einzuhegen. Die Gaben des Geistes, die Pneumatika, nach H.Conzelmann, A.Lindemann, (Arbeitsbuch zum Neues Testament, 5.Auflage,1980, S. 214): „Thema von Kapitel 12 und 14 sind die Geistesgaben, die Pneumatika. In Korinth blühen die Ekstasen, die als unmittelbare Manifestationen des Geistes gelten. Wieder stimmt Paulus zunächst zu, er ist ja selbst Ekstatiker (14,18). Aber er betont scharf, die Ekstase allein beweise keineswegs das Walten des Geistes. Vielmehr sei sie jeweils kritisch zu prüfen – und zwar an dem objektiven Maßstab des Bekenntnisses (12,3).“

Der Geist wirkt in der Welt, er ist durch den Auferstandenen als Kennzeichen der Kirche gegeben worden. Eine eschatologische Hoffnungrechnet Paulus doch noch mit der Wiederkehr Christi im Ablauf eines Menschenalters (verhalten in Kapitel 15, vgl dazu1. Thessalonicher). Solange diese Welt dauert, leben Christen nicht entrückt, ja, sie dürfen sich vor den Verantwortungen vor und in dieser Welt nicht wegdrücken.Deshalb betont Paulus die Gaben des Geistes, die nicht nur binnenkirchlich die Christen erkennbar machen.

Exkurs

Die Frage der Einheitlichung des 1.Korintherbriefes wird vielfach diskutiert. Zu unterschiedlich sind Themen und Textblöcke. Dass sie alle von Paulus verfasst sind, steht außer Frage. Die Möglichkeit, dass verschiedene kürzere Briefe des Paulus gesammelt zusamenredigiert worden sind, ist zumindest möglich. Nochmals H.Conzelmann, A.Lindemann, (Arbeitsbuch, S.216): „Stark umstritten ist die Frage, ob der Brief literarisch einheitlich ist. In der Tat bestehen einige Spannungen: 10, 1-22 stößt sich mit Kapitel 8 und 10,23ff; Kapitel 13 steht hart zwischen Kap 12 und 14 – die Übergänge in 12,31 und 14,1 sind jedenfalls holprig; Kap 15 erscheint im Zusammenhang des ganzen Briefes isoliert…Vielmehr ist es notwendig, für die einzelnen Briefteile jeweils verschiedene Situationen zu finden.“

Wenn das Thema von Kapitel 12, 1 – 11 das Leben in der Verantwortung des Geistes ist, stellt sich homiletisch die Frage nach der Überforderung. Muss ein in christlicher Verantwortung lebender Mensch, Glied der Kirche, die vom Geist geleitet wird, perfekt sein?  Hier öffnet sich die seelsorgliche Dimension der Predigt. An der Überforderung leidet nicht nur der Christ, die Christin, sondern der moderne Mensch mit seiner Prägung. Hier tröstet Paulus. Nicht jeder, nicht jede hat alle Gaben bekommen. Nur in einem sind alle Gaben perfekt: Im Geist selber. Der Einzelne fügt sich mit den ihm verliehenen Teil-Gaben in das Ganze der Gemeinschaft ein. Somit sind Geist Gottes und Kirche eins. Erst im Zusammenklang manifestiert sich Kirche.

„Weiter – immer weiter, Über Pfingsten und den heiligen Geist in der Welt“ ist ein Beitrag von Dr Jörg Lauster, Professor für Systematische Theologie in München in Zeitzeichen 5/2021 S. 16ff überschrieben. Der Autorin war er sehr hilfreich für diese Predigtarbeit. Für an Karl Barth und Eberhard Jüngel geschulte Theolog*innen ist der Beitrag ein ungewohnter Zugang zu einer Geschichtstheologie in der Tradition Kants, Hegels und Rothes. Für eine moderne Ekklesiologie, die Verantwortung für die Gestaltung der Welt, der Zukunftsfähigkeit und Widerstand gegen zerstörerische Tendenzen übernimmt, ein mutmachender Ansatz. Hier seien nur einige Zitate von Prof Lauster zur Verdeutlichung, als Anregung zu vertiefender Lektüre:

„Die frühen Christen sahen all die Kräfte der Geistesgegenwart in der Person Jesus Christus zusammenfließen, und – das ist das Spektakuläre am frühen Christentum – sie sahen die Kraft des Geistes, der in Jesus Christus wirkte, auf sie selbst übergehen. Geistesgegenwart ist nichts, was in ferner Zukunft passiert, sie ist immer schon da. (a.a.O.S.16)

„Die göttliche Präsenz ist kein Selbstzweck. …Er (erg:Gott) erscheint, um etwas zu tun. Die Dogmatik spricht von der soteriologischen Dimension der Offenbarung und will damit sagen: Mit der Gegenwart des göttlichen Geistes zeigt sich eine Kraft, die mit dieser Welt Gutes will und sie auf dieses Gute hinbewegt.“

Über Hegel: „In seiner Geschichtsphilosophie ist Hegel ein Widerstandskämpfer gegen das Böse und Sinnlose in der Geschichte. Seine Waffe des Widerstands ist das Denken“.

Über Paul Tillich: „Er spricht von der „Anreicherung, der den Beitrag der Individuen stark aufwertet.“ (alles a.a.O.S.17)

„Mit der Kirchendepression unserer Tage scheint das nicht mehr zusammenzupassen… Wie die Errungenschaften der Moderne wachsen, die ja vor allem immer Freiheitsgewinne sind, geht es scheinbar mit der Kirche bergab.“

Dem gegenüber jedoch betont Lauster: „Tatsächlich realisiert die vermeintlich säkularisierte westliche Moderne christliche Werte in einem Ausmaß, von dem das vermeintlich so christliche Mittelalter nur hätte träumen können.“

„Denn die Moderne ist nur dann unchristlicher als frühere Epochen, wenn man Christlichkeit mit Kirchlichkeit identifiziert.“

Einen Perspektivwechsel in der Kirche vorzunehmen hilft aus der depressiven Grundstimmung, die Kirche würde an Wert verlieren, unsichtbar werden: „Die Annahme einer göttlichen Gegenwart in der Geschichte lenkt den Blick auf die Menschen, durch die der Geist in der Geschichte aufscheint. Es sind nicht die Helden der Fotos und Kameras, es sind die Helden des Alltags, und dort ist auch der Platz der Kirche.“ (alles a.a.O.S.18)

Dieser Ansatz mag zu (zweck-)optimistisch erscheinen, jedoch auch im Blick auf eine Fruchtbarmachung der Theologie Dietrich Bonhoeffers, vom Reden in Gottes Gegenwart in einer scheinbar religionslosen Zeit (D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, Gefängnisbriefe), gibt es Hoffnung, als Christ und Christin Verantwortung im Alltag zu übernehmen. Die Gaben des Geistes sind wirksam in Kirche, Diakonie, Alltag. In der Gemeinschaft des Heiligen Geistes.

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Viele, viele Frauen kennen das. Besonders die Mütter unter uns. Ja, auch ich: Die ständige Überforderung heißt: Alles  können, die großen Erwartungen erfüllen. Alles können müssen! Wobei gerade wir Mütter es doch selber sind, die uns den hohen Maßstab setzen. Ständig ein schlechtes Gewissen zu spüren, nicht genug getan zu haben.

I.

Natürlich: Die Rechte der Kinder zu erkennen, ihnen mit Liebe und Aufmerksamkeit zu begegnen. Sie verstehen, sie zu versorgen. Verständnisvoll ihrem Kummer entgegen zu wirken, zu trösten. Ja, aber auch: ihnen Grenzen zu setzen, richtige und wertvolle Maßstäbe für ihr Leben zu entwickeln. Hohe Ziele sind das!

Im Alltag ist es Arbeit, Arbeit, Arbeit. Bitte perfekt! Der größte Aufpasser dabei bin ich ja selber, ständig mit Kritik mich selber begleitend. Jetzt in diesen „Corona-Zeiten“ ist „Home-schooling“ angesagt. Eine Katastrophe wäre es, die Kinder, mein Kind, blieben abgehängt, vergessen im Bildungssystem. Also muss Mutter den Lernstoff aufholen und üben, anleiten, motivieren, Termine koordinieren, an Kita, Schule und Kinderarzt denken. Dabei ein gesundes Essen nicht vergessen, Wohnung oder Haus und Wäsche in Ordnung halten. Hier schweigen wir auch ein wenig über den scheinbar so modernen Mann und Vater, Grund für Auseinandersetzungen daheim, abends, dann, wenn eigentlich Schlafenszeit ist und alle zur Ruhe kommen sollten. Nein, die Ehe, die Beziehung darf nicht leiden. Verständnis, Liebe, Gesprächsbereitschaft ist so wichtig. Attraktiv bleiben sollte „frau“ auch. Zuviel Gewicht? Schon wieder ein Grund zur Scham. Und bei all dem auch im Beruf Erfolge haben, die Anforderungen des Business erfüllen, in allen Berufen ist das so. Klug sein, intelligent, innovativ, teamfähig.

Fühlen Sie sich angesprochen? Die Erwartungen sind groß, immens. „Was muss ich denn noch alles können!“ Wir wissen um den Stoßseufzer, die alltägliche Überforderung. Dabei, wie schon gesagt, der größte Antreiber steckt dabei in mir selbst. Wer erwartet denn die Perfektion, wenn nicht ich selber? All diese Gaben soll ich besitzen! All diese vielen Gaben! Und es ist nie genug.

II.

Nein, Paulus schreibt hier nichts vom perfekten Christen, der perfekten Christin. Er spricht ein lösendes, ein befreiendes Wort, aus dem Hamsterrad der Selbstüberforderung hinaus. All die Gaben, die wir täglich brauchen im lebendigen Miteinander, kommen nicht von meinen eigenen Kräften, sondern aus dem einen Geist, wie er ihn nennt.

Der Heilige Geist, der als Tröster, wie es im Johannesevangelium heißt, zu uns kommt, wenn Jesus nicht mehr bei uns ist, ist auch der Geist der Kraft, der Liebe, der Besonnenheit. (2. Tim 1,7) Eine Kraft von außen, nicht weil ich selber etwas Tolles zu leisten imstande bin, wird uns zugesagt: Es sind verschiedene Gaben, aber es ist ein Geist. Es sind verschiedenen Ämter, aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte, aber es ist ein Geist, der da wirkt alles in allen.(1. Kor. 12, 4 c- 6) Mich freut und befreit, dass ich alles, was so wichtig erscheint, nicht selber, aus eigener Kraft bewerkstelligen muss. Der eine Geist, in dem der Tröster gegenwärtig ist, ist der Geist der Gemeinschaft.

Jeder und jede von uns hat einen eigenen Anteil vom Geist des Ganzen bekommen. „In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller.“ (1. Kor 12,7) so schreibt es Paulus. Und der kannte seine Korinther und Korintherinnen wohl gut genug, um genau das zu betonen. Ein großer Menschenkenner war er! Er rückt auch die Maßstäbe zurecht, die manche Menschen von sich selber haben, die sich selber überschätzen, sich für zu wichtig, zu klug, zu bedeutend, – was weiß ich nicht noch alles -, halten.

Keiner und keine kann alles alleine! Vielleicht ist das besonders dort zu spüren, wo auf einmal nur noch Hilflosigkeit ist. Eine liebe Freundin erlebt gerade die vielleicht schwerste Krise ihres Lebens. Eine brutale Diagnose stellte ihr die eigene Endlichkeit vor Augen. Auf einen Schlag aus Beruf und Alltag herausgerissen, voller Sorge um die Konsequenzen der Krankheit. Dabei ist sie ein Tatmensch, sprühend vor Energie und Tatkraft, sozial, engagiert, fröhlich. Vor einigen Tagen telefonierten wir. Besuch ist zurzeit wegen des Infektionsrisikos leider gar nicht möglich. Warum berichte ich von ihr? Weil sie mitten im Gespräch eine Erkenntnis teilte: „Ich wusste gar nicht, wie viele Freunde ich habe. Ganz andere, als ich erwartet hatte“, sagte sie. Sie war völlig erstaunt. Ihr Leben, ihr vollkommen verändertes Leben mit alles Herausforderungen, schien wieder zu bewältigen zu sein. Hilfe und Freundschaft, Gaben, die sie manchen unscheinbaren Wegbegleitern und Wegbegleiterinnen nicht zugetraut hatte, erreiche sie jetzt. Sie ist dankbar, unendlich dankbar und hat wieder Kraft zum Leben.

Die Gaben innerhalb einer Gemeinschaft sind so verschieden. Niemand, kein Mann, keine Frau kann oder soll alles allein bewältigen. Vielleicht gibt es ja die große Sehnsucht in uns, bewundert zu werden für großes Können, ein Superman oder Superwoman mit Superkräften zu sein, attraktiv, smart und mit witziger Sprache. Das ist aber nichts als Phantasie. Ganz ehrlich, das erscheint mir auch gut soDenn nur in einer Gemeinschaft können die verschiedenen Gaben wachsen und zur Geltung kommen. Von vermeintlichen Supermännern wird derjenige mit weniger ausgeprägten Gaben nur an den Rand gedrängt, er oder sie bleibt stumm. Schade! Es gibt laute Gaben und es gibt leise GabenUnd: alle guten Gaben kommen aus einem Geist.

Vielleicht sind Sie inzwischen ungeduldig geworden. „Es ist Pfingsten“, sagen Sie, „da geht es doch um den Heiligen ! Geist, die Gemeinschaft der Glaubenden. Pfingsten bedeutet die Geburt der Kirche. Sie lebt aus dem Geist. Das sollte doch betont werden, im Mittelpunkt stehen. Was bisher gepredigt wurde, kann von jeder menschlichen Gemeinschaft oder Freundschaft behauptet werden!“ Da frage ich mich, ob es ein Widerspruch sein muss.

III.

Gottes Geist ist in die Welt gekommen und gilt nicht nur exklusiven Kreisen besonders frommer Menschen. So verstehe ich die Pfingstgeschichte. Als die Apostel und Apostelinnen der Urgemeinde am Laubhüttenfest der Juden in einem Haus beisammen und drinnen saßen, kam der Heilige Geist mit unbändiger Kraft über sie, trieb sie hinaus auf die Straße und zwang sie regelrecht, zu den Menschen zu sprechen, die alle keine Ahnung von Jesus Christus hatten. Sie haben sich nicht gegenseitig mit frommen Gaben beglückt, sondern ihre Botschaft der ganzen Welt, in allen verfügbaren Sprachen verkündigt.  Seit zweitausend Jahren geht diese Kraft um die Welt und sie bleibt nicht in Kirchenmauern stecken.

Sie bleibt auch nicht bei denen, die unter sich bleiben wollen, denen Sicherheit wichtiger ist als Gott. Wer von Jesus Christus begeistert ist, geht hinaus, dorthin, wo es eventuell sogar weh tut. Raus aus der Komfortzone! Und gleichzeitig tröstet der Geist die Gemeinschaft der Glaubenden untereinander. Wie gesagt, die Gaben sind verschieden: Nicht nur die Predigt des Evangeliums ist eine Gabe des Geistes, sondern auch das praktische Handeln. Der Geist zeigt sich in der Liebe und Hinwendung zu dem Menschen, der mich gerade braucht. Ein frommer Spruch ist dazu nicht unbedingt notwendig, das können andere. Der Geist bedeutet mir, zum richtigen Zeitpunkt einfach zuzuhören. Es ist nicht nur menschlicher Geist, es ist immer auch die Kraft des Heiligen Geistes, die hinter allem steht.

In der „Tafel“ oder der Obdachlosenunterkunft Lebensmittel und ein freundliches Lächeln auszugeben, ist eine Tat aus dem Heiligen Geist. Es muss nicht betont werden, wer Christ ist und wer nicht. Dort ist Kirche aktiv mitten im Alltag der Welt. Aufzudecken, wo Menschen geknechtet werden, aufzurütteln, wo die Lebensgrundlagen der Menschheit zerstört werden, ist eine Tat des Heiligen Geistes, der hinter so viel Engagement steht. Verantwortung tragen im Dienst der Allgemeinheit, dafür Kraft zu erleben, ist eine Wirkung des Heiligen Geistes. Die eigenen Grenzen zu erkennen, sie anzunehmen, einen Weg abzubrechen, der nicht mehr richtig erscheint, selbst Beziehungen mit Mut zu beenden, ist alles eine Wirksamkeit des Geistes, der in diese Welt gekommen ist, um sie zum Guten zu verändern.

Ein Pfingstfest für diese Welt will der in den Himmel gefahrene Jesus Christus, kein frömmlerisches Sich-wegducken! Viele Gaben gibt es, alle sind wertvoll, gemeinsam bilden sie die Kirche im Alltag der Welt. An vielen Orten, an kleinen und großen Plätzen in der Welt. „in einem jedem offenbart sich der Geist zum Nutzen aller“, schreibt Paulus.

Warum wird dann in den Kirchen so viel geklagt? Kirchen schrumpfen, Nachwuchs fehlt, die religiöse Sprache wird unverständlich, Sakramente nicht mehr wichtig. In den Medien wird nur über Missstände der Kirchen berichtet, Skandale überdecken alles Gute; das erreicht wurde. Immer weniger Ehrenamtliche sind bereit, sich einzusetzen. Alles das wird beklagt und lähmt gleichzeitig die Kirche.

Wenden wir den Blick auch einmal um und schauen weg aus der Binnenkirchlichkeit. Ja, es ändert sich Vieles in der Kirche, Ja, als Moralanstalt sind wir nicht mehr gefragt. Ja, die Sicherheit der Einnahmen aus Kirchensteuermitteln ist gefährdet. Liegt darin nicht auch eine Chance? Begreifen wir an diesem Pfingstfest, dass Kirche mehr ist als unsere Tradition und das Gebäude, das wir kennen.

Der Heilige Geist selber treibt uns ja heraus und will Neues schaffen. Der Platz für Christinnen und Christen ist eine Welt ohne Sicherheiten. Der Heilige Geist zeigt sich in dem, was bereits erreicht wurde, zum Beispiel in der Deklaration der Menschenrechte, deren Wurzeln im christlichen Menschenbild liegen. Dass wir gewaltfreie Zivilisationen für möglich halten, ist eine Frucht des Geistes. Die Welt als Schöpfung, deren Verwalter und nicht Ausbeuter wir Menschen sind, ist eine Erkenntnis der christliche-jüdischen Überzeugung.

Vielleicht sind wir bereits viel weiter als wir oft in unserer alltäglichen Ängstlichkeit und Beschränkung meinen. Wir starren auf die Defizite und übersehen das Gute, das gewachsen ist. Deshalb: raus aus dem Gewohnten, der Geist selber treibt uns, Neues zu entdecken. Entdecken wir die Gaben, die uns geschenkt sind. Schauen wir auf die Gemeinschaft, die uns vor Überforderung bewahrt. Nicht alles allein bewältigen! Es sind viele, viele mit auf dem Weg. Es ist die Kirche und es ist die Welt, in der die Kirche einen wichtigen Auftrag hat. Frohe Pfingsten! „Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn. Drum dankt ihm dankt, drum dankt ihm dankt, und hofft auf ihn!“ (EG 508)

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