Jetzt ist Licht und wir sehen
Gedanken zur Predigt
Zum Text: Beim Lesen der Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem (Matthäus 21,1-9) mit einer meiner Konfirmandengruppen fiel einem Mädchen die Schwierigkeit in Vv. 6-7 auf: Ist Jesus auf zwei Eseln zugleich geritten? Zur Gliederung: Ich möchte eine einfache Gliederung vornehmen: 1. sehen, 2. hören, 3. glauben Was wir in der biblischen Geschichte "sehen", ist der König der Zukunft, der in die Stadt Gottes einzieht, der Herrscher anderer Art; in ihm werden die Verheißungen Gottes lebendig. Zum Sehen muss das Wort hinzu kommen; wir hören es, wie es die Menge schrie: Sohn Davids! Die Antwort auf die Frage "Wer ist er?" muss zum Glauben führen. Es kann nicht bei der Frage bleiben, wer Jesus sei (V. 10), sondern das Erschüttertwordensein (griechisch: eseisthä) muss zu der Frage führen: Wer ist Jesus für uns, die Gemeinde?Liebe Gemeinde!
Jetzt ist es wieder hell! Die dunkeln Sonntage, die nachdenklichen, die an Welt- und Lebensende rührten, sind vorbei. Jetzt ist Licht und wir sehen! Die Kerze zum 1. Advent hilft, dass wir recht sehen. Albrecht Goes schrieb: Jetzt, wo die Jahreszeit die Welt verdunkelt, zünden wir die Kerze an, damit sie uns zum Licht der frohen Botschaft von Jesus werde.
Wir brauchen das Adventslicht, damit wir Jesus sehen. Unser Kopf ist ja so voll. Das Fernsehen stopft den Kopf zu. Wieviele schlechte Bilder sehen die Kinder! Hier im Gottesdienst möge Ruhe sein, damit wir andere Bilder sehen, bessere Bilder, die uns Jesus zeigen, den König der Zukunft, der in Jerusalem einzieht.
Schon oft ist daran erinnert worden: Jesus zieht nicht mit militärischem Pomp ein, sondern auf einem Eselsfüllen; sein Weg führt nicht zum Herrscherpalast, um einen Staatsstreich herbeizuführen, sondern zum Tempel, dass der wieder Bethaus werde und nicht Allotriabude. Da sehen wir Jesus und die Menge, die schreit: Hosanna dem Sohn Davids, gepriesen sei, der im Namen des Herrn kommt. Hosanna in den Höhen!
Nun öffnet sich unserm Sehen die große Geschichte Gottes mit seinem Volk, die Verheißungsgeschichte; sie beginnt mit Abraham und wird in Jesus, dem Sohn Davids, erfüllt. Jesus kommt im Namen des Gottes Israels, um sein Volk von ihren Sünden zu erretten und jetzt zu uns, damit wir ihn sehen. „Komm, o mein Heiland Jesus Christ, meins Herzens Tür dir offen ist…“, haben wir gesungen.
Jetzt ist wichtig, dass wir auch hören. Was geschieht hier? „Dein König kommt, Tochter Zion,“ das ist der Kosename Gottes für sein Volk. Nur, der König ist von anderer Art: „kommt ohne stolze Pracht… und stellt sich in die Mitten für uns zum Opfer ein (EG 9)“. Wir hören die frohe Botschaft, dass dieser König eine Herrschaft anderer Art heraufführen wird. Darum ist er auf dem Weg zum Tempel und nicht auf dem Weg in den Königspalast. Vom Tempel aus geschieht die Erneuerung der Welt, nicht von den Regierungspalästen, hören wir. Aber das ist ganz weit voraus gegriffen. 1. Advent reicht in der Tat ganz weit in die Zukunft.
Zeitenwende, hören wir, die Zeiten werden sich wenden, bedeutet der
1. Advent. Das kündigt sich hier an. Wie Jesus einzieht in die Stadt Gottes, so wird er am Ende aller Zeiten einziehen, um König zu sein. Der Prophet hatte es schon gesagt: „Denn ich will die Wagen wegtun aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern und seine Herrschaft wird sein von einem Meer zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde“(Sacharja 9,9ff).
Jetzt, am 1. Advent tut sich die ganz große Hoffnung auf. Alle, die auf Jesus sehen, wie wir und überall in den Gemeinden, sind eins in der Hoffnung: der, der einst in Jerusalem auf dem Eselsfüllen einzog, wird als der König kommen, und die Bitte im Vater unser erfüllen: „Dein Reich komme!“ Zeitenwende,
1. Advent.
Wir haben gesehen, wie Jesus in die Stadt Gottes einzog. Wir haben gehört, wie alle jubelten, den Sohn Davids erkannt zu haben. Wir wurden an die Verheißungen erinnert, an die lange Geschichte, wie Menschen geglaubt, wie sie vertrauten, wenn auch ihr Leben voller Mühen, voller Zweifel und voller Schuld war. Plötzlich fallen sie, die Jerusalemer, von den Höhen des Jubels runter und erregten sich wie wenn alles bebt und fragten: Wer ist der?
Was sie gesehen haben, lässt sie offenbar kalt; was sie gehört haben, findet keinen Glauben. Und dann bleibt es eben bei der Frage: „Wer ist er?“ Nur, da gibt es keine Antwort darauf; bestenfalls viele Antworten, und die verlaufen ins Nichts, weil sie beliebig sind, weil sie so oder so sein können oder noch ganz anders.
„Wer ist der“, liebe Gemeinde, der, dessen Ankunft wir feiern? Wer ist er für uns? Wer ist der für Sie? Die, die ihn sahen, erlebten eine Erschütterung, wie wenn die Erde bebt. Was könnte uns erschüttern? Jetzt wenn die Advents – und Weihnachtsfolklore abläuft, ist das Oberfläche. Aber wir, die Gemeinde, wie stehen wir vor Jesus? Zum Sehen, zum Hören, muss der Glaube dazu kommen.
Ohne Glaube bleibt es bei der Frage: „Wer ist er?“ Und es bleibt bei den vielen Antworten. Der, der einst einzog in Jerusalem, der ist auf dem Weg, um uns zu stellen. Ertappen wir uns nicht dabei, in Harmlosigkeit zu versinken, unbeteiligt und ungerührt, eben nicht zu glauben? Wen unter uns hat der Glaube erschüttert? Sind wir nicht in der Gefahr, den Glauben zu verharmlosen wie die Menge, die sich schließlich damit zufrieden gibt: „Er ist ein Prophet!“ Das ist zu wenig. Jesus kommt, damit wir glauben, dass wir Leben und Zukunft von ihm erwarten. Die jubelnde Menge mit ihren Hosannarufen hat das begriffen. Ja, er ist wirklich der, der von Gott kommt.
Wir, die Gemeinde, können uns mit der großen Verheißungsgeschichte Gottes vertraut machen. Wir können uns selber ein Bild davon machen, wer er ist. Wir können selbst Zugang finden zur Heiligen Schrift, wie es einst selbstverständlich war für evangelische Christen. Und dann Freude erfahren und Trost, die der Glaube schenkt. Wir als Gemeinde können jetzt mit dem Advent mitgehen und etwas innehalten: Was ist Jesus für mich? Bedeutet er mir etwas? Wie steht mein Leben vor Jesus? Welchen Ruf höre ich von ihm? Erfüllt mich Freude? Tröstet mich, dass Jesus kommt? „Sagt den verzagten Herzen: Seid getrost, fürchtet euch nicht! Sehet, da ist euer Gott! (Jesaja 35,4 Monatsspruch).
Auf ihn sehen wir, hören, wie er tröstet und glauben, dass er kommt.
Amen.