Es kommt ein Schiff geladen
Liedpredigt zum Adventslied EG 8
Liebe Gemeinde!
„Es kommt ein Schiff geladen…“ – Dieses bekannte volkstümliche Adventslied möchte uns einstimmen auf das Kommen Gottes. Daniel Sudermann aus Lüttich, von Beruf Erzieher in Straßburg, Anhänger Kaspar v. Schwenckfelds, der zu den führenden Persönlichkeiten der Reformation in Schlesien gehörte, und Verehrer der alten Mystiker, schrieb den Text Anfang des 17. Jhs. Als Vorlage diente ihm ein Marienlied aus dem 15.Jh.
Orgelmeditation
„Es kommt ein Schiff geladen…“ – Der Liederdichter greift das Schiff als Symbol auf, um das Kommen Gottes in die Welt darzustellen. Wir kennen die Symbolik des Schiffes aus der biblischen Geschichte von der Arche Noah: die Arche, ein schwimmender Holzkasten – Symbol für Schutz, Bewahrung und Rettung. Oder denken wir an eine andere biblische Geschichte von der Sturmstillung. Dort ist das Schiff, ein kleines Fischerboot, Symbol teils für Bedrohung und Angst vor dem Untergang, teils – und darauf läuft die Geschichte eigentlich hinaus: Symbol für Glauben, für Vertrauen auf Gott, der die Seinen in den Stürmen des Lebens nicht alleine lässt.
Das Schiff kann auch zu einem starken Symbol für unser persönliches Leben werden. Unser Lebensschiff segelt auf dem Meer der Zeit dahin, manchmal unruhig, vom Wind hin und hergetrieben, dem Schiffbruch nahe, manchmal – Gott sei Dank – auf gutem Kurs.
– Singen wir die 1.Strophe
Diese 1. Strophe stellt uns ein bis obenhin voll geladenes Schiff vor Augen. Der wichtigste Passagier ist Gottes Sohn, Er, der ganz zu Gott gehört, Er, an dem Gott Wohgefallen hat, Er, durch den Gott sich ins Gespräch bringt, um mit uns ins Gespräch zu kommen. Die Fülle seiner Gnade gibt Gott Ihm mit. Um seinen Geschöpfen seine Freundlichkeit entgegenzubringen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, ihnen sein Wort zu geben und mit ihnen zu „kommunizieren“, dafür ist Gott nichts zu schwer.
Auf welchem Schiff fühle ich mich unterwegs? Gleicht mein Lebensschiff etwa der Nussschale, die nicht gesteuert werden kann, hin und her getrieben wird und ständig umzukippen droht?
Und womit ist mein Lebensschiff geladen? Wo habe ich die Gnade Gottes erfahren?
Wenn Gott mir mein Lebensschiff mit Gnade füllen möchte -was wünsche ich mir von Ihm? (z.B. Gesundheit, gute Beziehungen zu den Kindern…)
Anne Morrow Lindbergh, die Frau des berühmten Ozeanfliegers Charles Lindbergh deutet für sich Gnade so:
„Aber zuerst will ich – und das ist das Ziel all dieser anderen Wünsche – in Einklang mit mir selbst sein. Ich wünsche eine eindeutige Sicht, Reinheit meiner Absichten, einen festen Mittelpunkt für mein Leben, die es mir ermöglichen, jene Verpflichtungen und Aufgaben so gut wie möglich zu erfüllen. Ich wünsche – um es durch einen theologischen Begriff auszudrücken -, „im Stand der Gnade“ zu leben, soweit mir das überhaupt möglich ist…Unter Gnade verstehe ich eine innere, im wesentlichen spirituelle Harmonie, die sich auch durch äußere Harmonie auszudrücken vermag. Vielleicht suche ich das, was Sokrates in seinem Gebet in PHAIDROS erflehte, wenn er sagt: „Lass den äußeren und den inneren Menschen eins werden.“ Ich will einen Zustand der Gnade erreichen, aus dem heraus ich so sein und handeln kann, wie ich in der Vorstellung Gottes sein und handeln sollte.“ (aus: A.M.Lindbergh, Muscheln in meiner Hand. Eine Antwort auf die Konflikte unseres Daseins, 16.Aufl., 1995, S.21)
Gott kommt zu uns voller Gnaden – so singt es uns der Liederdichter anschaulich zu.
– Stimmen wir in die 2. Strophe ein
„Das Schiff geht still im Triebe…“ – Gott kommt still, ohne Getöse, kommt – wie einst zu Elia – still und sanft. Jetzt lenkt der Liederdichter unsere Aufmerksamkeit auf Segel und Mast: sie sind wichtig für das Fortkommen und Steuern des Schiffes. „Das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast“ – das bedeutet: die Liebe und der heilige, gute Geist Gottes bringen unser Lebensschiff voran und halten es auf Kurs. Gott kommt mit Liebe und mit heiligem, gutem Geist – ja, welch „teure Last“!
Was ist mir teuer, kostbar, wertvoll? Was trägt mich?
– Singen wir die 3. Strophe
„Der Anker haft’ auf Erden“ – das Schiff geht vor Anker, kommt in Verbindung mit der Erde, Land ist in unmittelbarer Nähe.
Gott berührt die Erde. Seine Liebe, sein heiliger, guter Geist, nehmen Menschengestalt an, bekommen einen Leib, ein Gesicht, Augen und Ohren, Hände und Füße. Gott kommt und nimmt Verbindung mit den Menschen auf, schließt einen Bund mit ihnen und seiner ganzen Schöpfung.
Gott sucht einen Halt, und ich brauche einen Halt. Wo ist mein Lebensschiff verankert? Ohne Verankerung werde ich haltlos. Woran halte ich mich, woran mache ich mich fest? – Glauben war z.B. für Abraham ein „Sich-fest-machen“ in Gott. Es gibt einen festen Grund, auf dem mein Lebensschiff vor Anker gehen, Verbindung aufnehmen und Kraft holen kann.
– Singen wir jetzt einander die 4. Strophe zu
„Zu Bethlehem geboren im Stall ein Kindelein…“ – Dort ist der feste Grund, auf dem unser Lebensschiff – und sei es noch so oft von Stürmen bedroht – immer wieder vor Anker gehen, Rast machen darf. Der Liederdichter führt uns an den Ort neuen, werdenden Lebens.
Gott kommt – wehrlos, schutz- und liebebedürftig in einem Kind. Viele von uns kennen die Erfahrung, wie Kinder unser Leben verändern, ihm Sinn und Richtung geben können. Und sind wir uns bewußt, dass auch wir Kinder sind, Kinder Gottes? Ist das nicht ein wunderbares Bild für die Verbindung Gottes zu uns?
Und hier ist dieses Gotteskind, das sich für uns verloren gibt: „gibt sich für uns verloren; gelobet muss es sein“. Ja, es verdient unser Lob dieses Kind, dieser kommende Gott, den unser Denken nicht fassen kann, der nicht in unsere menschlichen Vorstellungen passt, der auch unserer Kirche und unserem Glauben weit voraus ist und dem wir „nach-denken“ müssen.
– Singen wir noch die beiden letzten Strophen
Gott kommt, Er kommt still, geht nicht drängend, sondern freundlich auf uns zu und schenkt uns neues Leben – das ist die Botschaft des Advent, die Daniel Sudermann mit seinem schönen Adventslied „Es kommt ein Schiff geladen“ besungen hat.
Jochen Rieß (aus: Schenk dir Zeit, S. 287) fasst diese Botschaft so zusammen: „Der kommende Gott schließt uns alle ein, ob Jude, ob Moslem, ob Christ, denn der kommende Gott ist nicht mein und dein, und er fragt nicht, was du wohl bist. Denn der kommende Gott ist für alle da, ein Gott für die ganze Welt, denn der kommende Gott ist dem Menschen nah, der sich fragt, wer die Welt erhält. Denn der kommende Gott war schon immer der Gott, den sie alle, sie alle gemeint, denn der kommende Gott ist der einzige Gott, der uns alle, uns alle, vereint.“ Amen.