“Dem Staunen und der Freude im eigenen Herzen Raum geben”

Predigttext: Lukas 2, 15-20
Kirche / Ort: Heidelberg
Datum: 25.12.2002
Kirchenjahr: Christfest (1)
Autor/in: Pfarrer Heinz Janssen

Vorbemerkung

Für die Vorbereitung der Predigt über das altbekannte Weihnachtsevangelium Lukas 2,(1-14)15-20 empfehle ich die traditions- und redaktionsgeschichtliche Auslegung von Eduard Schweizer mit wertvollen exegetischen und theologischen Hinweisen, in: NTD 3, Göttingen 1982, S. 30-35. Den Predigttext lasse ich schon an der Stelle der Lesung des Evangeliums vorlesen. In meine Predigt beziehe ich die "Kleine Weihnachtspredigt" von Franz von Assisi ein (aus: Johannes Kuhn, Kleine Weihnachtspredigt des Franz von Assisi, Lahr 1986, Verlag Ernst Kaufmann)

Predigttext Lukas 2,(1-14)15-20 (Übersetzung nach Martin Luther, rev. Fassung 1984)

(1 Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 3 Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. 4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, 5 damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. 6 Und als sie dort waren, kam die Zeit, daß sie gebären sollte. 7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. 8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.) 15 Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

zurück zum Textanfang

Liebe Gemeinde!

Wie gelangt die Weihnachtsbotschaft zu uns und wie kann sie die Festtage überdauern?

In einer “Kleine(n) Weihnachtspredigt” von Franz von Assisi, die ich mich immer wieder von neuem berührt, heißt es:

” Mit den Gestalten der Heiligen Nacht eins werden, das ist es. Man muss selber … dem Staunen und der Freude der ‘Eltern’ im eigenen Herzen Raum geben, man muss sich von den Hirten anstecken lassen.
Man muss etwas merken nach Weihnachten, dass man die Christgeburt gefeiert hat. Und man wird sich auf den Weg machen müssen…” – So Franz von Assisi in seiner “Kleine(n) Weihnachtspredigt”.

„Man muss sich von den Hirten anstecken lassen…und man wird sich auf den Weg machen müssen…” – das ist es, was uns die Botschaft von der Geburt Jesu jetzt ans Herz legt.

Warum – so möchten wir vielleicht fragen – waren es gerade Hirten, die die Weihnachtsbotschaft zuerst hörten? Warum haben sich ausgerechnet auf dem Feld zu Bethlehem der Himmel mit der Erde berührt? Vier Richtungen auf eine Antwort hin möchte ich andeuten.

1) Wir wissen: Die Hirten gehörten zu den armen Menschen. Niemand hat damals Notiz von ihnen genommen. Sie stehen im Weihnachtsevangelium für den einfachen Menschen. Wenn sie die Botschaft aufnehmen können, dann ist sie doch offenbar jedem Menschen zugänglich!

2) Die Hirten weisen im übertragenen Sinn auch auf die dunklen Seiten unseres Lebens. Sie arbeiten bei Nacht. Sie müssen sich abwechseln, denn die Herde muss betreut werden. Sie ist gefährdet, und mit den Tieren sind auch die Hirten gefährdet. So erinnern sie an die dunkle Welterfahrung, die kalte Welt voller Härte, Verständnislosigkeit und Einsamkeit, eine Welt, in der sortiert wird nach Armen und Reichen, nach Einflussreichen und nach Menschen, die keinen Einfluss haben und unbedeutend sind.

3) Die Hirten haben aber in der Bibel (des Ersten Testaments) noch eine große, besondere Bedeutung: Die Machthaber, die Könige, verstanden sich als Hirten. Damit mussten sie sich dem Anspruch stellen, das ihnen anvertraute Volk achtsam und behutsam zu leiten.

4) In diesem Zusammenhang noch ein mir wichtig gewordener Gesichspunkt zu den Hirten in der Weihnachtsgeschichte: Die Wendung “Hirte sein” hängt zusammen mit den Worten “hüten, behüten, behutsam sich sorgen um das, was mir anvertraut ist”. Denken wir an den Anfang der Bibel, an die Frage Kains: “Soll ich meines Bruders Hüter sein?” Man könnte auch übersetzen: Soll ich meines Bruders Hirte sein? – Einander behüten und so liebevoll, wie wir Kinder behüten können, miteinander umgehen, das gefällt Gott. Wie erhellend, dass Gott in der Bibel oft als Hirte Israels angesprochen wird, als Gott, der hütet, behütet, bewahrt.

Wie die Weihnachtsbotschaft in unseren Alltag hineinwirken und die Festtage überdauern kann, lässt sich an Maria beispielhaft sehen. Von ihr heißt es im Weihnachtsevangelium: Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen (Lukas 2,19). Maria wollte gleichsam festhalten und im Innersten bewahren, was sie erlebt hatte, weil sie von etwas Wunderbarem ergriffen wurde. Das musste sie – überwältigt und staunend – in ihrem Herzen bewegen, „meditieren“. Meditation bedeutet: in die Mitte, ins Zentrum, nach innen gehen – Himmel und Erde zusammenbringen, was menschlicher Verstand nicht für möglich hält, “dem Staunen und der Freude im eigenen Herzen Raum geben”.

So lasst uns nun gehen nach Bethlehem – das bedeutet für uns heute: dorthin unser Herz und Sinn richten, von woher der helle Schein, Licht, Wärme und Geborgenheit in diese Welt und unser Leben ausstrahlen. Der Lobpreis der Engel gibt uns die Orientierung: “Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden!” Amen.

zurück zum Textanfang

Ihr Kommentar zur Predigt

Ihre Emailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert.