Magier – Weise – Könige?

Predigttext: Matthäus 2, 9-10
Kirche / Ort: Dreifaltigkeitskirche / Darmstadt-Eberstadt
Datum: 05.01.2003
Kirchenjahr: 2. Sonntag nach dem Christfest
Autor/in: Prof. Prof. h.c. Dr. theol. OKR und Pfarrer i.R. Karl Dienst

Predigttext Matthäus 2,9-10 (Übersetzung nach Martin Luther, Rev 1984)

9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. 10 Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut

Exegetisch-systematische Vorbemerkungen und liturgische Hinweise

Exegetisch-systematische Vorbemerkungen 1) Die Magier sind die Hauptakteure des Abschnitts Mt 2, 1-12. Aus ihrer Perspektive werden die folgenden Ereignisse erzählt. Eine erste Szene schildert ihre Begegnung mit Herodes, eine zweite Szene ihre Begegnung mit dem Kind. Der Stern liefert das verbindende Moment und verweist auf die Führung Gottes, dessen Regie die Magier folgen. 2) Matthäus geht offenbar großzügig mit den historischen Gegebenheiten um. Der Begriff „Magier“ hatte in der hellenistischen Welt einen durchaus ambivalenten Klang. Einerseits bezeichnete er Angehörige des persischen Priesterstandes bzw. allgemein die Vertreter orientalischer Religiosität und Wissenschaft. Andererseits haftete er auch allen möglichen wandernden Scharlatanen an. Die Magier bei Matthäus erscheinen in einem positiven Licht. Daß sie die Zeichen des Himmels deuten können, weist sie eher als Vertreter einer Wissenschaftselite aus. Für Matthäus ist die Absicht leitend: Spätestens mit dieser Geschichte ist die Leserschaft darüber in Kenntnis gesetzt, wer Jesus Christus ist: Der wahre König Israels, der von den Propheten verheißene davididische Messias. Seine Ablehnung durch die Vertreter des eigenen Volkes und die Zuwendung von Gläubigen aus den Völkern deuten sich bereits an, was zur Entscheidung herausfordert (vgl. Christoph Böttrich, Themen des NT in der Grundschule, Stuttgart 2001, S. 46ff.). 3) Mag Matthäus mit der Historie großzügig umgehen: Die Perikope hat bis heute eine weitreichende Wirkungsgeschichte erlebt. Sie steht am Epiphaniasfest im Mittelpunkt und ist mit zahlreichen volkstümlichen Bräuchen verbunden, die die Vorgaben des Textes nicht genau nehmen. Dort ist weder von Königen die Rede noch von ihrer Zahl, ihrer Hautfarbe oder ihren Namen. Gerade diese „Zugaben“ machen aber nicht nur in szenischen Darstellungen am „Dreikönigsfest“ oft die Hauptsache aus. Einer meiner Kölner Kollegen sagte mir bei der Besichtigung des Domes in Köln: „Aachen hat Karl den Großen; der ist echt, aber nicht heilig. Köln hat die Heiligen Drei Könige, die sind heilig, aber nicht echt“. 4) Der Prediger sollte beachten, daß die historisch-kritische Forschung als eine wichtige Hilfe, biblische Sachverhalte sowie theologische Zusammenhänge zu klären, öfters noch nicht in die Gemeinden vorgedrungen ist. Wenn ja, dann wird sie in vielen Fällen als den Glauben zerstörend, als destruktiv angesehen. Eine Predigt über unseren Text könnte auch einen Beitrag zu der Einsicht leisten: „Jeder Text hat über seinen wissenschaftlichen Gehalt hinaus eine Bedeutung. Und beide Auslegungen dürfen nebeneinander existieren. Die Betrachtung der Bibel entweder historisch oder im Glauben ist eine Verzerrung des Christentums“ (Hermann Deuser). Liturgische Hinweise Ich empfehle die Benutzung des „Evangelischen Gottesdienstbuches" (Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die VELKD). Als Introitus eignet sich Psalm 100,1-5 ; als Lesung würde ich neben Mt 2,1-12 auch Jesaja 60,1-6 berücksichtigen. Als Lieder legen sich EG 70 (Wie schön leuchtet der Morgenstern“) und EG 71 ( O König aller Ehren) nahe.

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Liebe Gemeinde!

Diese Verse stammen aus der Geschichte von den „Weisen aus dem Morgenland“. So jedenfalls ist sie in unserer Lutherbibel überschrieben. Neben dem Propheten Jesaja Kapitel 60,3 und Psalm 72,10-11 bestimmt diese Geschichte die Epiphaniaszeit in Gottesdienst und Brauchtum in besonderer Weise.

I.

Sie kennen das bestimmt: Über Türbalken steht, mit Kreide geschrieben, die Formel: „C+M+B“, eingerahmt von der jeweiligen Jahreszahl. Diese Formel wird im Zusammenhang mit der vor allem unter katholischen Christen in der Epiphaniaszeit beliebten Haussegnung angebracht.

„C+M+B“: Was heißt das? In der Epiphaniaszeit fallen uns gleich die „Heiligen Drei Könige“ ein. Die haben doch auch Namen! C: Damit kann der Caspar, M: damit kann der Melchior, B: damit kann der Balthasar gemeint sein. Die Formel C+M+B kann so auf diese Geschichte im 2. Kapitel des Matthäusevangeliums hinweisen. So will es wenigstens der fromme Volksglaube.

Näher liegt allerdings eine andere Deutung dieses Brauches. Sie steht im Zusammenhang mit der Haussegnung. Das „Plus-Zeichen“ ist kein mathematisches Symbol, sondern ein Kreuz, und zum Segnen gehört das Schlagen des Kreuzes. Dann geht es aber bei den genannten Buchstaben wohl um die Segensformel: „Christus mansionem benedicat“; zu deutsch: „Christus segnet das Haus“!

II.

Unsere Geschichte ist in der Lutherbibel so überschrieben: „Die Weisen aus dem Morgenland“. Da kommen also „Weise“ nach Jerusalem, um dem neugeborenen König zu huldigen. Den Weg dorthin zeigt ihnen ein Stern. Sie kommen zu König Herodes, um zu erfahren, wo dieser neue König geboren ist. Von Herodes dazu veranlaßt, forschen die jüdischen Schriftgelehrten in der Bibel. Da steht es schwarz auf weiß: Der Geburtsort ist Bethlehem (Micha 5,1). Dorthin gehen diese Weisen. Sie finden das Kind in der Krippe, huldigen ihm und bringen ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe, also kostbare Dinge. Daß Herodes böse Hintergedanken hat, weil er in diesem Kind Konkurrenz wittert, daß Gott selbst die mögliche Katastrophe verhindert: das ist der dunkle Rahmen für ein helles, lichtes Bild für Gottes bewahrende Führung!

III.

Wo bleiben aber in dieser Geschichte die „Heiligen Drei Könige“? Von der Dreizahl ist da nämlich nicht die Rede! Es war wohl der Kirchenvater Origenes im 3. Jahrhundert, der die Zahl „Drei“ für diese Weisen festgesetzt hat: Dreifache Geschenke – also drei Schenkende. Das klingt plausibel. Allerdings rechnete die syrische Kirche mit zwölf Magiern, die nach Jerusalem ziehen. Die Symbolik spielt also auch hier eine Rolle.

Und die „Könige“? Bei Matthäus ist von den „Magiern“, also von Sterndeutern die Rede. Als aufgeklärte Abendländer denken wir da sofort an Unseriöses wie Horoskop, Pendeln und anderen Zauber. Wir unterscheiden heute streng zwischen „Astrologen“ und „Astronomen“. Damals unterschied man allerdings nicht so streng zwischen Astronomie und Astrologie. Immerhin wußte man aber schon in der Antike von Unterschieden, von einer „Ambivalenz“ (Zweideutigkeit) im Begriff „Magier“. Einerseits bezeichnete er Angehörige des persischen Priesterstandes bzw. allgemein die Vertreter orientalischer Religiosität und Wissenschaft, andererseits haftete er aber auch allen möglichen wandernden Scharlatanen an. Bei Matthäus erscheinen die Magier aber in einem positiven Licht. Daß sie die Zeichen des Himmels deuten können, weist sie eher als Vertreter einer Wissenschaftselite aus

Zu „Königen“ sind diese Magier allerdings erst durch die Theologie, das heißt durch die Auslegung des Alten Testaments geworden! In Jesaja 60,3 und Psalm 72 ist von „Königen“ die Rede, die „zu deinem Lichte einziehen“ und „Gaben senden“. Spätestens seit dem Mittelalter ist man sich einig: es handelt sich um Könige, die diesem Jesuskind huldigen.

Und diesen „Heiligen Drei Königen“ ist man etwas schuldig! Im Jahre 1164 hat Kaiser Friedrich Barbarossa nach der Eroberung von Mailand die dort befindlichen Reliquien der Magier als Kriegsbeute nach Köln überführen lassen. Ohne sie ist der Bau des Kölner Doms nicht denkbar. Er wurde eigens gebaut, um diese kostbare Beute aufzunehmen. Freilich ging da öfters das Geld aus, oder andere Hindernisse stellten sich dem Weiterbau in den Weg. Es war schließlich der evangelische König von Preußen, der im 19. Jahrhundert diesen Dom hat fertigstellen lassen!

Nicht nur, daß die Gebeine dieser Magier in einem prächtigen Schrein dort aufbewahrt sind. Diesen Magiern wurden auch die verschiedensten Schutzfunktionen zugesprochen: als Könige wehren sie Unglück ab, schützen sie Stall, Haus und Feldfrüchte vor Feuergefahr und bösem Wetter. Als Magier helfen sie widerspenstiges Vieh zähmen und Krankheiten abwehren.

Freilich sind die Reformatoren wie Martin Luther und Johannes Calvin gegen diesen Wunderglauben Sturm gelaufen. Auch die katholische Bibelauslegung ist da skeptisch. Bei einem Besuch im Kölner Dom sagte mein Kölner Kollege schmunzelnd zu mir: „Aachen hat Karl den Großen, der ist echt, aber (außer in Aachen) nicht heilig. Köln hat die Heiligen Drei Könige, die sind heilig, aber nicht echt“!

Für die Volksfrömmigkeit ist das Epiphaniasfest nach wie vor ein Dreikönigsfest. Das bedeutet auch dies: Jeder Bibeltext hat über seinen wissenschaftlichen Gehalt hinaus eine Bedeutung. Und beide Auslegungen dürfen nebeneinander existieren. Die Betrachtung der Bibel entweder nur historisch-kritisch oder nur im Glauben ist eine Verzerrung des Christentums. Historische Forschung kann diese Auslegung des Glaubens fördern. Es greift einfach zu kurz, wenn man sie nur als Zerstörung des Glaubens ansieht. Christlicher Glaube ist stets auch denkender Glaube.

Auch die Namen der Magier stehen nicht in der Bibel. Erst im frühen Mittelalter tauchen sie auf. Man beschrieb sogar ihr Aussehen: Caspar ist ein bartloser Jüngling, Melchior ein bärtiger Greis, Balthasar ist dunkel, später gilt er als Schwarzer. Und ihre Herkunft? Der Kirchenvater Justin nahm Arabien an. In künstlerischen Darstellungen hat sich eher Persien durchgesetzt. Im Mittelalter symbolisieren sie die universale Weltkirche, die dem Jesuskind huldigt.

IV.

Müssen wir nun als gute Protestanten eigentlich sagen: Schluß mit dieser wilden Bibelauslegung! Zurück zu der biblischen Geschichte!? Man kann es auch freundlicher sagen wie mein Kölner katholische Kollege.

Ehe wir aber losschlagen und Bilder verbrennen, sollten wir uns fragen: Warum haben die verschiedensten Generationen vor uns an dieser Geschichte gearbeitet, sie mitgeschrieben und auch umgeschrieben?

Offenbar deshalb, weil sie sich in dieser Geschichte wiederfanden! Sie haben jeweils zu ihrer Zeit diese Geschichte als ein Zeichen für Gottes Führung verstanden. Sie haben sich selbst mit ihrem Geschick in diese Geschichte eingebracht.

Sie waren überzeugt: Da geht es auch um uns, um unsere Glaubensgeschichte. Sie haben das festgehalten in ihrem Brauchtum, in Segnungen, Spielen und im Sternsingen. Eine chemisch reine Theologie rührt kaum die Herzen an, auch wenn sie notwendig ist, um immer wieder auf das Zentrum der Texte aufmerksam zu machen und Übermalungen abzutragen, damit das ursprüngliche Bild wieder leuchtet. Viele Generationen haben an dieser Geschichte mitgeschrieben. Und heute sind wir die Schreiber, die Deuter, die Sterngucker!

Mit einem Stern verbinden wir vieles: den Mercedes-Stern als guten Stern auf allen Straßen, wie ihn uns die Werbung anpreist. Das Leben unter einem guten Stern, das nicht nur Freddy Breck besingt. „Den gestirnten Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir“ – so formulierte es der Philosoph Immanuel Kant als eine Umschreibung für Gott.

Die Fußball- und Filmstars kommen uns ebenso in den Sinn wie das Verdienstkreuz mit Stern, das Sternenbanner, der Sowjetstern usw. Vielleicht aber auch jener „gelbe Stern“, der als „Judenstern“ Ausdruck von Verachtung und Tod war.

Wir stoßen vielfach auf „Sterne“. „Stern, auf den ich schaue“: In dem bekannten religiösen Volkslied ist Jesus Christus damit gemeint, ist der Stern ein Hoffnungsbild, ein Hinweis auf eine Hoffnungsgeschichte mit diesem Kind in der Krippe. Es gibt freilich auch andere Sterne, auf die wir schauen. Darüber sollten wir nachdenken.

Sterne sind Hoffnungsbilder, Hinweise auf eine Hoffnungsgeschichte. Es gibt aber auch „dunkle“, „fallende“ Sterne! Es gibt Situationen, in denen wir denken: Es muß wohl ein anderer Stern gewesen sein, als Jesus geboren wurde, als diese Weisen kamen und ihm Geschenke brachten.

In unserer Geschichte werden diese Magier nicht negativ abgestempelt und vom Jesuskind auch nicht von gottlosen Künsten bekehrt, wie manche Ausleger das wissen wollen. Es sind offenbar gescheite und fromme Heiden, die das biblisch Gebotene tun, nämlich das Jesuskind anbeten. Für den Evangelisten Matthäus ist in dieser Geschichte Gottes Führung entscheidend. Der Evangelist will, daß auch wir in unserem Leben etwas von Gottes Führung spüren, daß auch wir an dieser Geschichte mitschreiben.

Jeder von uns hat wohl seinen Stern, auf den er schaut, seine Sterne, denen er vertraut, seine Hoffnungen, die seinem Leben Sinn geben. Jeder hofft, daß für ihn die Sterne gut stehen, daß es auch für ihn „Sternstunden“ gibt.

Manchmal haben wir allerdings den Eindruck, daß uns kein Stern leuchtet!

Unsere Geschichte will uns Mut machen, daß wir um Jesu willen es für uns gelten lassen: Auch in Dunkelheiten umfängt uns das Licht aus der Krippe, scheint uns dieser Stern von Bethlehem. Gottes Führung gilt auch uns! Um dieses Kindes in der Krippe willen! Amen.

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