„Der beste und Gott wohlgefälligste Gottesdienst“
Predigttext: Matthäus 8, 1—13 (Übersetzung nach Martin Luther)
Als Jesus aber vom Berge herabging, folgte ihm viel Volks nach. Und siehe, ein Aussätziger kam und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, so du willst, kannst du mich wohl reinigen. Und Jesus streckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will es tun; sei gereinigt! Und alsbald ward er von seinem Aussatz rein. Und Jesus sprach zu ihm: Siehe zu, sage es niemand, sondern gehe hin und zeige dich dem Priester und opfere die Gäbe, die Mose befohlen hat, ihnen zum Zeugnis. Da aber Jesus hineinging nach Kapernaum, trat ein Hauptmann zu ihm, der bat ihn und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gichtbrüchig und hat große Qual. Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Denn auch ich bin ein Mensch, der Obrigkeit Untertan, und habe unter mir Kriegsknechte; und wenn ich sage zu einem: Gehe hin! so geht er; und zum ändern: Komm her! so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das! so tut es. Da das Jesus hörte, verwunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden! Aber ich sage euch: Viele werden kommen vom Osten und vom Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich sitzen; aber die Kinder des Reich es werden ausgestoßen in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappen. Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Gehe hin, dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht ward gesund zu derselben Stunde. Predigt aus: Luther Deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl für die Gegenwart, hg. v. Kurt Aland, Bd. 8, Martin Luther, Die Predigten, 2.Aufl., Stuttgart 1965, S. 88-94In diesem Evangelium sind zwei Wunderwerke: das erste von einem Aussätzigen, den der Herr vom Aussatz reinigt; das andere von einem Hauptmann, dessen kranken Knecht der Herr gesund macht. Das höchste aber und vornehmste Stück, das drinnen ist, ist, dass unser lieber Herr Jesus Christus des Hauptmanns Glauben, welcher ein Heide war, so hoch rühmt und preist und sagt, dass er in Israel solchen Glauben nicht gefunden habe. Denn ein großes Wunder ist es, dass der Heide, welcher solche Verheißung nicht gehabt hat, welche die Juden hatten, so großen, trefflichen Glauben haben soll, dass er auch den des ganzen Israel übertrifft. Solchen Glauben nimmt der Herr an und tut, was er begehrt, und spricht zu dem Hauptmann: »Gehe hin, dir geschehe, wie du geglaubet hast«.
Da sehen wir, welches der beste und Gott wohlgefälligste Gottesdienst ist, dass wir nämlich unserm Herrgott nichts Lieberes tun können, als ihm von Herzen vertrauen und glauben. Unser Herrgott will nicht nach schönen Tempeln, glänzenden, nach außen hin etwas scheinenden Werken fragen. Nach dem innerlichen Dienst des Herzens fragt er, nach dem Glauben nämlich wie der Prophet Jeremia 5,3 sagt: »Herr, deine Augen sehen auf Wahrhaftigkeit«. Darum sollen wir wissen: wenn wir Gott mit dem Dienst des Herzens, mit dem Glauben dienen, dass wir seine Diener, Priester, Kinder und Erben sind und im Himmel sitzen sollen.
Der Evangelist berichtet aber, dass der Hauptmann in seinem Glauben zwei besondere Stücke bewiesen habe.
Erstens ist bei seinem Glauben eine große, tiefe Demut, dass er sagt: »Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst«. Das ist, als wollte er sagen: O Herr, was willst du bei mir machen? Ich bin böse, du bist heilig, ich bin ein Sünder, du bist gerecht. Ich habe wohl gehört, dass du große Wunder in Israel tust, die Kranken gesund machst, und ich wollte von Herzen gerne meinem kranken Knecht geholfen haben, aber ich erachte mich für unwürdig, dass du in mein Haus zu mir eingehest.
Zum zweiten ist bei seinem Glauben ein besonderes Licht, dass er erkennt, dass Christus wahrhaftiger Gott ist und ihm solche Gewalt und Kraft zuschreibt, dass er seinen Knecht auch abwesend gesund machen könne. Er bekennt nicht allein, dass er unwert sei, dass Christus in sein Haus eingehe, sondern dass es auch solcher Mühe ganz und gar nicht bedürfe. Denn Christus könne das, worum er ihn gebeten habe, mit einem Wort ausrichten, ob er schon nicht persönlich gegenwärtig sei.
Das heißt nicht allein glauben, sondern auch vom Glauben und seiner Natur und Art aufs beste und herrlichste predigen und lehren. Denn des Glaubens rechte Art ist, sich aufs Wort, als auf den einzigen Schatz und Trost mit ganzem Vertrauen verlassen und nicht daran zweifeln, es werde Ja und Amen sein, was das Wort zusagt, gleichwie der Hauptmann sich ohne alles Wanken auf das Wort stützt und am Wort sich genügen lässt. Darum sagt er auch zu Jesus: »Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund«, als wollte er sagen: Wenn ich nur das Wort habe, so habe ich alles und fehlt meinem Knecht nichts mehr, sondern er wird frisch und gesund sein.
Solches ist nun ein so großer, trefflicher Glaube und so schöne, tiefe Demut im Hauptmann, dass Christus sich selbst drüber verwundert und mit fröhlichem Herzen spricht: »Wahrlich, ich sage euch, solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden. Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und Westen« usw. Er will also sagen: Die Juden wollen nicht glauben, die Heiden aber beginnen zu glauben. Was gilt es, das Spiel wird sich umkehren: die Juden, die des Reiches Kinder sind und die Verheißung haben, werden ihres Unglaubens halber verworfen werden. Und die Heiden, welche die Verheißung nicht haben, werden zum Himmelreich angenommen werden, deshalb weil sie glauben.
So sehr ist der Herr zufrieden und lässt sich des Hauptmanns schöne Demut und feinen Glauben so gefallen, dass er flugs bereit ist, alles zu tun, was der Hauptmann begehrt. »Gehe hin«, spricht er, »dir geschehe, wie du geglaubt hast«. Der Hauptmann braucht nichts weiter zu bitten, noch anzuzeigen, welcher Art des Knechts Krankheit sei. Der Herr hat den Mann so lieb, dass es alles bewilligt ist, ehe er recht darum bittet. So gut gefällt ihm der schöne Glaube, obwohl der Hauptmann ein Heide und unwürdig ist. Nicht dass er an Unwürdigkeit Gefallen habe, sondern an der Erkenntnis der Unwürdigkeit, daran dass der Hauptmann seine Unwürdigkeit fühlt und bekennt. Solch Demut und Glaube macht, dass der Herr nicht allein den Knecht gesund macht, sondern auch anfängt, des Hauptmanns Glauben hoch zu rühmen und zu preisen.
Das ist ein Stück in diesem Evangelium, uns zur Lehre und zum Anreiz vorgeschrieben, auf dass wir glauben lernen und uns für unwürdig halten und uns dennoch aufraffen und sprechen: Bin ich es nicht würdig, so nehme ich es unwürdig, hab ich es nicht verdient, wie ich mich keines Verdienstes zu rühmen weiß, so nehme ich es als ein Geschenk. Das heißt denn ein rechter Glaube und rechte Demut, dass man sich der Unwürdigkeit halber fürchtet und dennoch nicht verzagt, wie der Psalm 147, 11 sagt: »Der Herr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen«.
Den Aussätzigen macht der Herr von seinem Aussatz rein und befiehlt ihm, zum Priester zu gehen. So tut er nicht mit des Hauptmanns Knecht noch mit andern Kranken, die er gesund macht, wie er mit dem Aussätzigen hier tut. Die Ursache dafür, weshalb er so handle, zeigt er selbst an, da er sagt: »Gehe, hin, zeige dich dem Priester und opfere die Gabe, die Mose befohlen, ihnen zum Zeugnis«, als wollte er sagen: Sie haben ein Zeugnis, das will ich ihnen nicht nehmen. Sie haben ein Gesetz und Recht, dass sie die Aussätzigen besichtigen und für sie Gaben opfern; dieses Gesetz und Recht will ich ihnen nicht nehmen.
Dass er aber hernach Jerusalem mit Tempel, Gottesdienst und Königreich zerstört, das deshalb, weil sie ihn nicht annehmen wollten. Denn so pflegt er zu tun: wenn man ihn nicht haben will, so zerstört ers ganz. Den Juden wollte er den Tempel lassen, nur sollte ihn das Volk anerkennen und ihm dienen. Da sie aber das nicht tun wollten, ließ er alles ganz zerstören. Gleichwie ein großer König und Herr eine Stadt nicht mit der Absicht erstürmt, dass er sie zerstöre, verheere und vertilge, sondern dass sie sich ergebe, ihm untertänig und zinsbar werde und ihm den Dienst leiste, den sie vorher seinem Widersacher und Feinde geleistet hat. Wenn die Stadt sich aber nicht ergeben, sondern den König vernichten will, so zerstört er sie.
Ebenso wollte Christus mit seinem Evangelium der Juden Regiment, ehelich Leben und äußerlichen Stand nicht zerstören. Sondern er sagte allein zu ihnen: Ihr sollt mich zum Herrn annehmen, mir dienen, so will ich euch bleiben lassen. Aber sie wollten ihn nicht zum Herrn annehmen noch ihm dienen. Er warnte sie getreulich, vermahnte, bat, flehte und sprach: Ich rate es nicht, dass ihr euch mir widersetzt; ich will euch bestehen bleiben lassen, lasset mich auch bleiben und euer Herrn sein. Aber sie wollten nicht und sprachen: »Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche«. Ja, sie fuhren zu und wollten ihn zerreißen. Was geschah aber? Sie schlugen ihn wohl ans Kreuz, aber er blieb dennoch vor ihnen bestehen und zerriss sie.
Kurz: Christus und sein Evangelium sollen wir vor allen Dingen annehmen. Tun wir das, so wird uns das andere wohl bleiben; und so wirs schon verlören, so werden wirs dennoch wiederfinden. Nehmen wir aber Christus und sein Evangelium nicht an, sondern verfolgens, so werden wir das andere nicht lange behalten. Wenn deshalb eine Not kommt, in der ich entweder Christus verleugnen, oder Weib und Kind fahren lassen soll, so solls so heißen: Kann ich Christus behalten, dass man mir gleichwohl Weib und Kind lasse, so ist es gut. Kann mir aber Weib und Kind, Herrschaft, Gewalt usw. nicht bleiben, ich verleugne denn Christus, so lasse ich Weib und Kind, Herrschaft, Gewalt, Leib und Leben fahren, ehe ich Christus verleugne.
Aber die Welt kann und will Christus nicht zum Herrn haben noch ihm dienen. Darum werden auch Land und Leute zerstört und verwüstet. Wenn unsere Stadt den nicht zum Herrn haben wollte, der sie errettet hätte, dann geschähe ihr nicht Unrecht, wenn derselbe Herr und Erretter sie zerstörte und zu Grund vertilgte und zu ihr spräche: Willst du das? Du willst nicht allein alle erzeigten Wohltaten vergessen, sondern mich dazu für die Güte aus dem Lande jagen, dass ich dich errettet habe, und einem andern Herrn dienen? Wohlan so gehe es mit dir hinaus, weil du so untreu bist. Ebenso geschieht auch denen nicht Unrecht, die Christus, ihren Erlöser, verwerfen, wenn sie gestraft und verwüstet werden.
Große Blindheit ists, wenn man ein christliches Leben von anderem äußerlichen, weltlichen Leben nicht unterscheiden kann. Darum, wie ich gesagt habe, sollen wir dies gut lernen, auf dass wirs recht unterscheiden und sagen: ein christliches Leben ist, wenn wir den unsichtbaren Christus annehmen und glauben, dass er unser einziger Herr und Heiland ist, der uns von Sünden, Tod, Teufel und Hölle erlöst hat. Danach, wenn wir ihn so für unseren Herrn erkannt haben, dass wir ihm auch mit dem ganzen Leben dienen und ihm als unserm Herrn zinsen und sprechen: Herr, zuvor bin ich unter des Teufels Gewalt und Dienst gewesen und habe deine Gaben, die ich dazumal zum Teil noch gehabt habe, unter dem Teufel aufs schändlichste missbraucht. Aber nun habe ich gelernt und weiß bestimmt, dass du allein mein Gott und Herr bist. Ich glaube an dich, darum will ich dir auch in diesem Glauben dienen, von Herzen glauben, dass du mein Herr und Heiland bist und dir in meinem Stande gehorsam sein und tun, was dir wohlgefällig ist. Das heißt, das christliche und das äußerliche Leben recht unterscheiden. Doch sollen beide Christus untertan sein und bleiben, obwohl ein Christ dem Leibe nach der weltlichen Obrigkeit unterworfen ist. Denn wir sollen eher Leib und Leben, Gut und Ehre, und alles, was wir haben, fahren lassen, ehe wir Christus fahren lassen.
Wenn wir nun solches lernten und täten, so handelten wir Gott zu Gefallen und würden selig. Aber wer solches nicht tut, das ist die Welt. Ja, spricht die Welt, wenn ich Christus zum Herrn annehmen und ihm dienen sollte, so würde auf die Weise alles zerrüttet und fiele alles über einen Haufen. Wohlan, sagt Gott zu der Welt, es soll so geschehen, wie du sagst, es soll alles über einen Haufen fallen: nicht durch die Schuld meines Worts, sondern durch die Schuld deiner Halsstarrigkeit, weil du mein Wort nicht annehmen, noch meinen Sohn zum Herrn haben willst. So sprachen die Juden (Joh. 11,48): »Lassen wir ihn, so werden die Römer kommen und nehmen uns Land und Leute«. Ich meine ja, die Römer kamen richtig über sie, und die Juden weissagten sich selbst, dass kein Stein auf dem andern bliebe. Und die Römer sprachen hernach auch so: Weil diese zwei Bettler Petrus und Paulus hergekommen sind, so ist es mit uns Römern aus. Ich meine ja, es war richtig mit ihnen aus, und sie waren Propheten über ihren eigenen Hals. Unsere Widersacher sagen jetzt auch so: Wo wir die Verkündigung der Evangelischen annähmen und an ihren Christus glaubten, so müsste unser ganzes Regiment, Land und Leute untergehen. Solches reden sie frei öffentlich, und wissen doch wohl, dass es nicht wahr ist; denn unser Evangelium ließe sie wohl bleiben, wenn sie selbst wollten. Weil sie aber nicht wollen, so soll ihnen widerfahren, was sie fürchten. Wir wollen Christus und sie zusammenkommen lassen und sehen, wer da stärker sein werde.
Der liebe Gott verleihe uns seine Gnade, dass wir solches fassen und behalten mögen. Darum wir ihn wollen anrufen und beten, Amen.