Ein Gott für alle Völker, heilsam und heilend
Professor Dr. Friedrich Heyer zum 95. Geburtstag
Predigttext: 2. Kön 5,1-19 (Übersetzung nach Martin Luther, Rev. 1984)
1 Elisa heilt den aramäischen Feldhauptmann Naaman und bestraft den Gehasi Naaman, der Feldhauptmann des Königs von Aram, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn und wertgehalten; denn durch ihn gab der HERR den Aramäern Sieg. Und er war ein gewaltiger Mann, jedoch aussätzig. 2 Aber die Kriegsleute der Aramäer waren ausgezogen und hatten ein junges Mädchen weggeführt aus dem Lande Israel; die war im Dienst der Frau Naamans. 3 Die sprach zu ihrer Herrin: Ach, daß mein Herr wäre bei dem Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz befreien. 4 Da ging Naaman hinein zu seinem Herrn und sagte es ihm an und sprach: So und so hat das Mädchen aus dem Lande Israel geredet. 5 Der König von Aram sprach: So zieh hin, ich will dem König von Israel einen Brief schreiben. Und er zog hin und nahm mit sich zehn Zentner Silber und sechstausend Goldgulden und zehn Feierkleider 6 und brachte den Brief dem König von Israel; der lautete: Wenn dieser Brief zu dir kommt, siehe, so wisse, ich habe meinen Knecht Naaman zu dir gesandt, damit du ihn von seinem Aussatz befreist. 7 Und als der König von Israel den Brief las, zerriß er seine Kleider und sprach: Bin ich denn Gott, daß ich töten und lebendig machen könnte, daß er zu mir schickt, ich solle den Mann von seinem Aussatz befreien? Merkt und seht, wie er Streit mit mir sucht! 8 Als Elisa, der Mann Gottes, hörte, daß der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte, sandte er zu ihm und ließ ihm sagen: Warum hast du deine Kleider zerrissen? Laß ihn zu mir kommen, damit er innewerde, daß ein Prophet in Israel ist. 9 So kam Naaman mit Rossen und Wagen und hielt vor der Tür am Hause Elisas. 10 Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden. 11 Da wurde Naaman zornig und zog weg und sprach: Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand hin zum Heiligtum erheben und mich so von dem Aussatz befreien. 12 Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, so daß ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn. 13 Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wieviel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein! 14 Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein. 15 Und er kehrte zurück zu dem Mann Gottes mit allen seinen Leuten. Und als er hinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, nun weiß ich, daß kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel; so nimm nun eine Segensgabe von deinem Knecht. 16 Elisa aber sprach: So wahr der HERR lebt, vor dem ich stehe: ich nehme es nicht. Und er nötigte ihn, daß er es nehme; aber er wollte nicht. 17 Da sprach Naaman: Wenn nicht, so könnte doch deinem Knecht gegeben werden von dieser Erde eine Last, soviel zwei Maultiere tragen! Denn dein Knecht will nicht mehr andern Göttern opfern und Brandopfer darbringen, sondern allein dem HERRN. 18 Nur darin wolle der HERR deinem Knecht gnädig sein: wenn mein König in den Tempel Rimmons geht, um dort anzubeten, und er sich auf meinen Arm lehnt und ich auch anbete im Tempel Rimmons, dann möge der HERR deinem Knecht vergeben. 19 Er sprach zu ihm: Zieh hin mit Frieden! Und als er von ihm eine Strecke Weges fortgezogen war,Gedanken zur Predigt und zum Gottesdienst
Die legendäre Erzählung von der wunderbaren Heilung des Naaman, eines syrischen Herrführers, umschreibt die heilende Wirkung, die von dem israelitischen Propheten Elischa ausgeht. Sie erweist ihre Kraft über nationale und religiöse Grenzen hinaus. Quelle dieser Kraft ist der Gott Israels. Zu Vers 7: "Bin ich (denn) ein Gott, dass ich tot und lebendig machen könnte?" ... Diese dem israelitischen König in den Mund gelegte Reaktion "bedeutet eine Absage an jede Vorstellung von einem göttlichen, heilmächtigen Königtum, wie sie im Alten Orient und darüber hinaus bis in das deutsche Mittelalter verbreitet war." (E. Würthwein, ATD 11, 2, Göttingen 1984, S. 299f.). Das biblische Israel hat in dieser Erzählung seine vielschichtigen Erfahrungen mit Gott, dem Königtum und der Prophetie verarbeitet. Wichtig der universale Aspekt: Gott ist Gott für alle Völker, ist für sie heilsam und heilend. Die Macht der Könige und aller weltlichen Machthaber ist begrenzt und relativiert. Heil und Heilung kommen allein von Gott. Alle Hoffnung und das Vertrauen auf Ihn zu setzen – auch und gerade in diesen Tagen, dass die Bemühungen, einen Krieg zu vermeiden, nicht vergeblich sind –dazu lädt die alte Erzählung anschaulich ein. Sie stellt uns vor die Aufgabe, diese uns „narrative Theologie“ in unser Heute zu übertragen. Dass in der biblischen Erzählung von einer jungen Israelitin die Rede ist, die sich – obwohl selbst in schwieriger persönlicher Situation und in ganz unbedeutender Stellung - so mitfühlend und sorgend für einen anderen Menschen einsetzt, kann vielleicht eine Hilfe sein, die Jugendlichen im Gottesdienst(Konfirmanden/-innen)auf ihre eigenen Möglichkeiten, sich gut „einzubringen“, besonders anzusprechen und zu ermutigen. Im Gottesdienst möchte ich im Zusammenhang der Fürbitten gemeinsam mit den Konfirmanden/-innen Kerzen für den Frieden in der Welt anzünden. Dabei können Taten des Friedens genannt, auch Aktionen zur Abwendung eines Krieges gegen den Irak wie die Lichterketten für den Frieden, wozu in diesen Tagen z.B. in unserer Partnergemeinde Glienicke/Nordbahn (Berlin) aufgerufen wird.Liebe Gemeinde!
Gesundheit ist ein unbezahlbar kostbares Gut. Aus den vielfältigen Erfahrungen mit schweren Krankheiten, für die es keine Heilung gab, kam es zu dem Ausspruch “Hauptsache gesund”. Wir müssen diesen Ausspruch nicht in Frage stellen. Unsere guten Wünsche füreinander bei besonderen Anlässen schließen meist den Wunsch für Gesundheit ein. Viele hier haben Krankheit im persönlichen Umfeld erlebt und festgestellt, wie auf einmal sich alles verändert. Da ist die Hoffnung auf ärztliche Hilfe, und an jeder Möglichkeit zur Heilung hält man sich fest wie an einem Strohalm. Wenn alle ärztliche Kunst an eine Grenze gestoßen ist, dann können wir nur noch auf ein Wunder hoffen.
I. Auf solch ein Wunder hoffte auch der schwer hautkranke syrische Heerführer Naaman. Davon erzählt die Geschichte aus dem zweiten Königebuch, die wir jetzt hören.
Lesung des Predigttextes durch eine andere Stimme
Den entscheidenden Hinweis, der den kranken Naaman wieder hoffen lässt, bekommt er von einem israelitischen jungen Mädchen, die als Kriegsbeute gefangen genommen wurde und im Hause Naamans dienen musste. Sie kennt einen in Israel lebenden Propheten namens Elischa, dem sie zutraut, dass er Naaman helfen und heilen kann.
In einer bedrängenden Lebenssituation, geprägt von der Feindschaft zweier Staaten, deren Opfer sie geworden ist, bringt sie für einen Menschen Hoffnung, der vom Leben nichts mehr erwartet. Naaman, der – selbst wenn er sie gut behandelt hat (was wir nicht wissen) – sie versklavt hat, ein Offizier, ein Berufssoldat, ist schuldig an ihr und ihrem Volk geworden.
Das junge Mädchen hat keinen Gedanken an Rache wie: „Soll er doch endlich auch leiden“, keinen Gedanken an Genugtuung wie: „Es hat auch ihn endlich erwischt“ und auch keinen tröstlichen Gedanken wie: „Jetzt kann er anderen Völkern nicht mehr schaden“. Dieser junge Mensch gibt eine Hoffnung an Naaman, aber auch an uns heute weiter. Nicht Vergeltung, sondern Mitmenschlichkeit bestimmt sein Handeln.
Wenn junge Menschen Mitmenschlichkeit zum Maßstab nehmen, können wir getrost in die Zukunft gehen und ihnen die Zukunft überlassen, dann wird sie gut.
II. Das unglaubliche Ansinnen der jugendlichen Israelitin wird noch dadurch hervorgehoben, dass der König von Israel von dem Vorgesetzten Naamans, dem aramäischen Nachbarkönig, gebeten wird, den Kranken zu heilen: “Bin ich (denn) ein Gott, dass ich tot und lebendig machen könnte?” (Vers 7) Diese Reaktion des israelitischen Königs “bedeutet eine Absage an jede Vorstellung von einem göttlichen, heilmächtigen Königtum“.
Es war damals auch und ist bis heute ein Absage an die Käuflichkeit von Gesundheit einerseits und ein Beispiel für negative Reaktionen zwischen zwei Machthabern. „Er will nur Krieg“, sagt der israelitische König.
Unvorstellbar – der andere will nur Gesundheit und Heilung und das auch noch für einen anderen! Unvorstellbar, wenn Machterhaltung Lebensziel ist! Unvorstellbar, wenn die Person einem anderen Volk angehört! Unvorstellbar, wenn dieser Mensch einen anderen Glauben hat! Unvorstellbar bis heute?
(Stille)
Jetzt erst lässt der Gottesmann Elischa dem König sagen, Naaman solle zu ihm kommen, damit er erfahre, dass es einen Propheten in Israel gebe. Das war geschickte prophetische Diplomatie und hat kriegerische Auseinandersetzungen verhindert.
Naamann begibt sich voller Erwartung zum Haus Elischas. Seine Enttäuschung ist groß, als lediglich ein Bote des Propheten erscheint und dem Fremden sagen lässt, er solle sich siebenmal im Jordan waschen, was ihm die ersehnte Heilung bringen werde.
Zornig zieht Naaman weg, hatte er doch den prophetischen Heiler persönlich erwartet und dessen geheimnisvollen rituellen Praktiken. Seine Diener können ihn gerade noch davon abhalten, wieder abzureisen. Es gelingt ihnen, Naaman dazu zu bewegen, das Wenige – so ganz Anspruchslose – zu tun, was der Prophet ihm gesagt hat und das “Gesundheitsbad” im Jordan zu nehmen. Das Bad wirkt, und die Heilung bewirkt eine neue Lebenssicht.
III. Es kommt zu einer persönlichen Erfahrung Naamans mit dem Gott Israels auf ganz unspektakuläre Weise. Der Prophet nahm sich zurück, weil es nicht um sein Tun, nicht um seine Heil- und Wunderkraft ging; für Gottes Heil und seine Wunder Vertrauen zu wecken war seine Berufung, und ihm unbewusst zur Seite standen die junge Israelitin und die Diener des Hilfesuchenden.
Naaman hat erfahren: Gottes auf Heil und Heilung zielendes Handeln braucht keine großen Effekte.
Der Fluss ist symbolisch das Wasser, das ihn reinwäscht, Altes, Verkrustetes fortschwemmt, vielleicht den Hautpanzer des abgebrühten erfolgreichen Kriegsherrn. Das fließende Wasser ist Symbol für Bewegung, für den guten Fluss der Dinge. Das siebenmalige Untertauchen bedeutet ganz in dieses Wasser untertauchen mit Leib und Seele.
Die Geschichte von der Heilung des fremden Naaman bringt deutlich zum Ausdruck: Der Gott Israels überschreitet die Grenzen von Nationen und Religionen. Naaman ist um eine grundlegende Gotteserkenntnis reicher geworden – und damit gesund geworden.
Blieb für ihn noch die Frage, wie er seine neue Gotteserfahrung mit seinen religiösen Pflichten im Dienst seines Königs verbinden kann. Dass ihn dies jetzt nicht beschäftigen muss, signalisiert ihm die Antwort des Propheten: “Zieh hin mit Frieden”, was bedeuten kann: Geh jetzt deinen Weg in der Kraft der heil-vollen Gotteserfahrung und: Geh hin zum Frieden.
Das heißt doch bis heute: Gott ist ein Gott für alle Völker. Gott wendet sich allen Völkern heilsam zu, lädt ein: Geht hin in Frieden, geht friedlich miteinander um, wendet euch in Frieden einander zu.
Jesus von Nazareth meint diesen heilsamen menschenverbindenden Gott, wenn er – wie es im Wochenspruch heißt – sagt: “Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes” (Lukas 13, 29). Amen.