Vertrauen zu Jesus angesichts der Bedrohung durch Naturkräfte
Gedanken zur Predigt
Die Predigt setzt ein bei der Erfahrung existentieller Bedrohung (Lebensbedrohung) durch Naturgewalten. Sie erinnert an solche Erfahrung, knüpft an diese an und interpretiert das Überleben solcher Gefährdung in Analogie zum Predigttext als Bewahrung durch Jesus. Wiederum in engem Anschluss an den Predigttext lockt und ermuntert sie zum rückhaltlosen Vertrauen auf Jesus gerade angesichts der Übermacht der Naturkräfte. Dabei werden die menschlichen Möglichkeiten, durch Wissenschaft und Technik Naturkräfte nutzbar zu machen und Sicherheit auszubauen, positiv gewertet. Diese positive Wertung menschlicher Möglichkeiten der Naturbeherrschung verstärkt die Erkenntnis der prinzipiellen Überlegenheit der Naturkräfte in ihrer Gesamtheit über menschliche Kräfte und Möglichkeiten. Der Weg eines rückhaltlosen Vertrauens in menschliche Kräfte und Möglichkeiten der Lebenssicherung durch Beherrschung der Naturkräfte ist damit als Irrweg herausgestellt. Gleichzeitig wird – wiederum in engstem Anschluss an den Predigttext – der Grund für das vorbehaltlose Vertrauen in Jesus in seinem Herrsein über alle Naturkräfte ausgesprochen. Dieses Aussprechen bleibt werbend, bekennend. Es wird nicht argumentierend oder gar beweisen wollend. In diesem Herrsein Jesu über die Natur (das Thema des Sonntages) gründet aber die Aufforderung: „Habt keine Angst.“ Aller Versuchung zur „Naturmagie durch Glauben“ wird in dem abschließenden Hinweis begegnet, dass Jesus seine tatsächliche Macht über alle Naturkräfte durch seinen Gehorsam bis zum Tod am Kreuz bestätigt, also nicht durch die (magische) Anwendung seiner (göttlichen) Macht über die Natur, sondern die „Entäußerung“ von all dieser Gewalt. Die „Entäußerung“ kennzeichnet ihn als Messias und Erlöser, der „sitzt zur Rechten Gottes“, und deshalb auch Macht hat über alle Naturgewalt.Liebe Gemeinde!
Am Abend dieses Tages sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Kommt, wir wollen ans andere Ufer übersetzen!“ Sie schickten die Menschen weg und ruderten mit dem Boot, in dem Jesus saß, auf den See hinaus. Einige andere Boote folgten ihnen.
Immer mal wieder kommt es anders als geplant
Da brach ein gewaltiger Sturm los. Hohe Wellen schlugen ins Boot, es lief voll Wasser und drohte zu sinken. Jesus aber schlief hinten im Boot auf einem Kissen. Da rüttelten ihn die Jünger wach und schrieen voller Angst. „Herr, wir gehen unter! Merkst du das nicht?“
Sofort stand Jesus auf, bedrohte den Wind und rief in das Toben der See: „Sei still! Schweige!“ Da legte sich der Sturm, und tiefe Stille breitete sich aus.
„Warum hattet ihr solche Angst?“ fragte Jesus seine Jünger, „habt ihr denn gar kein Vertrauen zu mir?“ Voller Entsetzen flüsterten die Jünger einander zu: „Was ist das für ein Mann! Selbst Wind und Wellen gehorchen ihm!“
Immer mal wieder kommt es anders als geplant. Wer könnte kein Lied davon singen? Aber das ist noch viel zu harmlos ausgedrückt, wie wir eben gehört haben. Gehen wir nochmals an unserem Predigttext entlang: Es war Abend, der See ruhig. Nur ein leiser Lufthauch war zu spüren. „Kommt, wir wollen ans andere Ufer übersetzten!“ sagte Jesus zu seinen Jüngern.
Sie schickten die Menschen weg. Und erst jetzt merkten sie, wie anstrengend der Tag gewesen war. Reden, zuhören, erklären, noch einmal erklären, und obwohl Jesus in Gleichnissen redete und sie, die Jünger, nachfragten, und er dann auch ihnen erklärte, erläuterte, nochmals erläuterte, und sie, die Jünger, dann das Gefühl hatten, ah, jetzt, jetzt haben wir verstanden. Wenig später stieg dann doch eine neue Frage, ein neuer Gedanke in ihrem Innern auf. …. Es war anstrengend!
Jetzt, in der Abendkühle merken sie erst so richtig, wie anstrengend der Tag gewesen war. Einige der Gehenden drehten sich noch einmal um, winkten. Einige gingen ihrerseits zu Booten, die etwas weiter entfernt am Ufer lagen. Schön war die Stille, die sie jetzt umgab, die Männer um Jesus nach diesem Tag. Und wunderbar war das Licht der Sonne, die schon so tief stand, dass ihre Strahlen nicht mehr blendeten. Die Ufersteine knirschten unter den Sandalen der Jünger, als sie in das Boot stiegen und vom Ufer abstießen, die Ruder fassten und eintauchten.
Wie vertraut ihnen das alles war. Tief holten sie Luft, bei jedem Ruderschlag. Auch Jesus war erschöpft. Er nahm sich ein Kissen, mit Seegras gestopft, legte es unter seinem Kopf auf die Planken und war in wenigen Augenblicken eingeschlafen. Die Jünger tauschten verständnisvolle Blicke. Nicht nur das Verstehen war offenbar anstrengend. Das Reden auch. Vorsichtig und gleichmäßig tauchten sie die Ruder ein. Ein gutes Stück waren sie schon vom Ufer entfernt. Einige andere Boote hatten inzwischen auch abgestoßen. Es war jetzt ganz windstill geworden.
Was für ein wunderbarer Abend. Noch ein kleines Weilchen, dann würde die Sonne dort untergehen, wo Tiberias lag. Eine Staubwolke war mehr zu erahnen als zu sehen, da, wo die Straße entlang führte, die Tiberias mit den Hafenstädten am Mittelmeer verband.
Jetzt mussten sie schon in der Mitte des Sees sein. Das gegenüberliegende Ufer begann sich deutlicher abzuzeichnen. Das Rudern lag den Männern mehr als das Hören und Reden. War nicht alles so klar, so friedlich, so einfach ohne die vielen Worte. Die Höhenzüge des Golan, die Palmen am Ufer, die Fische im Wasser, die ihnen zur Nahrung dienten, und der Himmel über ihnen, und Gott, der seine Hand schützend über sie hielt, ihnen Kraft und Verstand gab, ein Boot zu bauen, und zu rudern und Fische zu fangen, damit sie etwas zu essen hatten…. Die Jünger hingen ihren Gedanken nach, die Gespräche waren verebbt, gleichmäßig war ihr Atmen, gleichmäßig die Bewegung der Ruder und das plätschern der Bugwelle.
Und dann brach das Unwetter los. Sie waren Fischer, sie hatten schon einiges erlebt. Aber das jetzt. Nein. Wie eine Wand kam es auf sie zu. Mit einer Geschwindigkeit, die jeden Gedanken stillstehen ließ. Das war wie der offene Rachen eines Löwen im Sprung auf die Beute, die er reißen will. Urplötzlich war kein Ufer mehr zu sehen. Und kein Himmel. Und urplötzlich hatte es keinen Sinn mehr, ein Ruder in das Wasser zu tauchen. Sie klammerten sich fest an die Ruderbank, an den Mast, an die Bordwand, um nicht mit den Wellen mitgerissen zu werden, die in unregelmäßigen Abständen über das ganze Boot schwappten. Drehten sie sich im Kreis? Rasten sie auf ein Ufer zu? Tat sich der Grund des Sees auf?
Sie konnten einander kein Wort mehr zurufen, so heulte der Sturm, klatsche der Regen. Waren sie noch waagerecht im Wasser, hatte der Sturm sie in die Luft gehoben, um sie desto sicherer auf den Grund des Sees zu schleudern? Da, wieder eine Welle. Das Boot lief voll, schlingerte, ächzte. Sand wurde ihnen jetzt ins Gesicht geblasen, mitten auf dem Wasser. Sie bekamen kaum noch Luft. Das war das Ende. Sie schrieen vor Angst, aber hörten im Toben der Elemente kaum ihre eigene Stimme. Das war das Ende. Jesus war schon von einer Welle mitgerissen worden. Er hatte sich ja nicht festklammern können. Er hatte ja geschlafen. Entsetzt schauten sie auf die Stelle im Boot, wo er gelegen hatte. Lage er da nicht noch? Hände, Fäuste reckten sich ihm entgegen, um ihn zu halten, um ihn zu wecken. Aber Jesus regte sich nicht. Mühsam und unter Lebensgefahr tasteten sich einige zu ihm hin und rüttelten ihn. Schrieen ihm ins Ohr: Herr, wir gehen unter, merkst du das nicht?! Sofort stand Jesus auf, bedrohte den Wind und rief in das Toben der See: „Sei still! Schweige!“ Da legte sich der Sturm, und tiefe Stille breitete sich aus.
Wenn wir nicht alle schon Bewahrung erfahren hätten…
Kann das sein? Gibt es das? Haben Sie so etwas auch schon mal erlebt? So oder so ähnlich? Unmöglich? Liebe Gemeinde! Gilt nicht viel mehr: Wenn wir das alle nicht schon erlebt hätten, so oder so ähnlich, wir wären gar nicht mehr am Leben und nicht mehr hier!? Waren Sie wirklich noch nie in Lebensgefahr oder in einer so ausweglosen Lage, ähnlich wie die Jünger in dem Boot angesichts des Unwetters, das plötzlich und unerwartet über sie hereinbrach? Ich könnte auch anders fragen: Was hat uns bisher überhaupt am Leben erhalten, durch mancherlei Gefährdungen hindurchgerettet, von unserer Geburt, vielleicht gar von unserer Zeugung an bis jetzt?
Der kleine Abschnitt aus dem Markusevangelium spricht die Gefährdung unseres Lebens durch Naturgewalten an, die für uns seelen- und mitleidslos wirken und Leben vernichten. Unwetter, Sturm, Hochwasser, Vulkanausbruch, die gibt es bis heute, das ist natürlich. Und so viel wir erreicht haben durch Naturwissenschaft und Technik diese Gefährdungen einzudämmen, zu beseitigen vermögen wir die nicht. Und denken wir dazu an alles, was unser Leben auch plötzlich und unerwartet beenden kann, Unfall, Krankheit, dann könnte uns rasch die Angst packen. Allein solches Erinnern wird schnell unerträglich, gerade weil es so gut begründet ist. Der Evangelist Markus will uns werben, uns weder in falscher Sicherheit zu wiegen, noch in Angst zu verfallen, sondern uns rückhaltlos Jesus anzuvertrauen. Denn, alle Kräfte der Natur und des Kosmos – wo wird uns bezeugt – die haben einen Herrn. Und dieser Herr ist Jesus.
Auch wenn uns das in diesem Zusammenhang ungewohnt, ja befremdlich vorkommen mag: Waren Sie wirklich noch nie in einer Lage, in der Sie weder aus noch ein wussten, geschockt waren, überrannt wurden vom Gang der Ereignisse? In einer Lage, in der Sie auch nicht mehr klar denken konnten, das muss das Ende sein, weil sie dieses Ende eben wirklich herannahmen fühlten? Und dann diese entsetzlichen Augenblicke. Und ein Seufzer, ein Schrei: Jesus. Und irgendwann und irgendwie waren Sie wie durch durch die Gefahr. Und noch am Leben. Da habe ich einen Schutzengel gehabt, sagen wir dann vielleicht. Oder müssen uns überhaupt erst einmal wieder orientieren, wo wir überhaupt sind und uns – mühsam vielleicht – klarmachen: Wir sind noch da und müssen uns neu orientieren.
Wenn wir das nicht so oder so alle schon erlebt hätten, wir wären wohl gar nicht mehr am Leben. Unser kleiner Text aus dem Markusevangelium öffnet uns die Augen dafür: Solche Bewahrung ist die Bewahrung durch Jesus. Und so fordert uns das Evangelium auf, lockt uns, gerade in den Gefährdungen unserer Lebens, in der Todesangst und Todesnot Jesus zu vertrauen, ganz und gar und rückhaltlos, selbst in völlig aussichtsloser Lage.
Statt Angst Jesusnähe
„Warum hattet ihr solche Angst?“ fragte Jesus seine Jünger, „habt ihr denn gar kein Vertrauen zu mir?“ Was für eine eigenartige Frage an die, die um Haaresbreite dem Tod durch Ertrinken entronnen sind! Wie hätten sich die Jünger denn verhalten sollen angesichts des Tobens der Elemente?
Die Nähe zu Jesus suchen! Die Nähe zu Jesus nicht vergessen! In Jesu Nähe hat alle Angst ihre Berechtigung verloren.
Wann Gott bewahrt und wie und warum, dass wird uns nicht erklärt im Evangelium. Warum es den einen früher trifft, den anderen nicht oder erst später, das wird uns auch nicht erklärt im Evangelium. Aber bezeugt wird uns, dass Jesus der Herr ist auch über die Naturgewalten, die uns bedrohen. Und deshalb gilt: Wer nur in der Nähe von Jesus ist, für den ist Angst im letzten innersten Sinn einfach überflüssig. In Jesu Nähe sind wir bestens aufgehoben. Immer. Eigentlich schon fast unheimlich. Voller Entsetzen flüsterten die Jünger einander zu: „Jesus, was ist das für ein Mann! Selbst Wind und Wellen gehorchen ihm!“
Wir bekennen im Glauben: Jesus, das ist Gottes Sohn. Es gibt Menschen, die treiben mit diesem Bekenntnis Spott. Sie rufen Jesus am Kreuz zu: „Bist du Gottes Sohn, dann hilf dir selbst und steig herab vom Kreuz!“ Wir aber bekennen im Glauben: Jesus, das ist Gottes Sohn, treu bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz. Deshalb sitzt er zur Rechten Gottes und hat gleiche Macht wie Gott selbst und ist Herr auch über die Naturgewalten. So wenig unser Auge auch in Gottes Plan zu dringen vermag, so dürfen wir doch erkennen, wie oft uns Jesus schützt und bewahrt und die Gewalten, die unser Leben vernichten wollen, bedroht und in das Toben hineinspricht. „Sei still! Schweige!“ Dankbar dürfen wir dafür sein und uns ihm anvertrauen und so erleben, vielleicht entsetzt erleben, über welchen Abgründen im Leben wie im Sterben er uns bewahrend und schützend hält, Jesus. Amen.