Lohnt sich das? Oder: Was bringt’s?

Predigttext: Lukas 8, 4-15
Kirche / Ort: Providenz-Kirche / Heidelberg
Datum: 23.02.2003
Kirchenjahr: Sexagesimae (60 Tage vor Ostern)
Autor/in: Pfarrer Heinz Janssen

Predigttext Lukas 8,4-8(9-15), Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1994

4 Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis: 5 Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf. 6 Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. 7 Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. 8 Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre! 9 Es fragten ihn aber seine Jünger, was dies Gleichnis bedeute. 10 Er aber sprach: Euch ist's gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, den andern aber in Gleichnissen, damit sie es nicht sehen, auch wenn sie es sehen, und nicht verstehen, auch wenn sie es hören. 11 Das Gleichnis aber bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes. 12 Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. 13 Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeitlang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. 14 Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht. 15 Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.

Exegetisch-kerygmatische Hinweise

Hier soll zuerst Joachim Jeremias, einer meiner verehrten Lehrer, zu Wort kommen, der in seiner Gleichnisauslegung Exegese und Kerygma in mich immer wieder beeindruckender und inspirierender Art und Weise verbindet: „Wollen wir das Gleichnis vom unverzagten Sämann…in seinem mutmaßlich ursprünglichen Sinn verstehen, so müssen wir von der Deutung absehen, die seine auf die Endzeit ausgerichtete Spitze verfehlt und, den Akzent vom Eschatologischen auf das Psychologische und Paränetische verschiebend, aus ihm eine Mahnung an die Konvertiten gemacht hat, die vor mangelnder Standhaftigkeit in Verfolgungszeit und vor Weltlichkeit gewarnt werden…Auszugehen hat das Verständnis von der Feststellung, dass das Gleichnis am Anfang einen anderen Zeitpunkt beschreibt als am Schluß. Es wird uns nämlich zunächst breit die Aussaat geschildert, im Schlussvers ist es jedoch bereits Erntezeit. Wieder haben wir ein Kontrastgleichnis vor uns. Es schildert auf der einen Seite die vielfach erfolglose Arbeit des Säemanns…Dem stellt der Schluß des Gleichnisses…nicht etwa – wie es nach der Deutung …den Anschein hat – ein besonders fruchtbares Stück Land gegenüber, sondern das gesamte Feld im Erntestadium. Mit der Ernte wird, wie so oft…, der Einbruch der Königsherrschaft Gottes verglichen…Gottes Stunde kommt und mit ihr ein Erntesegen über Bitten und Verstehen. Allem Misserfolg und Widerstand zum Trotz lässt Gott aus den hoffnungslosen Anfängen das herrliche Ende, das er verheißen hat, hervorgehen“ (J. Jeremias, Die Gleichnisse Jesu, Siebenstern – Taschenbuch 43, 3. durchges. Aufl., Göttingen 1969, S. 101f.). Den „mutmaßlich ursprünglichen Sinn“ des Gleichnisses, der aus Lukas 4,1-8 zu erschließen ist (vgl. die synoptischen Parallelen Markus 4,3-8; Matthäus 13,3-8), möchte ich in der Predigt wie im Bibeltext mit der Deutung verbinden. Denn die allegorische Deutung (V.11-15) hat es mir ebenso angetan wie die himmlische Dynamik, die Jesu an der damals alltäglichen Lebenssituation anknüpfende Gleichnisrede transparent werden lässt. V.10 mit seiner durch V.9 eingeführten Rede von den „Geheimnissen des Reiches Gottes“ (ta mystaeria taes basileias tou theou) verbindet Gleichnis und Deutung. Aufgreifen möchte ich in der Predigt die ambivalente Deutung der Saat als „das Wort Gottes“ (V.11) und als die Menschen („die aber auf dem Weg…auf dem Fels…unter den Dornen…auf dem guten Land“ V.12-15), „die das Wort (Gottes) hören und behalten in einem feinen guten Herzen und Frucht bringen in Geduld“ (V.15). Das rechte Hören bleibt nicht ohne die Tat, an der Gott Wohlgefallen hat, die mit langem Atem Gutes schafft und heilsam in die Welt hineinwirkt. Den synoptischen Vergleich fasst E. Schweizer im Hinblick auf die Deutung zusammen: „Das Verhalten des Menschen ist…stärker betont; doch ist nicht vergessen, daß es das Wort ist, das solche Frucht schafft“ (Das Evangelium nach Lukas, NTD 3, Göttingen 1982, S. 95).

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Liebe Gemeinde!

Lohnt sich das: Dreimal vergebliche Aussaat, nur einmal heißt es: nicht vergeblich. Drei gegen eins. Nur 25% Wahrscheinlichkeit, dass der Same gedeiht. In einem Wirtschaftsbetrieb würden nach einer solchen Bilanz Möglichkeiten geprüft werden, um ein wesentlich besseres Ergebnis zu erzielen. Einer Prüfung müssten sich auch die Qualität der Saat, die Erde und nicht zuletzt die Arbeiter und Arbeiterinnen unterziehen lassen.

I.

Das Wort Gottes wird in unserem Gleichnis mit der ausgestreuten Saat verglichen. Wir sind diejenigen, in denen die einzelnen Samenkörner aufgehen sollen. Wir können realistisch feststellen: Was Jesus gepredigt hat, ist bis heute nicht eine Sache der Mehrheit. Wieviele von den Millionen auf der ganzen Welt, die heute das Wort Gottes hören, werden es „behalten“, bei wievielen wird es „Frucht bringen“? Von den faulen Früchten ganz abgesehen.

In der Gleichnisdeutung, die sich an Jesu Gleichnis anschließt, heißt es: „Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie das Wort Gottes hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeitlang glauben sie, aber zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab“ – wer fällt ab?

Es ist wie mit einem Strohfeuer. Menschen haben etwas verstanden und sind begeistert. Da ist etwas, was sie schon lange suchten und was ihnen im Moment gut tut, aber gleich wieder verbrennt und verschwindet. Nicht Kirchenferne fallen ab – um diese geht es gar nicht im Gleichnis. Jesus hat vielmehr Menschen im Blick, die nur für kurze Zeit einen Zugang gefunden haben und deren anfängliche Begeisterung wie ein Strohfeuer war. Die Saat konnte nicht aufgehen. Vielleicht konnten sie ein Samenkorn nicht pflegen, nicht beschützen und nicht nähren. Denn die Natur lehrt uns: Ein Same braucht Nahrung und Pflege, Wasser und Sonne und einen lockeren Boden. So braucht das Wort Gottes die Betrachtung, das Hin- und Herwälzen in unseren Köpfen und Herzen, und es braucht auch Pflege.

Und die Vögel, die so erpicht auf die Saat sind? Sind das unsere Hirngespinste („du hast ja einen Vogel“, heißt ein geflügeltes Wort)? Oder sind es die Katastrophen, die uns wie die Unglücksraben die Samenkörner wegpicken? Wer weiß! Oder sind es die „lockeren Vögel“, die naiven, leichtsinnigen und dummen Gedanken, die uns durch den Kopf gehen, nicht die „Eulen der Weisheit“.

II.

Ebenso erschrecken können uns die Warnbilder der Aussaat, die auf den Weg oder unter die Dornen fällt, zertreten, aufgefressen oder erstickt wird. Dornen können die Arbeit sein, die mich auffrisst, die Angst, die mir die Kehle zuschnürt oder wenn etwas, was mir lieb und wichtig ist, in den Dreck gezerrt und zertreten wird.

Dass die Arbeit der Aussaat so wenig Ertrag bringt, kann nicht an den Samenkörnern liegen – sie sind „das Wort Gottes“. Wüssten wir ein besseres? Wie verschwenderisch geht Gott damit um! Jesus gibt uns mit dem Gleichnis die Antwort: an der unterschiedlichen Beschaffenheit des Bodens liegt es.

Hat überhaupt jeder Mensch die gleiche Chance, wenn er das Wort Gottes hört? Wie, wenn mein Leben ohne mein Verschulden von Dornen überwuchert wird, wenn mich eine unheilbare Krankheit überfällt, wenn Menschen mir missgünstig begegnen und mir an Leib und Seele schaden? Wenn in einem Land schlechte politische Verhältnisse herrschen oder jemand keine Arbeit findet? Wenn eine Ehe, eine Familie zerbricht? Wenn es keine gute Zukunft zu geben scheint? – Nein, die Chancen sind nicht gleich. Warum das so ist –darauf haben auch wir als Christen keine Antwort. Meine Vorstellung ist, dass die so reichtragenden Ähren, die aufgegangene Saat, die anderen mitversorgt und für alle ausreicht. Eine Utopie? Zu schön, um wahr zu sein?

III.

Zwischen dem Gleichnis und seiner Deutung hat der Evangelist Lukas ein Zwischenstück überliefert. Jesus sprach zu seinen Jüngern: Euch ist’s gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen…“ Hilfreich ist der Gedanke aus dieser Zwischenrede: Jesus spricht von den „Geheimnissen des Reiches Gottes“. Lasst uns diese Worte aufnehmen, sie bedenken!

Um „die Geheimnisse des Reiches Gottes“ geht es in allen Gleichnisse Jesu. Die Katholiken sprechen vom „Geheimnis des Glaubens“. Für Geheimnisse braucht es ein Gespür. Geheimnisse sind auch nie ganz zu ergründen, sie wirken sich aber aus. Wir Menschen können die Auswirkungen dieses Geheimnisses ganz konkret spüren, wenn wir z.B. Menschen begegnen, die wie ein fruchtbarer Acker Gottes Gutes hervorbringen.

Was Jesus im Gleichnis vom Sämann aussprach, ist für die Boten seines Wortes und seiner Liebe damals und heute Trost und Ermutigung. Jesus selbst und seine Mission sind – nach menschlichen gängigen Maßstäben beurteilt – gescheitert. Sein Weg führte aber durch Misserfolg und Leiden bis zur Auferstehung hin, auf den Sieg des Lebens über den Tod, auf eine große Hoffnung.

IV.

Jesu Gleichnis mündet in den Hinweis auf das gute Land: hundertfache Frucht, hörende Menschen. Jesus gibt uns Hoffnung auf das wogende Erntefeld nach einer verschwenderischen Aussaat. Die drei scheinbar so erfolglosen Saatwürfe und der eine Saatwurf, der Frucht bringt: in den Augen Gottes schließt sich alles zu einer großen Ernte zusammen. 25 % werden zum Erfolg, zur Erfolgsgeschichte Gottes mit uns – auch Gott sieht die Realität. „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ Amen.

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