Verschiedene Passionen
Predigttext: Matthäus 4,1-4 (Übersetzung nach Martin Luther, revidierte Fassung 1984)
Mein Zugang zum Text
Mir erschließt sich der Sinn der Geschichte im Dialog zwischen dem Teufel und Jesus. Was auf den ersten Blick wie eine Prüfung Jesus aussieht, ist eher eine Geschichte von der Schwäche des Teufels. Er möchte angebetet, verehrt und geliebt werden, aber er weiß nicht, wie man das schafft. Das ist die Lehre, die Jesus ihm erteilt: Verehrung und Liebe haben einen anderen Preis, als Ansehen, Macht und Reichtum. Der Teufel (diabolos) wird seinem Namen gerecht. Er bringt alles durcheinander: Steine und Brot, Waghalsigkeit und Bibelsprüche, den Reichtum der Welt und Liebe und Verehrung. Matthäus spricht noch an zwei weiteren Stellen vom Diabolos. Diabolos wird genannt, der Unkraut unter den Weizen sät (Matthäus 13, 39). Und dem Diabolos gehören an, die Hungrige nicht speisen, Gäste nicht beherbergen...(Matthäus 25, 41ff.) Der Teufel, das ist nicht der ewige Störer, der Teufel ist blind für die jeweilige Situation. Der Teufel kennt niemand, außer sich selbst. Jesus ist hungrig, aber er speist ihn nicht. Jesu Hunger ist ihm eine willkommene Gelegenheit, Unordnung zu stiften, denn nichts anderes ist sein unsinniges Angebot Steine in Brot zu verwandeln. Der Teufel wird meist überschätzt. Darin liegt dann auch seine Macht. Er verspricht, was er nicht geben kann, er bietet an, was er nicht hat, um zu bekommen, was ihm nicht zusteht. Mit solchen faulen Tricks kann er Jesus nicht kommen. Jesus ist anders unterwegs. Jesus ist unterwegs. Begegnungen sind sein Ziel, nicht Programme, nicht Maßnahmen, keine Imagekampagnen. Der Teufel hat sich von seiner Vorstellung von einem Gottes Sohn blenden lassen. Klar, der Teufel schließt von sich auf andere. Jesus sucht und besucht die anderen. Das Vaterunser, wie wir es sprechen, lehrt uns, Gott zu bitten, uns nicht in Versuchung zu führen (Matthäus 6,13). Die Sinnhaftigkeit dieser Bitte hat Rupert Lay (Mitglied des Jesuitenordens, Professor für Wissenschaftstheorie, bekannt als Autor von Management-Büchern und Ausbilder von Führungskräften) im Rahmen eines Vortrags beim Kongress „Unternehmen Diakonie“ im November 2001 in Frage gestellt. Seiner Ansicht nach kann das nur heißen: „und führe uns in der Versuchung“. In der Tat bringt diese Bitte des Vaterunsers, herkömmlich formuliert, Gott und Teufel durcheinander. Ich beabsichtige in der Predigt keine ausdrückliche Problematisierung. Komplizierter als die theologische ist für mich die anthropologische Frage. Können wir es uns wirklich so radikal einfach machen, wie Jesus das tut? Ist menschliches Leben nicht der Weg durch die täglichen Versuchungen. Einmal ist es ganz einfach nein zu sagen und ein anderes Mal gibt es nur das geringere Übel.Liebe Gemeinde,
Was soll die Geschichte?
Jesus wäre nicht Jesus, wäre er auch nur ein einziges Mal dem Teufel auf den Leim gegangen. Allerdings scheint auch der Teufel nicht gerade auf der Höhe der Zeit gewesen zu sein. Das ist ja schon sehr plump, was er sich da an Versuchungen für Jesus ausgedacht hat: Steine in Brot verwandeln, vom Turm springen, die ganze Welt besitzen. Das ist etwas für die Bösewichte in James Bondfilmen, aber doch nicht für einen wie Jesus. Für ihn hätte er sich schon etwas anderes einfallen lassen müssen. Brot ohne Arbeit, Unverletzlichkeit bei selbst herbeigeführten, waghalsigen Sprüngen und unbegrenzte Macht für den Preis der Teufelsanbetung, das sind längst ausgeträumte Träume. Ich glaube noch nicht einmal, dass diese zurzeit Jesu noch Hochkonjunktur hatten.
Was also soll die Geschichte? Wenn das mit der Versuchung immer so einfach wäre wie in den Märchen: der Teufel mit seinen berühmten drei Wünschen. Jesus besteht die Prüfung locker, eben wie die Helden in den Märchen auch und uns allen zur Lehre. So macht man das, wenn der Teufel kommt.
Die Versuchung
Jesus ein Gottes Sohn, der nicht will, nicht kann, nicht macht, was Gottes Söhne können, machen und wollen, jedenfalls so wie Teufel sich das vorstellen. Schlechte Zeiten für Teufel. Vielleicht hat es der Teufel auch nur ein wenig übertrieben, zuviel geboten in seiner teuflischen Gier, nicht gesehen, dass ein wenig Brot vielleicht schon genug gewesen wäre, für Jesu Hunger oder ein wenig Erleichterung auf dem beschwerlichen Weg durch die Wüste, vielleicht auch nur ein kleines Anwesen, eine Art Tagungshaus oder Kirche zur Erleichterung des Predigt- und Heilungsdienstes. Solche Angebote abzulehnen würde den meisten von uns schwer fallen. Mit solchen Angeboten hätte der Teufel ein weites Betätigungsfeld unter uns. Alles, das ist auch für die meisten unter uns zuviel, aber ein wenig von allem, das kann nicht schaden, das ist doch o.k.
Jesus
Jesus lehnt alles ab. So als hätte er sich das vorgenommen. Er will nicht Steine in Brot verwandelt haben, er will die Naturgesetze nicht aus den Angeln heben und er will sich nicht in die Knie zwingen lassen, von einem, der den Hals nicht voll genug bekommen kann. In allem und wäre es auch nur ein bisschen von allem, steckt der Falsche, der Teufel. Ist es das, was die Geschichte sagen will? Ist es das, was die Geschichte sagen will und das möglichst von Anfang an, damit es im weitern Verlauf kein Vertun mehr gibt.
Der Teufel
Eine Geschichte gegen jedes weiters Missverständnis. Das macht Sinn. Alles, was nun im weitern Verlauf des Evangeliums von Jesus erzählt wird, hat mit dem Teufel nichts, aber auch gar nichts zu tun. Gott und nicht der Teufel ist am Werk. Das ist ja immer nicht so leicht zu entscheiden. Wer Steine zu Brot verwandeln könnte, der könnte dem Hunger auf der Welt wehren, wer die Naturgesetze außer Kraft setzen könnte, Unfälle verhindern und die ganze Welt in den Händen eines einzigen, wäre das nicht das Ende der Politik und der Anfang für einen ewigen Frieden. Warum sollte das nicht auch im Sinne Gottes sein? Warum lehnt Jesus ab?
Jesus lehnt ab. Der Teufel hat sich getäuscht. Der Teufel hat sich in Jesus getäuscht. Jesus hat etwas anderes im Sinn. Und was, das sagt er dem Teufel bei allen drei Angeboten. Wunder von der Sorte des Teufels hat Jesus nicht im Sinn.
Die feinen Unterschiede
Was ist der Unterschied zwischen beiden?
In Abänderung des bekannten Spruchs “im Westen nichts Neues” könnte man sagen: beim Teufel nichts Neues. Brot, Brot, Brot nichts als Brot. Für Brot wären auch andere Lebensmittel möglich. Hamburger oder ….. aber das macht das Werbefernsehen besser. Allerdings vermittelt uns das Werbefernsehen auch etwas von Jesu Sichtweise. Brot allein wäre nicht werbewirksam, es ist immer auch die Geschichte, die dazu erzählt wird. Die Großmutter, die nach uralten Rezepten die Würste macht oder die schön gedeckte Kaffeetafel, an der fast jeder Kaffee schmecken würde. Die Werbung, das ist natürlich nie und nimmer Gottes Wort aber doch ein Beweis dafür, wie sehr wir Menschen von Worten, Bildern, Erinnerungen und Gefühlen leben.
Also wir sehen, bei der ersten Versuchung war der Teufel schlecht beraten, ohne jede Menschenkenntnis. Das ist der ewige Fehler des Teufels, dass er mit Gott konkuriert und doch Nichts begreift. Die zweite Versuchung ist ein gutes Beispiel dafür. Der Teufel hat soviel begriffen, Gottes Wort hat ebensoviel Macht wie Brot. Also versucht er es bei der zweiten Versuchung damit. Und wieder muss er sich von Jesus auf einen feinen Unterschied aufmerksam machen lassen. Jesus legt keinen Wert auf eine göttliche Machtdemonstration zu seinen Gunsten. Ich bin sicher, dass auch viele von uns auf so etwas nicht hereinfallen würden. Warum sollte gerettet werden, wer ohne Not vom Turm springt.
Doch nun hält es der Teufel nicht länger aus, nun kann er nicht länger verbergen, woran ihm wirklich liegt. Er möchte verehrt werden, er möchte geliebt werden, wie Gott verehrt und geliebt wird. Doch nun ist Jesus die teuflischen Verführungskünste leid und schickt den Teufel dahin, wo er hingehört, zum Teufel. Und das ist dann im Folgenden der feine Unterschied, der sich wie ein roter Faden, durch Jesus Geschichte zieht. Jesus wird geliebt und verehrt, Gottes Sohn genannt, obwohl er nichts von dem will und hat und tut, was der Teufel unter Gott versteht.
Gott
Liebe Gemeinde, bis hierher war das ganze eine leichte Übung, lediglich eine Geschichte, die wir so oder auch anders interpretieren können. Schwieriger wird es, wenn wir uns daran machen, unsere eigenen Geschichten näher zu betrachten. Was ist heute Gott und was ist heute der Teufel? Wie ist der feine Unterschied?
Zunächst will ich mich da der biblischen Geschichte anschließen. Gott wirkt keine Wunder, indem er die Ordnung der Welt durcheinander bringt, schon gar nicht, indem er diese außer Kraft setzt. Ich will es noch etwas zuspitzen: wo die Ordnung der Welt außer Kraft gesetzt werden soll oder auch wird, da ist Gott nicht am Werk. Das muss nicht heißen, dass dies nicht möglich ist, es ist auch noch nicht gesagt, ob dies gut oder schlecht ist, aber es ist nicht Gott. Da ist Gott nicht zu suchen.
Jesus jedenfalls hat sich auf einen anderen Weg gemacht, Gott zu suchen, Gott zur Sprache zu bringen. Wo es um die Dinge der Welt geht, wie Brot oder Naturgesetze, handelt es sich um menschliche Angelegenheiten, hier gibt es keine eindeutigen Antworten, wie Jesu Reaktionen auf den Teufel zeigen. Aber es gibt unterschiedliche Haltungen bis auf den heutigen Tag. Die Frage nach der richtigen Lösung des weltweiten Hungerproblems ist nach wie vor strittig. Liegt die Lösung in einer irgendwie zu bewerkstelligenden Vermehrung, wie sie z.B. durch Gentechnik möglich ist oder liegt die Lösung in einer besseren Verteilung des Vorhandenen?
Jesus hat diese Frage nicht beantwortet. „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Munde Gottes geht.“ Ich verstehe das so: das Brot ist eine Sache, doch zum Leben nicht ausreichend. Mit Brot allein sind die Menschen nicht zu sättigen, ganz gleich, wie es hergestellt oder verteilt wird. Ich denke, das geht an uns, die Kirche oder an alle, die sich Christen nennen. Brot allein ist zum Leben zuwenig. Kein Kind könnte allein davon leben. So wie das Kind auf die Worte seiner Mutter und Familie angewiesen ist, so auch ein jeder Mensch auf die Zusage von Gottes Gerechtigkeit und Liebe. Kommt diese Zusage bei einem Menschen nicht an, wird er ein für alle gefährliches Leben leben.
Darum ist die Anerkennung von Menschenrechten kein Verhandlungsgegenstand. Die Anerkennung von Menschenrechten ist der Grund auf dem alles Weitere allein Sinn macht. Und damit gibt es auf der Welt keine einfachen, sondern immer nur komplexe Lösungen, für die Zeit und noch mal Zeit gebraucht werden. Der Teufel steckt eben nicht im Detail, sondern in der Versuchung, die Dinge einfach und schnell lösen zu wollen. Soweit dabei Fragen der Gerechtigkeit oder der Menschenrechte übergangen werden, wird sich dies rächen. Dafür hat Gott ein Gedächtnis. Dafür ist Gott das Gedächtnis.
Gott, das zeigt der zweite Versuchungsversuch, ist auch nicht sicher in den biblischen Worten zu finden. Der Teufel ist bibelfest: „Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich auf Händen tragen werden, auf dass du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt“. Doch das ist kein Wort, um leicht von einem hohen Turm herunterzukommen. Der Teufel ist so eine Art Biblizist pur. Aber das ist ein Missverständnis von dem, was Gottes Wort ist und vermag. Wer vom Turm fällt und sich Nichts bricht, hat Glück und kann Gott dafür danken, aber er ist nicht besser als die anderen, die der Turm unter sich begräbt. Wo immer Türme ins Wanken kommen, werden Unschuldige getroffen und Schuldige kommen mit dem Leben davon. Auch hier ist nicht der Ort, die Frage nach Gott zu stellen.
Der Teufel ist lernfähig. Ein dritter Versuch. Inzwischen könnte er Jesus zwar schon besser kennen, aber dazu ist er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Nun kann er sich nicht mehr länger verstellen. „Bete mich an!“ bettelt er. Dafür würde er Jesus die Herrschaft über die ganze Welt überlassen. Die ganze Welt wäre ihm nichts, würde nur Jesus vor ihm niederfallen.
Das alles hat Gott Jesus nicht geboten, und trotzdem bleibt er dabei. „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.“ Gott hat Jesus nichts von alledem geboten, was der Teufel sich hat einfallen lassen. Allen Angeboten des Teufels zieht Jesus Gottes Liebe vor. „Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Im Glauben an diese Zusage hat sich Jesus aufgemacht. Darauf allein ist er im Leben und Sterben bereit sich zu verlassen. Für teuflische Angebote ist da kein Platz.
Wir
Hier geht nun die Geschichte auch uns etwas an. Was daher kommt wie ein Märchen, ist die alte Frage an uns: Worauf verlassen wir uns im Leben und im Sterben? Oder woran hängen unsere Herzen? Immer wieder werden wir versucht unser Lebensgefühl und -glück in den Dingen zu suchen, die uns umgeben und die uns zur Verfügung stehen oder in unserem Wissen und Können oder unserem Wollen und Planen liegen. Der Teufel, das ist nicht einer, der leicht als solcher zu erkennen wäre. Wir selbst könnten das sein, für uns selbst, aber auch für die anderen. „Tu dieses oder jenes“, sagt die Stimme, dann wirst du angesehen, einfluss- und erfolgreich. So lässt sich sicher leben.
Besser lässt es sich leben im Vertrauen darauf, dass es auf das alles eigentlich nicht ankommt. Das jedenfalls war Jesu Überzeugung. Ein gutes Leben, dass kann anders sein. Davon versteht der Teufel nichts. Gutes Leben, das sind nicht die guten Dinge an sich. Das gute Leben ist etwas, das sich unter uns abspielt. Vom Teufel, d.h. zu nichts nütze, ist die Vorstellung, es gäbe so einen Wert der Dinge an sich. Doch selbst ein Teufel kann davon nicht leben. Auch ihm wäre Jesus Liebe und Anbetung mehr, als der Reichtum der ganzen Welt. Der Teufel kennt nicht nur andere, sondern sich selbst schlecht. Vielleicht reden wir deshalb auch manchmal von armen Teufeln. Da hat einer alles und mehr als das und trotzdem sagen wir, das ist ein armer Teufel. Es sind eben nicht alle Dinge lediglich mit Geld zu bezahlen. Da täuschen sich die armen reichen Teufel.
Mit dem heutigen Sonntag beginnt die Passionszeit. Jesus hatte eine andere Passion als der Teufel. Jesu Passion waren die Menschen, denen er unterwegs begegnete: zuerst den Fischern, die seine Jünger werden sollten, die Besessenen, die Gelähmten, die Tauben und Blinden, die er heilte, die Kinder, die Friedfertigen, die Sanftmütigen, die Ausgegrenzten, die…………und wir. Jesus ist nicht alleine unterwegs, viele sind wie er unterwegs, andere sind anders unterwegs.
Was wir aus der heutigen Predigtgeschichte lernen können, ist Aufmerksamkeit. Nicht alle, die uns etwas anbieten, meinen es auch gut mit uns. In vielen Fällen ist das auch gar nicht nötig. Die Versuchung liegt nicht in den Dingen selbst. Die Versuchung liegt meist in den unausgesprochenen Versprechen, in dem, was wir mit den Dingen unausgeprochen in Verbindung bringen. Aus der Macht über die Lebensmittel wird Macht über diejenigen, die diese zum Leben brauchen, aus weltlicher Macht der Anspruch auf Liebe und Verehrung.
Nicht die Dinge sind es, diese sind unschuldig, es sind die Ansprüche, die wir aneinander haben, die uns das Leben zur Hölle machen können. Immer wieder sind wir versucht, andere verantwortlich zu machen, andere für uns einzuspannen, von anderen zu erwarten, was wir selbst nicht tun. Das sind teuflische Ansinnen, Versuchungen.
Amen