Lass dich nicht vom Bösen überwinden
Predigttext (Freie Textwahl aus aktuellem Anlass):
Römer 12,21 Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)Liebe Gemeinde!
“Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem”. Dieser Aufruf des Apostels Paulus hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt, dies können wir in diesen vom Krieg im Irak überschatteten Tagen ganz besonders erkennen. Das Böse – es beschäftigt uns, wir werden damit im persönlichen und öffentlichen Lebensbereich auch sonst fast täglich konfrontiert
I.
Was meinen wir, wenn wir vom Bösen, von bösen Dingen oder gar von bösen Menschen reden? Das Gegenteil von böse ist gut, und es gehört ganz wesentlich zu unserem Menschsein, dass wir zwischen gut und böse unterscheiden lernen (unser Wort “Kritik” hat nach seiner Grundbedeutung etwas mit “unterscheiden” zu tun!). Das bedeutet, dass wir die Frage: „Was ist gut, was ist böse?“ immer wieder stellen müssen, uns damit konfrontieren lassen, auch mit den unterschiedlichen Antworten darauf.
Wenn z.B. gut nur das wäre, was mir selbst nützt und Vorteil bringt, wäre alles, was dem entgegensteht, böse. Das kann es nicht sein.
Was wäre unter der Rubrik “böse” wirklich einzuordnen? Ich nenne einige Beispiele, die hier wohl unstrittig sind: Krieg, Gewalt, Misshandlung von Menschen und Tieren, Umweltzerstörung und Selbstzerstörung, Freiheitsberaubung, Rassenhass, Entführung, Terrorismus, auch die Verharmlosung von Gewalt.
II
Mit der Benennung dieser schlimmen Gegebenheiten sind große Ängste verbunden: was kommt auf uns zu? – Muss ich das Böse aushalten? Bin ich ihm machtlos ausgeliefert? Es sind damit auch Fragen an die Verantwortung verbunden, die wir Erwachsene, Eltern und Familie, nicht zuletzt die älteren Geschwister, die Lehrenden in Kindergarten, Schule und Ausbildungsstätten gegenüber unseren Jugendlichen haben.
Erleiden wir Böses, stellen sich nicht nur für die jungen Menschen Fragen an Gott wie etwa diese, die uns kommen, wenn wir uns auf einmal machtlos, ohnmächtig gegenüber Geschehnissen fühlen, die wir nicht anders als mit dem Wort “böse” bezeichnen. “Gott, warum hilfst Du nicht, wenn Menschen Hilfe so nötig brauchen? – Warum lässt Du zu, dass Menschen die Erde und sich selbst zerstören – die Erde und die Menschen, die Du doch selber geschaffen hast? – Wenn Gott die Welt erschaffen hat, woher kommt dann das Böse? – Eine der klassischen Antworten auf diese Frage lautet: Das Böse kommt aus der Freiheit, die Gott den Menschen gegeben hat, und der Mensch hat die Möglichkeit, zwischen gut und böse zu wählen. Dies hat besonders der berühmte Jesuit Franz Xaver (Xavier) im 16. Jahrhundert betont (in der Heidelberger Jesuitenkirche und St.Annakapelle trägt je eine Glocke seinen Namen).
Von der Unterscheidung zwischen gut und böse handelt die Geschichte am Anfang der Bibel. Mit dem Baum der Erkenntnis wird es beispielhaft deutlich gemacht. Somit weiß jeder Mensch, was gut und böse ist. Die Entschuldigung “Das habe ich nicht gewusst” ist für immer ungültig – wir haben die Verantwortung. Müsste mit diesem Wissen (und unserer Verantwortung) nicht alles in bester Ordnung sein?
Aber da gibt es die Faszination des Bösen, das es dem Guten so schwer macht, sich durchzusetzen. Was fasziniert denn am Bösen? Ist es die Macht, prickelnder Nervenkitzel wie ein aufregendes Spiel, bei dem gilt: sich bloß nicht erwischen lassen, der Adrenalinstoß bzw. -Kick beim übertreten der Gebote? Aber gibt es auch etwas, was das Gute so faszinierend macht, dass es sich lohnt sich dafür einzusetzen? – Stille –
III
“Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung” tun uns gut. Es lohnt sich, wenn wir uns dafür einsetzen. Mit diesen drei Worten ist die Ethik der christlichen Kirche zusammengefasst, die sich als Antwort auf Gottes gute Zuwendung zur Welt versteht. Für diese Ethik braucht es Übung. Dalai Lama, das seit 1960 im Exil lebende politische und religiöse Oberhaupt der Tibeter, meint in seinem neuesten Buch “Der Weg zum Glück. Sinn im Leben finden”: “Die Übung ist nicht etwas, dem Sie sich ein paar Wochen oder einige Jahre hinweg widmen. Sie findet über viele Leben, über Ewigkeiten hinweg statt”. Aber die christliche Herausforderung ist, dass wir nur dieses eine Leben – und nicht sieben oder unendlich viele Leben – haben. Dieses eine Leben gilt es zu bestehen.
“Lass dich nicht vom Bösen überwinden…” – Einem solchen Aufruf könnte man sich eigentlich nur entziehen, ihn aber nicht entkräften. Er ist und bleibt aktuell. Werden wir das Böse nicht nur benennen, sondern auch überwinden können? Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass wir nicht selten machtlos sind. Aber wir dürfen nicht resignieren. Außer den Bildern von dem, was Menschen sich Böses antun können, gibt es auch die Bilder, die uns auf Gutes hinweisen.
Da sind Menschen, die uns Vorbild sind und denen wir nacheifern wollen. Dass sie doch im guten Sinn Macht über uns gewinnen, damit wir uns entschlossen gegen die Macht des Bösen stellen. Wir können das nicht allein. Wir brauchen einander dazu.
Und wir haben noch eine besondere Hilfe: die Zehn Gebote, die Bergpredigt Jesu – und Jesus selbst, der im Einklang mit Gottes Geboten lebte und uns den Weg des Lebens gewiesen hat. Und unterschätzen wir nicht die Macht des Gebetes, wenn wir mit jenem Gebet Jesu, das die Welt umspannt, Gott bitten: Erlöse uns von dem Bösen. Zu dieser 7. Bitte des Vaterunsers möchte ich auf die entsprechende Vaterunser-Tafel hier in dieser Kirche hinweisen mit einer Auslegung dazu….( ein/e Mitarbeiter/-in geht zur Tafel und liest nocheinmal die Vaterunser-Bitte und dann den Meditationstext, mit Handmikro)
“Sondern erlöse uns von dem Bösen –
Allein sind wir verloren- bleibe bei uns- allein sind wir machtlos – verlass uns nicht – allein sind wir ratlos – begleite uns – Erlöse uns von dem Bösen – mach uns stark – den zerstörenden Kräften unserer Zeit standzuhalten – befreie uns von dem Machtbereich des Bösen – überwinde unsere elende Hoffnungslosigkeit – befreie uns von der tötenden Gleichgültigkeit- überwinde den Tod – damit wir endlich anfangen zu leben – erlöse uns von dem Bösen.”
IV
Vor zwei Jahren (2001) begann die Dekade zur Überwindung von Gewalt. Damit wurde aufgerufen, dass wir uns 10 Jahre lang diesem Thema widmen und jetzt schon bewusster dem Bösen, wo wir es aufspüren, Gutes entgegensetzen – auf Gewalt, die vernichtet, in jeder Form verzichten. Über zwei Jahre sind inzwischen vergangen, und wieviele furchtbare Gewalttaten sind in dieser kurzen Zeit passiert – und jetzt dieser Krieg! Fast jeden Tag gibt es neue Meldungen über Gewalttaten, sie haben Namen bekommen, die auf einmal furchtbar in den Ohren klingen: New York, Jerusalem, Nord-Irland, Helsinki, Bali und seit dem 20. März Irak. Wir brauchen eine “Bildung für den Frieden” nicht nur im persönlichen Lebensbereich. Wir brauchen Ermutigung und Stärkung auf dem Weg, das Gute anzuwenden und es dem Bösen entgegenzusetzen, das ist deine/unsere Chance, das Böse zu überwinden, die Chance unseres Lebens. Amen