“W. w. J. d.” – “What would Jesus do?”

Für ein Leben, das Früchte trägt

Predigttext: Johannes 15, 1-8
Kirche / Ort: Evangelische Kirche / Leutershausen
Datum: 11.05.2003
Kirchenjahr: Jubilate (3. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pfarrerin Sigrid Zweygart-Pérez

Predigttext (nach der Übersetzung von Martin Luther)

1 (Jesus Christus spricht:) Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater der Weingärtner. 2 Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe. 3 Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. 4 Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. 5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. 6 Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie müssen brennen. 7 Wenn ihr in mir bleibt und meine Wort in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. 8 Darin wird meine Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.

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Liebe Gemeinde,

ausgebrannt, erschöpft, überfordert – ein Gefühl, das viele von uns kennen. Wenn die Arbeit einfach zu viel wird und zu einem unüberwindbaren Berg anwächst. In den Betrieben werden immer mehr Stellen abgebaut, die Arbeit lastet auf immer weniger Schultern. Der Druck durch die drohende Arbeitslosigkeit nimmt zu. Das Arbeitsklima verschlechtert sich, der Spaß an der Arbeit, der doch die Quelle für die nötige Kraft ist, geht verloren.

Auch im Bereich unserer Beziehungen kennen wir diese Erfahrung des Verkümmerns. Da steht ein Paar irgendwann vor den Scherben seiner Liebe, weil die Grundlage, die Freude an dem anderen Menschen, die anfangs so unbeschreiblich groß und schön gewesen ist, untergegangen ist in den alltäglichen Reibereien und der höhepunktlosen Routine.

Manchmal ist es das Leben selber, was uns einen schalen, trockenen Geschmack im Mund zurücklässt. Wofür lebe ich überhaupt? Was für einen Sinn macht das Ganze eigentlich? Was ist aus meinen Träumen geworden, die ich hatte, von dem, was ich in meinem Leben verwirklichen wollte? Bin ich eigentlich noch diejenige, die mein Leben gestaltet, oder wird es nur von anderen bestimmt?

Gut, wenn wir uns dieser Fragen und Defizite bewusst werden. Wenn wir nicht schon resigniert haben vor dem, was uns verdorren lässt. Damit wir uns auf die Suche machen können nach der Quelle, aus der wir schöpfen können. So, dass wir das Leben in seiner ganzen Fülle in uns spüren können. Da sind ja nicht wenige, die uns dabei ihre Hilfe anbieten. Ob das Fitnessprogramme sind, die uns so stählen, dass wir allen Anforderungen gerecht werden. Oder Persönlichkeitsberater, die versprechen, uns mit den ausgefeiltesten Trainings zu erfolgreichen und glücklichen Menschen zu machen. Und natürlich die verschiedenartigsten Religionen, alte und neue, die um das Vertrauen der Menschen werben. Die christliche Religion ist auch in Europa längst eine von vielen.

Einem vielfältigen Angebot auf dem religiösen Markt sah sich aber auch schon Johannes gegenüber, als er die „Ich-bin-Worte“ Jesu in seinem Evangelium verarbeitete. „Ich bin der wahre Weinstock“ – das ist eine eindeutige Abgrenzung gegenüber den vielen anderen Offenbarergestalten, die für sich in Anspruch nahmen, Weinstock bzw. Lebensbaum zu sein.

Damals wie heute fragen sich die Menschen, warum gerade Jesus der wahre Weinstock sein soll, aus dem wir leben können. Warum soll ich glauben, dass er derjenige ist, der diesem Anspruch gerecht wird, während alle anderen „falsche Propheten“ sind.

Die Antwort auf diese Frage kann nur in den Erfahrungen liegen, die wir mit Jesus machen. Darin, wie sich unser Leben verändert, wenn wir dem vertrauen, was er gesagt und getan, was er gelebt hat. Wenn wir „in ihm“ bleiben, wie Jesus sagt, und „er in uns“. Die Lebenskraft, die in Jesus steckt, die lässt sich nicht beschreiben, sie lässt sich nur erfahren.

Mich auf diesen Jesus einzulassen, dazu macht mir unser Predigttext Mut. Weil er mir deutlich macht, dass es Jesus um uns geht, und nicht um sich selber. Als Weinstock ist er die Lebensgrundlage für das eigentliche Ziel des Weinbaus: für die Reben, die die kostbare Frucht tragen. Der Weingärtner pflanzt den Weinstock, um sich am Ende an den Früchten zu erfreuen. Gott hat Jesus in die Welt „gepflanzt“, damit er sich an den Früchten unseres Lebens erfreuen kann.

Mit dem Bild vom Weinstock nimmt Jesus sich ganz zurück. Das unterscheidet ihn so wesentlich von den vielen anderen selbsternannten Sinngebern, die vor allem sich selber und ihr Wohlergehen im Blick haben.

Das Bild vom Weinstock erzählt uns davon, was Gott für uns will: ein Leben, das Früchte trägt. Ein Leben, das nicht hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, das sich entfalten kann und nicht nur am Notwendigen kleben bleibt. Ein Leben von dem wir sagen: es ist gut. Für uns und für andere.

Gegen die Erfahrung des Ausgebranntseins, der gescheiterten Beziehung, der Sinnlosigkeit setzt unser Predigttext das Bild des lebensspendenden Weinstocks, der durch die lebendige Beziehung zwischen Weingärtner, Weinstock und Rebe reiche Frucht trägt.

Gott selber ist der hingebungsvolle Weingärtner, der jede einzelne Rebe in seine Hände nimmt, damit sie möglichst viel Frucht bringen kann. So wertvoll sind wir ihm, dass er sich um jede und jeden von uns sorgt und müht. Damit unser Leben gelingt.

W. w. J. d. – vier Buchstaben auf ein Armband gestickt, die tragen zur Zeit viel Jugendliche. Auch unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden haben diese vier Buchstaben kürzlich bei ihrer Konfirmation geschenkt bekommen. W. w. J. d. – what would Jesus do? Was würde Jesus tun? Mit dieser Frage zu leben bedeutet, in Jesus zu bleiben, so, dass er in uns bleiben kann. Mit dieser Frage zu leben erleichtert uns zu erkennen, was dem Leben dient, und was es dürr werden und vertrocknen lässt.

Was würde Jesus tun? – auf diese Frage gibt es eine Antwort. Jesus würde in allem, was er tut, darauf vertrauen, dass Gott uns Menschen bedingungslos liebt. Wenn wir dieses Vertrauen teilen, dann wachsen uns Kräfte zu, die wir nicht aus uns selber schöpfen. Dann sehen wir unsere Mitmenschen als ebenso von Gott geliebte Menschen, die wichtiger sind als alles andere auf der Welt. Dann wissen wir, dass unser Leben ein Ziel hat.

In Jesus zu bleiben, heißt in Gott zu bleiben, heißt im Leben zu bleiben. Damit unser Leben gelingt. Amen.

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