“One of us”
Konfirmationspredigt in Verbindung mit einem Popsong
Predigtvorüberlegungen
Die Gottesbilder von Konfirmandinnen und Konfirmanden sind meist diffuser als jene von Erwachsenen. Dies hängt mit der kognitiven und religiösen Entwicklung zusammen. Ab der Pubertät bildet sich formal-operationales Denken aus. Ideale Zustände, beispielsweise eine gerechte Welt, können gedanklich vorgestellt werden, und die tatsächlich bestehenden Zustände werden hart an den idealen gemessen. Damit einher geht der Wandel von einem naiven Gottesbild (,Gott ist ein lieber alter Mann mit Bart’) zu einem rationaleren Bild. Ein mythisch-wörtlicher Kinderglaube transformiert sich in einen synthetisch-konventionellen Glauben (vgl. Stufenmodell von Fowler): Unterschiedliche Selbst-Vorstellungen werden zu einer gemeinsamen Identität zusammengefaßt. Eine persönliche und größtenteils unreflektierte Synthese von Überzeugungen und Werten entsteht, um die Identität zu stützen und den einzelnen in einem Gefühl der Gemeinsamkeit mit anderen zu vereinigen. Popmusik verstehe ich dabei als Brennglas des Lebensgefühls und der Bedürfnisse von Jugendlichen, die - entgegen der gängigen Meinung - durchaus religiöse Dimensionen besitzen, wie das Lied ,One of us’ zeigt. Es präsentiert verschiedene Gottesvorstellungen in Frageform (,Fremder’, Null-acht-fünfzehn-Typ’, ,großer Gott’ u.a.), wobei die menschliche Seite Gottes betont wird, während die heilige Seite Gottes im Lied eher kritisch gesehen wird. Seit der frühen Kirche hält man dagegen im Christentum fest, daß Jesus Gott und Mensch in einem ist und so den Menschen die Brücke zur Gottheit schlägt.Literatur:
James Fowler, Stufen des Glaubens, 1991; Gerd Buschmann/ Burkhard Leich, Gott menschlich - Die Sehnsucht nach der Menschwerdung Gottes in zwei Titeln der Popmusik: Crash Test Dummies, God shuffled his feet (1993)/ Joan Osborne, One of us (1995); in: Praktische Theologie 33/4, S. 305-312.Verlauf der Predigt
Lied wird von einer Sängerin auf englisch gesungen (mit E-Gitarrenbegleitung) Gemeinde bekommt Liedtext mit Übersetzung zum Mitlesen sowie im Anschluß an das Lied eine kurze Lesephase Text mit Übersetzung (Text: Eric Bazilian, eigene Übersetzung): If God had a name, what would it be? And would you call it to his face? If you were faced with Him, in all His glory What would you ask, if you had just one question? Wenn Gott einen Namen hätte, wie würde er lauten? Und würdest du ihm den ins Gesicht sagen, wenn du vor ihm stündest mit all seiner Glorie? Was würdest du fragen, wenn du nur eine einzige Frage hättest? And yeah, yeah, God is great. Yeah, yeah, God is good. Yeah… What if God was one of us? Just a slob, like one of us Just a stranger on the bus Tryin' to make his way home? Und Yeah, yeah, Gott ist groß. Yeah, yeah, Gott ist gut. Yeah...! Was, wenn Gott einer von uns wäre Nur so ein Null-acht-fünfzehn-Typ, wie einer von uns? Einfach nur ein Fremder im Bus, der versucht, seinen Weg nach Hause zu finden. If God had a face, what would it look like? And would you want to see if, seeing meant That you would have to believe, in things like heaven And in Jesus and the saints, and all the prophets? Wenn Gott ein Gesicht hätte, wie würde es aussehen? Und wolltest du (es) sehen, wenn „sehen“ bedeuten würde, dass du glauben müsstest- an Dinge wie Himmel Und Jesus und die Heiligen und all die Propheten? What if God was one of us? Just a slob, like one of us Just a stranger on the bus Tryin' to make his way home? Like a howling rollin' stone back up to heaven all alone just tryin' to make his way home Nobody calling on the phone 'Cept for the Pope maybe in Rome Was, wenn Gott einer von uns wäre? Nur so ein Null-acht-fünfzehn-Typ, wie einer von uns Einfach nur ein Fremder im Bus, der versucht, seinen Weg nach Hause zu finden? Wie ein heulender rollender Stein ganz allein wieder zurück in den Himmel versucht er, seinen Weg nach Hause zu finden Niemand, den er anruft, vielleicht mit Ausnahme des Papstes in Rom.Gott ist einer von uns
1. Was wäre, wenn Gott einer von uns wäre?
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,
what if God was one of us? Was wäre, wenn Gott einer von uns wäre? So heißt der Popsong von Joan Osborne unabgekürzt. Vor einigen Jahren war er ein Hit. Die Sängerin kommt aus Kentucky. Sie ist in einer behüteten, katholischen Umgebung aufgewachsen. Aber mit dem Glauben, wie man ihn ihr zu Hause vermittelt hat, hat sie Schwierigkeiten. Vielleicht habt auch Ihr heute ähnliche Fragen und Anfragen wie Joan Osborne?
Sie scheint zu singen: ,Gott ist groß, Gott ist gut, ja, ja, aber das sagt mir wenig. Auch mit den Glaubenssätzen über den Himmel, die Heiligen und all die Propheten kann ich wenig anfangen. Und die Lehre über den Gottessohn Jesus bleibt mit fremd. Die ist vielleicht etwas für den Papst in Rom, aber nicht für mich! Na, der Papst steht ja auch im Direktkontakt zum Himmel und wird von dort angerufen…’
Sicherlich macht die Sängerin sich mit diesen Sätzen etwas über den Papst lustig. Aber gibt sie auch den Glauben an Gott auf? Hängt sie den Glauben an den Nagel mit dem Vermerk: ,Endgültig abgehakt’? Keinesfalls! Im Gegenteil, ihr Gesang ist sehnsuchtsvoll. Sie sehnt sich nach Gott. Nach einem ganz anderen Gott als jenen, den sie seit Kindesbeinen an kennt. Nach einem frischen, unverbrauchten Gott. Nach einem menschlichen Gott.
,Was wäre, wenn Gott anders wäre, als ich immer gehört habe? Wenn er nicht voller Glorie im fernen Himmel wohnt? Wenn er ein Null-acht-fünfzehn-Typ wäre? Ein fremder Unbekannter, der vielleicht im Bus neben mir sitzt? Was wäre, wenn der heilige Gott einer von uns wäre?’
2. Jesus ist einer von uns
2.1 Gott ist menschlich
Was wäre, wenn Gott einen Namen hätte? Wie würde er dann lauten? Wenn Gott ein Gesicht hätte, wie würde es aussehen?
Im Konfirmandenunterricht haben wir uns viel mit solchen Fragen beschäftigt. Vom einem anderen Popsong haben wir uns anregen lassen, von Groove Coverage ,God is a girl’. Wir haben uns davon ausgehend gefragt: Ist Gott ein Mann oder eine Frau? Die Antwort, die wir fanden war: Gott ist weder Mann noch Frau, sondern er ist der Heilige (Hos 11,9). Wir haben uns in der Konfirmandenzeit viele Gedanken über Gottesvorstellungen gemacht.
Was wäre, wenn Gott einen Namen hätte? Wie würde er dann lauten?
Das Lied von Joan Osborne scheint mir, eine etwas verblüffende Antwort darauf zu geben: Gott hat keine Namen, weil er uns in anderen Menschen begegnet. Im Fremden, der auf dem Nachhauseweg ist. Im Namenlosen, der neben uns im Bus sitzt. Im Obdachlosen, der ein Zuhause sucht. Gott ist ein Null-acht-fünfzehn-Typ, meint die Sängerin. Da er menschlich ist, da er einer von uns, hat er keine Namen.
2.2 KonfirmandInnen-Projekt: Obdachlosigkeit
Was wäre, wenn Gott einen Namen hätte? Wie würde er dann lauten?
Zwei Monate habt Ihr in Projekten die Kirche kennengelernt. Im Konfirmandengespräch habt Ihr die Ergebnisse der Gemeinde präsentiert. Eine Gruppe hat sich mit dem Thema ,Obdachlose’ beschäftigt und die Wärmestube besucht. Die Bilder, die sie dazu gemalt haben, hängen im Altarraum. Auf die Frage, weshalb wir uns als Kirche für Obdachlose engagieren, hat eine Konfirmandin mit einer Bibelstelle geantwortet: Sie steht im Matthäusevangelium im 25. Kapitel, Vers 33-40. Die Stelle handelt von Jesus, der am Ende als König über die Völker Gericht halten wird. Ich lese sie vor (Übersetzung Gute Nachricht):
Alle Völker der Erde werden vor ihm versammelt werden, und er wird die Menschen in zwei Gruppen teilen, so wie ein Hirt die Schafe von den Böcken trennt. Die Schafe wird er auf seine rechte Seite stellen und die Böcke auf seine linke Seite.
Dann wird der König zu denen auf seiner rechten Seite sagen: ,Kommt her! Euch hat mein Vater gesegnet. Nehmt Gottes neue Welt in Besitz, die er euch von allem Anfang an zugedacht hat. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd, und ihr habt mich bei euch aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir etwas anzuziehen gegeben; ich war krank, und ihr habt mich versorgt; ich war im Gefängnis, und ihr habt mich besucht.’
Dann werden die, die den Willen Gottes getan haben, fragen: ,Herr, wann sahen wir dich jemals hungrig und gaben dir zu essen? Oder durstig und gaben dir zu trinken? Wann kamst du als Fremder zu uns, und wir nahmen dich auf, oder nackt, und wir gaben dir etwas anzuziehen? Wann warst du krank oder im Gefängnis, und wir besuchten dich?’
Dann wird der König antworten: ,Ich versichere euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.’
In dieser Geschichte stecken für mich einige Antworten auf Osbornes Fragen: Im Fremden begegnet uns Jesus, so heißt es da. Genauso wie im Hungrigen, im Kranken, im Heimatlosen. Was wir für einen Obdachlosen tun, tun wir für Jesus, sagte jene Konfirmandin im Konfirmandengespräch.
Wer Jesus begegnet, begegnet aber Gott. Das ist der Kern des christlichen Glaubens. Jesus, der als Mensch auf der Erde lebte, ist Gott selbst. Somit hat die Sängerin recht: Gott ist menschlich. In jedem Menschen, der mir begegnet, kann ich Gott begegnen. Der Fremde im Bus, das kann Gott sein. Der Null-acht-fünfzehn-Typ, das kann Gott sein. Der Obdachlose in der Wärmestube, das kann Gott sein. Der heilige Gott, das ist einer von uns.
2.3 KonfirmandInnen-Projekt: Gottesdienst
Was wäre, wenn Gott einen Namen hätte? Wie würde er dann lauten?
In einem weiteren Projekt haben sich manche von Euch mit dem Gottesdienst auseinandergesetzt. Ihr habt ein Lied über Jesus getextet und vertont. Wir haben es gerade miteinander gesungen. In diesem Lied werden Jesus Namen gegeben. Er wird dort genannt: Jesus, Erlöser der Menschen. Jesus, Held der Armen. Jesus, mein bester Freund.
2.4 KonfirmandInnen-Projekt: Graffiti
Was wäre, wenn Gott einen Namen hätte? Wie würde er dann lauten?
Ein anderes Projekt hat im Keller ein Graffiti erstellt. Der Hintergrund ist gelb. Die Farbe steht für die Sonne, für Wärme und für Lebensenergie. Sie symbolisiert auch Gott, der wie die Sonne ist. In der Mitte des Graffiti ist ein gewaltiges, schwarzes Kreuz zu sehen. Es steht für das Leid, für die dunklen Tage des Lebens. Über dem Querbalken des Kreuzes steht mit roter Farbe ,Jesus’. Rot ist die Farbe der Liebe. Sie symbolisiert: In Jesus begegnet uns die Liebe Gottes. Dann sind auf dem Graffiti noch die Unterschriften der Konfis zu lesen. Unter dem Kreuz stehen sie. Aber diese Unterschriften sind viel größer geraten als Künstler normalerweise ihre Kunstwerke signieren. Wie die Jüngerinnen und Jünger, die unter dem Kreuz Jesu stehen, so wirken die Namen auf mich. Auf dem Bild hat sich der Name Jesu mit dem Namen der Konfirmanden verbunden.
Für mich ist das ein Sinnbild für die Konfirmation: Bei der Taufe haben Eure Patinnen und Paten Eure Namen vor dem Taufbecken laut genannt. Der Pfarrer oder die Pfarrerin hat bei der Taufe dann den Namen Gottes über Euch ausgesprochen: den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Eure Namen haben sich mit dem Namen Gottes verbunden. Ihr tragt sozusagen seitdem den Namen Gottes. Heute, an Eurer Konfirmation, bekräftigt Ihr diese Verbindung. Konfirmation heißt zu sprechen: ,Ja, so wie auf dem Graffiti der Name Jesu mit unseren Namen verbunden ist, so gehören wir zu Jesus. An hellen wie an dunklen Tagen wollen wir uns an ihn halten. In Ihm finden wir die Kraft Gottes. In ihm ist die Liebe Gottes’.
3. Gott ist einer, der mit uns mitgeht
Liebe Eltern, auch für Sie ist heute ein besonderer Tag. Ihr Kind beginnt erwachsen zu werden. Es löst sich von ihnen. Das ist mit Konflikten verbunden. Vielleicht kommt Ihnen heute die bange Frage in den Sinn: ‚Was wird eines Tages aus meinem Kind werden?’
Was wäre, wenn Gott einen Namen hätte? Wie würde er dann lauten?
Moses hat Gott nach seinem Namen gefragt. Gott nannte ihn seinen Namen: Er lautet übersetzt: ,Ich bin, der ich bin’. Oder, wie man auch übersetzen kann: ,Ich bin der, ich bin da für dich’ (2. Mose 3,14). Nehmen Sie diesen Namen heute als Zuspruch mit. Sie können vertrauen, daß Gott für Ihr Kind immer da ist. Legen Sie die Sorge für Ihr Kind getrost in größere Hände! So gewinnen Sie die nötige Gelassenheit, um Ihr Kind loszulassen. Sie können Ihrem Kind ein Freund sein, der es versucht ernstzunehmen, ohne von ihm Besitz zu ergreifen. Sie können ein Partner sein, der ihm Mut macht, zu einem eigenen Leben zu finden.
Vielleicht hilft Ihnen dabei der Segen, den eine Mutter über ihren Sohn sprach, der im Begriff war, erwachsen zu werden. Er lautet:
,Mein Sohn,
du atmest die Luft zum Leben in deinem Freundeskreis.
Du offenbarst deine innersten Beweggründe deiner Freundin.
Du suchst deinen Berufsweg im Dickicht der Angebote.
Du gehst den falschen Weg und kehrst um.
Du erlebst Abenteuer, du träumst von Reisen.
Du trauerst, du holst Trost in der Musik.
Gott segne dich – und schaue deinen Wegen groß und gelassen zu.’
Gott ist einer von uns. Er ist einer, der die Konfirmandinnen und Konfirmanden auf ihrem Weg begleitet. Er ist einer, der ihren Wegen groß und gelassen zusieht. In diesem Vertrauen wollen wir sie nun einsegnen. Amen.
Ich musste eine Andacht vorbereiten und mir persönlich hat diese Predigt sehr geholfen.