“Zweierlei Trost”
Eine Predigt Martin Luthers zum Sonntag Exaudi
Predigttext: Johannes 15,26-16,4
Wenn aber der Tröster kommen wird, welchen ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird zeugen von mir. Und auch ihr werdet meine Zeugen sein, denn ihr seid von Anfang bei mir gewesen. Solches habe ich zu euch geredet, damit ihr nicht Ärgernis nehmt. Sie werden euch in den Bann tun. Ja, es kommt die Stunde, daß wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott einen Dienst damit. Und solches werden sie darum tun, weil sie weder meinen Vater noch mich erkennen. Aber solches habe im zu euch geredet, damit, wenn die Stunde kommen wird, ihr daran gedenket, daß ichs euch gesagt habe. Solches aber habe ich euch von Anfang nicht gesagt, denn ich war bei euch.Im heutigen Evangelium sind zwei Stücke: das erste vom Heiligen Geist, das andere von der künftigen Verfolgung, welche denen begegnen wird, die das Evangelium vor der Welt bekennen und predigen.
Vom Heiligen Geist wißt ihr, daß wir im
christlichen Glauben glauben und bekennen, daß der Heilige Geist ewiger, allmächtiger Gott sei. Dem gibt der Herr Christus hier einen besonderen Namen und nennt ihn einen Tröster. Das stellt er gegen die künftige Verfolgung, die den Aposteln und Christen über der Predigt und dem Bekenntnis des Evangeliums in der Welt begegnen wird, wovon ernachher redet.
Wollt ihr meine Jünger und Christen
sein, sagt er, so werdet ihr leiden müssen. Denn was bedarf es da des Trostes, wo nicht Leiden und Kümmernis ist? Darum werdet ihr leiden müssen, daß man euch nicht allein töte (das wäre noch gering und leidlich), sondern daß man euch so töte, daß die, welche euch töten, Recht haben, ja Gott einen Dienst dazu getan haben wollen, und ihr, die ihr
getötet werdet, müßt Unrecht haben. Das heißt nicht einfach töten, sondern schändlich und schmählich töten, da jedermann sagen wird: Ei, dem Ketzer geschieht recht; man sollte nicht wollen, daß es ihm anders ginge usw. So zeigt also der Herr an, daß bei der Apostel und Christen Tod kein Trost sein werde.
Die Welt, sagt er, wird euch als Ketzer erwürgen.Da wird denn euer Gewissen auch schwach sein, daß ihr oft denken werdet: Wer weiß, ob ich es auch recht gemacht habe? Ab, ich habe in der Sache zuviel getan. Ihr müßt also vor der Welt und in euern Gewissen Unrecht haben. Weil ich nun weiß, wie es euch gehen wird, daß ihr bei euch selbst wenig und in der Welt gar keinen Trost finden werdet: so will ich euch in solcher Not nicht stecken lassen, will euch nicht so in den
Schlamm hineinführen, daß ihr darin ertrinken
sollt. Sondern wenn kein Trost mehr in der Welt ist und ihr ganz erschrocken und verzagt seid, will ich euch den Heiligen Geist senden, der ein Tröster heißt und ist. Der soll euch gegen alles Verzagen im Herzen Trost
zusprechen und sagen: Sei getrost und unverzagt, kehre dich nicht an der Welt Urteil, auch nicht an deine Gedanken, sondern halte dich an das, was ich dir sage.
Nun ist zweierlei Trost. Der eine ist ein
weltlicher Trost. Das ist ein falscher und
lügenhafter Trost, denn er steht darauf, daß ein Mensch sich auf Gut, Ehre, Gewalt, auf großer Fürsten und Herren Freundschaft und Vorschub verläßt. Daran werdet ihr, meine Jünger, spricht Christus hier, keines haben. Sondern es soll noch wohl alles wider euch und nicht mit euch sein: daß die Welt ihre Gewalt, Ehre, Gut und Vermögen wider euch brauchen und euch damit wird unterdrücken wollen. Darüber sollt ihr nicht erschrecken, daß ihr solchen Trost nicht habt. Es ist ja doch ein
elender, schlechter, unsicherer Trost. Er hilft und tröstet nicht länger, als bis ein Fieber, eine Pest oder eine andere Krankheit kommt, so ist es schon ausgetröstet.
Ich aber will euch einen anderen Tröster schaffen, den Heiligen Geist, der euch alsdann trösten soll, wenn ihr erschrocken, verzagt, elend, armselig und verlassen seid, beides, vor den Menschen und in euerm Herzen vor euch selbst. Denn deswegen führt der Heilige Geist den Namen, daß er ein Tröster heißt und nicht ein Betrüber. Denn wo Traurigkeit und Betrübnis ist, da ist der Heilige Geist, der
Tröster, nicht daheim. Der Teufel ist ein
Schreckgeist und Betrüber, aber der Heilige Geist ist ein Tröster.
Danach gibt er dem Heiligen Geist noch einen Namen und nennt ihn den Geist der Wahrheit. Er will damit sagen: der Heilige Geist, welchen im vom Vater senden will, soll ein Tröster heißen und sein, aber ein Tröster in der Wahrheit. Er soll nicht ein Tröster sein, wie in der Welt Trost ist, wo keine Wahrheit noch Bestand dabei ist, sondern ein Trost
soll ein wahrhaftiger, ewiger, beständiger Trost sein ohne Falschheit und Lüge, der niemand betrügen kann.
Aber hier hats wieder seine Schwierigkeit. Denn das Gewissen spricht: du redest mir wohl von einem Trost, aber im fühle den Trost nicht, von dem du mir redest. Ja, das Gegenteil fühle und sehe ich, daß die Welt Freude und Trost hat, während die
Christen leiden müssen. Johannes der Täufer muß seinen Kopf hergeben, Herodes und seine Hure bankettieren derweil miteinander und haben einen guten Mut. Das ist eine schlechte Freude und ein passender Trost, daß die Hure Herodias dem lieben, heiligen Mann den Kopf abtanzt. Mit uns geht es auch so. Die Christen werden unterdrückt und geplagt. Heißt das nun getröstet? Ja, sagt Christus, es heißt getröstet. Aber du mußt es recht unterscheiden. Der Heilige Geist heißt ein
Tröster in der Wahrheit. Die Welt hat auch ihren Trost, denn sonst könnte sie nicht so sicher, fröhlich und guter Dinge sein. Aber es ist nicht ein Trost, der da vom Geist der Wahrheit kommt, sondern es ist ein lügenhafter Trost. Denn sehr bald kann sichs zutragen, daß alles, womit die Welt sich tröstet, nicht mehr trösten noch helfen kann.
Dagegen ist aber dieser Tröster, den die Christen haben, ein Geist der Wahrheit, der einen beständigen Trost in unsere
Herzen gibt. Die Welt kann Johannes den Täufer nicht trösten, sondern läßt ihn in Traurigkeit liegen, Herodes und seine Hure werfen ihn in den Turm und nehmen ihm endlich den Kopf. Aber der Tröster, der Geist der Wahrheit, tröstet Johannes, sagt ihm ins Herz: Lieber Johannes, kehre dich an den Schrecken nicht, daß du so elendig daliegst und die arge Welt ihren
Mutwillen an dir übt; du bist dennoch Gottes Freund und das liebe Kind. Die ganze Welt verzweifelt wohl an dir; aber ich tröste dich, und mein Trost ist ein zuverlässiger, ewiger Trost. Die Welt hat einen falschen, unsicheren Trost, ihr Trost heißt eine kurze Freude und langes, ja, unendliches Leid. Dagegen soll aber dein Leiden kurz sein und eine ewige Freude darauf folgen, von der ein Augenblick
mehr und besser ist als tausend Jahre hier auf
Erden, wenngleich aller Welt Freude und kein Leid da wäre. Dieser Trost füllt dem Johannes dermaßen das Herz, daß er sich nicht allein vor dem Tode nicht entsetzt, sondern: wohl Gott noch dafür dankt, daß er so von diesem armen, sündlichen Leib und Leben befreit und zum ewigen Leben befördert werden soll.
Woher nimmt aber der Heilige Geist solchen Trost? Vom Vater, spricht Christus hier. Warum tröstet aber der Heilige Geist? »Von mir«, spricht der Herr, »wird er zeugen«, als wollte er sagen: Mein liebes Kind, der Teufel wird dich schrecken und ängstigen, die Welt dich gefangennehmen und töten, darauf mußt du gefaßt sein, anderes wird nicht daraus werden.
Dagegen soll aber der Heilige Geist ein Zeuge von mir sein, soll dich aufwecken und dir eingeben, daß du an mich gedenkest. Der wird dir nicht ein oder mehrere tausend Taler geben, wie die Welt, sondern von mir wird er zeugen, daß du wirst sagen können: Wenn schon alles dahin ist, Weib und Kind, Haus und Hof, Gut und Ehre, ja es jetzt an dem ist, daß Leib und Leben auch hintennach soll: so lebt dennoch der droben, der da heißt Jesus
Christus, der um meinetwillen Mensch geworden, für mich gestorben und auferstanden und gen Himmel gefahren ist, wie ich täglich in meinem
Glaubensbekenntnis bete.
Ist das wahr, wovor will ich mich denn fürchten? Gottes Sohn, mein lieber Herr, der für mich den Tod leidet, der wird wahrlich mein Feind nicht sein, er wird es treu und gut mit mir meinen. Wer einen liebhat, vor dem braucht man sich nicht fürchten. Hat mich nun Gottes Sohn lieb, so habe ich ja nicht Ursache, mich vor ihm zu fürchten
oder ihm etwas Böses zuzutrauen.
Es sagt aber Christus deutlich: Der Heilige Geist wird von mir zeugen, von mir, und nicht von einem anderen. Außer diesem Zeugnis des Heiligen Geistes von Christus ist kein zuverlässiger, beständiger Trost. Darum sollte man dies Wort »von mir« mit großen, dicken Buchstaben schreiben und fleißig merken. Denn dabei können wir gewiß sein, daß der Heilige Geist mit keiner anderen Lehre kommen, weder Mose noch andere Gesetze predigen soll, die
Gewissen damit zu trösten.
Wenn die Gewissen getröstet werden sollen, so muß es allein die Predigt von Christi Sterben und Auferstehen tun; die tröstet allein. Alle anderen Predigten aber von Gesetz, guten Werken, heiligem Leben, sei es von Gott oder Menschen geboten, vermögen den Menschen
in Not und Tod dagegen nicht zu trösten, sondern machen schwach und verzagt, schrecken und plagen. Denn selbst Gott, wenn man ohne Christus mit ihm verhandeln will, ist ein schrecklicher Gott, an dem man keinen Trost, sondern eitel Zorn und Ungnade findet!
Aber wer von Christus predigt, der verkündigt
und bringt den rechten Trost, da es unmöglich ist, daß die Herzen sich dessen nicht freuen und nicht guter Dinge drüber sein sollten.
Darum liegt es alles an dem, daß man diesen Trost sicher fasse und festhalte und sage: Ich glaube an Jesus Christus, der für mich gestorben ist, und weiß, daß der Heilige Geist, der ein Zeuge und Tröster heißt und ist, von niemand anders predigt oder zeuget in der Christenheit als von Christus, um alle Betrübten zu trösten und zu stärken. Dabei
will ich bleiben und mich sonst an keinen Trost halten. Denn sollte ein besserer oder
zuverlässigerer Trost sein als dieser, der Heilige Geist würde ihn auch bringen. Aber er soll nicht mehr tun als von Christus zeugen. Der Trost soll nicht fehlen, wenn wir uns nur fest daran halten und fest glauben, daß es wahr und des Heiligen Geistes Zeugnis sei.
Warum braucht der Herr aber hier soeben das
Wörtlein »zeugen«? Er hätte doch wohl anders reden können, Antwort: Er braucht ein besonderes Wort dafür, sagt nicht: Der Heilige Geist wird von mir reden, sondern: Der Heilige Geist wird von mir »zeugen«. Das tut er deshalb, damit wir desto mehr auf das Wort Achtung haben und demselben glauben
sollen. Denn »Zeugen« geschieht durchs Wort, und dem Zeugnis muß man glauben. Deshalb will Christus so sagen:
Der Heilige Geist wird mich euch nicht persönlich vor die Nase stellen, so daß ihrs sehen, greifen und fühlen werdet. Sondern ihr werdet des Heiligen Geistes Stimme in euren Herzen hören, daß ich für euch gestorben und euch zugut Sünde, Tod, Welt, Teufel, Hölle überwunden habe.
Er setzt auch des Heiligen Geistes und der Apostel Zeugnis zusammen und spricht: Der Heilige Geist »wird zeugen von mir, und auch ihr werdet meine Zeugen sein, denn ihr seid von Anfang bei mir gewesen«. Denn wahr ist es, der Heilige Geist hat seine Wirkung inwendig im Herzen. Aber doch will er solche Wirkung in der Regel und im allgemeinen nicht anders als durch das mündliche Wort ausrichten, wie Paulus Röm. 10, 14 sagt: »Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben?«, ebenso Vers 17: »Der Glaube kommt
aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.« Darum nennt Christus den Heiligen Geist auch einen Zeugen, nicht allein weil er inwendig und heimlich im Herzen zeuget, sondern auch weil er äußerlich und öffentlich durch den Mund und durch das Wort der Apostel und aller Prediger zeuget, die
das Evangelium von Christus rein und lauter
verkündigen. Denn zum Zeugen gehört der Mund und das Wort.
Darum soll niemand warten, der Trost begehrt, bis der Heilige Geist persönlich und in seiner Majestät vom Himmel mit ihm rede. Denn er führt sein Zeugnis öffentlich in der Predigt: da mußt du ihn suchen und seiner warten, bis er durch solches Wort, das du mit deinen Ohren hörst, dein Herz anrühre und so auch durch seine Wirkung inwendig im Herzen von Christus zeuge. Aber solch inwendiges Zeugnis kommt nicht eher, es habe denn zuvor das andere öffentliche und mündliche Zeugnis des
Wortes stattgefunden, da man höre, daß Christus um unsertwillen Mensch geworden, gekreuzigt, gestorben und wieder auferstanden sei.
So ist nun dies die Summe von dem heutigen
Evangelium, daß wir uns willig drein ergeben
sollen, so wir Christen sein wollen, daß wir nicht viel Geld und Gut, Freude und Herrlichkeit hier auf Erden haben werden, sondern wir sollen die Welt darüber zum Feinde kriegen, Sünde, Tod und ein böses Gewissen tragen.
Wenn nun ein Christ solches so leidet, daß das Herz kleinlaut, betrübt und bekümmert wird und denkt: Siehe, wie geht es dir? Was hast du angerichtet? Du hättest… wohl ein Christ sein können und dich dennoch nicht in solche
Gefahr zu begeben brauchen; geht es dir nun übel, so ist es deine eigene Schuld usw. Da kommen denn auch schreckliche Exempel mit dazu, wie das Beispiel der ersten Welt, welche Gott durch die Sintflut vertilgt, ebenso das Beispiel der Städte Sodom und Gomorra, welche Gott mit Schwefel und Feuer umkehrt und verdammt, und andere schreckliche Beispiele mehr, durch die dem Herzen bange und
angst wird und es sich vor Gottes Zorn und Gericht fürchtet. Da ist es Zeit, spricht Christus, daß ihr wisset, daß solche schrecklichen Beispiele und Anblicke alle
außerhalb meiner sind. Wenn ihr aber von mir hören werdet, daß ich für euch gestorben bin und euch durch mein Blut erlöset habe, werdet ihr bald schließen können, daß ich euch nicht verderben noch verdammen will.
Besonders aber soll man gegen Rottengeister und falsche Prediger gut merken, daß hier beschlossen ist, daß der Heilige Geist, wenn er trösten soll,nichts anderes tun, als von Christus zeugen und ihn in die Herzen einprägen soll. Der böse Geist dagegen schreckt die Gewissen, pflegt ihnen den Tod
und die Sünde vorzuhalten. Dem muß der Heilige
Geist durch sein Zeugnis wehren und durchs Wort in unsere Herzen reden und sprechen: Ach, Mensch, was tust du doch? Kannst du sonst nichts anderes, als an den Tod, Sünde und Verdammnis denken? Wende die Augen von diesem greulichen, schrecklichen Anblick und siehe hierher. Kennst du nicht einen Mann, der
Jesus Christus heißt? Von dem steht so geschrieben: Er sei »empfangen von dem Heiligen Geist, geboren aus der Jungfrau Maria, gelitten und begraben, niedergefahren zur Hölle, am dritten Tage auferstanden von den Toten und aufgefahren gen Himmel«. Warum, meinest du, daß solches geschehen sei? Ist es nicht deshalb geschehen, damit du dich des gegen den Tod und die Sünde trösten sollst?
Deshalb höre auf, dich so zu fürchten und zu
zagen, du hast ja keine Ursache. Wenn Christus
nicht bei dir und um dich wäre und solches für dich nicht getan hätte, so hättest du Ursache genug, dich zu fürchten. Aber er ist bei dir und um dich, wie er spricht: »Im bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.« Dazu hat er den Tod für dich gelitten und sitzt dir zum Trost und zum Schutz zur Rechten seines himmlischen Vaters usw.
Wo diese Predigt erschallt, da hört man des
Heiligen Geistes Stimme, Zeugnis und Lehre. Wo es aber nicht auf diese Weise lautet, das mag, wo es am besten ist, des Mose Zeugnis sein oder des leidigen Teufels und der Ketzer Zeugnis, da man nichts von hat als Angst und Schrecken. Gott wolle uns davor behüten und bei diesem Zeugnis des Heiligen Geistes in unserem letzten Stündlein erhalten, Amen.