“Ein schrecklich und ernstlich Bild wider den Geiz”

Eine Predigt von Martin Luther

Predigttext: Lukas 16, 19-31
Kirche / Ort:
Datum:
Kirchenjahr: 1. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Martin Luther

Predigttext: Lukas 16,19-31

(19) Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich mit Purpur und köstlicher Leinwand und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. (20) Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voller Schwären (21) und begehrte, sich zu sättigen von dem, was von des Reichen Tische fiel; dazu kamen auch noch die Hunde und leckten ihm seine Schwären. (22) Es begab sich aber, daß der Arme starb und ward getragen von den Engeln in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und ward begraben. (23) Als er nun bei den Toten war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. (24) Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich mein und sende Lazarus, daß er das Äußerste seines Fingers ins Wasser tauche und kühle meine Zunge; denn ich leide Pein in dieser Flamme. (25) Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, daß du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, und du wirst gepeinigt. (26) Und über das alles ist zwischen uns und euch eine große Kluft befestigt, daß, die da wollten von hier hinüberfahren zu euch, könnten nicht, und auch nicht die von dort zu uns herüber können. (27) Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, daß du ihn sendest in meines Vaters Haus; (28) denn ich habe noch fünf Brüder, daß er sie warne, auf daß sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. (29) Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; laß sie dieselben hören. (30) Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. (31) Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie auch nicht glauben, wenn jemand von den Toten aufstünde. (Predigt aus: K. Aland (Hg.), Luther Deutsch. Die Predigten, 2. Aufl., Stuttgart 1965, S. 268-274. – Überschrift und Zwischenüberschriften von Heinz Janssen, redaktion@predigtforum.de)

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Ein Bild und Exempel eines reichen und armen Menschen

In diesem Evangelium hat uns unser lieber Herr Jesus Christus ein Bild und Exempel eines reichen und armen Menschen vorgemalt, welches nicht so schwer zu verstehen ist. Denn ein jeglicher hört bald, was die Absicht ist, daß Gott nämlich über beide zu urteilen habe, Reiche und Arme, wenn es nur uns ins Herz gehen wollte, daß wirs glaubten.

Besonders hat Christus dieses Gleichnis zu jener Zeit wider die Pharisäer gerichtet, die waren geizig. Deren Geiz hat er hier strafen wollen, nicht allein durch das Gleichnis von dem ungerechten Haushalter, und was er mehr zu demselben Gleichnis gepredigt hat, wie es kurz vor diesem Evangelium steht. Sondern er hat ihnen auch dies Beispiel des göttlichen Gerichts und Urteils, das über den reichen Mann ergangen ist, vor Augen stellen wollen, sie zu schrecken, daß sie sich vor solchem Urteil fürchten, Buße tun und sich bessern sollten.

Perversion der Werte

Aber es half solch Warnen zu jener Zeit bei den geizigen Pharisäern so viel, wie zu unserer Zeit unser Warnen bei den reichen und verstockten Menschen dieser Welt hilft. Denn dahin ist die Welt heutigen Tages geraten, Gott sei es ge­klagt, daß sie alle rechtschaffen sind und niemand mehr geizig ist.

Und tatsächlich sind fast alle Laster leider heute zu Tugenden geworden. Geizig sein muß jetzt heißen: tüchtig sein, vorbildlich handeln, bescheiden und auf Nahrung bedacht sein.

Und wie man es mit dem Geiz tut, so schmückt man jetzt alle Sünde und Untugend in Tugend. Mord und Hurerei sieht man noch ein wenig für Sünden an, aber andere Sünden müssen fast alle den Namen haben, als wären sie nicht Sünde, sondern Tugend.

Besonders der Geiz hat sich so schön geschmückt und geputzt, daß er nimmer Geiz heißt. Kein Fürst, kein Graf, kein Edelmann, kein Bürger noch Bauer ist mehr geizig, sondern alle sind rechtschaffen, so daß sie sagen: Das ist ein auf Nahrung bedachter Mann, das ist ein geschickter Mann, der denkt sich zu nähren.

So gehts mit anderen Sünden auch: Hoffart muß nicht Hoffart noch Sünde, sondern Ehre heißen. Wer hoffärtig ist, da sagt man: Das ist ein ehrlicher Mann, der hält sich stattlich und ehrbar, der will seinem Geschlecht einen Namen machen. Zorn und Neid darf nicht mehr Zorn, Neid und Sünde heißen, sondern Gerechtigkeit, Eifer und Tugend. Wer zürnt, neidet, haßt, da sagt man: Der Mensch ist so emsig, so ernsthaft und eifrig um die Gerechtigkeit, er hat billige Ursache zu zürnen, man Hat ihm Gewalt und Unrecht getan usw.

So ist kein Sünder mehr in der Welt, son­dern, Gott sei es geklagt, die Welt ist voll Heiliger.

Der reiche Mann und sein Fehlurteil über den armen oder: „Gott kennt eines jeden Herz“

Wer nun nicht geizig sein will, den geht dieses Gleichnis so wenig an, wie es die Pharisäer anging. Wer hoffärtig ist und es doch nicht für Hoffart und Sünde, sondern für Ehre und stattlich Wesen hält, dem braucht man nicht mehr von Hoffart zu predigen; denn wenn er kein Sünder, sondern heilig ist, wie kann man ihn denn tadeln?

Desgleichen, wer neidisch, gehässig und rachgierig ist, und hält es doch dafür, daß er Ursache dazu habe, billig zürne und sich räche, denn sein Nächster hat ihm Unrecht getan, das kann er nicht leiden usw.: dem kann man nicht mehr helfen. Wer will die tadeln und bessern, die da Untugend zu Tugend, Sünde zu Gerechtigkeit, Schande und Laster zu Ehre machen? Wenn Geiz Erwerbsinn heißt, Hoffart Ehre heißt, Zorn Eifer heißt, da muß man es wohl ungetadelt gehen lassen, wie es geht.

Solcher Art ist dieser reiche Mann auch gewesen. Er meint, er sei fromm, sitzt in den Gütern vor der Welt mit allen Ehren, schmückt sich mit dem Wort, das Gott durch Mose geredet hat: Wer fromm ist, den will ich segnen; läßt sich dün­ken, er brauche niemand etwas mitteilen noch jemand seiner Güter genießen lassen.

Er denkt so: Wer arm ist, der ist verflucht; umgekehrt, wer reich ist, der ist gesegnet. Ich bin reich, darum bin ich gesegnet und habe Gottes Gebot gehalten. Lazarus dagegen ist arm, deshalb ist er ein Sünder und Gott hat ihn gestraft.

Der arme Lazarus stirbt. Er hat niemand auf Erden, der ihn herrlich begräbt, aber er wird von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Der reiche Mann stirbt auch und wird begraben, ohne Zweifel aufs allerherrlichste. Aber da sind andere Engel, die warten auf ihn und tragen ihn in die Hölle. Da ist es ganz umgekehrt.

Der arme Lazarus ist nach der Pharisäer Urteil verflucht und verdammt, der reiche Mann hat nach der Pharisäer Urteil umgekehrt Gottes Segen erlangt und ist ein seliger Mann. Und doch sagt der Text: Lazarus kommt in Abrahams Schoß, der reiche Mann aber kommt in die Hölle. Darum muß man recht urteilen, nicht wie die Pharisäer, sondern wie hier geschrieben steht.

Aber man muß es hier auch recht unterscheiden und sagen: Ein Armer kommt nicht deshalb in den Himmel, weil er arm ist, und ein Reicher fährt nicht deshalb in die Hölle, weil er reich ist. Sondern es geschieht so, weil jener sich recht in seine Armut schickt und sie recht gebraucht, und dieser sich nicht recht in seinen Reichtum schickt und ihn übel gebraucht.

Das ist rasch geredet, aber dieser Unterschied ist nicht rasch gehalten. Denn der alte Adam ist ein besonders böser Schalk, der spricht so: ich kenne den Unterschied gut, Armut macht niemand selig, Reichtum verdammt niemand. Wenn ich schon reich bin, so verdammt mich doch solcher Reichtum deshalb nicht. Er fährt danach zu, wird sicher und stolz und meint, er könne mit seinem Besitz machen, was er wolle.

So geschickt ist der Schalk, der alte Adam. Da sehe nun ein jeder gut zu, daß er sich nicht selbst betrüge, auf daß ihm nicht geschehe, wie diesem reichen Wanst geschehen ist. Denn Gott, der aller Herzen Kündiger ist, läßt sich nicht täuschen; er kennt eines jeden Herz, und ihm ist nichts verborgen. Und das ist nun das Bild, mit dem der reiche Mann und arme Lazarus abgemalt ist, im Leben und im Sterben. Aber lasset uns auch hören, wie es dem reichen Mann weiter in der Hölle geht.

Die Hölle des reichen Mannes – „Wir wollen und können dir nicht helfen

Man ist der Meinung, daß dies die größeste Plage sein werde, daß die Reichen und Verdammten dort werden die Armen im Himmel sitzen sehen müssen, die sie hier auf Erden verachtet haben, wie auch Weish. 5, 2 ff. geschrieben steht.

Darum wird es dem reichen Mann herzlich wehe ge­tan haben, daß er Lazarus in Abrahams Schoß gesehen hat. Das höllische Feuer wird ihm noch einmal so heiß gewesen sein, weil er Lazarus in so großer Ehre hat sehen müssen, den er zuvor verspottet hat.

Und Abraham tut solches auch dem reichen Manne zur Strafe, daß er ihm nichts anderes als Lazarus zeigt. Denn es heißt so: Womit jemand sündigt, damit wird er auch geplagt, Weish. 11, 17.

Der reiche Mann hatte an Lazarus gesündigt, deshalb muß er auch durch ihn gestraft werden. So wird es auch am Jüngsten Tage gehen: unser Herrgott wird die armen Waisen und die Reichen, Geizigen und Wucherer einander gegenüberstellen. Wenn ein Wucherer in der Hölle brennen wird, so wird ein armer Mensch, der sich von ihm hat schinden und plagen lassen müssen, in Abrahams Schoß sitzen. Das wird der Wucherer zu seinen großen Schmerzen sehen müssen.

Das ist nun das Urteil, welches der reiche Mann in der Hölle hören muß: Wir wollen und können dir nicht helfen. Da muß der reiche Mann ewig an aller Hilfe verzweifeln. Es darf dem Verdammten sein Wille auch in dem Allerge­ringsten nicht erfüllt werden.

Der reiche Mann wird drun­ten in der Hölle ja so schlecht gespeist und so trocken ge­tränkt, wie er Lazarus hier auf Erden gespeist und ge­tränkt hat; es muß ihm alles abgeschlagen sein, was er bittet und begehrt. Wollen sie Mose und die Propheten nicht hören, sagt er, das ist, können sie Gottes Wort verachten, da sie doch wissen, daß es Gottes Wort ist: so werden sie auch nicht nach den Toten fragen. Und das ist wahr. Wenn Gott schon heutigen Tages einen Engel sendete und täte das drei- oder viermal, so würde man sich daran ebensogut gewöhnen und so viel davon halten, wie von des Pfarrers Predigt.

Das gleiche würde auch geschehen, wenn schon einer von den Toten auferstünde. Denn wen Gottes Wort an sich nicht bewegt, den bewegt nichts, es sei gleich ein Toter aus der Hölle oder ein Engel vom Himmel.

Die Kraft der Predigt oder: „An der Person liegt nichts, aber an dem Wort liegt alles“

Man mag es wohl so vorgeben und sagen: Die Predigt durch Menschen ist allgemein, wenn aber jemand von den Toten auferstünde, so wollten wir glauben. Ebenso: Wenn das Evangelium durch große Leute, durch Fürsten, Könige und Kaiser auf Erden oder durch Engel vom Himmel gepredigt würde, so wollten wir glauben. Wie können wir aber glauben, dieweil es Menschen und dazu arme Fischer und geringe, verachtete Leute predigen? Solches läßt sich wohl reden, aber im Grunde ist es nichts.

Denn die Person bringt keinen Menschen dahin, daß er recht glaubt, sondern Gottes Wort muß ihn dahin bringen, daß er mit Sicherheit wisse, daß es Gottes Wort ist, der die höchste Person ist. Wer das verdauen kann, daß er Gottes Wort verachtet, von dem er doch fürwahr weiß, daß es Gottes Wort ist: wie sollte der nicht auch eines Engels und Toten Wort verachten?

Darum sagt er recht: »Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie auch nicht glauben, wenn jemand von den Toten aufstünde.« Denn des Mose und der Propheten Beruf und Sendung ist ein höherer Beruf und Sendung als die eines Toten.

Wer nun Mose und die Propheten nicht hört, der wird die Toten viel weniger hören. Aus Vorwitz möchte er vielleicht einen von den Toten eine kleine Zeit hören, heute und morgen, aber übermorgen würde doch solche Sendung der Toten auch nichts sein.

Wer fromm werden will, der muß bei Gottes Wort anfangen, das in der Kirche vom Pfarrer gepredigt wird. Wenn es schon Paulus, Petrus, ja, Christus selbst predigt, so ist es doch nichts, wenn man es verachten will. Aber so fängt es an, wenn man Gottes Wort liebhat und dem glaubt, es predige gleich Paulus oder Petrus, Christus oder Johannes der Täufer, der Pfarrer oder der Vikar; an der Person liegt nichts, aber an dem Wort liegt alles.

Wer seine Taufe allein deshalb hochachtet, weil er von einem Bischof getauft ist, der gründet sich nicht auf die Taufe, sondern auf die Person. Solcher Grund wird nicht lange bestehen. Wer aber seine Taufe deshalb hochachtet, weil sie Gottes Sakrament, Ordnung und Befehl ist, der hat einen sicheren, beständigen Grund für sich.

Die Person macht die Taufe nicht besser, es taufe gleich Bischof, Pfarrer oder Vikar, so ist es doch nicht eine bessere Taufe als der Hebamme Taufe, die in der Not daheim im Hause tauft. Ebenso ist das Wort, das der Pfarrer predigt nicht ein besseres Wort als das, welches der Vikar predigt. In Summa, es steht nicht auf der Person, sondern auf dem Wort.

Nocheinmal: Das abschreckende Bild des reichen/geizigen Mannes oder: Gott behüte uns vor dem Laster des Geizes um der Früchte des Evangeliums willen

So haben wir nun dies Bild des reichen Mannes und des armen Lazarus, welches ein schrecklich und ernstlich Bild wider den Geiz ist. Es ist ein besonders schändliches Laster, welches eitel unbarmherzige Leute macht, voll alles Unrechts, und alle Früchte des Evangeliums hindert. Darum ist der Herr diesem Laster nicht ohne Ursache feind, besonders weil es sich so schmückt und keine Sünde sein will. Unser lieber Herrgott wollte uns gnädiglich davor behüten, daß wir nicht dareinkommen. Sind wir aber darinnen, so wolle er uns helfen, daß wir wieder herauskommen mögen, Amen.

(Aus: K. Aland (Hg.), Luther Deutsch. Die Predigten, 2. Aufl., Stuttgart 1965, S. 268-274. – Überschrift und Zwischenüberschriften von Heinz Janssen, redaktion@predigtforum.de).

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