Psalmodie
Festpredigt anlässlich des 70. Geburtstags von KMD Peter Schumann
Predigttext: Psalm 117
1 Halleluja/Lobet GOTT, alle Völker / preiset IHN, alle Nationen! 2 Denn Seine Güte zu uns ist übergroß und seine Treue (bleibt) in Ewigkeit. Halleluja!Vorbemerkung
Es war für mich eine besondere Freude, als ich von einem Mitglied der Katholischen Pfarrgemeinde in Hirschhorn gefragt wurde, ob ich in einem Eucharistiegottesdienst die Festpredigt halte. Der Gottesdienst steht im Zeichen des Dankes für einen evangelischen Kirchenmusiker, der mit seiner jungen Veranstaltungsreihe "Musik in Kirchen und Klöstern" die Herzen auch vieler katholischer Schwestern und Brüder gewonnen hat. In den Vorüberlegungen zur Predigt kam mir der 117. Psalm in den Sinn. Freilich hätte es auch nahegelegen, über den Wochenpsalm zu predigen (Psalm 103,8.10-12). Aber ich entschied mich für Psalm 117, weil damit nicht nur eine Textauswahl wie beim Wochenpsalm, sondern ein ganzer Psalm gegeben ist - und dazu in dieser Kürze! Im Vorgespräch zum Gottesdienst mit dem Organisator seitens der katholischen Kirche spürte ich, wie wichtig es ihm war, dass in der Predigt auch ein Wort zur Bedeutung der Kirchenmusik gesagt wird. So befasste ich mich mit den entsprechenden Verlautbarungen der katholischen und evangelischen Kirche (Zweites Vatikanisches Konzil: Die Konstitution über de heilige Liturgie, 1962-1965, und: Kirchliches Gesetz über den kirchenmusikalischen Dienst in der Evangelischen Landeskirche in Baden, 1987, sowie Richtlinien für Kirchenmusik, Evangelische Landeskirche in Baden, 1992). Ein Vergleich der Dokumente zeigt, welch konfessionsverbindendes Element die musica sacra ist. Dies möchte ich in der Predigt hervorheben. In der Übersetzung, die sich mit der Übersetzung der "Guten Nachricht Bibel" (1997) eng berührt, folge ich dem hebräischen Urtext. V. 1 ruft zum Gotteslob auf. Inhalt des Gotteslobes ist V. 2 (eingeleitet durch ki).Liebe Gemeinde!
Es berührt mich sehr, als evangelischer Pfarrer an der Providenz-Kirche zu Heidelberg in dieser ehrwürdigen katholischen Klosterkirche aus Anlass des 70. Geburtstages von Kirchenmusikdirektor Peter Schumann die Festpredigt halten zu dürfen. Ich weiß, diese Geste zu schätzen und bedanke mich ganz herzlich für die freundliche Einladung. Gern überbringe ich die Grüße der Providenz-Gemeinde, deren Kirchenmitglied und ehrenamtlicher Mitarbeiter im kirchenmusikalischen Dienst Herr Schumann ist.
Es spricht für sich selbst, dass der Jubilar anlässlich seines Geburtstages nicht die persönlichen Laudationes sucht, sondern mit einer großen Gemeinde und Familie Gottesdienst feiert und ein Benefizkonzert gestaltet.
Der heutigen Festpredigt sei der 117. Psalm, der kürzeste der 150 Psalmen, zu Grunde gelegt:
Halleluja/Lobet GOTT, alle Völker / preiset IHN, alle Nationen!
Denn Seine Güte zu uns ist übergroß und seine Treue (bleibt) in Ewigkeit. Halleluja!
I.
Die Psalmen sind das Gebet- und Gesangbuch zuerst der israelitisch-jüdischen und später auch der christlichen Gemeinde. Heute an diesem Festtag darf betont werden: Sie bilden ein wichtiges gemeinsames Element in der Liturgie des katholischen und evangelischen Gottesdienstes.
„Lobet Gott, alle Völker…!“ Dieser Aufruf zum Lobpreis Gottes ist der tragende Grundton, der durch die Psalmen klingt. Auffallend die Überschrift, die über den ganzen Psalter in der Hebräischen Bibel gesetzt ist: Tehillim – das hebräische Wort bedeutet hier „Loblieder“/ “Lobgesänge“. So sind zusammen mit Dank und Freude auch die Bedrängnisse, die die betenden Menschen und die betende Gemeinde in den Psalmen aussprechen, die Klagen angesichts unverständlicher Not, die existentiellen Fragen und die Bitten, in den Lobpreis Gottes eingebunden.
Man muss sich die Psalmen von ihren Anfängen an gesungen vorstellen, auch begleitet von Musikinstrumenten wie der Laute oder der Leier und Harfe. Erwähnt seien neben diesen Saiteninstrumenten auch die Blasinstrumente wie Horn, Trompete, Flöte und Doppeloboe und nicht zuletzt die Schlaginstrumente wie Rahmentrommel, Schlaghölzer, Rassel, Sistrum (aus einem Griff und einem hufförmigen Oberteil, in das meist drei Klangstäbe eingesetzt waren), Zimbel und Glöckchen (am Gewand des Hohenpriesters).
Es gab also damals schon die Orchester, in denen die verschiedenen Instrumente eine besondere Klangwelt erstehen ließen, auch der Tanz gehörte zu den besonderen Ausdrucksformen. So wird der Aufruf, Gott zu loben und zu preisen, im 150. Psalm verständlich, wo es heißt: „Lobet Ihn mit Posaunen, lobet Ihn mit Psalter und Harfen! Lobet Ihn mit Pauken und Reigen, lobet Ihn mit Saiten und Pfeiffen! Lobet Ihn mit hellen Zimbeln!“
Von Martin Luther, der schon lange nicht mehr der Kirchenvater einer einzigen Konfession ist, stammt der Ausspruch „Doppelt betet, wer singt“ – und wir könnten ergänzen: Doppelt betet, wer singt und musiziert. Ja, Singen und Musizieren in einem wesenhaften Sinn sind nicht mehr in geistlich und weltlich aufzusplitten. Singen und Musizieren gehören zu den „elementare(n) Äußerungen menschlichen Lebens“ (Richtlinien für Kirchenmusik, Evangelische Landeskirche in Baden, 1992), sind Dimensionen des Gebets, der Anbetung, der Kommunikation mit Gott. Albert Schweitzer – inspiriert von J. S. Bach – konnte sagen: Musik ist Gottesdienst.
Denken wir an den Gregorianischen Gesang, der auf die von Papst Gregor I. (dem Großen) eingeleitete Neuordnung der Liturgie um das Jahr 600 n. Chr. zurückgeht und verschiedene christliche Konfessionen verbindet. Als ein chorisch oder solistisch einstimmiges liturgisches Singen gibt er der biblischen Botschaft und dem antwortenden Gebet Ton und Klang und ist damit eine Art von Meditation. Wir stimmen uns ein, lassen etwas klingen, anklingen. Wir geben in die Töne etwas von uns selbst hinein.
Durch das Singen und Musizieren mit anderen entsteht ein neuer Klang, in dem ich mich als einzelner Mensch getragen und geborgen weiß – ich erinnere nur an die wunderbaren Taizégesänge, die ich wie eine moderne Form der Gregorianik erlebe.
II.
„Halleluja“, so beginnt der 117. Psalm. Das uns so geläufige hebräische Wort heißt: „Lobt Gott“. Alle Völker – so hören wir – sind von dem biblischen Israel aufgerufen, in diesen Lobpreis Gottes einzustimmen.
Warum aber sollen die Völker Gott loben? Worin gründet dieser Aufruf zum Gotteslob? – Es die wunderbare Erfahrung einer kleinen Menschenschar mit der wunderbaren Güte (chäsäd) und Treue (`ämät) Gottes.
Die Erfahrung der Befreiung aus menschfeindlicher Sklaverei im letzten Drittel des zweiten vorchristlichen Jahrtausends wurde für sie eine Gottes- und Lebenserfahrung und ließ sie zum Volk Israel werden.
Was ihre Einstellung zum Leben so grundlegend veränderte, konnten sie nicht für sich behalten – alle Völker mussten davon wissen und daran teilnehmen.
Es ist, als ob sie durch die Einbeziehung der ganzen Völkerwelt zum Ausdruck bringen wollten: Wir sind viel zu wenige, um mit unserem Lobpreis den großen Taten Gottes gerechtzuwerden. Ein viel größerer Chor ist nötig, viele Stimmen, polyphon und kontrapunktisch, ein weltumspannendes Orchester mit allen verfügbaren Instrumenten und Stimmen.
Es gab noch einen weiteren Grund, die anderen Völker zum Gotteslob aufzurufen: Es war der sie einende Glaube an den Einen Gott, das höchste und alles umgreifende Wesen, „das Geheimnis der Wirklichkeit“ (G. Ebeling), in dem alles, was diese Welt hier und das Ganze des Kosmos ausmacht, zusammengehalten wird – ich denke dabei an die Worte des Apostels Paulus in seiner berühmten Rede auf dem Areopag in Athen (Apostelgeschichte 17,27f.): „Denn er ist ja jedem von uns ganz nahe. Durch ihn leben wir doch, regen wir uns, sind wir!“ (Übers. Gute Nachricht Bibel 1997.- „Fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir“, Übers. Nach M. Luther, Rev. 1984).
III.
So sind unsere Lieder und die Musik weit mehr als Ausschmückung des Gottesdienstes, sie sind Vertonung der „Magnalia Dei“, der Großen Taten Gottes. Sie werden – wie es auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965 unter Papst Johannes XXIII.) wegweisend formuliert wurde – zum „integrierenden Bestandteil der feierlichen Liturgie“, „sei es dass sie das Gebet inniger zum Ausdruck bringt oder die Einmütigkeit fördert, sei es, dass sie die heiligen Riten mit größerer Feierlichkeit umgibt…“ (Konstitution über die Heilige Liturgie“, 112).
Diesen Beschreibungen entsprechen auch die Verlautbarungen in der Evangelischen Kirche „über den kirchenmusikalischen Dienst“ (Kirchliches Gesetz über den kirchenmusikalischen Dienst in der Evangelischen Landeskirche in Baden, 1987), wenn es darin z. B. heißt: „Kirchenmusik hat Anteil an der Verkündigung des Evangeliums und am Lob Gottes in seiner Schöpfung“.
In diesem Sinn kann die Kirchenmusik zu einem konfessionsverbindenden Element werden! Sie kann uns helfen, mit Gott, der ewigen Harmonie, in Einklang zu gelangen.
Gott hat sein Heil kund werden lassen in der Geschichte des Volkes Israel und mit der Geburt Jesu von Nazareth. Das gibt Grund, die Lebensmelodie der Güte und Treue Gottes immer wieder zu suchen.
„Musik in Kirchen und Klöstern“ – was für eine schöne und vielfältige, Grenzen überschreitende Veranstaltungsreihe, die Sie, Herr Schumann, initiiert haben.
Gute Töne erklingen.
Anregende Stimmung – nicht nur „wohltemperiert“,
auch heilsam aufregend und anstoßend.
Anklang des Heil- und Ganzwerdens.
Gott braucht und sucht Menschen, ihre Stimmen und die Instrumente, die sie kreiert haben, um diese Welt mit Tönen und Klängen zu erfüllen – „Gott allein zur Ehre und den Menschen zum Segen“. So wird die ganze Schöpfung zu einem großem Chor und Orchester vereint und damit die Botschaft von der allumfassenden Güte und Treue Gottes allen Missklängen zum Trotz zum Klingen gebracht.
Musik bleibt eine wunderbare Gabe Gottes.
Viva la Musica!
Halleluja! Lobet GOTT, alle Völker! Preiset IHN, alle Nationen!
Singt und bringt es auch außerhalb von Kirchen und Klöstern zum Klingen: Seine Güte zu uns ist übergroß und seine Treue (bleibt) in Ewigkeit.
Amen.