Am Angelhaken hängen, im Fangnetz zappeln?

Predigt im Open-Air-Gottesdienst

Predigttext: Lukas 5, 1-11
Kirche / Ort: Dossenheim
Datum: 20.07.2003
Kirchenjahr: 5. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer Manfred Billau

Predigttext: Lukas 5, 1-11(Übersetzung: Die Gute Nachricht, Die Bibel in heutigem Deutsch, 2.Auflage, Stuttgart 1982)

1 Eines Tages stand Jesus am Ufer des Sees Gennesaret. Die Menschen drängten sich um ihn und wollten Gottes Botschaft hören. 2 Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten ihre Netze. 3Er setzte sich in das eine der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück vom Ufer abzustoßen. Dann sprach er vom Boot aus zu der Menschenmenge. 4 Als er seine Rede beendet hatte, sagt er zu Simon: „Fahr hinaus auf den See und wirf mit deinen Leuten die Netze zum Fang aus!“ 5 Simon erwiderte: „Wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen. Aber weil du es sagst, will ich die Netze noch einmal auswerfen.“ 6 Sie taten es und fingen so viele Fische, dass die Netze zu reißen begannen. 7 Sie mussten die Freunde im anderen Boot zur Hilfe herbeiwinken. Schließlich waren beiden Boote so überladen, dass sie fast untergingen. 8 Als Simon Petrus das sah, fiel er vor Jesus auf die Knie und bat: „Herr, geh fort von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.“ 9 Denn ihn und die anderen, die bei ihm im Boot waren, hatte die Furcht gepackt, weil sie einen so gewaltigen Fang gemacht hatten. 10 So ging es auch Jakobus und Johannes, den Söhnen von Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Jesus aber sagte zu Simon: „Hab keine Angst! Von jetzt an wirst du Menschen fischen.“ 11 Da zogen sie die Boote an Land, ließen alles zurück und gingen mit Jesus.

Exegetische (1), homiletische (2) und liturgische (3) Hinweise

1) Die Erzählung des wunderbaren Fischzuges wird nur bei Lukas erzählt, Markus und Matthäus berichten eher knapp wie Jesus die Brüder Simon und Andreas und die Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes, in die Nachfolge ruft: „Geht mit mir. Ich mache euch zu Menschenfischern.“ (Mt 4,19; Mk 1,17). Und die vier folgen ihm. Lukas sieht wohl Erklärungsbedarf. Was ist da vorgefallen, dass Menschen bedingungslos alles liegen und stehen lassen, um einem „ausgeflippten“ Nazarener ( vgl. dazu die Ablehnung Jesu in Nazaret Lk 4,16-29) zu folgen? Im engen Zusammenhang mit dem wunderbaren Fischzug steht bei Lukas auch die Erzählung von der Heilung der Schwiegermutter des Simon Petrus. Matthäus berichtet davon erst in Kapitel 8. Lukas zeigt damit, dass sich Simon und Jesus schon vor ihrer Begegnung am See Gennesaret kannten. Es fällt auf, dass auch in diesem Bibelabschnitt ein Motiv wiederkehrt, das sich oft bei Lukas findet, wenn das Transzendente, das Heilige, sich offenbart: Angst und Furcht machen sich unter den Menschen breit. Dieser Angst wird begegnet mit der Ermutigung: Fürchte dich nicht! Hab keine Angst! (vgl. Lk 1, 12.13.27.30; 2, 9.10) und der Ankündigung einer neuen Perspektive. Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass in der Antike nur nachts gefischt wurde und zwar in Ufernähe; dies entsprach der Erfahrung langer Traditionen von Fischern. Von daher bedeutet die Aufforderung Jesu (V. 4), mitten am Tag an der tiefsten Stelle zu fischen für Simon und seine Freunde eine besondere Herausforderung. 2) Das Bild des „Menschenfischers“ löst in mir zunächst negative Assoziationen aus: Menschen, die analog den Fischen am Angelhaken oder im Netz zappeln, ihrer Freiheit, ihres Lebensraumes beraubt, verzweifelt nach Luft schnappend und dazu bestimmt, verzehrt zu werden- kann das der neue Weg, die neue Perspektive sein, die Jesus bringt? Kann das Gottes Wille sein? Ist der Gottessohn nicht gekommen, die Gefangenen zu befreien, die Gebundenen zu lösen, zur Freiheit zu führen? Erst die Erinnerung, dass das griechische Wort ichthys (Fisch) von den Christinnen und Christen im ersten Jahrhundert als Synonym für „Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter“ verwandt wurde, versöhnt mich mit diesem Bild. Der Predigtentwurf wurde für einen ökumenischen Open-Air-Gottesdienst anlässlich eines Dorffestes der katholischen Sportorganisation „Deutsche Jugend Kraft“ (DJK) geschrieben. Musikalisch wird der Gottesdienst von der Katholischen Pfarrmusik sowie einer Gesangsgruppe der DJK begleitet. Die Teilnehmenden sind jung bis mittelalt, sportlich interessiert und auf ein Fest eingestellt. Das bedeutet, die Predigt muss kurz, klar und präzise in der Botschaft sein und auf die Diskussion eventueller theologischer Probleme verzichten. 3) Songs: Die Szene des Simon Petrus, der die Aufforderung Jesu, seine Netze auszuwerfen, hört, ist musikalisch in „Auf dein Wort, Herr, will ich es wagen...“ dargestellt, Petrus-Oratorium, Musik: Siegfried Fietz/ Text: Johannes Jourdan, Abakus Schallplatten und Ulmtal Musikverlag Haversbach 1, 35753 Greifenstein, CD 91-003. Passend zum Bild „Fisch“ das Lied von Uwe Lal: Wir leben in Gottes Liebe, wie der Fisch, der im Wasser lebt... Uwe Lal, Für Euch, Abakus-Schallplatten und Ulmtal Musikverlag, Haversbach 1, 35753 Greifenstein -CD 91091.

Eingangsgebet:

Guter Gott, manchmal ist unser Leben schön, so wie heute, wenn viele zusammenkommen, damit wir Gottesdienst und ein Fest feiern. Oft aber ist das Leben für viele unter uns bedrückend, weil die Lasten, die auf uns liegen, so schwer sind. Unvergebene Schuld, Streit, Ärger, Frust, Angst... Gott, ich bitte dich, nimm das alles weg, jetzt bin ich da und will ganz dir gehören. Ich erwarte viel von diesem Gottesdienst! Enttäusch mich nicht! Amen

Lesung:

Lukas 5,1-11 (= Predigttext)

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Gott sagt: Ich brauche Dich! Das ist die Botschaft dieses Gottesdienstes. Gott sagt: Ich brauche Dich!

Aber abgesehen davon: Haben Sie heute Ihre Schwiegermutter schon gelobt?

I. Kontakt mit Jesus

Sie fragen, warum Sie Ihre Schwiegermutter loben sollten? – Ganz einfach, weil Ihre Schwiegermutter Sie vielleicht näher mit Gott zusammenbringt. Sie schauen so skeptisch.
Das ist möglich, die Bibel erzählt davon: Gerade einer der wichtigsten Mitarbeiter Jesu kam zunächst durch seine Schwiegermutter enger in Kontakt mit Jesus. Wenn das nicht geschehen wäre, hätte Simon den Jesus vielleicht gar nicht in sein Boot gelassen.

Was war geschehen? Zuhause in Nazareth wollte man Jesus nicht mehr haben. Der war zu komisch geworden. Statt was Anständiges als Zimmermann zu arbeiten, fing er an zu behaupten, er sei Gottes Sohn. Das war unerhört.

Am liebsten hätten ihn die Leute von Nazaret mundtot gemacht. Jesus ging dort weg und zog umher in der Gegend um den See Gennesaret. Er erzählte den Menschen von Gott, und er heilte Kranke.

Zwischendurch hielt er sich auch in der Stadt Kafarnaum auf und kam dort in das Haus des Simon, dessen Schwiegermutter mit hohem Fieber im Bett lag. Jesus wurde gebeten zu helfen, und er heilte die Frau.

Simon kennt diesen Jesus aus Nazareth also bereits, als dieser eines Tages wieder am See auftaucht und ihn bei der Arbeit stört. Simon ist gerade beim Fischernetze auswaschen und flicken, denn Fischen ist sein Beruf. Wo Jesus sich aufhält kommen die Menschen zusammen. Er hat etwas zu sagen. Er hat den Menschen etwas zu geben.

II. Jesu Botschaft von Gott – eine gewaltige Herausforderung

Jesus hatte den Menschen die Botschaft von Gott zu verkünden: Gott hat euch lieb wie ein Vater; vertraut ihm! Jesus sagt zu Simon, den er später Petrus nennen wird: Ich brauche dich! Rudere mich ein wenig in deinem Boot vom Ufer weg, damit mich möglichst viele sehen und hören können.

Als Jesus mit seiner Verkündigung fertig ist, fordert er seinen Bekannten, dessen Schwiegermutter er neulich heilte, ganz gewaltig heraus. Simon hört den Jesus sagen:
Fahr raus auf den See, dort wo’s tief ist, und wirf deine Netze aus. Fang Fische mitten am Tag, dort wo du niemals sonst hinfahren würdest. Simon wendet ein: Wir haben die ganze Nacht geschuftet, Herr, nichts gefangen, keinen Erfolg!

Wer sieht schon die Arbeit in der Nacht, die Arbeit im Verborgenen, die Arbeit hinter den Kulissen? Wer sieht schon, dass ich mich morgens um sechs, wenn die anderen noch schlafen, aus den Federn quäle, um zu trainieren? Wer merkt schon, wenn ich am Wochenende alle Verabredungen absage, nur um noch mehr zu üben, zu leisten? Wer weiß schon, wie viele Stunden ich über einem Trainingskonzept grüble, um die Mannschaft auf Erfolgskurs zu bringen? Wer zählt schon die Nächte, die mir den Schlaf rauben, weil vom Erfolg soviel abhängt?

Keinen Erfolg, trotz so vieler Trainingsstunden, nicht den ersten Platz, nicht den begehrten Pokal gewonnen! Frust pur, oder? Kennen wir doch. Wer sich sportlich engagiert, muss damit rechnen, dass er nicht immer auf dem Siegertreppchen steht. Es muss faire Verlierer geben, damit Sport noch Sport bleibt und die Freude daran nicht verloren geht.

Simon ist ein fairer Verlierer. Jesus, auch wenn ich müde und kaputt bin, auf dein Wort Jesus, weil du es sagst, will ich das Verrückteste tun.

Hilfreiche Erfahrung

Ich bin sicher, wenn die Schwiegermutter nicht gewesen wäre, Simon hätte sich geweigert. Aber so, mit der Erfahrung von der geheilten Schwiegermutter im Kopf und vielleicht auch im Herzen, ist er bereit, auf das Wort des Nazareners hin das Unmögliche zu tun. Und es ist zum Verrücktwerden, denn die Belohnung folgt auf dem Fuße: Die Fischer fangen so viele Fische, dass die Netze fast reißen. Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu!

Ja, es ginge nicht mit rechten Dingen zu, wenn eine Mannschaft, wenn einer oder eine immer nur gewinnen würden. Sport wäre bald nur noch langweilig. Denken Sie an die Erfolge des deutschen Rekordmeisters 1. FC Bayern München- die machen nicht nur Freunde. Denken Sie an Formel 1 Star Michael Schumacher in der letzten Saison: Einsam zog er als erster seine Runden und stand schon etwa drei Rennen vor Abschluss der Saison als Weltmeister fest. Wer guckte da noch hin?

III. Wenn Gott und Menschen sich begegnen

Wenn Gott und Mensch sich begegnen, dann geht das auch nicht mit rechten Dingen zu. Denn Gott ist nicht zu begreifen. Gott ist immer gut für einen heilsamen Schreck. Geh, Jesus, ich bin ein sündiger Mensch, ich kann dir nicht das Wasser reichen, ich bin doch nur ein kleiner Versager, stammelt Simon ob des überreichen Fangs.

Die Antwort Gottes: Ich brauche dich! Fürchte dich nicht! Ich brauche dich! Mensch, hab keine Angst, Du bist Gott wichtig. Du bist Gott wichtig wie Du bist. Er braucht gerade Dich! – Zu was braucht er mich? – Zum Menschen fischen. – Was, das kann doch wohl nicht Dein Ernst sein, Jesus? Wie stellst Du Dir das vor? Menschen, die in Netzen zappeln oder am Angelhaken hängen? Nein danke! Kein Sport für mich.

Menschen für Jesus Christus gewinnen

Bitte keine Missverständnisse! Menschenfischer ist ein griffiges biblisches Wort für eine große Aufgabe: Menschen für Jesus Christus gewinnen.

Spätestens seit dem Filmklassiker „Quo vadis“ weiß es jede und jeder: Der Fisch war bei den ersten Christinnen und Christen ein Erkennungszeichen. Er stand für Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter. Menschenfischer sein heißt: Menschen für Jesus Christus gewinnen!

Gott sagt: Ich brauche Dich! Ich brauche dich um dieses Jesu Christi willen- in Deinem Verein, in deiner Mannschaft, dass Ihr nicht vergesst, was Fairness heißt und wem Ihr Eure gesunden Knochen verdankt.

Gott sagt: Ich brauche Dich in Deiner Schule, damit der Respekt vor den Lehrerinnen und Lehrern nicht ganz verloren geht, sie tun einen wichtigen Dienst.

Gott sagt: Ich brauche Dich – in Deinem Betrieb, an Deinem Arbeitsplatz, damit nicht Rivalität und Ellbogendenken die Oberhand behalten, sondern Kollegialität und Freundschaft.

Gott sagt: Ich brauche Dich in Deiner Familie, damit Deine Kinder beten lernen und Dein Partner, Deine Partnerin weiß: Ich habe einen Menschen, auf den ist unbedingt Verlass.
Gott sagt: Ich brauche Dich – Du sollst heute Deine Schwiegermutter loben. Sie hat es verdient, sie betet für Dich – schon seit Jahren.

Fassen wir zusammen: die Botschaft für Sie persönlich von heute morgen heißt: Gott braucht mich. Gut zu merken, nicht wahr? Gott braucht mich!

Amen

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