Probiers nochmal

Predigttext: Lukas 5, 1-11
Kirche / Ort: Boxberg / Heidelberg
Datum: 20.07.2003
Kirchenjahr: 5. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Prädikant Jörg-Uwe Finze

Predigttext: Lukas 5, 1 –11 (Übersetzung von Klaus Berger und Christiane Nord, Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, Leipzig 1999)

Einmal stand Jesus am Ufer des Sees Genesareth. Die Menge umlagerte ihn, um das Wort Gottes zu hören. /Da sah Jesus zwei am Ufer festgetäute Boote. Die Fischer waren an Land gegangen und reinigten ihre Netze./ Jesus stieg in eines der Boote, es war das des Simon Petrus, und bat ihn, ein wenig vom Ufer abzustoßen. Vom Boot aus sprach er zu der Menschenmenge am Ufer./Nach dem Ende seiner Rede forderte er Simon Petrus auf: „Fahr hinaus, dorthin, wo der See ganz tief ist, und dann wirf mit deinen Leuten die Netze zum Fang aus!“/ Simon Petrus antwortete: „Herr, wir haben die ganze Nacht über mühsam, aber vergebens etwas zu fangen versucht. Aber weil du es sagst, will ich es noch einmal versuchen.“/ Als sie daraufhin taten, was Jesus befohlen hatte, fingen sie so viele Fische, daß die Netze zu reißen begannen./ Sie winkten die Fischer im anderen Boot zu Hilfe, daß sie mit anfassen sollten. Sie kamen, und gemeinsam füllten sie die Fische in beide Boote, so daß sie tief im Wasser lagen. / Als Simon Petrus das sah, warf er sich vor Jesus nieder und rief: “Weg von mir, Herr, ich bin ein Sünder!“/ Ihm und den anderen, die bei ihm waren, war ein tiefer Schrecken in die Glieder gefahren, weil sie so viele Fische gefangen hatten./ Seinen Gefährten Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus, erging es nicht anders. Zu Simon Petrus gewandt sagte Jesus: “Keine Angst, von jetzt ab wirst du Menschen fischen.“/ Die Fischer ruderten an Land. Die drei Jünger ließen alles zurück und folgten Jesus.

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Liebe Gemeinde,

wie oft haben Sie diese Geschichte schon gehört oder selber gelesen. Wieviele Interpretationen und Auslegungen darüber schon gehört. Vielleicht auch immer wieder mal was Neues entdeckt. Es dreht sich ja hier um die Situation, um die Beschreibung, wie und auf welche Art Jesus seine ersten Jünger gewinnt, die ihm dann nachfolgen werden.

Nun, eine große Menschenmenge hat sich da um Jesus versammelt, und um wohl akkustisch besser verstanden zu werden, läßt er sich per Boot auf den See bringen. So erhielt Jesus eine Bühne und konnte so besser gesehen und gehört werden, so wie ich hier am Pult.

Dann die Aufforderung Jesu an Simon Petrus, komm, fahre hinaus auf den See, da wo der See ganz tief ist und wirf die Netze aus. Simon Petrus mosert eigentlich, denn er war ja schon in der Nacht zuvor draußen gewesen und hat trotz aller Mühen nichts fangen können. Aber gut, Jesus, wenn Du meinst, dann machen wir das nochmal. Aber nur weil Jesus es sagt.

Kennen Sie das nicht auch, da hat man etwas erfolglos betrieben, teilweise mehrmals schon, und dann kommt da jemand, den man vielleicht sogar ganz sympathisch findet, der einem sagt, du, probiers nochmal. Man denkt bei sich, nun, das ist doch sinnlos, das bringt doch nichts, auch wenn ich mich so sehr reinknie, wie in der Geschichte, wo der See ganz tief ist.
Ganz tief, ohje, da kommt Unbehagen auf, eventuell sogar Ängste. Mensch soll ich mich dem aussetzen, obwohl ich aus eigener Erfahrung weiß, daß das doch gar nichts bringt. Ich habe mich doch redlich bemüht, aber soll ich es wirklich nochmal machen. Ich glaube, da kommt nichts bei raus. Gut, weil du es bist, mache ich es noch mal. Letztendlich um des lieben Friedens willen, um Diskussionen zu vermeiden…

Dann, oh Wunder, das sich noch mal Aufraffen, ist wider alle Vernunft und bisher gemachte Erfahrung mit Erfolg gekrönt, sogar Riesenerfolg. Puh, und die Mannschaft im Boot schafft es nicht, den Fang zu bergen. Hilfe der anderen wird benötigt. Staunen und nicht „Begreifen können“ macht sich breit unter den Beteiligten.

Den einen der Beteiligten ist ein tiefer Schrecken über den Riesenfang in die Glieder gefahren, vor lauter Staunen. Und was macht Simon Petrus? Er schmeißt sich vor Jesus zu Boden und ruft: „Weg von mir, Herr, ich bin ein Sünder!“ Wenn ich diesen Satz so lese und höre, werde ich erst mal stutzig. Warum sagt Simon Petrus von sich, er sei ein Sünder, ein sündiger Mensch? Er, der seit Jahren Erfahrung gemacht hat mit der Fischerei, er weiß doch Bescheid, wann es sich lohnt, rauszufahren und zu fischen und wann nicht. Das hat doch die letzte Nacht gezeigt. Seine Erfahrung steht gegen die Aufforderung einer Landratte, die sagt, du fahr noch mal raus und wirf jetzt die Netze aus.

Mhm, das hätte ich nie im Leben gemacht, von mir zu sagen, ich bin ein Sünder, weil ich an dir und deiner Aufforderung gezweifelt habe. Bin ich denn ein sündiger Mensch, wenn ich mich von meiner jahrelangen Erfahrung in meinem Tun und Nichttun leiten lasse? Das kann doch nicht sein, oder?

Musikalisches Intermezzo

Hier ist das Thema Vertrauen angesprochen. Den Mut haben, trotz aller meiner bisher gemachten Erfahrungen etwas zu wagen, obwohl meine Vernunft sagt, das kann nichts werden. Da fällt mir ein Gedicht von Erich Fried ein:

Was es ist

Es ist Unsinn
Sagt die Vernunft
Es ist was es ist
Sagt die Liebe

Es ist Unglück
Sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
Sagt die Angst
Es ist aussichtslos
Sagt die Einsicht
Es ist was es ist
Sagt die Liebe

Es ist lächerlich
Sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
Sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
Sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
Sagt die Liebe.

Ist es nicht so? Da rät einem jemand etwas, oder fordert einem jemand auf, zu etwas, weil ich ihm am Herzen liege, weil er mir helfen will. Weil ich verzagt bin, nicht mehr weiter weiß, meine gemachten Erfahrungen mich eigentlich nur in den Mißerfolg, in die Niederlage treiben. Ich bin hilflos, ich weiß nicht mehr weiter. Und da kommt ein Mensch, der mich mag, der mich liebt, und rät mir zu etwas, obwohl ich das Gefühl habe, der hat doch von meinen Dingen gar keine Ahnung, ich habe doch hier die Erfahrung.
Jetzt sagt der einfach zu mir, du trau dich, wage es, wirf deine bisher gemachten Erfahrungen über Bord und versuche es noch mal.

Kennen Sie die Situationen nicht auch, wenn Sie auf ihr eigenes Leben zurückschauen? Da gab es bestimmt Situationen, Begegnungen mit anderen Menschen, von denen Sie motiviert wurden, andere, neue Wege zu gehen. Und es hat geklappt wider alle bisher gemachten Erfahrungen.

Sich auf einen anderen Menschen einlassen, Freundschaft mit ihm zu schließen, sich zu trauen, vielleicht eine Partnerschaft oder später ein Lebensbündnis mit diesem Menschen zu schließen – trotz der bisher gemachten negativen Erfahrungen und aller Unsicherheiten.

Diese Situationen haben ja alle zum Inhalt, ich wage es, mich auf etwas anderes, einen anderen Menschen einzulassen, obwohl in meiner Wahrnehmung viele Wagnisse damit in Verbindung stehen. Ich habe Vertrauen in dem Menschen mir gegenüber.

Ich möchte an dieser Stelle noch mal kurz auf den Satz des Simon Petrus eingehen: „Weg von mir, Herr, ich bin ein Sünder, ein sündiger Mensch!“ Ich habe mich damit schwer getan. Ja, weil ich beim Lesen das zugespitzte Sündenverständnis von Paulus im Hinterkopf gehabt habe. Hier an dieser Stelle ist wohl von Simon Petrus gemeint: „Jesus, halte dich fern von mir, denn ich habe dir in meinem Herzen nicht vertraut, und ich bin es eigentlich nicht wert, daß Du auf mich weiterhin baust.“

In unserem heutigen Predigttext folgt die Aussage von Jesus an Simon Petrus und letztendlich auch an seine beiden Gefährten, Jakobus und Johannes: „Keine Angst, von jetzt an wirst du Menschen fischen!“ Puh, trotz aller gezeigten Wackeligkeiten und anfänglichen Widerwillens wird mir eine noch größere Aufgabe, noch mehr Vertrauen angediehen, obwohl ich mich doch gar nicht dadrin auskenne, ich habe doch gar keine Erfahrung damit. Ich kenne mich doch nur mit dem Fischen im See aus, und jetzt soll ich auf andere Menschen zugehen und sie für Jesu Nachfolge gewinnen? Obwohl ich so ein schwerfälliger Mensch bin.

Und dieser Jesus von Nazareth, was macht er? Er sagt letztendlich: „Komm, habe Vertrauen zu dir selber und laß dich auf Neues ein. Ich, Jesus, habe das Vertrauen zu dir.“

Geben wir uns den Mut, gemeinsam diesem Jesus von Nazareth nachzufolgen und stützen uns einander dabei.

Und der Friede Gottes, welcher höher und weiter ist als all unsere Vernunft, der halte unsere Hoffnung groß und stärke unser Vertrauen in die uns von Jesus vorgelebte Liebe.

Schalom und Amen

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