Freude an Gottes Gaben und Mut, sie einzusetzen

Predigttext: Matthäus 25, 14-30
Kirche / Ort: Christuskirche / Remscheid
Datum: 17.08.2003
Kirchenjahr: 9. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer Dietrich Hombeck

Predigttext: Matthäus 25, 14-30 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an; dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort. Sogleich ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu. Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu. Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn. Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen. Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen. Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen. Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wußte, daß du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine. Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wußtest du, daß ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen. Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat. Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappern.

Homiletisch-exegetische Überlegungen

Seid wachsam, daß ihr teilhabt an Gottes Reich, wenn Christus wiederkommen wird. So schließt das vorausgehende Gleichnis. Wie als Begründung fügt sich unsere Geschichte mit „denn“ an. Der Herr geht außer Landes (gemeint ist die Zeit zwischen Himmelfahrt und Parusie) und übergibt seinen Knechten sein Vermögen. Dabei über- oder unterfordert er keinen, sondern gibt jedem nach seiner Kraft (siehe 1. Korinther 12). Ist das blindes Vertrauen oder eher das unendliche Vertrauen, das Gott in uns setzt und mit dem er sich und seine Ehre an uns bindet? Die Knechte sollen die Gaben als Aufgaben nutzen. Zwei beginnen sofort damit, der Dritte vergräbt sein Talent: 'ein sicherer Schutz vor Dieben', sagt zwar das rabbinische Recht, und darum ist auch jede Haftung des Betrauten ausgeschlossen; aber dem wiederkommenden Herrn reicht diese Selbstabsicherung und Selbstrechtfertigung des dritten Knechtes nicht aus. Daß der dritte Knecht statt im Vertrauen zu ihm nur aus Angst um sich selbst (Strafe) handelt, enttäuscht den Herrn. Kann er den beiden ersten („tüchtig und treu“) noch größeres Vertrauen (Wie soll das eigentlich noch aussehen?!) und seine Gemeinschaft in seinem Freudenreich versprechen, nimmt er dem dritten („böse und faul“) alles. So geht das Vertrauen, das der Herr in ihn gesetzt hatte, auf die anderen über: V. 29. Das ist keine wirtschaftspolitische Ideologie. Was Jesus meint: Wer sich als vertrauenswürdig erweist, dem wird er Vertrauen schenken. Wer aber Gottes Vertrauen und Güte mit Selbstrechtfertigung beantwortet, der kann nur im Lebensdunkel enden. Steigerung findet Jesu Geschichte in den Vv. 29f, in denen der hier predigende Jesus zum Weltenrichter wird, der Freudenreich und Verdammnis für die Ewigkeit verteilt. Richtet also Christus nach unserem Tun? Wäre es so, würde er nur re-agieren auf uns. Nicht er, sondern wir bestimmten über unsere Zukunft - auch in Gottes Reich. Das aber wäre die Umkehrung des Kreuzes. Jesus erzählt die Geschichte als Noch-nicht-Wiedergekommener. Er mahnt und wirbt: Macht es nicht wie der dritte Knecht. Seht, welches Vertrauen Gott euch entgegenbringt und setzt es mit Freude ein – zur Ehre Gottes. Wuchert mit dem Wort, das Gott euch gegeben hat. Und denkt daran: Niemand ist ohne Gaben. „Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Erzählt und lebt das weiter. Die Predigt beginnt mit dem Ende des Gleichnisses: Das haftet in den Köpfen nach der Evangelien-Lesung und ist vielen bitter aus ihren Alltags-Erfahrungen bekannt. Wichtiger, als vom dritten Knecht zu erzählen, ist das Werben um die Freude an Gottes Gaben und um den Mut, sie einzusetzen – im Namen Gottes. Das hat auch Kirche wohl heute mehr denn je nötig: ihre Gaben zu entdecken und nicht - immer um sich selbst kreisend - der Mehrheitsmeinung hinterherzulaufen. Wir haben Zukunft in Zeit und, weil er wiederkommen wird, auch in Ewigkeit. Frohe Botschaft, nicht „Heulen und Zähneklappern“! Der Predigttext wird als Sonntags-Evangelium im Verlauf der Liturgie verlesen. Zumal er recht lang ist und der Gemeinde auf einem Andachtsblatt im Gottesdienst vorliegt, werde ich ihn zur Predigt nicht noch einmal vorlesen, sondern vorsichtig erklärend und aktualisierend erzählen.

Literaturhinweis:

Dietrich Hombeck, Predigthilfe zu Matthäus 25,14-30, in: Deutsches Pfarrerblatt, 103. Jg., Heft 7, Juli 2003, S. 363f.

Liedvorschläge:

EG 263 „Sonne der Gerechtigkeit“ und 409 „Gott liebt diese Welt“

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Liebe Gemeinde!

Wer da hat, dem wird gegeben werden, wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.

1.

Na sicher! Wir erleben’s ja jeden Tag: Wir brauchen nur die Zeitung aufzuschlagen oder einkaufen zu gehen. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Das Werk wird geschlossen, damit der ausscheidende Manager seine Millionenabfindung einstreichen kann. Die Gesundheitsreform lastet allen Kosten auf; nur fällt es den einen schwerer als den anderen, sie zu bezahlen. Beim Einkaufen ist der Teuro nur für den Käufer weniger wert.

Wer da hat, dem wird gegeben werden, wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Jesus als Anwalt der Reichen? Nein, sagt Jesus. Nur so: Ich mache euch reich. Und ihr sollt und könnt durch meine Gaben auch andere reich machen. Werde ich es so finden, wenn ich euer Leben ansehe? Viel habe ich euch gegeben: Lebensmittel und Lebensmitte, mein Vertrauen, meine Güte, mein Leben. Was macht ihr damit?

2.

So erzählt Jesus eine Geschichte. Ein reicher Mann geht außer Landes und vertraut seinen Knechten für die Zeit bis zu seiner Rückkehr an, was er hat, damit sie es vermehren. Keiner geht leer aus. Jeder erhält so viel, wie er bewältigen kann. Je nach Vermögen der Knechte vertraut ihnen der Herr sein Vermögen an. Keiner wird über-, keiner unterfordert. Er kennt sie ja alle, seine Knechte. Jeder ist anders und mag auf seine Weise mit dem Anvertrauten umgehen. Hauptsache, er geht damit um.

Sein Eigentum liegt also in der Hand der Knechte. Ob das gut geht? Man weiß doch: Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Was, wenn die Knechte das Geld durchbringen oder einfach verlieren? Für den Herrn ist das keine Frage. Er vertraut seinen Knechten. Er gibt, was er hat, und damit sich selbst in ihre Hände. Ob sie vertrauens-würdig sind?

Zwei der Knechte machen sich an die Arbeit. Sie setzen das Geld ein, handeln und verhandeln, kaufen und verkaufen. Sie haben Gaben bekommen, und sie wissen: Gaben sind Aufgaben. Und diese Aufgaben erledigen sie gern. Es soll ja wachsen, das Vermögen ihres Herrn. Auch sie selbst leben ja davon. Und nun hat er sein ganzes Vertrauen in sie gesetzt. Das wollen sie nicht enttäuschen. Er hat ihnen mit dieser Aufgabe Freude gemacht; da soll er sich doch auch freuen, wenn er wieder kommt. Sie mögen ihren Herrn. Da ist es keiner Überlegung wert, ob der Handel daneben gehen könnte. Es ist das Vermögen ihres Herrn. Er hat Erfolg. Da werden sie mit seinen Gaben auch Erfolg haben. So gewinnen beide kräftig hinzu.

Der dritte ist anders. Nicht die Liebe zu seinem Herrn steht für ihn im Vordergrund, nicht das Vertrauen, nicht der Stolz, im Namen seines Herrn leben und arbeiten zu dürfen. Ihm ist das Anvertraute des Herrn Last, die ihm Angst macht: allerdings nicht die Angst, seinen Herrn zu enttäuschen, Angst vielmehr um sich selbst. Was, wenn der Herr zurückkommt und das Vermögen verloren ist? Dann wird der Herr zornig werden, ihn bestrafen. Nein, das hat er nicht verdient, sagt er sich. Da erinnert er sich an das, was er zu Hause gelernt hat: Wenn dir etwas anvertraut wird, dann vergrab es; so ist es vor Dieben sicher, und niemand kann später, wenn es wirklich weg sein sollte, von dir Ersatz verlangen. So hatten es die alten Rabbiner gesagt. Und so galt es. Also vergräbt er seine Gaben. Niemand sieht sie, niemand erlebt daran, wie reich und wie vertrauensvoll sein Herr ist. Aber er hat sich abgesichert gegenüber seinem Herrn. Das Recht ist auf seiner Seite. Diese Sicherheit reicht ihm.

Aber nicht seinem Herrn! Als der zurückkommt, will er sehen, was seine Knechte mit seinen Gaben gemacht haben. Stolz zeigen ihm die ersten beiden, wie viel sie mit seinen Gaben erreicht haben. Verdoppelt haben sie das Anvertraute. Und sie freuen sich auf die Freude ihres Herrn. Der lobt sie: tüchtige und treue Knechte. Euch kann man etwas anvertrauen. Ihr sollt noch mehr bekommen. Wer da hat, dem wird gegeben werden. Treu seid ihr, denn ihr seid meines Ver-trau-ens würdig. Ihr habt mich nicht enttäuscht, habt mir Freude gemacht; und nun will ich euch in meine Freude mit hinein nehmen.

Und dann kommt der Dritte. Er windet sich, urteilt über den Herrn als harten Geschäftsmann, der ohne Einsatz viel gewinnt. Wie konnte ich es also anders machen? fragt er. Bevor ich mich am Ende als Verlierer von dir hinstellen lasse, hab ich lieber vergraben, was du mir anvertraut hast. Da hast du’s also zurück, keinen Cent mehr und keinen weniger. Wenn dir das nicht gefällt, liegt es an dir und deiner Art. Meine Schuld ist es nicht. Du böser und fauler Knecht! Das ist das Urteil des Herrn über ihn. Ich habe dir viel anvertraut. Nichts hast du getan. Nicht einmal Zinsen erwirtschaftet. Was ich dir gegeben habe: Brach hat es gelegen, hat keinem gedient, schon gar nicht mir. Mein Vertrauen in dich war unnütz. Du hast dich nur um dich gekümmert, nur um dich hast du Angst gehabt. An mich hast du nicht gedacht. Wie soll ich mich da über dich freuen? Alles will ich dir nehmen und es den anderen geben. Denn wer nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Du bist meines Vertrauens nicht würdig.

„Bravo!“ haben vielleicht Jesu Zuhörer gerufen und tun es heute noch. „Eine schöne Geschichte. Solch ein fauler Knecht taugt auch nichts. Der Herr vertraut ihm, und er denkt nur an sich. Wie gut, daß die anderen beiden ihrem Herrn solche Freude gemacht haben!“

„Ja“, sagt Jesus seinen Zuhörern damals und heute. „Eine schöne Geschichte, die von euch ebenso erzählt wie von mir. Seht, ich werde nicht immer bei euch sein wie jetzt. Aber wenn ich gehe, sollt ihr wissen, daß ich euch, was ich habe, anvertraue. Mein Wort gebe ich euch. Meine Liebe habe ich in euch gelegt. Ihr habt sie erfahren, als ich die Fünftausend, die nach Leben hungerten, satt gemacht habe, als ich dem Blinden neue Lebensperspektiven gezeigt habe, als ich dem Tauben das gute Wort Gottes gesagt habe. Mein Leben werde ich euch geben. Ein Leben, das nicht immer mit Uhren und Kalendern zu messen sein wird. Das ist mein Vermögen, das ich euch in die Hände lege, damit ihr es Früchte bringen laßt. Ihr seid reich begabt. Ihr habt Gaben: euren Verstand, eure Hände, eure Fantasie, euer Lachen, euer Mitfühlen, euer Zuhören, euer Verstehen, euer Singen, euer Geld, eure Kraft, euren Einfluß. Meine Gaben an euch. Wie das Leben in Zeit und Ewigkeit. Mehr kann niemand haben.

Laßt andere daran teilhaben. Gebt ihnen ab von euren Ideen und eurer Freude, versäumt nicht, ihnen mein gutes Wort zu sagen. Sagt ihnen, daß sie ihr Leben dem gütigen Gott verdanken. Laßt sie hoffen, wo sie am Leben zu verzweifeln drohen. Wenn sie nicht mehr erkennen können, wo ihr Lebensweg hin soll, dann nehmt sie bei der Hand, sagt, zeigt ihnen, laßt sie spüren, daß sie eingeladen sind. Wenn die Zukunft in Familie oder Beruf ihnen Angst macht, dann richtet sie auf mit der Liebe, die ich in euch gegeben habe. Wenn sie an der Schuld zu zerbrechen drohen, bringt ihnen meine Vergebung.

3.

So werde ich Freude an euch haben, wenn ich wiederkommen werde. Wenn ich euch bei der Hand nehmen will, um euch in Gottes endgültige Gemeinschaft, sein Reich, sein Leben zu führen. Es wird schön werden. Was ich euch anvertraut habe: Es sind wichtige Gaben zum Wohle meiner Menschen und zur Ehre Gottes. Was ich euch dann anvertrauen werde: Es ist die Ewigkeit, es ist Gottes Zuhause, das euch niemals wieder genommen wird.“

„Und der Dritte?“ fragt jemand zaghaft.
„Ja, der Dritte…“, sagt Jesus. „Freu dich doch einfach über das, was ich dir für dein Leben und das der anderen gebe. Sei stolz darauf, daß ich dir anvertraue, was ich habe. Und sei gewiß, daß Gott dich in seine Arme nehmen wird. Was kannst du denn mehr hoffen? Ist da der Dritte mit seiner Angst um sich selbst noch ein Thema?“

Alle nicken. Bis auf ein paar wenige. Einer von ihnen, einer von der Kirche, sagt kleinlaut: „Aber so einfach ist das heute nicht mehr. Wir können nicht mehr einfach sagen: So will es Jesus. Wir können nicht mahnen oder Richtung weisen. Wir müssen uns mit allen gut halten, vor allen mit denen in der Wirtschaft und der Politik. Sonst laufen uns noch mehr Leute weg. Aber ohne ihr Geld können wir Kindergärten und Diakoniestationen, Jugend- oder Altenarbeit nicht machen. Wir müssen auf uns sehen. Jesus mag uns ja sein Wort gegeben haben. Aber dies Wort ist oft so eindeutig, daß man’s einwickeln muß, damit es weicher wird, vielleicht auch manchmal verbergen, vergraben, um sich selbst zu retten“.

„Wirklich?“ fragt Jesus zurück. „Meinst du, die Menschen würden dir eher glauben, wenn du zu allen Seiten lächelst? Meinst du nicht, sie freuten sich eher an einem Wort, an dem sie sich festhalten können, an meinem Wort? Hilf ihnen, das Leben zu finden, sag ihnen mein Wort des Lebens, hilf ihnen um Gottes willen. Und ich sage dir: Du wirst hineingehen mit mir zu deines Herrn Freude. Und zu deiner Freude.“

Hoffentlich hat’s der Mann von der Kirche noch gehört. Und der von der Schule und der von der Verwaltung und der von der Politik und der von der Fabrik und du auch.

Amen.

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