Was es heißt, Gott zu lieben

Eine Predigt von Martin Luther mit einem Nachwort von Heinz Janssen

Predigttext: Lukas 10, 23-37
Kirche / Ort:
Datum:
Kirchenjahr: 13. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Martin Luther

Predigttext: Lukas 10, 23-37

Und er wandte sich zu seinen Jüngern besonders und sprach: Selig sind die Augen, die da sehen, was ihr sehet. Denn im sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr sehet, und haben es nicht gesehen, und hören, was ihr höret, und haben es nicht gehört. Und siehe, da stand ein Schriftgelehrter auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun, dass im das ewige Leben ererbe? Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Wie liesest du? Er antwortete und sprach: »Du sollst Gott, deinen Herrn, Lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte und deinen Nächsten wie dia1 selbst.« Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tue das, so wirst du leben. Er aber wusste sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster? Da antwortete Jesus und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und gingen davon und ließen ihn halbtot liegen. Es begab sich aber von ungefähr, dass ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und da er ihn sah, ging er vorüber. Desgleichen auch ein Levit; da er kam zu der Stätte und sah ihn, ging er vorüber. Ein Samariter aber reiste und kam dahin; und da er ihn sah, jammerte ihn sein, ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm und hob ihn auf sein Tier und führte ihn in eine Herberge und pflegte sein. Des anderen Tages zog er heraus zwei Silbergroschen und gab sie dem Wirte und sprach zu ihm: Pflege sein und so du was mehr wirst dartun, will ich dirs bezahlen, wenn ich wiederkomme. Welcher dünkt dich, der unter diesen dreien der Nächste sei gewesen dem, der unter die Räuber gefallen war? Er sprach: Wer die Barmherzigkeit an ihm tut. Da sprach Jesus zu ihm: So gehe hin und tue desgleichen. (Predigt aus: K. Aland, Luther Deutsch. Die Predigten, Bd. 8., 2. Aufl., Stuttgart 1965, S. 342-349. – Überschriften und Zwischenüberschriften von Heinz Janssen, redaktion@predigtforum.de)

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Das ist ein langes Evangelium, darum wollen wir ein oder zwei Stücke daraus nehmen, dass wirs merken und uns daraus bessern können.

I.

Christi Lobpreis auf das heilige Evangelium

Das erste Stück ist, dass der Herr Christus hier sein Wort, das heilige Evangelium, sehr hoch preist und zu seinen Jüngern besonders sagt: »Selig sind die Augen, die da sehen, was ihr sehet. Denn ich sage euch: viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr sehet, und haben es nicht gesehen, und hören, was ihr höret, und haben es nicht gehöret.«

Damit zeigt er den Jammer an, den wir jetzt auf Erden sehen, dass in der Welt keine verachtetere Sache ist als das liebe Evangelium. Alle andere falsche Lehre, des Teufels Lügen und Ketzerei kann die Welt hören und dulden; aber das Evangelium will sie weder hören noch sehen, sondern lästert es und verfolgt es aufs höchste, fügt denen das gebrannte Herzeleid zu, die es predigen und hören.

In Summa, es ist der Welt Fußabtreter; Fürsten und Herren verfolgen es, böse Buben schänden es und lästern es, wie denn der Beispiele leider mehr als zuviel in ganz Deutschland und in vielen anderen Reichen vor Augen sind.

Das sieht der Herr, tröstet seine Jünger deswegen und sagt: Die Welt schilt und lästert mein Evangelium, aber wer die Gnade hat, dass er es haben und hören kann, der hat ja selige Ohren und soll Gott von Herzen dafür danken, dass er dazu gekommen ist und das für köstlich halten kann, was die Welt so sehr verachtet und hasst.

Denn es ist bestimmt wahr, dass ihr seliger seid als David und alle anderen Könige. Denn das ist aller Propheten und Könige höchstes Verlangen gewesen, dass sie diese Zeit erlebt und mich gesehen und gehört hätten, aber es hat ihnen nicht zuteil werden können. Ihr habt es, darum danket Gott dafür, dass euch so große Seligkeit widerfahren ist, dass ihr mich sehen und hören könnt.

Das ist das erste Stück, über das unser lieber Herr Christus hier klagt, dass sein Gnadenwort, welches Vergebung der Sünden und ewiges Leben verkündigt und anbietet, mit so großer Sicherheit verachtet wird.

II.

Die Früchte des Evangeliums – rechte und stolze Heilige

Das andere Stück ist, dass der Herr uns die Früchte des Evangeliums vorhält nämlich die guten Werke, die folgen sollen, wenn man Gottes Wort gehört hat. Das malt er ab mit einem feinen, schönen Beispiel von dem, der von Jerusalem hinab gen Jericho zog und unter die Mörder fiel.

Das ist das rechte Gemälde, in welchem fein abgemalt wird, wer Christus sei, wie er uns liebhabe und welches die rechten Früchte seines Wortes und derer sind, die sein Wort und Evangelium gern hören, nämlich: dass sein Wort, wo es mit Ernst gehört und mit Glauben angenommen wird, solche Menschen mahnt, wie es der Samariter hier ist, mitleidige und barmherzige Menschen, die nicht sehen können, dass jemand Not leidet. Das sind die rechten Heiligen.

Aber die anderen stolzen Heiligen, die viel und Großes von sich selbst halten, haben natürlich keine Barmherzigkeit mit den Armen, sondern sind harte, gräuliche Leute. Denn sie meinen, unser Herrgott sei froh, dass sie ihm dienen, denken deshalb, sie brauchten anderen Menschen nichts tun noch dienen, eben wie der Priester hier tut. Der war des Amtes und der Geburt halber heilig. Aber was sagt der Text von ihm?

Als er den armen verwundeten Menschen sah, ging er vorüber. Das mögen ja heillose Heilige sein, die da sehen, dass ihr Nächster Not leidet und ihm wohl. helfen könnten, es aber doch nicht tun. Worauf verlassen sie sich anders, als dass sie meinen, sie seien unserem Herrgott nichts schuldig? Wenn sie das Gesetz äußerlich nach dem Buchstaben gehalten und im Tempel geopfert haben, wenn sie Messe gehalten und gesungen haben, denken sie, sie hätten alles verrichtet. Die heißen Stockheilige und Steinheilige, ja des Teufels Heilige, die sich dünken lassen, unser Herrgott sei ihnen alle Dinge schuldig und sie seien umgekehrt niemand etwas schuldig.

Die Adressaten des Gleichnisses

Gegen solche schändlichen Heiligen geht dies Gleichnis hier. Denn der Herr hat auch so einen stolzen Heiligen, einen Schriftgelehrten, vor sich, der will sich nicht allein sehen lassen, wie fromm er sei, sondern auch den Herrn Christus Lügen strafen und ein besserer Lehrer sein, als er es ist. Er denkt so: 0 lieber Jesus, wüsstest du, wie heilig ich bin, so würdest du dich schämen, dass du den Mund vor mir auftätest. Ich will dich eins fragen, sage mir: » Was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?« Jesus antwortet ihm: Frage dich selbst danach. Was schreibt Mose im Gesetz?

Er antwortet: Ei, das weiß ich wohl: »Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte und deinen Nächsten als dich selbst.« Jesus sagt: Weißt du es, so tue es. Er antwortet: Ich habe es getan, wer ist mein Nächster?, als wollte er sagen: Ich weiß keinen Menschen, dem ich dienen soll; sie sind mir etwas schuldig, ich bin ihnen nichts schuldig.

Wer ist mein Nächster?

Da schlägt ihn der Herr mit dem Gleichnis von dem verwundeten Menschen und sagt: Ein Priester sah ihn und ging vorüber, ein Levit desgleichen; die beiden waren ebenso fromm wie du. Aber der Samariter nahm sich des armen Menschen an. Sage nun, welcher war des Verwundeten Nächster?

Da antwortet der Schriftgelehrte: »Der die Barmherzigkeit an ihm tat«; er will den Samariter mit Namen nicht nennen, der hoffärtige Tropf und Heuchler. Deshalb bringt ihm der Herr heimlich eine gute Schlappe bei, als wollte er sagen: du bist ein ebenso frommer Heiliger wie der Priester und Levit, du hülfest deinem Nächsten nicht mit einem Pfennig, wenn er jetzt auch sterben sollte, und fragst noch, was du tun sollst, dass du das ewige Leben ererbest? Hast du nicht arme Freunde, arme Nachbarn, betrübte Menschen? Ist nicht Unglück, Angst und Not genug da? Und du fragst erst, wer dein Nächster sei?

Gottes- und Nächstenliebe sind nicht voneinander zu trennen

Deshalb liegt alles daran, dass wir lernen, was es heißt: Gott und den Nächsten lieben. Es ist schnell gesagt: Ich habe Gott lieb. Man braucht ihm nicht viel zu erklären, aber man würde dennoch fein sehen, wenn er plötzlich da wäre, wer ihn liebhätte und etwas für ihn wagte. Nun ist er aber nicht persönlich da, dass man ihn sehen und ihm dienen könnte, wie anderen- Menschen, die mit und um uns sind.

Wenn man deshalb wissen will, wer Gott recht liebe, so habe man Acht darauf, wie die Kinder Vater und Mutter ehren, wie man seinen Berufspflichten nachkommt, dann wird man spüren, wer Gott liebt und wer ihn nicht liebt. Denn in bezug auf die Kinder seht Gottes Befehl und Wort da: Du sollst Vater und Mutter ehren. Ja, spricht Mönch oder Nonne, Vater und Mutter lass ich fahren; es ist besser, dass ich dich, Gott im Himmel, ehre und liebe. Nein, sagt Gott, ich will, dass du Vater und Mutter ehrest. Da steht mein Wort; willst du mich nun lieben und ehren, so ehre und liebe deinen Vater und deine Mutter, das heißt alsdann Gott geliebt.

Klage über die Missachtung der Gebote

Aber was geschieht? Der geistlose Haufe lässt diese Liebe anstehen und sucht etwas Besseres. Die anderen, die evangelisch sein wollen, gehen ihren Weg, die Kinder wünschen, dass die Eltern schon tot und unter der Erde wären, damit sie nur ihren Mutwillen haben möchten.

In anderen Ständen geht es auch so. Eine Obrigkeit hat ihre Amtsleute, denen befiehlt sie, dass sie recht und treulich ihrem befohlenem Amt vorstehen sollen. Fragst du’ sie nun, ob sie auch Gott liebhaben, da wird ihrer keiner Nein sagen, sondern werden alle rühmen: Ja, ich habe Gott lieb, warum sollte ich Gott feind sein? Ja, Lieber, so sage an: Warum bist du deiner Obrigkeit ungehorsam und untreu? Hättest du Gott von ganzem Herzen lieb, ja von halbem Herzen, ja nur den zehnten Teil, so würdest du deiner Obrigkeit viel fleißiger dienen.

Ebenso würden auch, wo Knechte, Mägde usw. Gott liebhätten, sie seinem Wort folgen und gehorsam sein, da er (Eph. 6, 5) sagt: »Ihr Knechte, seid gehorsam euern leiblichen Herren mit Furcht und Zittern, in Einfalt eures Herzens, als dem Herrn Christus; nicht mit Dienst allein vor Augen, um den Menschen zu gefallen, sondern als Knechte Christi.«

Wo Eheleute Gott liebhätten, würden sie sich desgleichen nach Gottes Wort halten, da er (Eph. 5, 22) sagt: »Die Frauen seien untertan ihren Männern als dem Herrn«, ebenso (Kap. 5, 25): »Ihr Männer, liebet eure Frauen« usw. und so fortan.

Ein jeglicher würde in seinem Stande mit der Tat beweisen, dass er Gott liebt. Aber wie fein sie Gott lieben, das spürt man an ihren Früchten. Denn ein jeder will seinen Mutwillen haben, Gottes Liebe bleibe, wo sie wolle.

Deshalb ist die Welt nicht allein ohne Gottesliebe, sondern sie ist auch voll Hass gegen Gott, so dass es beinahe eher zu leiden wäre, dass sie ihn nicht liebhätte, wenn sie ihm nur nicht dazu noch feind wäre. O nein, sagt jedermann, da behüte mich Gott vor, sollte ich Gott feind sein? Ja, freilich bist du ihm feind. Denn wenn du wider deinen Vater und Mutter, wider deinen Vorgesetzten oder die Obrigkeit murrst und nicht tust, was dir zu tun befohlen ist, so verachtest du Gott, hassest ihn und bist ihm feind.

Denn es ist sein Befehl, dass du sie ehren, ihnen untertan und gehorsam sein sollst, ihnen treulich und fleißig in deinem Beruf dienen usw. Diesem Befehl bist du feind, den willst du nicht befolgen, magst ihn auch nicht hören. Heißt denn das Gott geliebt? Es heißt Gott gehasst.

So lieben Bürger und Bauern und böse Buben Gott auch, wenn sie hören, dass es Gottes Befehl sei, sie sollen nicht geizig sein, nicht zu teuer verkaufen, treu im Handel sein usw. Je mehr man predigt, desto toller und bissiger werden sie und tun es nur desto mehr zu Trotz aus lauter Mutwillen.

Die Amtsleute tun auch so. Wenn sie der Pfarrer vermahnt und sagt: Das ist Gottes Gebot, so antworten sie: Nun will ich es nicht tun, gerade weil es der Pfaffe sagt; was geht es den Pfaffen an, wie ich mein Amt führe? Sollte er mich schulmeistern?

Wohlan, geht es den sogenannten Pfaffen nicht an, so geht es Gott an, der wird dir, ehe du dichs versiehst, mit Pest, Teuerung, mit Feuer, mit Wasser, mit Krieg, Plünderung und anderen Plagen lohnen. Diese werden dir dein Geld ganz hinwegnehmen und dir keinen Dank dazu wissen; womit du sonst, wenn du ein Christ wärest, vor Gott und Menschen Gunst und Dank verdienen könntest, und an Gut von Tag zu Tag mehr zunehmen würdest.

Gott will, dass einer dem anderen dienen und helfen soll

Darum lasst uns mit Fleiß lernen und gut merken, was es heiße, Gott zu lieben. Dieser Samariter hat Gott lieb, nicht deswegen, weil er Gott etwas gegeben hätte, sondern weil er dem armen verwundeten Menschen hilft, soviel er kann.

Denn Gott sagt so: Willst du mich lieb haben und mir dienen, so tue es deinem Nächsten, der bedarf dessen, ich bedarf es nicht. Deshalb dient dieser Samariter hier mit dem, was er tut, unserem Herrgott im Himmel. Nicht dass unser Herrgott dessen für seine Person bedürfe oder er es unserem Herrgott tue, er tut es seinem Nächsten. Es heißt aber deswegen Gott getan und Gott damit gedient, weil es Gott so geheißen und befohlen hat.

Alles andere, womit die Welt Gott zu dienen gedenkt, hat er nicht befohlen. Er will, dass einer dem andern dienen und helfen soll. Zu Rom brauchen wir ihn nicht zu suchen, wir finden ihn daheim in unserem eigenen Hause, an unserem Weib, Kind, Gesinde, Vorgesetzten, Obrigkeit, ebenso in unseres Nachbarn Haus, auf der Straße, auf dem Markt und allenthalben.

Das sollen wir tun, was wir jedermann zu Freundschaft, Liebe und Dienst tun können, so will Gott es dafür ‘halten und rühmen, wir hätten es ihm getan. Wie könnte er es uns näher legen? Aber der Teufel blendet die Welt, dass sie es nicht sehen kann, was es da eigentlich heiße, Gott lieben und dem Teufel feind sein.

Darum lasst uns danach trachten, dass wir es lernen. Dieser Samariter tut an dem armen Menschen, wie er wollte, dass man seinem eigenen Leib getan hätte. Er hätte begehrt, dass man ihn verbände, wenn er verwundet gewesen wäre.

Deinen Nächsten lieben wie dich selbst

Wie er nun sich selbst liebt, so liebt er den armen Menschen und bringt dadurch das Lob davon, dass er Gott und seinen Nächsten geliebt habe. So sollen wir auch tun. Denn diese Frucht soll bei den Christen folgen, die Gottes Wort haben. Wenn sie nicht folgt, so sind es falsche Christen, wie dieser Priester und Levit, die sind Stockheilige, ja Teufelsheilige.

Denn wer an seinem Nächsten vorübergeht, der geht auch an Gott vorüber. Lasset uns uns hüten vor der Welt Exempel, die beiden, Gott und dem Nächsten, feind ist. Denn Gott ist mehr als die böse Welt, böse Fürsten, böse Amtsleute, böse Bürger und Bauern.

Wer Gott liebt und seinen Nächsten, dem wird es nicht unbelohnt bleiben. Wer Gott nicht liebt, das ist, seinem Nächsten in seiner Not nicht nach Gottes Befehl zu Hilfe kommt noch beisteht, sondern vorübergeht und sich seiner Not nicht annimmt, dem wird es nicht unvergolten bleiben. Der liebe Gott helfe uns dazu, dass wir ihn lieben mögen, durch Jesus Christus, unseren Herrn, Amen.

(aus: K. Aland, Luther Deutsch. Die Predigten, Bd. 8., 2. Aufl., Stuttgart 1965, S. 342-349. – Überschriften und Zwischenüberschriften von Heinz Janssen, redaktion@predigtforum.de)

Nachgedacht – Zu Martin Luthers Predigt über Lukas 10,23-37 von Heinz Janssen, redaktion@predigtforum.de

Martin Luthers Predigt über den barmherzigen Samariter ist deutlich in deutlich in zwei Haupteile gegliedert: I. Christi Lobpreis auf das heilige Evangelium, II. Die Früchte des Evangeliums. Am umfangreichsten ist der zweite Teil. Beide Teile verhalten sich wie Indikativ und Imperativ im paulinischen Sinn.

Gleich zu Beginn betont Martin Luther, dass es „ein langes Evangelium sei“ und es darum in seiner Predigt nicht ausgeschöpft werden könne. Die Beschränkung auf „zwei Stücke“ des Evangeliums soll helfen, „daß wirs und uns daraus bessern können“.

I.

Im ersten Teil geht Martin Luther auf Jesu Worte „Selig sind die Augen, die da sehen, was ihr sehet…“ (V.23f.) ein. Er beklagt den „Jammer“, dass „das liebe Evangelium“ in der Welt so sehr verachtet wird, „der Welt Fußabtreter“ ist. Den Inhalt des Evangeliums beschreibt der Prediger als Vergebung der Sünden und ewiges Leben. Wer das Evangelium hört, hat Grund, Gott dafür zu danken, dass er „für köstlich halten kann, was die Welt so sehr verachtet und haßt“.

II.

Im zweiten, dem gewichtigsten Predigtteil, geht es dem Prediger um die Früchte des Evangeliums, damit sind die aus dem Hören des Wortes Gottes folgenden guten Werke. Hier stellt Martin Luther den „rechten Heiligen“ die „stolzen Heiligen“, die er später auch „Stockheilige“, „Steinheilige“ und „Teufelsheilige“ nennt, gegenüber. Die rechten Heiligen sind diejenigen, die Menschen in Not helfen, weil sie es nicht sehen können, wenn jemand Not leidet. Die stolzen Heiligen dagegen sind hart – sie meinen, ihren Gottesdienst wie der Priester und Levit im Gleichnis auf Gott beschränken und am Menschen vorbeigehen zu können.

So sieht Martin Luther in den Schriftgelehrten, Priestern und Leviten die eigentlichen Adressaten des Gleichnisses, die „stolzen Heiligen“. „Aber der Samariter nahm sich des armen Menschen an.“ Die Frage des Schriftgelehrten und die Antwort Jesu paraphrasiert Martin Luther eindrucksvoll: „Hast du nicht arme Freunde, arme Nachbarn, betrübte Menschen? Ist nicht Unglück, Angst und Not genug da? Und du fragst erst, wer dein Nächster sei?“ Um dann die unbedingte Zusammengehörigkeit von Gottes- und Nächstenliebe zu unterstreichen! Ob jemand Gott liebt erkennt man daran, wie er mit den alltäglichen (Lebens-)Ordnungen umgeht, z.B. wie Kinder ihre Eltern ehren, wie die (staatliche) Obrigkeit geachtet wird, wie Eheleute miteinander leben. Mit der Tat soll jeder Stand beweisen, dass er Gott liebt.

Für den Kernsatz der Predigt halte ich: „Dieser Samariter hat Gott lieb, nicht deswegen, weil er Gott etwas gegeben hätte, sondern weil er dem armen verwundeten Menschen hilft, soviel er kann. Denn Gott sagt so: Willst du mich lieb haben und mir dienen, so tue es deinem Nächsten, der bedarf dessen, ich bedarf es nicht.“ Und: „Denn wer an seinem Nächsten vorübergeht, der geht auch an Gott vorüber“.

Die Predigt schließt mit der Bitte um Gottes Hilfe, seinem Liebesgebot zu folgen.

Heinz Janssen, redaktion@predigtforum.de

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