Jünger und Jüngerinnen Jesu
Kreativer Verkündigungsvorschlag zu Lukas 8, 1-3 (zum Frauensonntag in der Evangelischen Landeskirche in Baden)
Bibeltext: Lukas 8,1-3 (Übersetzung nach Martin Luther, revidierte Fassung 1984)
1 Und es begab sich danach, daß er (Jesus) durch Städte und Dörfer zog und predigte und verkündigte das Evangelium vom Reich Gottes; und die Zwölf waren mit ihm, 2 dazu einige Frauen, die er gesund gemacht hatte von bösen Geistern und Krankheiten, nämlich Maria, genannt Magdalena, von der sieben böse Geister ausgefahren waren, 3 und Johanna, die Frau des Chuzas, eines Verwalters des Herodes, und Susanna und viele andere, die ihnen dienten mit ihrer Habe.Hinweis zur Verkündigung
Vier Frauen übernehmen die Verkündigung. Beginn und Abschluss wird von allen Frauen als Sprechmotette gesprochen. Die anderen drei Abschnitte zu Heilung, Freundschaft und Verkündigung als Ergebnis der Nachfolge werden von einer Sprecherin und den sie pantomimisch begleitenden anderen Frauen gestaltet, welche auch im Wechsel jeweils einen Zwischentext übernehmen. Die Sprecherin muss ihr Sprechtempo den agierenden Frauen anpassen, langsam sein und die anderen Frauen immer etwas im Blick haben. Die pantomimisch agierenden Frauen müssen sich sparsame, deutliche Gesten aussuchen und langsam in der Bewegung sein, nur so ist auch in der letzten Kirchenbank noch zu erkennen, was gemeint ist.Verkündigung
Sprecherin liest den Bibeltext Lukas 8,1-3
Als Motette von allen 4 Frauen zu sprechen:
Verrückt?
Die Frauen um Jesus, waren sie verrückt?
Verrückt oder ver-rückt?
Ver-rückt, von woher und wohin?
Ge-rückt, von wem?
Zurechtge-rückt?
Die Frauen damals wie heute ver-rückt!
Verrückt!
Sprecherin: Ver-rückt hat Jesus uns Frauen aus der Krankheit in ein heiles Leben!
Die Frauen stehen bewegungslos in einer Reihe, die mittlere Frau wird „lebendig“, sie verrückt die eine Nachbarin etwas nach vorn und zur Seite, die andre Nachbarin nach hinten und etwas zur Seite. Dabei fasst sie sie an und dirigiert sie so an Ort und Stelle. Dann bleibt sie stehen.
Sprecherin: Aus tiefem Schmerz hat Jesus uns in ein neues Wahrnehmen von Liebe, Freude und Schönheit gerückt.
Erste Frau zeigt Schmerz: sie verzerrt das Gesicht, krümmt sich vor Schmerz oder findet eine andere Geste, um Schmerz durch ihre Körpersprache deutlich werden zu lassen. Bei Liebe, Freude, Schönheit, führt sie ihre Hände zum Herzen und öffnet sie dann lächelnd, wie zum Dank, gegen den Himmel, als Geste für Geheiltsein. Sie lässt die Arme wieder auf ihr Herz sinken, so bleibt sie stehen.
Sprecherin: Aus der Starre und dem Verharren in die Lebendigkeit der Bewegung.
Zweite Frau bewegt sich zu Starre und Verharren, schaut nach unten, stocksteif, mit an den Körper gepressten Armen, dann lockert sie sich, schüttelt ihre Glieder aus, beginnt sich tanzend durch den Altarraum zu bewegen, um Lebendigkeit und Bewegung auszudrücken.
Sprecherin: Aus dem „Sich im Kreis um sich selbst drehen“ zu dem „Sich Öffnen“ für das Geschehen und die Menschen um uns herum.
Dritte Frau zu „sich um sich selbst drehen“: Sie steht starr, hält sich die Hände vors Gesicht und dreht sich in Trippelschritten langsam um sich selbst. Dann löst sie die Hände, erkennt ihre Umwelt, streckt die Hände der Gemeinde entgegen und geht einen Schritt auf die Menschen zu, lächelt, nimmt ihre Umgebung wahr.
Sprecherin spricht den letzten Satz: Jesus hat heilende Kräfte bei Frauen wirken lassen!
Die Frauen lösen sich aus ihrer Pantomime. Zwei Frauen gehen wieder zu ihrem Ausgangsplatz; diejenige, welche zum Thema Heilung spricht, geht zum Mikrofon. Anschließend ordnet sie sich wieder in die Reihe ein. Es ist von Vorteil, wenn die Frau, welche zuerst in der Mitte war, jetzt außen ist, so „verrückt“ jede Frau einmal die anderen, aber jedesmal anders.
Erste Frau zum Thema Heilung:
Drei geheilte Frauen, die mit anderen Jesus folgten, werden mit Namen genannt, Johanna, Susanna und Maria aus Magdala. Wie stark muss sie der Wanderprediger beeindruckt haben, denn sie kehren nicht dankbar in ihr eigenes Leben zurück, sondern stellen ihr Leben radikal um.
Sie schließen sich der wandernden und predigenden Jesusbewegung an. Sie machen sich auf einen ungewissen Weg in eine ungesicherte Zukunft auf. Sie dienen mit ihrem Vermögen, mit dem was sie haben, an Gaben und Geld. Welch verrückte Frauen.
Die Heilung, die ihr Leben so verändert hat, kann nicht nur dem Leib widerfahren sein, auch ihre Seelen wurden gesund. Jesus hatte immer den „ganzen Menschen“ im Blick, das Wohl von Leib und Seele.
Eine so totale Heilung verhindert, wieder die „Alte“ zu werden. Sie fordert zu einer Lebensumstellung heraus, sie fordert auf, in das Leben aufzubrechen, welches Jesus lehrt und vorlebt. Aus ihnen wurden Frauen, für die nicht mehr gesorgt werden musste; sie konnten jetzt sogar Sorge für andere Menschen übernehmen. Die Heilung hatte ihr Leben mit einem heilsamen Ruck zurechtgerückt, heilsam wirkend als eine Botschaft von der Kraft Jesu bis in unsere Zeit.
Sprecherin: Ver-rückt hat Jesus uns Frauen, wir haben jetzt einen neuen Standpunkt.
Die Frau in der Mitte schiebt mit den Händen gleichzeitig die Frauen rechts und links ein Stückchen weiter zur Seite.
Sprecherin: Keine ist mehr allein, wir erleben Gemeinschaft.
Alle Frauen stellen sich gemeinsam zu „allein“, mit dem Rücken zueinander, so dass keine Frau die andere sieht, dann drehen sie sich zueinander und fassen sich an den Händen, zum Zeichen der Gemeinschaft.
Sprecherin: Keine fürchtet sich mehr, wir vertrauen einander.
Alle Frauen lösen die Hände, jede zeigt Furcht
z. B.: dreht sich mit dem Oberkörper leicht nach hinten und bedeckt mit dem Unterarm ihr Gesicht,
z. B.: versucht Angst mit dem Gesicht auszudrücken und hält die Arme weit vor sich mit
den Handflächen in einer abwehrenden Geste,
z. B. : duckt sich, zieht den Kopf ein und versteckt ihn unter Händen und Armen.
Bei „Vertrauen“ lösen die Frauen die Angsthaltung und umarmen sich.
Sprecherin: Keine ist mehr stumm, wir reden, diskutieren und lachen miteinander.
Alle schließen den Mund und legen den Zeigefinger auf den Mund, dann lösen sie die Haltung, reden mit Gesten, Bewegungen, den Händen, lachen und kommunizieren freundlich (natürlich stumm).
Die Sprecherin spricht den letzten Satz: Jesus ist mitten unter uns Frauen!
Die Frauen lösen sich aus der Szene, zwei stellen sich wieder in die Reihe, die Dritte geht nach vorn und spricht zur Freundschaft und zum Gottesbild Freundin.
Waren Susanna, Johanna und Maria Magdalena Freundinnen? Ich möchte sie mir so vorstellen. Diese Frauen verbanden die persönlichen Erfahrungen von Krankheit und Heilung, der Entschluss Jesus nachzufolgen und sicher viele gemeinsamen Erfahrungen auf ihrem Weg als Jüngerinnen.
Eine Freundin, eine beste Freundin ist eine Frau, mit welcher man die wichtigsten Dinge im Leben besprechen kann, der wir Vertrauen entgegenbringen. Gemeinsam teilen Freundinnen Erfahrungen miteinander, weinen und lachen, trauern und feiern gemeinsam. Jesus hat von dieser Frauenerfahrung gewusst. Hat er von den drei Frauen gelernt?
Im Gleichnis „Vom verlorenen Groschen“ vergleicht Jesus Gott mit einer Frau, die, kaum hat sie den verlorenen Groschen wiedergefunden, ihre Freundinnen und Nachbarinnen einlädt und spricht: Freut euch mit mir.
Waren diese Begleiterinnen von Jesus für dieses Gottesbild der Freundin Vorbild? Jesus hat immer wieder seine Wertschätzung für Frauen gezeigt, er hat niemals Frauenfreundschaften abgewertet, ihnen Neid, Konkurrieren und Missgunst unterstellt.
Er wusste von der Stärke, der tragenden Kraft und der liebenden Zuwendung in Frauenfreundschaften. Freuen wir uns, wenn wir eine Freundin haben, pflegen wir diese Freundschaft und lassen wir uns hineinnehmen in die Freude, dass Gott uns wie eine Freundin begegnen kann.
Sprecherin: Ver-rückt hat Jesus uns Frauen, denn durch ihn wissen wir um unseren Wert.
Die Frauen links und rechts „verrücken“ die Frau in der Mitte, indem sie sie gemeinsam einen Schritt nach vorn schieben.
Sprecherin: Es heißt nicht mehr wie im Spiel: Mutter, Mutter, wieviel Schritte darf ich gehen, sondern: Wir gehen und entscheiden selbst.
Die nach vorne gerückte Frau macht einen vorsichtigen, wackeligen Schritt nach vorn,
zieht den Fuß wieder zurück, dreht sich nach den anderen Beiden hilfesuchend um. Diese beiden Frauen halten sich aneinander fest, probieren auch vorsichtig, es misslingt. Alle ziehen die Schulter fragend hoch, mit einer fragenden Geste und Mine. Bei „wir gehen und entscheiden selbst“, gehen sie selbstsicher mit festen Schritten auf das Kreuz, den Altar zu.
Sprecherin: Es heißt nicht mehr: Wir sind zu dumm, sondern: Wir verkünden unser Wissen, welches aus dem Erleben als Frau gewachsen ist.
Alle machen zueinander eine verneinende Geste, die Hände winken ab, Kopfschütteln, die Gesichtsminen sind selbstbewusst, danach gehen sie gemeinsam zu den Stufen der Kanzel oder je nach Kirche hinter den Altar zu dem Ort, von dem aus Wissen in der Kirche verkündigt wird.
Sprecherin: Es heißt schon lange nicht mehr nur Jünger, sonder es heißt Jüngerinnen und Jünger, denn wir sind seine Nachfolgerinnen.
Eine geht die Stufen zur Kanzel hinauf oder tritt ans Mikrofon, je nach Kirche und
Bleibt dort stehen. Die anderen Frauen bleiben selbstbewußt im Altarraum, oder setzen sich auf die Stufen zur Kanzel.
Sprecherin: Jesus hat uns aufgetragen, das Evangelium, die gute Botschaft zu verkündigen!
Frau auf der Kanzel: Dass ich hier auf der Kanzel stehe bin immer noch ungewöhnlich. Es verursacht auch mir als Laien Herzklopfen und bei ihnen als Gottesdientteilnehmer und Teilnehmerinnen vielleicht sogar Empörung. Dieser Platz ist der Pfarrerin, dem Pfarrer vorbehalten. Gestalten Laiengruppen so wie heute den Gottesdienst, wird die Kanzel, der klassische Ort der Verkündigung, nicht benutzt.
Wenn ich jetzt hier stehe, will ich daran erinnern, dass, so berichtet es der Evangelist Lukas, Johanna und Maria Magdalena sowie andere Frauen die Auferstehung Jesu verkündeten. Schon bei Lukas war dann zu lesen: Und es erschienen ihnen (den Jüngern) diese Worte als Geschwätz, und sie glaubten ihnen nicht. So lange ist es auch in unserer evangelischen Kirche noch gar nicht selbstverständlich, dass Frauen ernsthaft verkündigen dürfen.
Wegen des „Weibergeschwätzes“ sind auch heute sicher einige nicht in den Gottesdienst gekommen – und zwar Frauen wie auch Männer. Wir sind alle Opfer einer fatalen Wirkungsgeschichte geworden. Die Leistung der Frauen wurde verschwiegen, verfälscht und verdrängt. Die starken Frauen um Jesus wurden zum Schweigen gebracht, und mit ihnen jede andere Frau. Maria aus Magdala wurde im Laufe der Kirchengeschichte zur Sünderin und Büßerin umgeformt und verformt, ein Bild, welches bis heute in unseren Köpfen spukt und biblisch nicht zu belegen ist.
Heute dürfen in meiner Kirche Frauen auf die Kanzel, vieles hat sich verändert, dafür bin ich dankbar. Die wichtigste Verkündigung, die wir Christen je gehört haben: „Christus ist auferstanden!“, wurde den Frauen aufgetragen. Frauen haben diese Botschaft weitergesagt, daran erinnere ich hier auf der Kanzel und sage: Hört auf die Frauen! Frauen haben schon damals Botschaften verkündet, die die Welt zurechtgerückt haben.
Alle Frauen versammeln sich auf der Kanzel und schließen den Verkündigungsteil mit einer Sprechmotette wie am Anfang ab.
Jesus hat uns verrückt!
Verrückt klingt es,
war es,
ist es.
Wir folgen der Liebe nach,
Liebe ist immer verrückt.
Wir glauben,
was Jesus zurechtgerückt hat
ist nicht verrückt,
ist ein Ruck,
der uns nach 2000 Jahren
immer noch berührt,
ver-rückt,
zurechtrückt.
Schließt euch an!