Was nun Gott zusammengefügt hat…

Vom Idealzustand einer Ehe

Predigttext: Markus 10, 2-9
Kirche / Ort: Johanneskirche / Empelde
Datum: 02.11.2003
Kirchenjahr: 20. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrerin Susanne Wendorf - von Blumröder

Predigttext: Markus 10, 2-9(10-12)

(nach der Übersetzung Sutter Rehmann, S.32f; statt ihres „weg Lösen“, habe ich mich bei der Übersetzung von apolyein für „Verlassen“ entschieden.) (1 Und von da stand er auf und ging in das Grenzgebiet Judäas und jenseits des Jordans, und wieder kamen Scharen bei ihm zusammen, und er lehrte sie, wie er gewohnt war.) 2 Und Pharisäer kamen zu ihm und fragten ihn, ob es einem Mann erlaubt sei, die Frau gehen zu lassen. Sie stellten ihn auf die Probe. 3 Er antwortete ihnen aber und sprach: Was hat euch Mose geboten? 4 Sie aber antworteten: Mose erlaubte, einen Scheidebrief zu schreiben und einander zu verlassen. 5 Dazu sagte Jesus ihnen: Hinsichtlich eurer Verhärtung ist dieses Gesetz für euch geschrieben. 6 Von Anfang der Schöpfung an hat er sie männlich und weiblich gemacht. 7 Deshalb verlässt der Mann seinen Vater und seine Mutter und hängt sich an seine Frau. 8 Und die Zwei werden ein einziges Fleisch. Daher sind sie nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. 9 Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen. 10 Und im Blick auf das Haus fragten ihn die Jüngerinnen und Jünger wiederum darüber. 11 Und er sagte ihnen: Wer seine Frau verlässt und eine andere heiratet, bricht die Ehe ihr gegenüber. 12 Und wenn sie, nachdem sie ihren Mann verlassen hat, einen anderen heiratet, bricht sie die Ehe.

Exegetische und homiletische Einführung

1. Mk10, 2-31 (Par. Mt 19): Eine Unterweisung Jesu zu zentralen lebenspraktischen Fragen Mk 10,1 benennt mit einem Ortswechsel deutlich ein neues Kapitel. Jesus kommt aus Kapernaum in das Grenzgebiet von Judäa und Peräa. V. 1 wird meistens als redaktionelles Verbinden verschiedener Szenen oder Konstruieren einer Reiseroute nach Jerusalem gesehen, Sutter Rehmann plädiert dafür, hier schon eine Vorbereitung des Ehe-Themas zu sehen, also „V1 als einführenden Vers in die Problematik des „Weglösens“ zu verstehen.“ Denn: “eine Grenze überschreiten hat mit Formalitäten, mit Abschied und Neuanfang zu tun“(Sutter Rehmann, 40). V 2-9 enthalten ein Streitgespräch über die Ehescheidung mit Pharisäern, V 10-12 nehmen die Jünger dieses Thema noch einmal auf, es beginnt mit V 10, wenn man eis taen oikian statt „in dem Haus, zu Hause“ mit „bezüglich des Hauses“ übersetzt, auch die Befragung Jesu zu den Dingen des Hauses. Im folgenden geht es nach der Frage der Ehe um Kinder (Mk 10, 13-16) und Besitz (Mk 10, 17- 27) mit dem Schlusswort dazu in Mk 10, 28-31. „ Offensichtlich gestaltete Markus diese Kompositionseinheit unter dem leitenden Gesichtspunkt, seinen LeserInnen eine Unterweisung zu zentralen lebenspraktischen Fragen zu bieten: Ehe, Kinder und Besitz“(Melzer-Keller, 87). Der Inhalt der zwei Szenen in Mk 10, 2-12 wird gekennzeichnet durch das Verb apolyein (V.2,4,11,12). Sutter Rehmann: „Dies ist kein Scheidungsverb und muss dringend anders übersetzt werden als mit „entlassen, scheiden“. „Ich empfehle aufgrund meiner Untersuchungen der Werke des Josephus, dafür „frei lassen, gehen lassen“ zu verwenden“ (Sutter Rehmann, 16). „Damit ist eine gänzlich neue Frage aufgeworfen: Es geht nicht darum, dass ein Ehemann seine Frau verstoßen will, sondern darum, dass die Frau gehen möchte“ (ebd. 94) Das Verb chorizein V. 9, trad. übersetzt mit „scheiden, trennen“ sei ebenfalls kein eindeutiger Terminus einer rechtskräftigen Scheidung, es solle als „Trennen im räumlichen Sinn“ verstanden werden(ebd., 65ff). sklaerokardia ist Herzenshärte, Verstocktheit, Sturheit. Vv 11+12 enthalten ein Wiederverheiratungsverbot für Geschiedene, sorgfältig formuliert für Männer und Frauen. Auch 1. Kor 7, 10f. ist sorgfältig für beide Geschlechter formuliert worden. Brooten kommt in ihren Untersuchungen zu dem Schluss, dass in einigen Bereichen des alten Judentums auch Frauen die Scheidung betreiben konnten und dies auch taten. Sie unterscheidet zwischen der legalen Scheidung, die nur von einem Mann betreiben werden kann, weil der hierfür notwendige Scheidungsbrief nur von ihm ausgestellt werden kann, und einem Recht der Frauen, das sie hatten, sich von ihren Männern zu trennen. Mit dieser Möglichkeit wird deutlich, dass jüdische Frauen nicht stärker unterdrückt wurden als christliche. Schottroff: „Der Schöpfungswille Gottes wird in Mk 10,2-9 als Kontrast zur Realität seines Volkes gestellt. Das Scheidebriefgebot des Mose ist sinnvoll und notwendig im Blick auf die harte Wirklichkeit (Mk 10,5). Dieses Scheidebriefgebot wird auch nicht aufgehoben. Es wäre im übrigen das Schlechteste gewesen, was den Frauen hätte passieren können. Der Scheidebrief hatte schließlich die Bedeutung, der geschiedenen Frau gewisse finanzielle Zukunftsperspektiven zu sichern und ihr das Recht zu garantieren, dass sie eine neue Ehe eingehen darf. Man sollte also Mk 10, 2-9 nicht als Scheidungsverbot zum Schutz der Frau vor Männerwillkür deuten. Ebenso wenig wie man den Text als Ausdruck christlicher Ehevorstellungen im Kontrast zu jüdischer Praxis verstehen sollte. ... Das Ziel der Hoffnungen, die in diesem Text zum Ausdruck kommen, - und das Ziel der Praxis der Jesusboten - ist der Wiederaufbau der Schöpfung als das Heil ganz Israels.“( Schottroff, 112) 2. Der biblische Befund Am Anfang steht ein Liebesgedicht Jubelnd begrüßt der zum Mann gewordene Adam Gen 2, 23f. die Frau: „Und Gott, Jahwe, baute die Rippe, die er von dem Erdgeschöpf (ha-’adam) genommen hatte, zu einer Frau (’ischa) und brachte sie zu ha-’adam. Da sagte ha-’adam: diese endlich ist Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch, diese soll ’ischa heißen, denn von ’isch ist sie genommen. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und sie werden zu einem Fleisch werden“(Trible, 117). Mann und Frau haben mit der Entdeckung ihrer Sexualität die Möglichkeit bekommen, großes Glück zu erfahren. “Aus einem werden zwei, aus Ganzheit wird Unterschiedlichkeit. Nun, am Ende der Episode, kehrt diese Differenzierung zur Ganzheit zurück: Aus den zweien wird das „eine Fleisch“ der Vereinigung von Frau und Mann. Somit ist der Eros zu Erfüllung gekommen.“(ebd., 128) Die Liebesgeschichte nimmt ein unglückliches Ende So wie am Ende der ersten Kapitel der Bibel das paradiesische Verhältnis von Frau und Mann keinen Bestand hat, sondern sich nach dem Sündenfall in ein System von Herrschaft und Unterdrückung verwandelt, so finden sich in der Bibel auch immer wieder Hinweise auf Ehescheidungen und Trennungen. Dtn 24, 1 regelt die Bedingungen der Scheidung: Der Mann muss der Frau einen Scheidebrief schreiben, ihn ihr in die Hand geben und sie entlassen (vgl. auch Jes 50,1; Jer 3,8). Die LXX verwendet in Dtn 24,1 exapostelleinund nicht apolyein. D.h. Dtn 24, 1-4 beschäftigt sich mit der Frage, dass ein Mann seine Frau wegschickt und sie später wieder haben möchte. Die Geschiedene darf wieder heiraten, sie darf allerdings nicht die Frau eines Priesters werden (Lev 21,14) oder wieder zu ihrem geschiedenen Mann zurückkehren, nachdem sie einen anderen Mann geheiratet hatte (Dtn 24, 2-4). Esra 10, 1-19 schildert eine Art Massenscheidung der Mischehen mit volksfremden Frauen. Mal 2, 16 schließlich verurteilt die Ehescheidung. 1.Kor 7, 10f ist der älteste ntl. Text zur Ehescheidung. Paulus wurde von den Korinthern zur Frage der Ehescheidung um seine Meinung gebeten, - weil dies in der Gemeinde häufig vorkam? - und er gebietet im Namen Jesu, „dass die Frau sich nicht von ihrem Mann scheiden/trennen (chorizein) soll ... und dass der Mann seine Frau nicht verstoßen/entlassen (aphienai soll.“ Paulus bezieht ein „ihm vorgegebenes Herrenwort, das eindeutig gegen Ehescheidung Stellung nimmt, auf die konkrete Situation von Christinnen und Christen in der korinthischen Gemeinde“ (Kleinschmidt, 185): Geschiedene sollen ohne Ehe bleiben oder sich mit ihrem Mann/ihrer Frau versöhnen. Eine Wiederverheiratung Geschiedener kommt für ihn nicht in Frage. Außerdem scheinen ihn die Korinther gefragt zu haben, wie sie mit ihren Ehen umgehen sollen, wenn eine/einer gläubiger Christ ist, der/die andere aber nicht. Wenn die Ungläubigen die Ehe erhalten wollen, sollen beide zusammenbleiben, wenn sie sich scheiden lassen wollen, soll die Ehe geschieden werden, „der Bruder oder die Schwester ist nicht gebunden in solchen Fällen. Zum Frieden hat euch Gott berufen“ (1. Kor 7, 15) In den Evangelien wird Ehescheidung/Trennung (apolyein) mit Ehebruch gleichgesetzt, Mt 5,32; Lk 16,18. „Wer sich scheidet von seiner Frau und heiratet eine andere, der bricht die Ehe; und wer die von ihrem Mann Geschiedene heiratet, der bricht auch die Ehe.“ Ehescheidung bzw. das Verlassen der Häuser und Familien hat auch Bedeutung in Bezug auf die Nachfolge. Nach Mk 10, 29f. und Mt 19, 29 werden diejenigen, die Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verlassen haben, den Lohn der Nachfolge dafür hundertfach empfangen; Lk 18, 29 zählt auch das Verlassen der Frauen mit auf. Vgl. auch Lk 14,26: Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein. Es scheint mir offensichtlich, dass der Wunsch einer Frau oder der eines Mannes, sich der Jesusbewegung und später den christlichen Gemeinden anzuschließen, für Konflikte innerhalb der Familien geführt hat. Welche Anziehungskraft, welche Bindung war und ist die stärkere? Welche Konflikte in bezug auf ein christliches, lebendiges Leben ergeben sich für heutige Ehepaare? Welche Auseinandersetzungen müssen geführt werden? 3. Die heutige Situation der Ehescheidung Viele Liebesbeziehungen führen zur Trennung, jede dritte Ehe (mit steigender Tendenz) wird juristisch geschieden. Ehescheidung und Wiederheirat sind mehr und mehr gesellschaftlich akzeptiert. Die Ehe ist schon lange kein Schicksal mehr, auch Elternbeziehungen lassen sich mit entsprechendem Bemühen von getrennt lebenden Partnern weiterhin mehr oder weniger gemeinsam mit ihren Kindern gestalten. Die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft verliert an Bedeutung, die traditionelle Rollenaufteilung von Frau und Mann wird meistens für bestimmte Kindererziehungszeiten gewählt, ist insgesamt aber aufgelöst. In dem Sinne, dass Männer für die Außenwelt und Erwerbsarbeit und Frauen für die Innenwelt, Familie und Gefühl zuständig sind, braucht man einander nicht mehr. Für die katholische Kirche ist die Ehe unauflöslich. Die Verweigerung der katholischen Mitwirkung bei der Trauung eines Paares, von dem eine oder einer evangelisch und geschieden ist, habe ich in Seelsorgegesprächen mehrmals als tiefen Konflikt und Vertrauensbruch gespürt. „Auch Christen, selbst viele Katholiken, akzeptieren die offizielle Lehre ihrer Kirche nicht mehr so ohne weiteres und verstehen die biblischen Imperative höchstens noch als Zielgebot oder als Ideal-Anspruch, an dem man sich orientiert, den man aber nicht als juristisch gefasstes Gesetz anwenden kann“(Jellouschek, 12). Trotzdem sind Trennungen eine Unterbrechung des Erwarteten, meistens ein Erlebnis des Scheiterns. Das geplante und gewünschte Ziel, ein Leben gemeinsam zu gestalten, ist verloren gegangen. Die Liebe, auf der sich eine heutige Ehe gründet, ist abhanden gekommen. Juristisch werden Sorgerecht für Kinder und Unterhaltszahlungen geregelt, um Folgen einer Trennung handhabbar zu machen. Ökonomisch gesehen ist es möglich geworden, wenn auch immer noch problematisch, auch als Getrennte oder Teilfamilie zu leben. In Gesprächen zeigen sich oft lange noch Verletzungen und zermürbende Fragen, die durch eine Trennung oder Scheidung ausgelöst wurden. Es gibt auch Paare, die zusammenbleiben, obwohl ihnen die Liebe abhanden gekommen ist. Bei den Besuchen und Gottesdiensten zu Goldenen Hochzeiten lerne ich manche Paare kennen, die fröhlich und glücklich auf die gemeinsame Zeit zurückblicken können. Andere aber sind einfach zusammengeblieben, obwohl sie sich innerlich voneinander getrennt haben. Sie sehen die Scheidung oft als große Bedrohung, die abgelehnt werden muss. Sie sind oft stolz darauf, zusammengeblieben zu sein, allein das scheint einen Wert zu haben, obwohl es mit Sicherheit eher selten gemeinsam erlebte fröhliche und glückliche Momente gegeben hat. Wie reagieren Frauen und Männer heute, wenn sie spüren, dass ihre persönlichen Lebensentwürfe nicht mehr mit den gemeinsam möglichen Wegen übereinstimmen? Wie können die biblischen Aussagen es heute Paaren ermöglichen, ihre Ehe lebendig zu erhalten? Wie gehen Frauen und Männer in einer Ehe mit ihren Vorstellungen eines erfüllten Lebens miteinander um?

Literatur

Ammicht-Quinn, Regina, Art. Ehe, in: Gössmann, Elisabeth (Hg.), Wörterbuch der Feministischen Theologie, Gütersloh 1991 Brooten, Bernadette, Konnten Frauen im alten Judentum die Scheidung betreiben? Überlegungen zu Mk 10, 11-12 und 1. Kor 7, 10-11, in: EvTh 42 (1982), 65-80. Jellouschek, Hans, Die Kunst als Paar zu leben, Stuttgart 1992 Kleinschmidt, Frank, Ehefragen im Neuen Testament. Ehe, Ehelosigkeit, Ehescheidung, Verheiratung Verwitweter und Geschiedner im Neuen Testament, Frankfurt am Main 1998. Melzer-Keller, Helga, Jesus und die Frauen. Eine Verhältnisbestimmung nach den synoptischen Überlieferungen, Freiburg u. a. 1997. Schottroff, Luise, Befreiungserfahrungen. Studien zur Sozialgeschichte des Neuen Testamentes, Theologische Bücherei Bd. 82, Neues Testament, München 1990. Sutter Rehmann, Luzia, Konflikte zwischen ihm und ihr. Sozialgeschichtliche und exegetische Untersuchungen zur Nachfolgeproblematik von Ehepaaren, Gütersloh 2002. Trible, Phyllis, Gott und Sexualität im Alten Testament, Gütersloh 1993.

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Liebe Gemeinde,

es ist eine Zeit der Ruhe, die vor uns liegt. Alle, die sich noch nicht anstecken lassen von den in den Kaufhäusern immer weiter nach vorne drängenden Weihnachtsdekorationen und dem Trubel und Jubel, den sie mit sich bringen, alle die haben eine ruhige Zeit vor sich. Tage werden kürzer, Abende und Nächte länger. Zeit zum Nachdenken. Erinnerungen an den Sommer, Rückblicke, Bestandsaufnahmen.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
(Rilke, 3. Strophe von „Herbsttag“)

Vielleicht ist der ausklingende Herbst, vielleicht ist das zur Ruhe kommen der Natur für uns eine gute Zeit zum Nachdenken. Gerade über das ganz persönliche. Vielleicht empfinden die Menschen, die allein sind, jetzt Einsamkeit stärker als in anderen Monaten. Vielleicht gehen für sie die Gedanken zurück zu verpassten Möglichkeiten, vielleicht können sie in ihrer Sehnsucht nach Gemeinschaft zur Ruhe kommen und neue Ideen entwickeln, anderes wachsen lassen.

Und die, die nicht allein sind, die, die zu zweit durchs Leben gehen, machen die jetzt ihre Spaziergänge durch die treibenden Blätter zu zweit oder auch allein? Denken sie nach über ihre Ehe, ihre Freundschaft, ihre Beziehung, ihre Liebe? Gab es glückliche Momente in diesem Sommer? Oder kommen sie in ihren Gedanken eher zu dem Entschluss, es hat so keinen Sinn mehr, immer dieser Streit, immer diese Auseinandersetzungen, immer diese Langeweile, dieser Stillstand, wir haben unsere Liebe verloren. Warum bleiben wir überhaupt zusammen? Unterstützen und helfen wir uns noch gegenseitig oder machen wir uns nur noch das Leben schwer? Wo ist die Freude aneinander geblieben? Der Wunsch, alles gemeinsam zu machen? Die Pläne, miteinander die Welt zu verändern, Schritt für Schritt? Das tiefe Wissen: Der ist der Richtige, die ist die Richtige? All das Vertrauen, das ist vielleicht noch zu spüren, aber kann es noch einmal lebendig werden?

I.

Nachdem Jesus seinen Freundinnen und Freunden und allen, die es hören wollten, schon vieles über das gemeinsame Leben und das Reich Gottes erzählt hat, wird er von ihnen zu den eher privaten Dingen des Lebens befragt. Sie fragen ihn über die Ehe, Kinder und Besitz. Sie fragen ihn vielleicht auch, weil sie oft schon darüber nachgedacht haben über ihre Partnerschaften.

Ich lese aus dem 10. Kapitel des Markusevangeliums den Abschnitt über die Ehe, bzw. die Trennung einer Ehe: Markus 10,2-12.

Lesung des Predigttextes

II.

Sie haben diesen Text vielleicht etwas anders im Ohr. Ich habe ihn so nach der Übersetzung von Sutter Rehmann gelesen, weil ich ihn einmal anders betrachten möchte als ein hartes Ehescheidungsverbot, das Jesus ausspricht. Ich möchte mit dieser „weicheren“ Übersetzung einige Zwischentöne hervorbringen, die insbesondere die Jüngerinnen und Jünger Jesu damals beschäftigten. Wie wichtig waren ihre ehelichen Partnerschaften auf ihrem Weg, gemeinsam mit Jesus für das Reich Gottes einzutreten? Wie viel Streit hatte es vielleicht schon gegeben zu Hause? Wie viel Versöhnungen? Wie viel Angst, die Ehe könnte die Belastungen nicht aushalten?

Von Jesus wurde auch dieses absolute Wort der Nachfolge überliefert, indem es heißt: „Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verlässt um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfach empfange: jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker mitten unter Verfolgungen – und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.“ (Mk 10, 29f.)
Manchmal hieß es sogar, auch die Frau zu verlassen, oder den Mann. Jünger und Jüngerinnen erlebten sich als Freundinnen und Freunde, als Lebensgemeinschaft, aber einige hatten eben auch ihre richtigen Familien. Wie weit mussten sie sich von ihnen trennen? Wie sollten sie zusammen leben können, wenn der Partner oder die Partnerin ihren Glauben nicht teilte?

Den Hinweis auf den Scheidebrief, den die Pharisäer Jesus geben, nimmt Jesus auf. Er verweist auf die Verhärtung der Menschen, auf ihre Herzenshärte oder Sturheit, die dieses Vorgehen erforderlich machen. Er wechselt dann in seiner Antwort aber zurück in den Idealzustand einer Ehe, einer partnerschaftlichen Liebe: Frau und Mann sind mit ihrer Liebe ein Fleisch geworden.

Das, was in den ersten paradiesischen Kapiteln der Bibel über die Beziehung von Mann und Frau gesagt wird, stellt er in den Vordergrund. Und erklärt deutlich: Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen. Da kann ich mithören für die, die nach dem Bestand ihrer Ehe fragen: Ihr müsst euch nicht trennen. Eure Liebe, eure Sexualität, euer Zusammensein ist Gott so wichtig, das ist sein Geschenk für euch, dass ihr nicht aufgeben müsst. Ihr müsst euch gerade nicht von euren Frauen und Männern trennen, wenn ihr für das Reich Gottes eintreten wollt.

Traditionell heißt es: Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Bei einer Trauung hört sich dies immer als Ermutigung für die Brautleute an: Keiner soll euch dazwischenreden. Für eine zerrüttete Ehe ist es eher eine Drohung. Dieselben Worte sprechen dann nur von der juristischen Unauflöslichkeit einer Ehe. Wem soll damit geholfen sein? Wenn eine Ehe zerbrochen ist? Wenn ein Zusammenbleiben nur noch Sturheit und Verhärtung hervorbringt? Das hat Jesus nicht gemeint.

III.

Wir haben uns heute an Scheidungen gewöhnt. Jede dritte Ehe, in Großstädten jede zweite Ehe wird geschieden. D.h., dass viele Menschen sich im Laufe ihrer Ehe von dem am Anfang erlebten Glück verabschieden, dass sie gemeinsame Planungen und gemeinsame Hoffnungen aufgeben, dass sie mit ihrem gemeinsamen Lebensentwurf scheitern. Einige trennen sich dann, andere bleiben zusammen, obwohl ihre Ehe nicht mehr lebendig ist. Vom Ideal, das Jesus vor Augen hat, sind auch sie weit entfernt.

Vielleicht will der Text aus dem Markusevangelium mit dem Rückgriff auf den Idealzustand einer Ehe allen zeigen, wie kostbar und gefährdet ein glückliches Zusammenleben ist, wie schwer es erhalten wird, wie sehr der Alltag sich vom schöpferischem Glück unterscheidet.

Wir machen Fehler in unserem Liebes- und Eheleben. Es ist schwer, sie zu vermeiden. Vieles läuft schief, obwohl wir das gar nicht wollen. Wir können es nicht immer verhindern. Viele von uns leiden darunter. Biblische und kirchliche Verbote, sei es ein Ehescheidungs- oder sei es ein Wiederheiratsverbot für Geschiedene, das Jesus in den Versen an seine Jüngerinnen und Jünger ausspricht, helfen uns da nicht weiter.

Helfen kann uns eher Zeit füreinander, ein bewusstes Staunen über diesen Menschen an meiner Seite und vielleicht auch eine fröhliche Erinnerung an erlebtes Glück. Wie können wir das wieder entfachen? Wie können wir das für uns erhalten?

Oder müssen wir wachen, lesen, lange Briefe schreiben und in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben?

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