“Die Frucht der Gerechtigkeit”

Predigt im Bittgottesdienst für den Frieden in der Welt

Predigttext: Jakobus 3, 13-18
Kirche / Ort: Providenz-Kirche / Heidelberg
Datum: 16.11.2003
Kirchenjahr: Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Autor/in: Pfarrer Heinz Janssen

Predigttext (freie Wahl): Jakobus 3,13-18 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

13 Wer ist weise und klug unter euch? Der zeige mit seinem guten Wandel seine Werke in Sanftmut und Weisheit. 14 Habt ihr aber bittern Neid und Streit in eurem Herzen, so rühmt euch nicht und lügt nicht der Wahrheit zuwider. 15 Das ist nicht die Weisheit, die von oben herabkommt, sondern sie ist irdisch, niedrig und teuflisch. 16 Denn wo Neid und Streit ist, da sind Unordnung und lauter böse Dinge. 17 Die Weisheit aber von oben her ist zuerst lauter, dann friedfertig, gütig, läßt sich etwas sagen, ist reich an Barmherzigkeit und guten Früchten, unparteiisch, ohne Heuchelei. 18 Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird gesät in Frieden für die, die Frieden stiften.

Zu Predigt und Liturgie

Im Mittelpunkt des Gottesdienstes am zweitletzten Sonntag im Kirchenjahr steht der Kasus Volkstrauertag. Der Gottesdienst steht wie in vielen anderen Gemeinden in dieser Zeit im Zeichen der Friedensdekade. Wir gedenken der Opfer von Krieg, Gewalt und Terror. Bedrängend die Frage: Wie wird es im Irak weitergehen, wo Gewalt und Terror wieder toben und kein friedliches Ende in Sicht ist? Wie sehr braucht unsere Welt das Gebet für den Frieden. Seit Ausbruch des Irakkrieges läutet bei uns jeden Freitag 5 Minuten vor 12 Uhr die Friedensglocke und ruft zum Gebet für den Frieden in der Welt auf. Für den Frieden beten bedeutet zugleich bereit sein, auch in unserem persönlichen und gesellschaftlichen Umfeld friedlich zu handeln, Konflikte ohne Gewalt, die verletzt und zerstört, zu lösen. Hier geht es um eine ganz lebenspraktische "Weisheit". Anregende Gedanken dazu fand ich im Jakobusbrief 3,13-18 (freie Predigttextwahl).

Gebet: Ein Kyrie-Psalm

Kyrie eleison Gott, Deine Schöpfung, die Menschen, die Tiere und die Pflanzen – der Krieg zerstört Deinen Segen, der Krieg entzweit, der Krieg macht stumm, der Krieg bringt Tod. Kyrie eleison Gott, Deine Wohltaten, Deine Liebe, Wahrheit und Frieden – wann erkennen wir Deinen Weg, unter allen Völkern Dein Heil? Kyrie eleison Gott, Dein Segen, Dein Atem, Licht und Leben – wann wird es sein, dass kein Volk mehr auf ein anderes mit Waffen losgeht, dass niemand mehr lernt, Krieg zu führen und auch die täglichen Kleinkriege ein Ende haben? Kyrie eleison Gott, Dein guter Geist, Deine Gebote, Dein Wille und Recht – wann danken wir es Dir, wann bringen Dir die Völker, alle Völker, ungeteilte Beachtung? Kyrie eleison Gott, Dein Garten Eden, die Erde, das Wasser, die Berge – sie zu bebauen und zu bewahren hast Du uns Menschen beauftragt. Erhalte uns Deinen Segen, wende Dich nicht von uns ab, dass wir die Früchte Deines Gartens noch ernten können und alle Völker Freude am Leben finden und Dir danken. Kyrie eleison (Heinz Janssen, nach Psalm 67 und Jesaja 2,1-5) Lesungen: Micha 4,1-4 und Matthäus 5,1-10(11-12)

Lieder:

EG 428 Komm in unsre stolze Welt Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn (in: gemeinsam unterwegs, Lieder und Texte zur Ökumene, 129) EG 667 (Regionalteil Baden, Elsass und Lothringen, Pfalz) Selig seid ihr EG 171 Bewahre uns, Gott

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Liebe Gemeinde!

Im sogenannten “Raum der Stille”, ganz in der Nähe des Brandenburger Tores fand ich dieses “Gebet der Vereinten Nationen”:

HERR, unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall. An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht mehr von Krieg gepeinigt, nicht mehr von Hunger und Furcht gequält, nicht sinnlos nach Rasse, Hautfarbe und Weltanschauung getrennt werden. Gib uns Mut und Kraft, schon heute mit diesem Werk zu beginnen, damit unsere Kinder und Kindeskinder einst mit Stolz den Namen “MENSCH” tragen. Amen.

Dieses Gebet ist von der Erkenntnis bestimmt, dass es am Menschen selbst liegt, diese Welt zu gestalten, sie so zu gestalten, dass Menschen einander gerecht werden und auch in einem umfassenden Sinn der ganzen Schöpfung – und damit zutiefst Gott – gerecht werden.

“Gerechtigkeit erhöht ein Volk…”, so steht es im biblischen Buch der Sprüche Salomos. Diese grundlegende biblische Aussage ist seit Jahren im Rahmen von Friedensdekaden und Aktivitäten zum konziliaren Prozess über “Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung” ein Leitmotiv christlichen Glaubens- und Lebens.

“Gerechtigkeit erhöht ein Volk” – wie aktuell ist diese Botschaft vor dem Hintergrund vielfältiger bedrängender Erfahrungen von Ungerechtigkeit! – Bedenke, wo Du selbst ungerecht behandelt wurdest und wie ohnmächtig du dabei warst! Denke an das Unrecht, das Menschen und Völker einander zufügen. Lass Dir zu Herzen gehen die Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit, wenn Menschen verhungern müssen, weil die caritativen Lebensmitteltransporte gestoppt werden, wenn Menschen sich gegenseitig abschlachten – denken wir an die Brennpunkte Irak und an der gestrigen entsetzlichen terroristischen Anschlag auf die Synagoge in Istanbul.

“Gerechtigkeit erhöht ein Volk” – dies sind Worte voller Lebenserfahrung, Lebensweisheit. Sie blicken zurück auf praktizierte Ethik in den Herausforderungen des Lebensalltags. Wie haben wir sie nötig: diese Weisheit, diese Lebenskunde, um unser Leben zu bewältigen. Alle, die den Namen schönen Namen Sophia tragen, erinnern uns an die gefragte Weisheit. Schön, dass Du heute da bist, Sophia! (Das Kind Sophia, in diesem Jahr am 20.Januar geboren, wurde hier in der Providenz-Kirche getauft und ist heute mit den Eltern anwesend)

I.

“Wer ist weise und klug unter euch?” – mit dieser Frage konfrontiert uns ein Abschnitt aus dem Jakobusbrief. Im dritten Kapitel, Vers 13 – 18 lesen wir (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984):

(Lesung des Predigttextes)

Weisheit und Klugheit sind gefragt. Sie zeigen sich in der täglichen Lebenspraxis, nach welchen Maßstäben wir leben: wie wir miteinander umgehen, wie wir mit Konflikten verfahren und an Probleme im persönlichen, gesellschaftlichen und kirchlichen Bereich herangehen. Gesucht sind “Werke”, Taten “in Sanftmut und Weisheit”. Der Zusammenhang zeigt: Sanftmut allein, lieb und nett sein, genügt nicht. Weisheit gehört dazu, die auf sorgsames Tun und Lassen bedacht ist.

Was nicht weise ist, erkennen wir daran, wie sie sich äußert: in bitterem “Neid” und “Streit” – der griechische Urtext des Jakobusbriefes redet noch drastischer von “Eifersucht” und “Selbstsucht”. Eifersüchtig und selbstsüchtig handelt jemand, wenn er nur die eigene Sicht und Lebenspraxis rücksichtslos und gewaltsam durchsetzen will. Die Gefahr der Selbstüberheblichkeit und Unterschätzung anderer ist jedem von uns nah. “Rühmt euch nicht mit dieser Art von Weisheit”, warnt der Apostel Jakobus die Menschen.

Falsches Rühmen kann es heute sein, wenn ich mich z.B. damit brüste, dass die Polizei mich nicht erwischte, nachdem ich gefeiert, dem Alkohol etwas zu viel zugesprochen und anschließend mein Auto noch nach Hause gesteuert habe. Oder bei Jugendlichen, dass ich die Hausaufgabe abschrieb, weil der Lehrer/die Lehrerin es sowieso nicht merkt. Noch gravierender bei Steuerbetrug, Betrug des Ehemannes, der Ehefrau, wenn ich auf Kosten anderer lebe, Mobbing als Krieg am Arbeitsplatz – die Liste kann sehr lang werden.

Nein, “das ist nicht die Weisheit, die von oben herabkommt”, sondern sie ist irdisch, niedrig und teuflisch” (Vers 15). Die Früchte solchen Verhaltens – so folgert Jakobus – sind “Unordnung und lauter böse Dinge” (Vers 16). Hier werden auch wir heute vor die Frage nach der Ethik gestellt, besonders: welches die Beweggründe unserer Gesinnung und unseres Handelns sind. Wo wir uns selbst zum Maßstab machen und niemanden und nichts anderes gelten lassen, da geht es übel zu, und es kommt zu Lähmung und Zerstörung. Ein heilloses Durcheinander ist das Ergebnis. “Durcheinanderwerfer” bedeutet das griechische Wort “diabolos”, unser deutsches Wort “Teufel”. Teuflisch ist, wenn Gutes und Böses durcheinandergerät, das Böse in uns die Macht gewinnt, weil wir es für das Gute halten – die schlimmste Falle für uns, tatsächlich diabolisch.

II.

Nicht die Weisheit, mit der ich mich nur selbst sehe, ist gefragt. Was wir brauchen – so hebt Jakobus hervor – ist die Weisheit “von oben her”, sie kommt von Gott. Wie lässt sich diese Weisheit beschreiben? – Hören wir die letzten Worte des Abschnitts aus dem Jakobusbrief:

Die Weisheit aber von oben her ist zuerst lauter, dann friedfertig, gütig, läßt sich etwas sagen, ist reich an Barmherzigkeit und guten Früchten, unparteiisch, ohne Heuchelei. Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird gesät in Frieden für die, die Frieden stiften. (Vers 17 + 18)

“Die Weisheit aber von oben her…” – In grellem Kontrast stellen diese Worte der Weisheit “von unten” die Weisheit “von oben her” gegenüber. Wie es von jener zerstörerischen Weisheit Erfahrungen in den damaligen Gemeinden und ihrem gesellschaftlichen Umfeld gab, so auch von dieser konstruktiven im wahrsten Sinne des Wortes “aufbauenden” Weisheit. Die Weisheit von oben ist die Weisheit, die mit Gott verbunden ist. Sie ist nicht die distanzierte und weltabgewandte Lebenshaltung, die alles schon immer wusste, sondern eine lebenspraktische Haltung, die sich den Herausforderungen des Lebens stellt und handelt.

III.

Weisheit, Gerechtigkeit und Frieden gehören für Jakobus, wie überhaupt in der Bibel zusammen. Ja, “Frieden und Gerechtigkeit haben ihren Grund… in Gott und werden im Friedenshandeln der Christen zu lebendiger Erfahrung… Inspiriert durch die Weisheit und hoffend auf Gerechtigkeit und Frieden Gottes” setzen sich die Christen dafür auf der ganzen Welt ein (Christoph Wetzel, Dresden).

“Wer ist weise und klug unter euch?” – diese Frage des Jakobus war nicht nur zeitbedingt, sie ist bis heute aktuell. Sie stachelt dich und mich, jeden Menschen, an, mit unserm “guten Wandel” unsere “Werke in Sanftmut und Weisheit” zu “zeigen”, Gottes Vorstellung, wie Menschen in der Welt zusammenleben sollen, wozu Jesus in der Bergpredigt aufrief und woran Jakobus uns heute am Volkstrauertag 2003 erinnert. Nehmen wir das Gebet der Vereinten Nationen nocheinmal auf und lassen wir uns dadurch anregen, unseren Platz und unsere Aufgabe in den täglichen Lebenssituationen immer wieder neu zu suchen:

HERR, unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall. An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht mehr von Krieg gepeinigt, nicht mehr von Hunger und Furcht gequält, nicht sinnlos nach Rasse, Hautfarbe und Weltanschauung getrennt werden. Gib uns Mut und Kraft, schon heute mit diesem Werk zu beginnen, damit unsere Kinder und Kindeskinder einst mit Stolz den Namen “MENSCH” tragen.

Amen.

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