„Ja freilich verlöschen die Lampen, wo kein Öl ist“

Eine Predigt von Martin Luther zum Ewigkeitssonntag mit einem Kommentar von Heinz Janssen

Predigttext: Matthäus 25, 1-13
Kirche / Ort:
Datum:
Kirchenjahr: Letzter Sonntag des Kirchenjahres
Autor/in: Martin Luther

Predigttext: Matthäus 25, 1-13

Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen aus, dem Bräutigam entgegen. Aber fünf unter ihnen waren töricht, und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen; aber sie nahmen nicht Öl mit sich. Die klugen aber nahmen Öl in ihren Gefäßen samt ihren Lampen. Da nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. Zur Mitternacht aber ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt; gehet aus, ihm entgegen! Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen. Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; gehet aber hin zu den Krämern und kaufet für euch selbst. Und da sie hingingen, zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür ward verschlossen. Zuletzt kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich, sage euch: Ich kenne euch nicht. Darum wachet! Denn ihr wisset weder Tag noch Stunde (in welcher des Menschen Sohn kommen wird). (Predigt aus: K. Aland, Luther Deutsch. Die Predigten, Bd. 8., 2. Aufl., Stuttgart 1965, S. 436-440.- Zwischenüberschriften in der Predigt und Abschnittsetzung von Heinz Janssen, redaktion@predigtforum.de)

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Der Ruf zur Wachsamkeit

In diesem Evangeliumstext wird von uns gefordert, daß wir stets wachen und auf den Herrn warten sollen, weil wir nicht wissen, wann dieser Tag des Herrn kommen wird. Er wird da sein, ehe wir uns umsehen, plötzlich wird er uns überfallen und heimsuchen. Dazu vermahnen uns auch dringlich die Apostel, wie Paulus 1. Thess. 5, 1-3: » Von den Zeiten aber und Stunden, liebe Brüder, ist nicht not euch zu schreiben, denn ihr selbst wisset genau, daß der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr, dann wird sie das Verderben schnell überfallen, gleichwie der Schmerz ein schwangeres Weib, und werden nicht entfliehen.«

Deshalb zeigt das heutige Evangelium in Summa nichts anderes an, als daß wir wachen und nicht allzu sicher sein sollen, weil wir nicht wissen, wann der Tag des Herrn kommen wird. Dazu ermahnt auch der Herr (Matth. 24,42;-44): »Darum wachet, denn ihr wisset nicht, welchen Tag euer Herr kommen wird. Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausvater wüßte, zu welcher Stunde der Dieb kommen wollte, so würde er ja wachen und nicht in sein Haus einbrechen lassen. Darum seid ihr auch bereit! Denn des Menschen Sohn kommt zu einer Stunde, da ihrs nicht meinet.«

Das wird alles gegen unsere Sicherheit gesagt, die wir allzu sicher sind und immer denken, es habe keine Not, der Jüngste Tag komme noch lange nicht. Dagegen rufen Christus und die Apostel immer wieder, wir sollen wachen und in steter Furcht stehen, daß uns dieser Tag nicht unvorbereitet finde. Die da wachen, werden den Herrn gnädig finden, die aber sicher sind, denen wird er ungnädig begegnen.

Jesu Gleichnis als Spiegel der christlichen Kirche

Das heutige Gleichnis zeigt uns, wie es mit der christlichen Kirche beschaffen ist. Wenn wir vom Glauben, vom Evangelium, von der Hoffnung und von der Liebe reden, ja wenn wir nur von dieser Stücke einem reden, so ist das vom HimmeIreich geredet.

“Zwei Arten von Menschen“

Wenn nun von diesem Reich gepredigt wird, so nehmens etliche von Herzen an und lassens sich ernst damit sein. Sie glauben dem Wort, und ihr Glaube tut sich kund in guten Werken. Sie lassen ihre Lampen leuchten vor der WeIt, denn sie sind mit Lampen und Öl, das heißt mit Glauben und Liebe, wohl ausgerüstet. Die werden uns durch die klugen Jungfrauen versinnbildlicht.

Daneben gibt es auch andere. Die nehmen das Evangelium zwar auch an, aber nur nachlässig und lassens sich keinen Ernst damit sein. Sie tun wohl viele gute Werke, aber es fehlt ihnen am Glauben. Sie meinen, sie wolltens mit den Werken ausrichten, sind sicher und denken, es habe keine Not, Gott lasse sich mit den Werken abfertigen. Die werden uns durch die törichten Jungfrauen versinnbildlicht. In der Schrift heißen die töricht, die da dem Worte Gottes nicht gehorchen und ihrem Kopf nachfolgen. Sie lassen sich nicht raten, sondern meinen, ihr Vornehmen sei das beste. Aber ihnen geht es zuletzt so, wie es hier den törichten Jungfrauen geht.

Diese beiden Arten Menschen gibt es in diesem Reich, wo das Evangelium und das Wort Gottes gepredigt wird und wo die Übung des Glaubens im Schwange geht, wenn auch nur einige folgen und andere nicht.

Die eigentlichen Adressaten des Gleichnisses

Unser Gleichnis redet nicht von den Verfolgern des Evangeliums, die sind schon vorher gerichtet und aus diesem Reich verstoßen, sondern es redet von denen, die zu diesem Reich gehören. Auch die Törichten werden Jungfrauen genannt, das heißt, sie tragen auch den Christennamen und gehören in das Reich. Sie tun auch gute Werke, ja ihre Werke scheinen besser als die der anderen. Aber was fehlt ihnen? Sie treiben es nicht mit Ernst. Sie suchen das Ihre und nicht Gottes Ehre allein. Es ist keine wahre Furcht bei ihnen. An der Freude wollen sie wohl teilnehmen, sie wollen alle zur Hochzeit. Ihrer sind viele, und sie haben sämtlich Lampen in der Hand, aber sie sind nicht mit Öl versorgt. Wenn der Bräutigam, der Herr Christus, am Jüngsten Tage kommen wird, da werden ihrer wenige mit ihm zur Hochzeit hineingehen.

Es waren gar viel Menschen auf Erden, als die Sintflut kam. Dennoch gingen mit Noah nur acht Seelen in die Arche. So wird es auch hier zugehen. Viele werden den Anschein haben, als wären sie Christen. Aber wenige werden mit dem Bräutigam zur Hochzeit eingehen. Da werden dann die törichten Jungfrauen, das heißt die Heuchler, die auf ihre Werke vertraut haben, zu den klugen Jungfrauen, das heißt zu den rechtschaffenen Christen, die allein auf die Barmherzigkeit und die Güte Gottes vertrauen, gehen und sagen: »Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen.«

Ja freilich verlöschen die Lampen, wo kein Öl ist. Die Werke tuns nicht, das ist sicher. Du kannst dir mit deinen Werken keinen wirklichen Trost verschaffen. Gottes Gnade und Barmherzigkeit ist es, wo du Trost und Hilfe suchen mußt. Wem Gott die beweist, der hats. Darum sagen die klugen Jungfrauen zu den törichten: »Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein.« Das ist ein Donnerwort gegen die, welche sich auf Verdienste der Heiligen und anderer Menschen verlassen. Denn keiner hat deren selbst genug, geschweige denn, daß er etwas übrig habe, es anderen mitzuteilen.

Deshalb werden sie, wenn sie kommen und anklopfen und gern zur Hochzeit hineingehen möchten, wie die törichten Jungfrauen hören müssen: »Ich kenne euch nicht.« Die da hinein sollten, sind drinnen. Das wird dann ein schreckliches Urteil sein. Dann werden sie von allen Heiligen, ja, von allen Kreaturen verlassen sein. Denn wen der Herr nicht kennt, den kennt niemand.

Das Gleichnis ist uns gesagt

Darum laßt uns fleißig acht haben auf dieses Gleichnis, denn es ist uns gesagt. Und laßt es uns mit dem Evangelium ein Ernst sein, laßt uns nicht schlafen oder uns zu sicher fühlen. Denn ehe wirs gewahr werden, so wird der Bräutigam, der Herr Christus, kommen. Wer dann bereit ist, der gehet mit ein in die Hochzeit.

Das sagt uns auch der Herr, wenn er dies Gleichnis schließt. Er erklärt es uns selbst, warum ers uns gesagt hat, und spricht: »Darum wachet; denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.« .

Noch ein tröstliches Wort

Ein Wort steht noch in unserem heutigen Evangelium, das uns sehr tröstlich sein soll. Es spricht davon: »Da nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein.« »Alle«, sagt der Text, das heißt sowohl die Klugen wie die Törichten, schlafen ein. Auch die Klugen schlafen, das heißt auch die rechten Christen sündigen zuweilen. Gott kann in seinem Reich auch Sünder leiden, wenn man die Sünde nur erkennt, wenn man nur auftut, wenn er anklopft.

Solange Fleisch und Blut in den Christen ist, wird bei ihnen auch Sünde bleiben. Aber das ist unser Trost, daß wir wissen, daß sie uns nicht schaden. Und wenn wir Gott bitten, so vergibt er sie uns, wie 1. Joh. 2, 1 f. sagt: »Meine Kindlein, solches schreibe ich euch, auf daß ihr nicht sündigt. Und ab jemand sündiget, so haben wir einen
Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. Und derselbe ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.« Und im Vaterunser bitten wir täglich: »Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigem.«

Glauben wirs, so geschieht es uns mit Sicherheit, Amen.

(aus: K. Aland, Luther Deutsch. Die Predigten, Bd. 8., 2. Aufl., Stuttgart 1965, S. 436-440.- Zwischenüberschriften in der Predigt und Abschnittsetzung von Heinz Janssen, redaktion@predigtforum.de)

Nachgedacht – zu Martin Luthers Predigt über Matthäus 25,1-13 zum letzten Sonntag des Kirchenjahres, Totensonntag/ Ewigkeitssonntag, von Heinz Janssen

I.

Martin Luther geht am Anfang seiner Predigt auf Jesu Ruf zur Wachsamkeit ein; er führt noch andere biblische Zusammenhänge an (1.Thessalonicher 5,1-3; Matthäus 24,42-44), die diesen Aufruf begründen: Der Tag des Herrn kommt ohne Vorwarnung wie ein Dieb in der Nacht oder überraschend wie ein Hausherr, der sein Kommen nicht ansagt, sondern auf einmal vor der Tür steht, niemand weiß wann.

II.

Nach Martin Luther zeigt uns das Gleichnis, „wie es mit der christlichen Kirche beschaffen ist“. Die Rede von Glaube, Evangelium und Hoffnung findet bei den einen Gehör, bei den anderen nicht. Die Lampen und das Öl deutet Martin Luther allegorisch: Die Lampen stehen für den Glauben, das Öl steht für die Liebe, in der der Glaube sich gestaltet. Die wirklich Hörenden sind mit den klugen Jungfrauen vergleichbar. Die anderen hören zwar – so Martin Luther – das Evangelium, „aber nur nachlässig und lassens sich keinen Ernst damit sein“, sie sind mit den törichten Jungfrauen zu vergleichen. Sie können zwar auch gute Werke vollbringen, aber ohne Glauben. Sie schenken dem Wort Gottes keinen Gehorsam, sondern folgen „ihrem Kopf“ nach.

III.

Die eigentlichen Adressaten des Gleichnisses Jesu sind nicht – so hebt Martin Luther hervor – die Verfolger des Evangeliums, sondern die Christen (= kluge und törichte Jungfrauen). Die törichten Jungfrauen haben zwar „Lampen in der Hand, aber sie sind nicht mit Öl versorgt“. Mit der Feststellung, dass es letztlich wenige Kluge sind, vergleicht Martin Luther die Situation bei der Sintflut: Obwohl es viele waren, „gingen mit Noah nur acht Seelen in die Arche“. So gebe es heute viele Scheinchristen, aber wenige, die mit Christus, „dem Bräutigam, zur Hochzeit eingehen“. Den törichten Jungfrauen entsprechen „die Heuchler, die auf ihre Werke vertraut haben“, den klugen Jungfrauen die „rechtschaffenen Christen, die allein auf die Barmherzigkeit und die Güte Gottes vertrauen“.

„Ja freilich verlöschen die Lampen, wo kein Öl ist. Die Werke tun nichts, das ist sicher. Du kannst dir mit den Werken keinen wirklichen Trost verschaffen. Gottes Gnade und Barmherzigkeit ist es, wo du Trost und Hilfe suchen mußt. Wem Gott die beweist, der hats.“

Die barsche Abweisung der törichten durch die klugen Jungfrauen bezeichnet Martin Luther als „ein Donnerwort gegen die, welche sich auf Verdienst der Heiligen und anderer Menschen verlassen“.

IV.

Am Schluss der Predigt betont Martin Luther das „ad hominem“ des Gleichnisses Jesu – „dieses Gleichnis … ist uns gesagt“. Als „sehr tröstlich“ empfindet der Prediger, dass in der Erwähnung der schläfrig gewordenen und schließlich eingeschlafenen Jungfrauen „alle“, wie es im Bibeltext heißt, einschliefen, die Klugen wie die Törichten. „Das heißt“ – so Martin Luther – „auch die rechten Christen sündigen zuweilen.“ Und Martin Luther weiter: „Gott kann in seinem Reich auch Sünder leiden, wenn man die Sünde nur erkennt, wenn man nur auftut, wenn er anklopft. Solange Fleisch und Blut in den Christen ist, wird bei ihnen auch Sünde bleiben. Aber das ist unser Trost, daß wir wissen, daß sie uns nicht schaden“.

Heinz Janssen
redaktion@predigtforum.de

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