Vom göttlichen Haushaltsplan

Predigttext: 1. Korinther 4, 1-5
Kirche / Ort: Heddesheim
Datum: 14.12.2003
Kirchenjahr: 3. Sonntag im Advent
Autor/in: Pfarrer Dr. Konrad Fischer

Predigttext: 1. Korinther 4,1-5

1 Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. 2 Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden. 3 Mir aber ist’s ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht. 4 Ich bin mir zwar nichts bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist’s aber, der mich richtet. 5 Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen. Dann wird einem jeden von Gott sein Lob zuteil werden.

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Was ich hier in der Hand halte, liebe Gemeinde, das ist der Haushalt der Evangelischen Kirchengemeinde Heddesheim,
25 Seiten, mit Zahlen über und über bedruckt, ein Schrecken und Rätsel

Foto:
Haushaltsplan

für nicht wenige, die mit diesem Material umzugehen haben. Was steht da drin? Nun, für alles, was sich regt und bewegt in unserer lieben Gemeinde, ist da ein Ansatz und Betrag angegeben. Da gibt es z.B. Unterhaltskosten für die Kirche, Heizung, Energie, Reinigung. Da gibt es Beträge für Kirchenmusik, Kindergottesdienst Kinder- und Jugendarbeit, Kindergarten, Fort- und Weiterbildung, Schulden und Schuldentilgung – kurzum, alles, was so die täglichen Geschäfte einer Gemeinde ausmacht. Sie kennen das aus Ihrer persönlichen Haushaltsführung.

Und so, wie Sie alle Ihren sehr persönlichen Haushalt verantworten, so gibt es auch in unserer Gemeinde Leute, die für dieses komplizierte Zahlenwerk einstehen. Und da will ich heute gern einmal ein Lob auf unseren Finanzausschuss singen (und übrigens auf alle Finanzausschüsse in unseren Gemeinden rechts und links). Denn es ist wahrlich keine Kleinigkeit, dieses ganze Zahlenwerk zu überblicken und dann eben auch treulich anzuwenden.

Nun gibt es allerdings zwischen dem Haushalt, den Sie zu Hause für sich erstellen, und so einem kirchengemeindlichen Haushalt einen ganz wichtigen Unterschied. Wenn Sie zu Hause Ihre Monatskosten überschlagen und rechnen das nach Einnahmen und Ausgaben durch, so ist das in aller Regel genau dasjenige Geld, das Sie selber verdienen und zur Verfügung haben. Bei unserem Haushalt hier ist das anders. Keiner von denen, die das zu verwalten haben, weder Pfarrer noch Älteste, haben die Summen, die da zu bewirtschaften sind, selber und in eigenem Einkommen verdient. Es ist Ihnen vielmehr zur Verfügung gestellt, sozusagen geliehenes Geld. So dass die Verwalter unseres Haushalts beharrlich mit fremdem Gut umzugehen haben. Niemand weiß, was in den Herzen der Geber wohnt. Aber jedenfalls sind sie in einem alle einig: dass es hier bei uns eine Kirche und eine Gemeinde geben soll. Und dass diese Kirche und Gemeinde wachsen, blühen und ihre Aufgabe gut bewältigen soll.

Was also wird man von den Verwaltern des Haushalts verlangen? Nicht mehr, antworte ich, als dass sie treulich damit umgehen. Mehr verlangt man nicht von ihnen. Nun will ich aber nicht verheimlichen, dass solche Treulichkeit gelegentlich auch Kritik hervorruft. Da kommt es schon mal vor, dass welche zu den Haushaltern sagen: o, was seid ihr knickerig! oder: o, was seid ihr großzügig, muss das jetzt wirklich sein? Und da ist es dann überaus wichtig, dass der Haushalter sich davon nicht beeindrucken lässt, sonst wankt der Plan.

Aber anderseits wird der Haushalter immer überlegen, ob diese und jene Entscheidung wirklich auf der Ziellinie des Plans liegt. Nur darf er sich dabei auf gar keinen Fall ständig selber ins Gericht stellen, aus lauter Angst, einen Fehler zu machen, dann jedes Risiko vermeidend. In dem Fall würde er das Geld bloß horten, die Kirche bliebe kalt, die Lichter gingen aus, die Kinder im Kindergarten werden heimgeschickt, der Durchwanderer an der Tür soll zusehen, ob er anderswo unterkommt, das Gemeindeleben bräche zusammen und dem Haushalter ginge es am Ende so wie jenem Knecht im Gleichnis von den anvertrauten Pfunden (Sie kennen das ja, und wenn nicht, lesen Sie es einfach nach Matthäus 25, 14ff.): Weg mit dem! sagt der Herr.

Also darf sich der Haushalter von seinen eigenen Skrupeln nicht fangen lassen. Und das aber – und jetzt sage ich ein Geheimnis – das kann er nur, wenn er ganz und gar darauf vertraut, dass seine Mühe um Erhalt und Wachstum der Gemeinde, um Trost für Traurige, Gemeinschaft für Einsame, Schönheit der Gottesdienste und was der Dinge mehr sind – dass er dafür am Ende vor Gott auch sein Lob findet. Und das, Ihr Lieben, ist ja im Grunde genommen keineswegs ausgemacht.

Man könnte ja auch sagen: Kirche ist sowieso Unfug, gehört alles abgeschafft (das hat der unselige Sozialismus versucht, und Sie alle wissen, was draus geworden ist), schließlich kann kein Wissenschaftler der Welt und kein Gericht der Welt die Existenz Gottes beweisen. Also dass es Gott gibt, und dass Kirche und Glaube uns Menschen gut tun und durch und durch nötig sind, das steht allein in Willen und Urteil Gottes. Die Welt bestreitet das ganz gerne immer mal wieder. Und obwohl er keinen Vernunftsgrund und kein Gerichtsurteil hat, lässt sich aber dennoch der Haushalter von allerlei Einrede nicht überwältigen, sondern tut fröhlich und treulich das Seine und vertraut darauf, dass Jesus am Jüngsten sagen wird: Doch, Lieber, Liebes, das hast du gut gemacht. So.

Und nach dieser langen Rede über unseren Haushalt nehme ich jetzt einen anderen Plan in die Hand. Dieser Plan besteht nicht aus Ziffern und Zahlen, der hat auch keine Haushaltsstellen und Einzelposten.

Foto einer aufgeschlagenen Bibel

Sondern dieser Plan enthält nichts als eine ganze große wunderbare, bisweilen rätselhafte, bisweilen geheimnisvolle Geschichte. Es ist die Geschichte, die damit anfängt, dass Gott sprach: Es werde Licht. Und es ist die Geschichte, in der Gott sagt: Auf, ich will Menschen machen, ein Bild, das mir gleich sei. Und es ist die Geschichte, in der Gott ruft: Adam, wo bist du? Und es ist die Geschichte von Gott, der seinen Menschen Kleider machte, Röcke aus Fellen (denn sie waren in ihrer Sünde ja so furchtbar nackt geworden); und es ist die Geschichte, die läuft so anheimelnd und furchtbar, so bewegend und grauenhaft zugleich auf das doppelte Holz zu, Krippe und Kreuz. Was soll ich sagen? Sie kennen alle die Rätsel und Geheimnisse dieser großen Gottesgeschichte.

Aber nun sagen Sie selbst: Wer traut sich schon, einen solchen Gottesplan, eine solche Gottesgeschichte zu verwalten? Zu erzählen? Zu behaupten? Wer traut sich schon, vor der Wucht einer Welt, die nichts kennt als das Zählen und Rechnen, die Wahrheit dieser Geschichte immer und immer wieder ins Licht zu stellen? Denn seht, das sind doch eigentlich ganz törichte Geschichten. Soll Gott in sieben Tagen die Welt gemacht haben, wo doch jedes Kind weiß, dass das ein Evolutionsprozess von Jahrmilliarden gewesen ist. Soll Gott den Adam gemacht haben, wo doch wir Menschen nichts sind als Ableger der großen Primatenfamilie. Soll Gott unter Zehntausenden von Völkern sich eines erwählt haben, um dort sein Gebot zu deponieren. Soll Gott als Jungfrauenkind in einem schäbigen Stall geboren, in einer schmutzigen Futterkrippe gelegen sein. Was für Geschichten! Soll als Mensch unter Menschen gegangen sein, mein Lachen gelacht, meine Tränen geweint, meine Vergnügungen genossen, meine Schmerzen gelitten haben, und am Ende ist er – Gott, Schöpfer, Herr der Gebote – am Ende ist er schmählich am Henkersbalken zugrunde gegangen.

Ach, ihr Lieben, was für ein Plan und was für eine Torheit! Und dann, und dann – von Ostern will ich erst gar nicht erzählen, und nicht von Pfingsten, wie da der Geist kam, aber dann erzähle ich, wie dieser gewaltige und armselige Gott sich mitten hier in unsere Versammlung stellt, und unter den Milliarden Kindern, die heute sind und früher waren und die später noch sein werden, unter all diesen Milliarden steht er jetzt sozusagen von Angesicht zu Angesicht, steht in Augenhöhe dem kleinen Fabian gegenüber, und dem kleinen Lukas, ein bisschen Wasser, kurze und dürre Worte, und mitten darin sagt Gott: “Mein Kind”, nimmt es auf seinen Arm, seinen nageldurchbohrten Schmerzensarm, seine im Osterlicht erhobenen Hände. “Mein Kind”, und alles, diese ganze Geschichte von Schöpfung, Schmerz und Auferstehen, damit du lebst. Und, ich füge das hinzu, Ihr Lieben, Leben nicht bloß hier, in Windeldress und Strampelhöschen, im Kindergartenkleid und Schülerrock, im Putz der Jungen und im Arbeitskittel der Erwachsenen; leben nicht bloß unterm grauen Haar des Alters und im dunklen Rentenrock. Nein, du sollst leben in einer Herrlichkeit und Gemeinschaft, in einer Freude und Seligkeit, von der du dir hier noch nicht einmal wirst träumen lassen können (“o, was wird an seinem Herzen erst für Glanz und Wonne sein”, heißt es in dem Lied [EG 510], das wir nachher singen werden).

Also, Ihr Lieben, was für eine ungeheure Geschichte, und wie kann sich einer trauen, sie zu erzählen, und ja nicht nur zu erzählen, sondern auf ihrer Wahrheit zu bestehen, gegen alle Urteile der Vernünftigkeit, gegen alle Urteile der Welt! Nein, sage ich, das kann keiner, wenn er nicht vom Herrn des Plans beglaubigt und vom Autor dieser Geschichte autorisiert ist.

Darum – und das sage ich Ihnen jetzt – will ich tapfer gegen alle Urteile der Welt und gegen jeden Richterspruch der Vernunft diese Geschichte an Ihnen allen und insbesondere an diesen Kindern behaupten, will uns alle einschreiben und hineinsprechen in das Haupt unseres Herrn, der der Schlange den Kopf zertreten und der Sünde, Tod und Teufel für alle Ewigkeit in ihrer Hölle eingeschlossen hat. Es ist Advent. Kommt! Lasst uns die Geschichte erzählen, Haushalter der Geheimnisse Gottes in einer unwirtlichen Welt. Und wisst Ihr, was Gott dann macht, dann, am Ende aller Tage, wenn sozusagen sein Haushaltsplan im Endergebnis abgeglichen wird? Dann wird er sagen: Das hast du gut gemacht! Und dann wird, wie Paulus schreibt, einem jeden unter euch sein Lob zuteil. Schön, nicht?

Amen.

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