“Es begab sich aber zu der Zeit…”

...damit Weihnachten eine jetzt spürbare Zeit des Friedens und des Wohlgefallens wird

Predigttext: Lukas 2, 1-14
Kirche / Ort: Providenz-Kirche / Heidelberg
Datum: 24.12.2003
Kirchenjahr: Christvesper
Autor/in: Pfarrer Heinz Janssen

Evangelium am Heiligabend:

Lukas 2,1-14 1 Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 3 Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. 4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, 5 damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. 6 Und als sie dort waren, kam die Zeit, daß sie gebären sollte. 7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. 8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen

Hinweise zur Liturgie der Christvesper

Für die Christvesper wird ein Liedblatt verteilt, auf dem auch der liturgische Verlauf steht. Die Liturgie ist vom Wechsel zwischen biblischen Lesungen des Ersten und Zweiten Testaments unter der (auch für die Texte des Ersten Testaments geltenden!) Perspektive "Verheißung/Erfüllung" bzw. der typologischen Perspektive und den bekanntesten Advents- und Weihnachtsliedern geprägt. In diesem Jahr entscheide ich mich für einige besonders volkstümliche Weihnachtslieder, z. B. "Alle Jahre wieder" und "Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen". Die besondere musikalische Gestaltung der Christvesper ist eine große Chance, die Herzen der vielen Menschen, die an Heiligabend in die Kirche kommen, zu berühren. Sie liegt mir immer sehr am Herzen. Durch eine frühzeitige Planung konnten wir zwei hervorragende Flötisten gewinnen. Nach dem Orgelvorspiel stimmt ein kleiner Chor von Kindern bzw. Jugendlichen ein (neueres) Weihnachtslied (von E. Ness, 2000) an, hier der Text, der auch von einem Kind oder Jugendlichen gesprochen werden kann: Es begab sich aber zu der Zeit: Jesus ist geboren! Vergiss nicht jene Zeit: Niemand und nichts ist verloren. Gott kam in einem Kind, sucht bei uns Schutz und Liebe, lebt für Gerechtigkeit und Friede – sag’, wofür lebst du? Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Halleluja, Halleluja, Halleluja! Es folgt ein Grußvotum. Dann wechseln sich Lesungen, Lieder und solistische Musikbeiträge ab. Nach dem Lied "Stille Nacht" stelle ich mir eine stille Zeit vor. Aus der Stille heraus erklingt das Lied "Ich steh an deiner Krippen hier". Die Ansprache geht nicht von der Perikope zur diesjährigen Christvesper (Titus 2,11-14) aus, sondern greift die ersten Worte des Weihnachtsevangeliums Lukas 2,1-14 auf: „Es begab sich aber zu der Zeit“. Ich suche eine meditative Form der Predigt, die ich hier nicht ganz zutreffend, sondern nur behelfsmäßig als „Ansprache“ bezeichne. Am Schluss der Ansprache nehme ich jene Worte aus den für die Christvesper und Christnacht ausgewiesenen Perikopen (Titus 2,11-14 und Römer 1,1-7) auf, in denen die Weihnachtsbotschaft anklingt und die wohl entscheidend für die traditionelle Auswahl der Perikopen waren. Bei dem Lied "Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen", das nach der Predigt gesungen wird, werden die am Eingang ausgeteilten Kerzen angezündet. Bevor nach dem Segen die Orgelmusik zum Auszug beginnt, wird (im Stehen) das Lied "O du fröhliche" (dieses Lied wie auch „Stille Nacht“ dürfen in keinem Heiligabendgottesdienst fehlen!) angestimmt.

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Kanzelgruß (Römer 1,7):

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn, Jesus Christus.

Liebe Gemeinde!

Es begab sich aber zu der Zeit…

Dieser Anfang der Weihnachtsgeschichte ist uns vertraut. Wir haben schon gehört, wie es weiterging. Eine vertraute Geschichte. Seit 2000 Jahren wird sie erzählt.

Es begab sich aber zu der Zeit,

dass vor 2000 Jahren eine neue Zeit begann. Die Geburt Jesu, damals in vergangener Zeit, war der Beginn unserer Zeitrechnung, war der Beginn einer neuen Zeit zwischen den Menschen und Gott. Gott wird Mensch in einem Kind. Gott wird menschlich, erfährt alles, was unser Leben ausmacht: gute Zeiten und schlechte Zeiten, fröhliche Zeiten und leidvolle Zeiten, ruhige Zeiten der Besinnung und bewegte Zeiten mit starken Emotionen und bewegenden Ereignissen.

Begann mit der Geburt Jesu in Bethlehem ein Leben, wie Du oder ich es führen? – Ja und Nein. Jesus, der Christus Gottes, hatte in seiner Lebenszeit eine besondere Aufgabe. Jesus lehrte die Menschen, Gott zu verstehen, half, die Fremdheit, die Religion manchmal hat, zu überwinden, zeigte, wie wir als Menschen miteinander leben sollen, so dass wir einander gerecht werden. Jesus vermittelte uns den Willen Gottes. Mit seinem Namen ist umschrieben, was Gott will. Der hebräische und später latinisierte Name Jesus bedeutet: Gott hilft, rettet, heilt. Dann geschah noch etwas: Jesus überwand den Tod. Dem Zeitpunkt unseres irdischen Endes, setzte er die Hoffnung auf eine neue Zeit, auf neue Zeiten, entgegen.

Es begab sich aber zu der Zeit…

Maria und Josef mussten sich auf den weiten Weg vom galiläischen Nazareth nach Bethlehem in Judäa machen, wo der römische Kaiser eine Volkszählung angeordnet hatte. Keine gute Zeit für eine schwangere Frau. Keine politisch gute Zeiten, die dem Kind und der Familie Glück und Wohlstand bringen könnten – schwere Zeiten.

Und da geschah das Wunder in Bethlehem, der Stadt der Vorfahren Josefs, in einer leidlichen Unterkunft, umgeben von Haustieren, die Wärme gaben. Dort kam das Kind zur Welt. Menschen kamen, die Hirten, die die Freude über das Kind teilten. Und es gab die Gewissheit durch die Engel, die Boten Gottes, dass eine neue Zeit anbrach, eine Zeit für Frieden auf Erden und eine Zeit des Wohlgefallens Gottes für die Menschen – Zeiten, die wir uns als Menschen voll Sehnsucht wünschen:

Zeit des Friedens – in den großen Kriegen, die zu unserem Schrecken immer noch auf der Erde toben, Zeit des Friedens in den kleinen Kriegen, die am Arbeitsplatz, mit Nachbarn oder zwischen Familienmitgliedern und Verwandten geführt werden. Unsere Zeit, unsere Lebenszeiten, sind kostbar. Sie wollen behütet und gepflegt sein. Das Kind damals zu Bethlehem weist darauf hin.

Unsere Wünsche richten sich auf eine Zeit des Wohlgefallens, gute Zeiten mit meinen Mitmenschen, Zeit gegenseitiger Wertschätzung und Achtung, der Achtsamkeit und der Liebe, Zeit, die nicht nur uns Menschen wohlgefällt, sondern auch Gott. Zeit, die Gott uns schenken will.

Es begab sich aber zu der Zeit…

So heißt es in dieser Nacht, der Weihnachtszeit, Zeit, die uns geschenkt wird. Zeit, die wir am heutigen Abend und an den Weihnachtstagen haben werden. Zeit für Frieden, eine Zeit, Frieden zu schließen, wenn es jetzt nötig ist. Zeit, jemanden in Frieden zu lassen, wenn er anders denkt und handelt als ich will. Zeit, die anderen in Frieden ihr Glück und ihre Freude genießen lassen, ohne Neidgefühle zu haben. Zeit, friedvoll miteinander umzugehen, zuzuhören, aufmerksam zu sein, sich zuzuwenden, das Herz sprechen lassen.

Ich verbinde viele Wünsche mit dem Wunsch “Zeit für Frieden”: ein innerliches Zur-Ruhe-Kommen, einen innerlichen Frieden erfahren, der in unseren Herzen Weihnachten werden lassen kann. Ein Zeitwunsch, der Dir vielleicht ermöglicht, dass – wie vor 2000 Jahren mit der Geburt eines Kindes eine neue Zeit begann – auch für Dich etwas Neues, etwas neu beginnt…

Es begab sich zu Weihnachten,

als ich Zeit fand zu träumen, und es tat mir gut, als ich Zeit fand zur Ruhe, und es tat mir gut. Als ich Zeit fand und Freude und Spaß mit meiner Familie und Angehörigen hatte, und es tat mir gut.

Was auch immer Dein Wunsch ist und was andere Dir wünschen: Es soll Dir gut tun. Denken wir darüber nach oder sprechen wir darüber mit den uns nahe stehenden Menschen: Wie kann ein guter Wunsch umgesetzt und lebendig werden, Gutes für Dich und Deine Angehörigen bewirken, damit Weihnachten eine jetzt spürbare Zeit des Friedens und des Wohlgefallens wird, in der wir voller Hoffnung die Festtage nutzen und uns gespannt dem Leben mit all seinen Gaben und Aufgaben zuwenden. „Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen“, rief der Apostel Paulus seinem Mitarbeiter Titus zu (Titus 2,11), um ihn der Gabe Gottes zu vergewissern und ihn in seiner Aufgabe im Dienst des Evangeliums zu stärken.

Dieser Ruf des Völkerapostels und seine Grußworte, wie er sie den jungen Gemeinden für ihren Lebens- und Glaubensweg hat zukommen lassen, können uns auch heute noch in der Weihnachtsfreude bestärken und gut tun: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn, Jesus Christus“ (Römer 1,7).

Amen.

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