Die Geschichte Jesu und die Engelspredigt

Trost in Traurigkeit und Anfechtung

Predigttext: Lukas 2, 1-14
Kirche / Ort:
Datum:
Kirchenjahr: Christfest (1)
Autor/in: Martin Luther

Predigttext: Lukas 2, 1-14

Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war. Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auf auch Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum daß er von dem Hause und Geschlecht Davids war, auf daß er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, daß sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und siehe, des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. (Predigt aus: K. Aland (Hg.), Luther Deutsch, Bd. 8, Die Predigten, 2. Aufl., Göttingen 1965, S. 42-49. - Überschrift, Zwischenüberschriften und Gliederung von Heinz Janssen, redaktion@predigtforum.de)

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Dies ist die Erzählung von diesem Fest und von der Geburt unseres lieben Herrn Jesus Christus, darüber jetzt zu predigen ist. Und es ist sehr fein geordnet, daß man den Bericht in der christlichen Kirche so feiert, besonders weil auf den Bericht so viel ankommt und der Grund unsers christlichen Glaubens drauf stehet.

In diesem Evangelium sind zwei Stücke: das erste ist die Geschichte, wie es heute zugegangen ist, daß unser lieber
Herr Jesus Christus zu Bethlehem geboren ist. Das andere Stück ist die Engelpredigt von dem Nutzen und Kraft der Geschichte, wie wir uns die Geburt unsers Herrn Jesu Christi sollen zu Nutzen machen.

I.

Die Geschichte der Geburt Jesu in Bethlehem

Lukas beschreibt die Geschichte so, daß er anzeigt, zu welcher Zeit, in welchem Jahr, an welchem Ort und auf welche Art und Weise Christus geboren sei, nämlich zu Bethlehem im jüdischen Lande zu der Zeit, da das römische Reich am besten stand, der feinste Kaiser regiert hat und da die erste Schätzung über das ganze Land gegangen ist. Der Kaiser läßt das Gebot ausgehen, alle Welt zu schätzen und nimmt von einem jeglichen Haupt etwas zur Schätzung. Auf solch Gebot machen sich auch Joseph und

Maria im Gehorsam des Kaisers auf, daß sie sich schätzen lassen, kommen deshalb aus Galiläa ins jüdische Land nach Bethlehem. Da kommt die Zeit, daß Maria gebären sollte, und sie gebiert auch ihren Sohn, den Heiland aller Welt, da sie in einem fremden Lande und in einer fremden Stadt sind, wo sie weder Haus noch Hof haben, und als die Stadt so voll ist, daß sie gar keinen Raum in der Herberge haben.

Dies ist der Hergang in Kürze beschrieben, daraus man sieht und lernen soll, daß der Herr flugs nach seiner Geburt auf Erden mit der Tat anfängt, sein und der Welt Reich zu unterscheiden. Er stellt sich nicht anders, als kennte er die Welt und ihr Reich nicht; und umgekehrt stellt sich die Welt auch, als kennte sie diesen König und sein Königreich nicht. Doch wird Christus gleichwohl zu Bethlehem geboren und hat eine natürliche Mutter, hat eine Krippe und Windeln, gebraucht die Welt, ob er schon unter dem Kaiser Augustus geboren wird und der Kaiser Augustus zu Bethlehem die Gewalt und das Regiment hat.

So ist auch kein Christ auf Erden, der diese Welt nicht gebrauche. Darum ist Christus und des Kaisers Reich so zu unterscheiden: Christi Reich ist und soll kurzum sein ein geistlich Reich, und doch geht dieses geistliche Reich mitten in der Welt Reich, und Christus samt seinen Christen gebrauchen die Welt, wie Paulus lehrt, 1. Tim. Kap. 6. Des Kaisers Reich ist ein weltlich Reich, der richtet und schlichtet weltliche Sachen, spricht Reden, führt Krieg, braucht das Schwert usw. Christus hat mit solchen Weltsachen nichts zu tun, sondern sein Reich und Amt ist, daß die Seelen von Sünde und Tod erlöset werden und daß er helfe, wo die Welt nicht helfen kann.

Wahr ists, die Christen essen und trinken mit in der Welt, gebrauchen dieses Leben auf Erden, gleichwie ihr König Christus in der Welt auch mit gegessen und getrunken und dieses Leben gebraucht hat. Aber solches tun die Christen alles als Pilger und Fremdlinge und als Gäste in der Herberge, gleichwie Christus auch getan hat.

In der Herberge gehts so zu: der Wirt sorgt dafür, wo er Speise, Trank, Brot, Fleisch, Wein, Bier nehme, der Gast sorgt nicht dafür. Der Gast lehret nicht den Wirt, wie er haushalten solle. Er sagt nicht: Lieber Wirt, wenn ihr Speise kauft, so tut so und so, sondern so sagt er: Lieber Wirt, habt ihr nicht Brot und Fleisch? Traget her, laßt mich essen, ich bin reisefertig. Ebenso ist Christus auch nicht darum auf Erden gekommen, daß er dem Kaiser Augustus in sein Regiment eingreife und ihn lehre, wie er regieren solle. Aber dennoch gebraucht er des weltlichen Regiments und der Krippe, solange bis er sein Amt vollende, dazu er gesandt ist. So lehrt Paulus I Kor. 7, 29-31: »Fortan müssen auch die, welche da Frauen haben, sein, als hätten sie keine; und die da weinen, als weinten sie nicht; und die sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die da kaufen, als besäßen sie es nicht; und die diese Welt brauchen, als gebrauchten sie sie nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergeht«. Das ist soviel gesagt wie: Das Ziel des Strebens der Christen ist: nicht auf Erden sein, nicht freien und sich freien lassen, nicht essen, trinken, sich kleiden, freuen, kaufen und verkaufen (obwohl dies das Bedürfnis des Leibes für eine Stunde oder zwei, so wie ein Gast, gebraucht), sondern ein anderes, das da bleibt, wenn solches alles aufhört.

Zeitlicher und ewiger Friede

Diesen Unterschied soll man gut merken: des weltlichen Regiments Endziel ist zeitlicher Friede; der christlichen Kirche Endziel ist nicht Friede und Gemächlichkeit auf Erden, nicht schöne Häuser, Reichtum, Gewalt und Ehre, sondern ewiger Friede. Die Obrigkeit sorgt nicht dafür, wie ich selig sterbe und ewig lebe, kann mir auch wider den Tod nicht helfen, sondern sie muß selbst auch dran, und wenn ich sterbe, mir schließlich folgen; der Tod kommt über sie ebensowohl wie über den ärmsten Bettler. Des Staates Regiment dient zu diesem zeitlichen, vergänglichen Leben, aber wenn dies zeitliche Leben aufhört, fängt der christlichen Kirche Regiment erst recht an. Daß sie den betrübten, geängstigten Gewissen den Schatz verkündigen lasse, von Christus erworben und der Kirche von Christus befohlen: nämlich Vergebung der Sünden und ewigen Frieden, das soll das Ziel und Ende sein, da das christliche Regiment hinzielen und hinstreben soll.

II.

Die Engelspredigt

Das andere Stück in diesem Evangelium ist die Engelspredigt, welche auch der Hauptspruch in diesem Evangelium ist und klar anzeigt, daß Christi Reich ein ganz anderes ist als der Welt Reich.

Denn so unser lieber Herr Christus ein weltlicher König hätte sein wollen, würden die Hohenpriester von Jerusalem, Hannas und Kaiphas, oder andere große Leute von Bethlehem gekommen sein und von seiner Geburt gepredigt und gesungen haben: »Ehre sei Gott in der Höhe«. Nun aber kommen zu seiner Geburt die himmlischen Geister und heiligen Engel Gottes, eben die Fürsten, da solch Reich hingehört. Und diese Himmelsfürsten wenden ihre Augen nicht auf die Welt, sondern sehen auf diesen König, der im Stall geboren ist und in der Krippe liegt. Damit zeigen sie an, daß dieser König ein solch Königreich habe, darin nicht der Kaiser Augustus noch der König Herodes zu regieren hat, sondern darüber Gott selbst König und Herr ist und darin eitel Engel und heilige Menschen sind.

Es ist hier auch angezeigt, wer diejenigen sind, die in dieses Königs Reich gehören, nämlich die betrübten Herzens und zerschlagenen Gemüts sind. Die nach dem weltlichen Reich, nach Gewalt und Hoheit ringen, die gehören in dies Reich nicht.

Wahr ists, ein Christ mag und kann wohl weltliche Obrigkeit sein, Land und Leute regieren. Aber das tut er aus Gehorsam Gott gegenüber und aus christlicher Liebe, daß er seinem Beruf Folge tue und der Welt mit seinem Regiment diene; er hält sich doch wie ein Knecht im Hause und ein Gast in der Herberge, wie David Ps. 39, 13 sagt, obwohl er ein König ist: »Ich bin ein Gast bei dir, ein Fremdling, wie alle meine Väter«.

Welche aber nach Gewalt und Herrschaft dieser Welt trachten und ringen, die gehören nicht hierher in dieses Königs Reich. Hierher gehören eitel, arme, bedürftige Leute. Um ihretwillen ist dieser König auf Erden gekommen, deshalb ist sein Reich ein Reich für die erschrockenen, betrübten, elenden Leute. Um dieser Ursache willen kommen die Engel mit großem Glanz und herrlicher Klarheit, welche die Hirten in einen großen Schrecken versetzt, auf daß offenbar werde, daß es wahr sei, daß allein elende, betrübte Leute, die nicht nach großem Reichtum, Gewalt und Hoheit trachten, in dieses Königs Reich kommen. Sie gebrauchen den Reichtum dieser Welt, die Gewalt und Herrschaft wohl, wenn sie ihnen zufällt, gleichwie ihr König Christus die Windeln, Milch, Krippe gebraucht. Aber sie trachten und ringen nicht danach, sondern sehen auf jenes ewige Reich, darin ewiger Friede und ewiges Leben ausgeteilt wird.

Das ists, was der Text meint: Die Hirten fürchteten sich sehr. Denn die Engel kamen zu ihnen mit hellem Glanz und großem Licht, so daß das Licht in der finstern Nacht leuchtete, als wäre der Himmel eitel Feuer, und daß die Hirten nicht anders meinten, als wäre es der Blitz. Damit ist angezeigt, daß dieser König denen geboren sei, die in Furcht und Schrecken sind, und auch diese’ allein in sein Reich gehören. Denen soll man auch predigen, wie der Engel den armen, erschrockenen Hirten predigt: “Siehe, ich verkündige euch große Freude«.

Freude und Unruhe des Gewissens

Was ist das für Freude? Höre, was der Engel sagt: “Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird«. Das ist, als wollte er sagen: Es wird diese Freude wohl allem Volk angeboten, aber doch sind dieser Freude allein die fähig, die erschrockenen Gewissens und betrübten Herzens sind. Diese gehören zu mir und zu meiner Predigt, denen will ich etwas Gutes verkündigen.

Ist das nicht ein großes Wunder, daß diese Freude da am nächsten sein soll, wo die größte Unruhe des Gewissens ist? Wo man in Furcht und Schrecken steckt, da soll so herrliche, liebliche, süße Freude hinkommen, so daß es ein menschlich Herz schwerlich ergreifen und annehmen kann?

Zu den Hirten kommt so ein schönes Licht und ein Glanz, davor alle Finsternisse der Welt weichen müssen, dennoch erschrecken sie davor und fürchten sich sehr. Soll man denn vor Freude erschrecken und sich vor so schönem Licht fürchten? Wohlan, da stehts geschrieben, daß die Hirten sich vor des Herrn Klarheit, welche um sie geleuchtet hat, gefürchtet haben. Und so solls auch sein und nicht anders.

Merke aber dies sehr gut und erfasse es fest und sicher, daß der Engel sagt: Christus, zu Bethlehem geboren, sei nicht schreckliche Traurigkeit, sondern große, tröstliche Freude, die ein erschrocken Herz wünschen und begehren kann. Die Welt ist fröhlich und guter Dinge, wenn sie Geld und Gut, Gewalt und Ehre hat. Aber ein elendes, betrübtes Herz begehrt nichts anderes als Frieden und Trost, daß es wissen möge, ob es einen gnädigen Gott habe. Und diese Freude, durch die ein betrübtes Herz Ruhe und Frieden hat, ist so groß, daß aller Welt Freude dagegen stinkt.

Darum soll man den armen Gewissen so predigen, wie der Engel hier predigt: Höret mir alle zu, die ihr elenden und betrübten Herzens seid, ich bringe euch eine fröhliche Botschaft. Ihr sollt nicht annehmen, daß Christus mit euch zürne. Denn er ist nicht deshalb auf Erden gekommen und Mensch geworden, daß er euch in die Hölle stoße, viel weniger ist er darum für euch gekreuzigt worden und gestorben, sondern deshalb ist er gekommen, damit ihr große Freude in ihm hättet.

Die rechte Definition und Beschreibung Christi

Das ist die rechte Definition und Entscheidung. Willst du Christus recht definieren und eigentlich beschreiben, wer
und was er sei, so merke darauf, wie ihn der Engel hier definiert und beschreibt, nämlich daß er ist und heißt: »Große Freude«. Wer nun diese Definition gut lernen und fest erfassen könnte! Denn da kommt es drauf an. Ein menschliches Herz kann es nicht von sich aus festsetzen, daß Christus mit seinem rechten Namen heiße: »Große Freude«. Welche diese Definition so machen können, daß sie in ihrem Herzen Christus nicht anders malen als lauter Freude, sind deshalb seine rechten wahrhaftigen Schüler. Wenn diese gleich hören, daß die erste Welt durch die Sintflut vertilgt ist, daß Sodom und Gomorra mit Schwefel und Feuer zerstört ist, und was dergleichen solcher schrecklicher Exempel göttlichen Zorns und Gerichts mehr sind, dann sagen sie: Das alles gehe seinen Weg, ich aber sehe dahin, wer Christus ist und glaube, daß sein rechter Name heißt: »Große Freude«.

Solches wollte uns der Engel in dieser Predigt gerne lehren, auf daß alle betrübten Herzen und geängstigten Gewissen Christus in seinem rechten Bilde erkennen und fassen lernen. Wo Christus zornig sieht, da ersäuft er die Welt mit der Sintflut und schlägt Könige und Tyrannen danieder; aber hier sieht er nicht zornig, sondern freundlich und lieblich und heißt: »Große Freude«. Wem zugut? allen betrübten Herzen. Das ist der goldene Text, den wir gut merken sollen, auf daß wir uns damit in Traurigkeit und
Anfechtung zu trösten wissen.

Welche ohne Furcht und Anfechtung sind, bedürfen dieses Heilandes nicht; die armen Sünder aber, die in Furcht und Schrecken liegen, bedürfen sein. Denen kann sonst niemand helfen, als allein dieser Heiland, Christus der Herr, heut zu Bethlehem geboren.

Darum soll Maria den Engel mit seiner Predigt recht haben lassen und ihn nicht zum Lügner machen. Denn er gibt Christus die rechten Namen, die ihm allein gebühren. Er ist und heißt der einige Heiland. Denn auch am Jüngsten Tage, da er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Toten, wird er erst ganz der rechte Helfer sein und uns die rechte Hilfe beweisen, uns erlösen von Teufel, Tod und von diesem schändlichen Leben. Wenn er am Jüngsten Tage nicht käme, so wäre er nicht ein rechter Heiland. Nun aber wird er am Jüngsten Tage kommen, auf dass er sich als ein rechter Heiland erzeige: nicht, daß er die richte, die eine Freude an ihm haben, sondern daß er die richte und strafe, die ihn lästern und verfolgen. Er wird kommen, daß er mit denen rechte, die ihm sein Erbteil zerrissen haben. Das ist erstlich der Teufel, danach die Tyrannen dieser Welt, böse Bauern, Bürger, Adel, die uns plagen.

Deshalb sei Christus, wo er wolle, in der Krippe oder zur Rechten Gottes, er heiße Herr oder Richter, wie wir im Glaubensbekenntnis von ihm bekennen, so ist er allezeit ein Heiland. Denn alles, was er getan hat und noch tun wird, das gilt uns und geht dahin, daß wir erlöset werden. Gott gebe uns seine Gnade, daß wir solches fassen und behalten mögen, Amen.

(Aus: K. Aland (Hg.), Luther Deutsch, Bd. 8, Die Predigten, 2. Aufl., Göttingen 1965, S. 42-49. – Überschrift, Zwischenüberschriften und Gliederung von Heinz Janssen, redaktion@predigtforum.de)

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