Eine Hoffnung auf das Leben ist entbrannt
An Weihnachten feiern wir den ersten Schritt Gottes
Predigttext: Titus 3,4-7 (Übersetzung von Gottfried Holtz, Die Pastoralbriefe, Berlin, 1972)
Als aber die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschien, da rettet er uns nicht infolge von Werken, die in einer Gerechtigkeit geschahen, die wir getan hätten, sondern nach seinem Erbarmen durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung durch den Heiligen Geist, den er in vollem Reichtum über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland, damit wir, gerechtfertigt durch seine Gnade, Erben würden nach der Hoffnung auf ewiges Leben.Zur Exegese von Titus 3,4-7
Die Exegese dieses Text zeigt, dass Paulus seinem Mitarbeiter Titus eine Hilfestellung geben will für die Bewältigung der Leitung und Förderung der Gemeinde. Auf die Grundsatzfrage nach der Auswirkung der Erscheinung Jesu Christi gibt er mit diesem Briefstück eine Antwort. Hauptbegriffe sind dabei: Gottes „Erscheinen“ in Jesus Christus ist inhaltlich: -„Philanthropia“- Menschenfreundlichkeit. Die konkrete Auswirkung der Menschenfreundlichkeit findet sich in dem Wort: „macht uns selig“ (Martin Luther), wörtlich übersetzt: „rettet uns“. Diese Rettung macht aus der Zeit ein „vorher“ und ein “nachher“. Die Rettung markiert den neuen Anfang. Konkret wird die Rettung durch ein Eingreifen Gottes, das mit der Taufe, dem Bad der Wiedergeburt, verglichen werden kann. Damit zeigt sich die Taufe in diesem Text als der hermeneutische Schlüssel des Weihnachtsgeschehens.Homiletische Gedanken:
Anwesend sind erfahrungsgemäß die, die am Heiligen Abend auch dabei waren. Am Abend war das Feiern Inhalt. Am Morgen geht es um das Bedenken. Jetzt ist die Stunde des theologischen Nachdenkens und Fragens. Also werde ich den Versuch machen, mit Hilfe der Taufe das Weihnachtsereignis zu entdecken.„Gott gab uns Atem, damit wir leben.
Er gab uns Augen, dass wir uns sehn.
Er hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn.“ (EG 432, 1)
Liebe Gemeinde,
Gott gab.
Das ist immer der Anfang: Gott gibt.
In allem.
Wenn Gott nicht den ersten Schritt tut, dann gibt es keinen zweiten.
An Weihnachten feiern wir auf ganz eigene Weise den ersten Schritt Gottes.
Ein neuer Mensch!
Mit jedem neugeborenen Kind, hat Martin Luther gesagt, erwischen wir den Schöpfer auf frischer Tat.
An Weihnachten erwischen wir ihn dabei. Beim ersten Schritt.
Der erste Schritt! Ist nicht bei jedem neugeborenen Kind unser Staunen grenzenlos über das Wunder, über den neuen Menschen, in dem alles geheimnisvoll verborgen ist? Begabungen, Kräfte, Energien, Hunger und Lust auf viele weitere Schritte nach dem ersten Gottesschritt.
Gott gab.
Er gab, aus purer Menschenfreundlichkeit.
Dieses Erlebnis ist wie ein Eintauchen in herrlich – selig-wohltuend – erfrischendes Wasser. Und dann, wenn wir wieder auftauchen?
Wir müssen ja wieder auftauchen. Sonst ersticken wir.
Beim ersten Schritt darf es nicht bleiben.
Stellen Sie sich vor, Noah, der alte Mann, der aufgrund des ersten Gottesschrittes die Arche gebaut und betreten hatte, wäre nicht bereit gewesen, zum richtigen Zeitpunkt wieder auszusteigen – die lebensrettende Arche wäre zum Sarg geworden.
Oder:
Die Hirten wären in der Heiligen Nacht bei der Krippe geblieben und gesagt: Hier ist es gut. Lasst uns Hütten bauen und bleiben. Sie hätten ihr Lebensziel verfehlt.
Es braucht den zweiten Schritt!
Es braucht unser Auftauchen.
Wir fragen:
Prägt das Weihnachts-Erlebnis, Gott, den Schöpfer auf frischer Tat erwischt und ertappt zu haben, unsere Denkgewohnheiten, möglicherweise liebgewordene Gewohnheiten und vielleicht sogar verbriefte Ansprüche, um?
Was ist nach dem Auftauchen?
Der Apostel Paulus plädiert leidenschaftlich dafür, den zweiten Schritt zu unternehmen.
Er sagt: Das ist wie bei der Taufe!
In ihr tut Gott den ersten Schritt und sagt: Du bist mein Kind. Du bist mir willkommen. Du gefällst mir. Du gehörst zu den Menschen, zu den Geschöpfen meines Wohlgefallens. Und nun: lebe. Du darfst leben.
Jetzt beginnt der zweite Schritt.
Das Leben nach dem Auftauchen.
Während des ersten Schrittes ist eine Hoffnung aufgewacht. Eine Hoffnung auf das ewig blühende Leben.
Eine Hoffung auf das Leben, das nicht gezeichnet ist von Recht haben und gewinnen müssen, nicht von Machtgewinn durch Verunglimpfung, nicht von einem Gebrauch der Sprache, die Gewalt vorbereitet. Sondern eine Hoffnung auf das Leben ist entbrannt, bei dem der Respekt und der sorgfältige Einsatz für alles Leben Maßstab unseres Entscheidens und Handelns ist.
Warum nur hat Gott den ersten Schritt an Weihnachten mit einem Kind unternommen?
Birgt das den heilsamen Hinweis in sich: Wir mögen doch bei all unseren zweiten Schritten uns fragen, ob das für die Kinder gut ist oder nicht?
Ist vielleicht alles, was für Kinder gut ist, letztlich für die gesamte Menschheit gut?
Gott hat den ersten Schritt getan.
Unsere zweiten Schritte mögen nachhaltig dem Leben dienen.
„Gott gab uns Hände, damit wir handeln. Er gab uns Füße, dass wir fest stehn. Gott will mit uns die Erde verwandeln. Wir können neu ins Leben gehen.“ (EG 432, 3)
Amen