Jubelnde Gewissheit

Jesus Christus - Lebensanker mitten im ungestümen Meer des Lebens

Predigttext: Römer 8, 31-39
Kirche / Ort: Gambach
Datum: 31.12.2003
Kirchenjahr: Altjahresabend
Autor/in: Pfarrerin Dr. Ulrike Eichler

Predigttext: Römer 8,31b-39 (Übersetzung nach Martin Luther, revision 1984)

31b Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? 32 Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? 33 Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. 34 Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt. 35 Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? 36 wie geschrieben steht (Psalm 44,23): »Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.« 37 Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. 38 Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.

Exegetische und homiletische Einführung

Exegetische Einführung: Dieser Abschnitt schließt den 2.Teil des Römerbriefes ab, der die Kapitel 5-8 umfasst. Darin geht es um den neuen Menschen, der durch die Gnade Gottes Frieden mit Gott gefunden hat und aus diesem Glauben lebt. Mit Römer 8,18ff wird die christliche Hoffnung in großartiger Weise zum Ausdruck gebracht. Gerade dieser letzte Abschnitt sticht durch seinen feierlich-hymnischen Stil hervor. Der Christ darf sich des neuen Lebens in Jesus Christus gewiss sein. Er darf sich darin geborgen wissen, dass er zu Jesus Christus gehört und nichts und niemand ihn von Gott trennen kann. Grund, Mitte und Inhalt seines Lebens ist Jesus Christus, in dem Gott ganz auf der Seite des glaubenden Menschen ist. Aus dem Zusammenhang lässt sich klar erkennen, dass sich diese Gewissheit nicht einfach auf die ganze Menschheit bezieht, sondern auf diejenigen, die in eine Vertrauensbeziehung zu Jesus Christus eingetreten sind. Vertrauen und Gewissheit sind die beiden entscheidenden Kennzeichen des christlichen Glaubens. Homiletische Einführung: Das Thema ist die Gewissheit des Glaubens in einer zerrissenen und bedrohten Welt. Die Bedrohungen werden in Vers 35 aufgezählt und haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt: Mit dem Wort „Trübsal“ werden alle persönlichen Bedrohungen wie Krankheit, Not, Überforderung und menschliche Probleme wie Scheidungen, Zerstörung menschlicher Beziehungen, tiefe Enttäuschungen usw. erfasst. Das alles spiegelt sich in der subjektiven Erfahrung der „Angst“. Dazu kommen noch allgemeine Entwicklungen, denen die Christen auch ausgeliefert sein können: Verfolgungen, Hungersnöte, Blöße, Gefahren und Kriege. Christen verschließen nicht die Augen vor diesen Realitäten, die Macht über sie gewinnen wollen. Aber das schaffen diese Mächte nicht, denn Gott steht auf der Seite der Christen. In der Gewissheit dieses Glaubens ist auch ein schwacher Mensch stark. Die Stärke liegt allerdings nicht in seinem Glauben, sondern in Christus und seiner Liebe, die alles überwindet. Somit kann dieser Text zu einer großen Trostpredigt für viele werden.

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Was wird das neue Jahr bringen? Die einen versuchen mit Bleigießen einen Blick hinter den Vorhang zu tun. Andere wiederum lesen Horoskope und wieder andere hoffen einfach, dass alles wieder besser wird. Aber keiner weiß, was kommt: Wird es nächstes Jahr wieder Terroranschläge geben. Wie wird es wirtschaftlich weiter gehen? Können wir uns angemessen versorgen? Und dann die persönlichen Fragen: Wie wird es mit mir und meiner Familie weiter gehen? Kommen Krankheiten und Nöte? Was gibt meinem Leben Sinn und Tiefe? Und was ist, wenn ich einmal sterben muss? Was kommt danach? Fragen über Fragen.

Der neue Blick

Da hören wir Paulus, den überzeugten Christen. Er stellt eine Gegenfrage: „Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein?!“ Das ist ein unerhörter Blickwechsel: Wir schauen nicht mehr auf unsere Sorgen und Probleme, sondern auf den, der Herr der Welt ist. Er hat alles unter seiner Kontrolle. Seine Möglichkeiten sind unerschöpflich. Seine Liebe, Fürsorge und Vergebung gilt allen Menschen. Wenn sie es doch nur erkennen, begreifen und annehmen würden!

Diese Liebe, Fürsorge und Vergebung Gottes wollen wir uns nun mal näher anschauen. Was hat Gott für die gesamte Menschheit getan? „Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont“, sagt Paulus, „sondern ihn für uns alle dahin gegeben.“ Diese Hingabe Jesu am Kreuz auf Golgatha war der Angelpunkt des Erlösungswerks Gottes. Hier starb der einzige ohne Sünde für die Sünden der Welt. Sünden geschehen wohl weiterhin, aber sie müssen keinen Menschen mehr von Gott trennen.

„Wie sollte Gott uns mit Jesus nicht alles schenken?“ fragt Paulus. Mit Jesus schenkt er uns seine Liebe, seine Fürsorge und seine Vergebung für alle Zeiten und die Ewigkeit. Und damit haben wir doch alles, was wir wirklich brauchen! „Gott ist gewiß unser Vater und Gott“, schrieb einmal Martin Luther, „aber doch beides allein durch Christus“.

Der Schlüssel zu Gott

Aber warum allein durch Christus? Warum streut Gott seine Liebe, Fürsorge und Vergebung nicht einfach über alle Menschen aus? Nun, das würde sie nicht verändern. Das würde sie nur noch gedankenloser und gleichgültiger machen. Gott würde zu einem reichen Spendieronkel gemacht, zu dem man immer kommt, wenn man was braucht. Ansonsten lässt man ihn links liegen nach dem Motto „Ist ja egal, wir kommen sowieso alle in den Himmel!“

Und deswegen hat Gott seine Liebe, Fürsorge und Vergebung an Jesus Christus gebunden: „Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns“.

In Christus macht Gott uns gerecht.
In Christus ist er auf unserer Seite.
In Christus sind wir bei Gott geborgen für Zeit und Ewigkeit.
Aber alles nur „in Christus“. Er ist der Schlüssel zu Gottes Liebe, Fürsorge und Vergebung.

Wie kommen wir an diesen Schlüssel heran? Nun, mit der Taufe und der Verkündigung des Wortes Gottes wird uns dieser Schlüssel überreicht. Indem wir dann Jesus Christus vertrauen und in diesen Glauben immer mehr hinein wachsen, wenden wir diesen Schlüssel an. So ist uns der Himmel geöffnet und Jesus Christus wird uns zum Lebensanker mitten im ungestümen Meer des Lebens.

Jesus als Lebensanker, wie ist das möglich? Paulus sagt: „Er ist zur Rechten Gottes und vertritt uns“. Jesus zur Rechten Gottes heißt, dass er die Macht Gottes hat. Und als auferstandener Sohn hat er unmittelbaren Zugang zum Ohr des Vaters. In seiner Herrlichkeit hat er uns nicht vergessen. Nein, zu tief hat er sich seiner Menschen angenommen, zu teuer hat er für sie bezahlt. Indem Jesus zur Rechten Gottes sitzt, ist es, wie wenn wir selbst direkt neben Gott sitzen. Jesus vertritt uns bei ihm. Er weiß um unsere Nöte, Anliegen und Sorgen, und er kann sie verstehen, weil er selbst das Menschsein durchgemacht hat. Und indem er uns vertritt, tritt er auch für uns ein. Jesus ist sozusagen unser Botschafter beim himmlischen Vater. Durch ihn hat Gott immer ein offenes Ohr für uns.

Geborgen in allen Bedrohungen

Aber zugleich sind die Christen ja auch Jesu Botschafter hier auf der Erde unter den Menschen. Und das ist manchmal gar nicht so einfach! Wie viele Kräfte wollen uns von der Liebe Christi wegbringen? Paulus nennt zum Beispiel die Trübsal. Dazu gehören alle Bedrohungen wie Krankheit, Not, Überforderung und menschliche Probleme wie Scheidungen, Zerstörung menschlicher Beziehungen, tiefe Enttäuschungen usw. Solche Bedrohungen machen Angst und können einen ganz schön runter ziehen. Dann zählt Paulus auch noch allge-meine Entwicklungen auf, denen Christen natürlich auch ausgeliefert sein können: Verfolgung, Hungersnot, Nacktheit, irgendeine Gefahr durch Terror oder Krieg.

Als Paulus den Römerbrief bei seinem letzten Aufenthalt in Korinth schrieb, hatte er schon manch schwierige Situation durch gestanden. „Wie ein Schlachtschaf“ war er sich schon vorgekommen. Aber trotzdem: In dem allem hat er immer wieder Überwindung und eine ungeheure Kraft erfahren, die ihn trotz seiner menschlichen Schwäche stark machte. Die Stärke liegt aber nicht in seinem Glauben, sondern in dem, „der uns geliebt hat“, sagt Paulus, also: in Christus selbst.

Und nun kann sich Paulus kaum noch halten vor überschwänglicher Gewissheit. „Denn ich bin gewiss“, so fängt er an, und das durchzieht jetzt die beiden letzten Verse mit voller Inbrunst: „Ich bin gewiss, dass nichts und niemand uns scheiden kann von der Liebe Gottes, welche ist in Jesus Christus, unserm Herrn!“ Dabei zählt Paulus auf, welchen Mächten der kleine wehrlose Mensch preisgegeben ist und wie aber diese Mächte an der Macht der Liebe Gottes in Jesus Christus scheitern:

Da sind zum einen Tod und Leben:
Tod fasst alles Unheimliche zusammen, was es in unserer Menschenwelt gibt und was uns zur Verzweiflung treiben will. Aber auch das Leben, die Sorgen und die Ablenkung versuchen sich wie ein Nebel zwischen uns und Gott schieben.

Da sind zum zweiten Engel, Mächte und Gewalten.
In diesem Fall geht es nicht um die Engel und die guten Mächte Gottes, sondern um feindliche Engelwesen. Paulus weiß also um dämonische Hintergründe der Welt, die Folgen von okkulten und magischen Beschwörungen, die Menschen unter einen Bann bringen, von dem sie sich oftmals selbst nicht mehr lösen können.

Da ist zum dritten Gegenwärtiges und Zukünftiges:
Da ist die uns umdrängende Gegenwart mit ihren Freuden und Leiden. Und was wird die Zukunft bringen? Wird etwas kommen, was meinen Glauben an Gott zerstören kann?

Und da ist zum vierten Hohes und Tiefes:
Vielleicht sind hier hochfliegende Gedanken und tiefe Depressionen gemeint. Auch solche Gedanken und Gefühle könnten ja einen Christen übermannen. Und dann? Rutscht ihm die Liebe Gottes weg?
Nein, ruft Paulus, und nochmals nein. „Auch keine andere Kreatur kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn!“ Nicht weil wir stark sind, sondern weil Christus uns hält. Diese Gewissheit macht frei und gelassen. In dieser Gewissheit müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

Darum seid getrost und fürchtet euch nicht!

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