Lebenssaft und Lebenskraft
Den Blutkreislauf im Gemeindeleib am Rauschen halten
Predigttext: Römer 12,4-16 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des anderen Glied, und haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Ist jemand prophetische Gabe gegeben, so übe er sie dem Glauben gemäß. Ist jemand ein Amt gegeben, so diene er. Ist jemand Lehre gegeben, so lehre er. Ist jemand Ermahnung gegeben, so ermahne er. Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn. Steht jemand der Gemeinde vor, so sei er sorgfältig. Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er´s gern. Die Liebe sei ohne Falsch. Haßt das Böse, hängt dem Guten an. Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn. Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet. Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft. Segnet, die euch verfolgen; segnet, und flucht nicht. Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden. Seid eines Sinnes untereinander. Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den geringen. Haltet euch nicht selbst für klug.Erste Gedanken
Manche Perikopentexte haben es an sich, bereits selbst Predigt genug zu sein. Sie sind klar verständlich, anschaulich und nicht zu kurz, sodaß man geneigt ist, es mit dem Perikopentext der Worte genug sein zu lassen. Der Predigttext für den 2. Sonntag nach Epiphanias 2004 ist so einer. Sein Bild von der Gemeinde als Leib Christi sowie seine Ausführungen über das christliche Ethos sind wohl vertraut. Die Gaben, von denen Röm 12,6-8 spricht, sind uns weitgehend bekannt, auch wenn die prophetische Rede in den 1980er Jahren wohl ihre vorerst letzte große Zeit gehabt haben dürfte. Ein Satz wie "Die Liebe sei ohne Falsch. Haßt das Böse, hängt dem Guten an" leuchtet unmittelbar ein. Wer außer ein Anhänger des modernen Satanismus würde diesen Satz nicht unterschreiben wollen? Daß unsere Liebe untereinander herzlich und zuvorkommend sein soll, begreifen wir auch ohne weiteres. Die Verse Röm 12,11-12 und 14 sind geringfügig widerständiger. Unverständlich bleiben sie uns nicht. Doch täuschen wir uns nicht: Was dem Theologenauge eingängig erscheint, ist für Nichttheologen (im evangelischen Bereich von "Laien" zu sprechen, halte ich für nicht sachgemäß) durchaus nicht in vergleichbarer Weise eingängig. Positiv gesagt: Nichttheologen haben oftmals ein sehr feines Gespür dafür, wie ungewöhnlich, originell und aufrührend biblische Texte sind. Das Bild von der Gemeinde als Leib etwa: es ist allgemein bekannt, gleichwohl ist es äußerst eigenartig. Die Assotiationen, die der Begriff "Leib" hervorruft, sind vielfältig und passen oft nicht zu dem, wie zahlreiche, um nicht zu sagen: die meisten Menschen die Kirche erleben. Die Rede vom "Brennen im Geist", von der "Geduld in Trübsal", schließlich vom "Segnen der Verfolger" ist für nichttheologische Ohren seltsam, ja zum Teil anstößig. Hier besteht theologischer Klärungsbedarf, dem sich die Predigt zu stellen hat.Theologische Erwägungen
Paränesen bergen in sich die Gefahr des theologischen Schnellschusses. Man wird von ihnen zuweilen zu dem Gedanken verleitet, daß man, wenn man allem nachkommt, wovon die Paränese spricht, ein gottwohlgefälliger Mensch werden könnte. In Wahrheit aber ist es genau andersherum: Paränesen sind im Sinne des tertius usus legis zu verstehen, also als Mahnungen, die voraussetzen, daß Jesus Christus jene, die ermahnt werden, zuvor zu neuen Menschen gemacht hat, indem er in ihnen den Glauben, d.h. das feste Vertrauen darauf, ein von Gott gnädig angenommenes Kind zu sein, gestiftet hat. Ohne diese von Christus gewirkte Veränderung des Menschen ist dieser nicht in der Lage, auch nur annähernd dem zu entsprechen, wovon in Röm 12,9-16 die Rede ist. Denn gute Werke sind Früchte des Glaubens, die automatisch und vor allem en passant - d.h. ohne Hintergedanken - hervorgebracht werden. Wer Gutes tut, um damit bei Gott Gnade zu erwirken, der tut Werke, die ihrem Wesen nach - wie sich bei Luther lernen läßt - böse sind, weil sie nicht demjenigen gelten, dem geholfen wird, sondern dem Helfer selbst (incurvatio in seipsum!) dienen wollen. Was wir infolge biblischer Paränesen an Gutem wirken, trägt nichts mehr bei zu unserem Status der Heiligkeit. Denn unsere Heiligkeit - d.h. unsere Zugehörigkeit zu Gott im Sinne von Lev 11,44 - ist die zwingende Voraussetzung für das Erbringen aller guten Werke. Nehmen wir zum Beispiel die Gastfreundschaft in Röm 12,13b. Gastfreundschaft ist ein allgemein anerkannter Wert im menschlichen Zusammenleben. Ihr Lob findet sich in ethischen Traktaten antiker Autoren ebenso wie in Asfa-Wossen Asserates Buch "Manieren" (Frankfurt am Main 2003). Doch im Römerbrief kommt die Aufforderung zur Gastfreundschaft in einem ganz besonderen Kontext zu stehen. Die Gastfreundschaft im Römerbrief nämlich hat theologisch zur Voraussetzung die Gastfreundschaft Christi, welche Christus den Hirten, den morgenländischen Weisen und uns an seiner Krippe gewährt. Die Gastfreundschaft in Röm 12,13b hat also ein christologisches Vorzeichen. Wir könnten sie ohne die vorausgehende Gastfreundschaft Christi nicht erbringen. Und Paulus würde ohne das vorausgehende Handeln Gottes an uns nicht auf die Idee kommen, uns zur Gastfreiheit zu ermahnen.Homiletische Notizen
Damit auch unsere Hörerinnen und Hörer der "Paränesefalle" (siehe dazu oben) entgehen, empfiehlt es sich meiner Meinung nach, die komplette Perikope Röm 12,4-16 zu predigen. Der klare christologische Vorspann zur Paränese nämlich macht deutlich, daß die Mahnungen des Predigttextes nur in der Sphäre des Leibes Christi wenigstens ansatzweise realisierbar sind. Es dürfte nun keine Gemeinde, schon gar keinen Kirchenbezirk, keine Landes- oder sonstige Kirche geben, in der alles das Wirklichkeit wäre, was Paulus von uns Christinnen und Christen verlangt. Die Predigt muß darum in ihren Kern eine Bußpredigt sein und zwar eine Bußpredigt im klassischen Sinn. D.h. die Predigt muß die Menschen auf einladend-werbende Weise und keinesfalls durch Schimpfereien und Bitterkeit zum Neuanfang mit Christus ermutigen. Ist ein Bußprediger in reformatorischer und nachreformatorischer Tradition doch nichts anderes als einer, der den Menschen die Gnade Christi unter die Nase reibt, aufdaß die Menschen fortan nicht mehr ohne den angenehmen Geruch dieser Gnade leben wollen. Unser Bußruf muß also von der Gnade Christi herkommen. Hat doch der Ruf zur Umkehr nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Aussicht auf Lossprechung (absolutio) besteht. Habe ich letztere nicht, enden meine Versuche der Reue (contritio) in Ausflüchten, Entschuldigungen und Abwiegelungen. Nur wenn ich weiß, daß Christus mich liebt, kann ich bekennen: Ja, mein Leben ist nicht gut. Nichts von dem, wozu mich Paulus ermahnt, kann ich leisten. Ich bin ein sündiger Mensch. Doch ich werfe mein Leben auf Christus, der wird mir die Kraft geben, nach seinen Geboten zu leben. Das Christusvorzeichen muß in der Predigt deutlich hervorscheinen (epiphanieren!). Gelingt das, dann kann man guten Mutes Mißstände in der Gemeinde, im Kirchenbezirk, in Leben der Menschen usw. beklagen. Die Zustände in manchen Kirchenverwaltungen etwa, in denen es zugeht wie in altbackenen Behörden, können dann ruhig zur Sprache kommen. Ich meine, daß man in einer Predigt über Röm 12,4-16 durchaus den Finger in diverse Wunden legen kann, wobei man dabei jedoch nie das Balkenwort aus Mt 7,5 vergessen darf. Und ganz wichtig: Über der Anklage darf auf keinen Fall das christologische Vorzeichen dieser Klage übersehen werden! Denn über Mißstände in der Kirche zu klagen, heißt doch in erster Linie, jenen, die Verursacher dieser Mißstände sind, die freie Gnade Gottes zuzusagen, ihnen also zuzurufen, daß Christus sie in Liebe annimmt, aufdaß jenen Menschen dann im Licht dieser Liebe die Umkehr zu anderen Umgangsformen gelingt. Unsere Aufgabe als Predigerinnen und Prediger ist, wie Johannes der Täufer auf Christus zu zeigen. Auf den sollen wir und unsere Hörer schauen. Vor ihm allein können wir alle unsere Verfehlungen bekennen, weil wir nur bei Christus keine Angst zu haben brauchen, nach dem Bekenntnis unserer Sünden in die Pfanne gehauen zu werden. In der Gemeinschaft begnadeter Sünder wird es uns dann gelingen, einander geschwisterlich zu lieben, ja selbst jene zu segnen, die uns das Leben schwer machen. Denn: Ist Christus für uns, wer kann gegen uns sein (Röm 8,31)?Liebe Gemeinde!
Christus fügt uns zu seinem Leib zusammen
Jesus Christus hat uns heute morgen hier in diesem Gottesdienst zusammengebracht. Er war es, der uns hierhergeführt hat. Und nachdem er uns hierhergeführt hat, will er uns zu seinem Leib zusammenzufügen. Christus will uns zu Gliedern seines Leibes machen und sein Blut in unseren Adern fließen lassen. Sein Blut, das vergossen wurde zur Vergebung unserer Sünden.
Uns zum Leib Christi zusammenzufügen, den Blutfluß unter uns in Gang zu bringen und lebendig zu halten – dazu dienen unser Beten, Singen, Hören und Predigen. Der Gottesdienst verbindet uns und ist eine Art Blutbank, auf der uns und unserer Gemeinde das gute Blut Jesu Christi verabreicht wird. Und wenn das Blut Christi kräftig durch uns hindurch rauscht, dann kommen wir in die Gänge, dann werden unser Leben und unsere Gemeinde lebendig.
Vielleicht sind Sie heute morgen trauriger Stimmung. Vielleicht sind Sie mit drückenden Sorgen hierher gekommen. Vielleicht hatten Sie in der vergangenen Woche ein schlimmes Erlebnis. Vielleicht kommen sie ohne große Erwartungen. Vielleicht sind Sie aber auch mit Vorfreude gekommen. Vielleicht sind Sie fröhlich.
In welcher Verfassung Sie auch gekommen sind: Unser Gottesdienst will aus uns allen Glieder am Leib Christi machen. Will uns den Lebenssaft Christi verabreichen. Will uns mit Christi Blutspende neu beleben. Und wenn das geschieht, wenn Christi Lebenssäfte in uns zu fließen beginnen, dann wird unsere Traurigkeit nicht mehr so traurig sein, dann wird unsere Mutlosigkeit überwunden, dann wollen wir unsere Fröhlichkeit nicht mehr für uns behalten, sondern können sie mit anderen teilen. Dann können wir von allem, was wir haben, anderen etwas abgeben. Dann leben wir als wahre Brüder und Schwestern miteinander.
Daß wir heute morgen zu Gliedern am Leib Christi werden, geschieht freilich nicht automatisch. Der Gottesdienst ist kein Freundschaftsautomat und auch kein Trostautomat, in den ich nur hineingehen muß, um auf der anderen Seite mit neuen Freunden und in Superstimmung wieder herauszukommen. Daß wir hier in den Leib und Blutkreislauf Christi hineingenommen werden, passiert nicht automatisch. Aber wir dürfen darauf hoffen und vertrauen, daß Christus uns untereinander verbindet und jedem von uns seine Kraft zukommen läßt. Denn Christus hat uns verheißen: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen, da füge ich sie zusammen zu meinem Leib, da bringe ich in ihnen meine Lebenssäfte in Fluß.
Der Zusammenhang der Glieder am Leib Christi
Durch den Blutkreislauf nun werden alle Teile eines Körpers miteinander verbunden. Die Füße mit den Augen. Der Kopf mit den Händen. Das Herz mit den Zehen. Wie eng alles miteinander zusammenhängt, spüren wir meistens dann, wenn ein Teil unseres Leibes nicht mehr störungsfrei läuft. Ein banales Beispiel: Habe ich Kopfweh, werden meine Bewegungen langsamer, geht meine Konzentration zurück, sinkt meine Stimmung in den Keller. Ein Körperteil arbeitet Hand in Hand mit den anderen. So ist das auch bei Leib Christi, beim Leib seiner Gemeinde. Auch hier hängen alle Glieder miteinander zusammen. Doch der Reihe nach:
Die einzelnen Glieder am Leib Christi sind wir. Und mit dem Lebenssaft, mit der Lebenskraft, die Christus uns gibt, gibt er jedem von uns eine besondere Fähigkeit, eine Gabe. Nach unseren Gaben bestimmen sich dann unsere Aufgaben im Leib der Gemeinde. So teilt Christus dem einen die Gabe des Organisierens zu, einem anderen die Gabe des Redens, einem dritten die Gabe der liebevollen Ermahnung, einem vierten die Gabe des Tröstens. Alle diese Gaben schenkt uns Christus, damit wir sie zum Wohl seines Leibes, zum Wohl unserer Mitchristen einsetzen.
Nun kann man zwar sagen: das Gut-Zuhören habe ich zuhause bei meinen Eltern gelernt. Das Organisieren und das nichtdestruktive Ermahnen habe ich bei meiner Ausbildung gelernt. Das Predigen habe ich im Theologiestudium gelernt. Alles das ist nicht falsch.
Doch so organisieren zu können, daß ein Ablauf zur Zufriedenheit aller klappt. So zuhören zu können, daß sich mein Gegenüber verstanden weiß. So zu mahnen, daß der andere sich angenommen fühlt. So predigen zu können, daß Menschen getröstet werden und mit neuem Mut aus dem Gottesdienst nach Hause gehen – das kann ich nicht aus eigener Kraft. Das kann ich nur dann, wenn Christus mir seine Lebenskraft gibt; wenn Christus das, was ich tue, gelingen läßt.
Die Lebenskraft Christi also macht aus dem, was ich gelernt habe, eine Gabe, die ich zum Wohl der anderen in der Gemeinde Christi einsetzen kann.
Mit meiner Gabe, die Christus mir schenkt, bin ich dann einer, der tatkräftig dabei hilft, den Blutkreislauf im Gemeindeleib am Rauschen zu halten. Mit allen anderen Gliedern des Gemeindeleibes arbeite ich dann zusammen, in Wahrheit und Liebe, in Herzlichkeit und Ehrerbietung. Christi Lebensgeister in mir und in uns machen, daß wir uns der Nöte der anderen annehmen können, daß wir gastfreundlich sein können, daß wir mit den Fröhlichen lachen und mit den Traurigen weinen können. Daß wir eines Sinnes sind und uns selbst nicht für klüger halten als unseren Nachbarn.
Einwand: Wo existiert dieser Leib Christi?
Schön gesagt, werden Sie jetzt vielleicht denken. Doch wo gibt es diese Gemeinde, wo gibt es diesen Leib Christi, in dem sich die Glieder in zuvorkommender Liebe, ja sogar Ehrerbietung begegnen? Gibt es das in unserer Gemeinde hier vor Ort? In unserem Kirchenbezirk? Und darüber hinaus in der weltweiten Ökumene? Wie steht es in unserer Kirche mit der Liebe und mit der Ehrerbietung? Gibt es da nicht sehr oft Streit und Zank? Ist geschwisterliche Liebe da nicht oft ein Fremdwort? Wird da nicht oft nur gerechnet und von Personalführung und Resourcenoptimierung gesprochen?
Eine Frau in unserem Besuchsdienstkreis meinte neulich, unsere evangelische Landeskirche sei doch ein Unternehmen wie jedes andere. Sie müsse sparen, Stellen zusammenstreichen und könne dabei nicht auf Einzelinteressen Rücksicht nehmen. Leider hat jene Frau nicht ganz Unrecht.
Zuweilen läßt sich sogar der Eindruck nicht ganz von der Hand weisen, daß die Sitten in einem modernen Unternehmen noch besser sind als hier bei uns in der Kirche. Jedenfalls wissen moderne Unternehmer, wie wichtig es ist, ihre Mitarbeiter zu motivieren und ihnen mit Wertschätzung zu begegnen.
In unserer Kirche läuft das oft anders. Und was im Blick auf kirchliche Mitarbeiterbeiter abläuft, das passiert auch in anderen Bereichen. Was müssen sich etwa in bestimmten kirchlichen Kreisen Menschen anhören, deren Ehen gescheitert sind? Was müssen sich in Teilen unserer Kirche Menschen anhören, die anders leben als es die Mehrheit der Bevölkerung für richtig hält. Von der Geschwisterlichkeit, gar von der Liebe des Leibes Christi ist in solchen Situationen keine Spur.
Entgegnung: Mißstände sprechen nicht gegen die Präsenz dieses Leibes
Doch alle diese Mißstände in unseren Kirchen werden Christus niemals von seinem Entschluß abbringen, uns immer wieder zu seinem Leib zusammenzufügen, in uns immer wieder sein Blut, seine Lebenskraft pulsen zu lassen.
Streit und Tränen in der Kirche sind darum lediglich ein Zeichen dafür, daß der Blutkreislauf Christi ins Stocken geraten ist. Daß manche Glieder am Leib mit Blut unterversorgt sind. Und daß Christus hier eingreifen muß und den Blutfluß in seinem Leib neu in Gang bringen muß. Denn bei allem Leid in der Kirche und bei allem Leiden an der Kirche gilt: Die Kirche ist nicht unser Verein oder das Unternehmen von Pfarrerinnen und Pfarrern. Die Kirche ist und bleibt der Leib Christi. Christus sorgt für sie. Er ist es, der seiner Kirche Lebenskräfte gibt, der ihr sein Blut spendet und ihren Blutkreislauf ins Fließen bringt. Immer wieder neu.
Christus stiftet seinen Leib immer wieder neu
Christus bietet uns seine Blutspenden täglich aufs neue an. Sein Blut, das uns neuen Sauerstoff, neuen Geist zum Atmen und zum Beten gibt, müssen wir nur in Empfang nehmen. Christus ist ein großzügiger Geber. In jedem Gottesdienst reibt er uns seinen Lebenssaft unter die Nase. Damit wir uns von süßen Duft dieses Saftes verzaubern lassen und fortan nicht mehr ohne diesen Duft leben wollen.
Und wer sich die Blutspende Christi gefallen läßt, wer sich in den Leib Christi hineinnehmen läßt, wem die Lebenskräfte Christi zuteil werden, der braucht dann keine Angst mehr zu haben vor seinen eigenen Fehlern. Der braucht die Sünden seines Lebens nicht mehr zu kaschieren. Der kann zu dem stehen, was er falsch gemacht hat.
Denn wer ein Glied am Leib Christi geworden ist, der ist frei und lebt mit versöhnter Schuld. Und der kann fröhlich sein in Hoffnung, beharrlich im Gebet und geduldig in Trübsal. Denn auch das dürfen wir nicht übersehen: Gliedsein am Leib Christi heißt nicht, ein Leben ohne Sorgen und Trübsal zu führen. Gliedsein am Leib Christi heißt, einen Halt zu haben, heißt: Christus zu gehören, der da ist und der mich begleitet durch Trauer und Leid. Und der mich in eine Gemeinschaft von Geschwistern stellt, die in Liebe und Herzlichkeit miteinander umgehen, die sich mit mir freuen und die mit mir weinen.
Bitten wir darum Christus, daß er uns zu seinem Leib zusammenfüge und in uns und zwischen uns seinen Lebenssaft fließen lasse.
Amen