Leben im Heute Gottes

Wort Gottes - heilsames, klärendes Wort

Predigttext: Hebräer 4, 12-13
Kirche / Ort: Providenz-Kirche / Heidelberg
Datum: 15.02.2004
Kirchenjahr: Sexagesimae (60 Tage vor Ostern)
Autor/in: Pfarrer Heinz Janssen

Predigttext: Hebräer 4,12-13 (Übersetzung nach Martin Luther, revidierte Fassung 1984)

12 Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. 13 Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.

Zum Predigttext und zur Predigt

I. Kontext der Perikope: Die beiden Verse Hebräer 4,12-13 beschließen den Abschnitt (3,7-)4,1-13 sowie den ersten Hauptteil des Hebräerbriefes. Thema ist die dem Gottesvolk gegebene Verheißung des „Eingehens in die Ruhe Gottes“ und die Gefahr, diese Verheißung wie die erste Wüstengeneration des Gottesvolkes zu verspielen (vgl. Hebr 12,15). Die Verwurzelung des Abschnittes im Ersten Testament ist deutlich (Bezug auf Ex 33,14 in V. 1; Zitat Ps 95,11 in V. 3; Zitat Gen 2,2 in V. 4; Zitat Ps 95,7f. in V. 7; Bezug auf Dtn 31,7 und Jos 22,4 in V. 8; Anspielung auf Ex 17,1-7 in V. 8; Bezug auf Num 14 in V. 10f.; 3,7-4,11 = Midrasch zu Ps 95,7-11) und für den ganzen Hebräerbrief von besonderer Bedeutung. Die Formulierungen „Unglaube“, „Abfall“ vom „lebendigen Gott“, „Ungehorsam“ in V. 1 – 13 nehmen Num 14 auf. Für den gesamten Hebräerbrief gilt: „Neben den ca. 35 wörtlichen Textzitaten finden sich ca. 80 Anspielungen auf atl. Textstellen“ (U. Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, 2. Aufl., Göttingen 1996 (= UTB 1830), S. 429). Was wir im Deutschen mit „Ruhe“ übersetzen, ist in der Hebräischen Bibel menucha. Es ist keine Totenstille, sondern eine schöpferische, eine kreative Ruhe Gottes, die festliche Sabbatruhe (vgl. Gen 1). Mir fällt die Inschrift auf den Kreuzen ein, die für die Verstorbenen auf den Gräbern errichtet werden: „Hier ruht in Gott“. In V. 8 interpretiert der (uns unbekannte) Verfasser: Jesus (=Josua) konnte das Gottesvolk noch nicht zur Ruhe bringen; die Hineinführung ins Gelobte Land war noch nicht die vollkommene Erfüllung der Verheißung. Aber „es ist noch eine (Sabbat-)Ruhe vorhanden“ – der Verfasser des Briefes ruft mit Worten aus Psalm 95 eine müde, Gemeinde, die nichts mehr von der Lebendigkeit und Kraft des Wortes Gottes empfindet (vgl. Hebr 5,11 „schwerhörig“; 6,11.12 „träge“; 10,25 nachlassender Gottesdienstbesuch), in das Heute Gottes (unbekümmert wird das „Heute“ „ohne Rücksicht auf die Entstehungszeit des Psalmes auf die gegenwärtige christliche Gemeinde bezogen“, Strathmann, 93): „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstocket eure Herzen nicht“ (V. 7) – „So wollen wir uns also eifrig bemühen, zu jener Ruhe zu gelangen…“ (V. 11). Das Nichthören auf das Wort Gottes und der Unglaube verunmöglichen das Eingehen in die verheißene Ruhe. Der Unglaube und das Nichthören auf das Wort Gottes und seine Gebote waren es auch, die das Schicksal der Wüstengeneration begründeten. Deren Ergehen soll eine Warnung an die gegenwärtige Gemeinde sein. Darum gilt es, von neuem die ganze Aufmerksamkeit darauf zu richten. Die Erinnerung an die Magnalia Dei (vgl. V. 3) kann zu neuem Vertrauen und zu neuer Glaubenszuversicht auf Gott helfen, der auch heute noch Wunder wirkt – dies zu vermitteln, liegt dem Verfasser am Herzen. Die Vv. 12-13, unsere Perikope, wie der ganze Brief ein logos taes paraklaeseoos (vgl. Hebr 13,22), begründen den Aufruf mit der Fülle des Lebens (vgl. Apg 7,38 und 1. Petr 1,23), die in dem Wort Gottes pulsiert, und mit seiner Kraft – „Denn das Wort Gottes ist voller Lebendigkeit und Kraft…“. Zur Art und Weise, wie und mit welcher Wucht in V. 13f. vom Wort Gottes geredet wird, sind aus dem Ersten Testament die Stellen Gen 1 (das schöpferische Wort); Jes 49,2 (vgl. Weish. Sal. 7,22; 18,14); Jer 23,29 wichtig und erhellend. Zur umstrittenen Verfasserfrage des Hebräerbriefes: „Für das theologische Verständnis der Schrift ist die Verfasserfrage unerheblich, der theologisch gewichtige Inhalt des Hebr spricht für sich selbst“ (U. Schnelle, a. a. O., S. 421). II. In der Predigt versuche ich, anhand eines Weges durch die Bibel zu entfalten, was es bedeutet, wenn darin vom Wort Gottes die Rede ist. Ich beziehe eine kleine Umfrage (Straßeninterview) ein: „Was bedeutet für Sie/Dich persönlich das Wort Gottes?“ Vertrautheit und Widerständigkeit des Wortes Gottes will ich reflektieren – die Widerständigkeit besonders im Hinblick auf den ungewöhnlichen Vergleich des Wortes Gottes mit einem zweischneidigen Schwert. Hervorheben möchte ich: Das Wort Gottes ist Ausdruck der heilsamen Zuwendung und Nähe Gottes. Hier gehe ich auf die Bibelworte ein, die uns bei Taufe, Konfirmation, Trauung und zuletzt am Grab ganz persönlich zugesprochen werden; einige Beispiele unter Begleitung durch leise meditative (Orgel-)Musik werden genannt.

Literatur:

H. Strathmann, Der Brief an die Hebräer, in: NTD 9, Göttingen 1963, S. 92-97. – A. Strobel, Der Brief an die Hebräer, in: NTD 9, 1. Aufl., Göttingen 1975 (= 4. Aufl., 1991), S. 118 – 120. - G. v. Rad, Es ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volk Gottes (ThB 8, 3. Aufl., München 1965, S. 101 – 108)

zurück zum Textanfang

Liebe Gemeinde!

Vom WORT GOTTES handelt dieser kurze Ausschnitt aus dem Hebräerbrief. Es gab offensichtlich Anlass, die Eigenart des Wortes Gottes näher zu beschreiben, den Menschen in den ersten christlichen Gemeinden, die bald an seiner Wirkung zweifelten, sein Wesen in Erinnerung zu rufen.

Wegen dieses Wortes Gottes kommen wir zusammen, in der Kirche, im Bibelgesprächskreis, im Konfirmandenunterricht, in den Veranstaltungen der Evangelischen Erwachsenenbildung und anderen kirchlichen Foren. Das Wort Gottes ist unbestreitbar der tragende Grund unserer Kirche, unseres Glaubens, unseres Christseins.

I.

Bedenken wir einige mehr oder weniger geläufige Definitionen: Das Wort Gottes – das ist die Bibel, die “Heilige Schrift”, das Wort Gottes – das ist der Wille Gottes, das sind seine Gebote, die Thora, das Wort Gottes – das ist die Botschaft des Evangeliums, das Wort, ja das eine Wort Gottes – das ist Jesus Christus (so die Formulierung in der Theologischen Erklärung von Barmen).

Aber was bedeutet uns das Wort Gottes? Erleben wir es tatsächlich so lebendig, kräftig, scharfgeschliffen? – “Es ist ein Wort ergangen”, heißt ein Lied, das mich in meiner Konfirmandenzeit stark berührt hat, und es gehört noch heute zu den Liedern meiner besonderen Wahl: “Es ist ein Wort ergangen, das geht nun fort und fort, das stillt der Welt Verlangen wie sonst kein ander Wort” (EG 586,1, Regionalteil Baden, Elsass und Lothringen, Pfalz).

Hören wir die Melodie (Orgelchoral).

Ich fragte einige Personen, was für sie persönlich das Wort Gottes bedeutet: “Ich begreife es für mich als Leitfaden” – so eine der Antworten eines Erwachsenen, “Ich verstehe es als Hilfe fürs Leben” – so die Antwort eines Jugendlichen.

In der Schöpfungsgeschichte am Anfang der Bibel hören wir von dem schöpferischen Gotteswort: “Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht” (1. Mose 1, 3) – und am Anfang des Johannesevangeliums heißt es: “Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort” (Johannes 1, 1). Anregend das Nachdenken darüber in Goethes Faust: “Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, ich muß es anders übersetzen”, und er übersetze es zuerst mit “Sinn”, dann mit ” Kraft” und schließlich mit “Tat”.

Für den Propheten Jeremia war das Wort Gottes wie ein köstliches Mahl: “Dein Wort ward meine Speise, sooft ich’s empfing, und dein Wort ist meines Herzens Freude und Trost…” (Jeremia 15, 16) Der Prophet Ezechiel berichtet von seinem visionären Berufungserlebnis, in dem er die Schriftrolle mit der zu verkündigenden Botschaft essen und damit in sein Inneres aufnehmen sollte (Ezechiel 2, 8 – 3, 3): “Sie war in meinem Munde so süß wie Honig” (3, 3).

Der betende Mensch des 119. Psalms bringt seine Beziehung zum Wort Gottes so zum Ausdruck: “Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege” (Psalm 119, 105)

Aus dem Buch des Propheten Jesaja hören wir die prophetische Stimme über die Wirksamkeit des Wortes Gottes. Der Prophet vergleicht es mit dem Regen und Schnee, die nicht ohne Wirkung bleiben und das Wachstum auf der Erde fördern: “…so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende” (Jesaja 55, 10f.).

II.

In unserem Predigttext stehen die Aussagen über das Wort Gottes als Begründung eines Aufrufs, darum bemüht zu sein, zu der verheißenen (noch ausstehenden Vers 9) “Ruhe Gottes” zu kommen, und der damit verbundenen Warnung, wegen Ungehorsam gegenüber dem “Wort der Predigt” (4, 2) zu Fall zu kommen (Hebräer 4, 11). Der Verfasser des Hebräerbriefes betont: An dem Ungehorsam gegenüber dem Wort Gottes scheiterten schon die israelitischen Generationen während der Wanderung durch die Wüste (Vers 5f.). Gott hat aber in seiner Geduld nocheinmal “einen Tag” bestimmt, ein “Heute” und spricht: “Heute wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht”. Das Wort Gottes ist, wie wir aus dem Zusammenhang des Briefes erfahren, sein Wort der Verheißung.

Darum ist das Wort Gottes nicht ohne weiteres mit unserer “inneren Stimme” gleichzusetzen. Dies betont eine weitere Antwort im Rahmen meiner kleinen Umfrage: “Das Wort Gottes kommt von außen, ich kann es mir nicht selbst sagen”. Als solches ist das Wort Gottes unverfügbar (CA 5). Es geht seinen Weg, öffnet sich in eigener Kraft Türen (1. Korinther 16, 9; 2. Korinther 2, 12; Kolosser 4, 3; Apokryphen 3, 8) Gott selbst, nicht wir, gibt dem Wort seine Wirkung.

Aber erleben wir nicht auch die Fremdheit des Wortes Gottes, die Widerständigkeit und Schroffheit so mancher biblischer Aussagen? Das biblische Volk Israel hat die Botschaft seiner Propheten meist so erlebt.

Der Vergleich des Wortes Gottes in unserem Predigttext mit einem zweischneidigen Schwert und die Betonung, dass das Wort Gottes noch schärfer ist, mag zunächst fremd und geradezu bedrohlich klingen.

Heilung mit Worten, die Schwertern gleichen, Kampf bedeuten und damit auch Verletzung oder sogar Tod? Wortgefechte? – Wie soll ich den Vergleich des Wortes Gottes mit einem Schwert verstehen? Der Briefautor umschreibt damit die durchdringende, scheidende, entscheidende und aufdeckende Kraft, die Heilung, unsere Heilung, bewirken will.

Wenn wir angefochten sind, wenn wir mit Herz oder Verstand gegen das fechten, was uns durcheinander bringen will – zum Beispiel Täuschungen, Bösartigkeiten, die Traurigkeiten unseres Lebens, brauchen wir das klärende Wort, das Wort, das uns Klarheit gibt, das deutlich scheidet und trennt. Ebenso brauchen wir das klärende Wort in gesellschaftlich relevanten Fragen, denken wir an die Bioethikkonvention, wenn in diesem Übereinkommen die Forschung an nichteinwilligungsfähigen Personen nicht in ausreichender Weise eingegrenzt ist.

III.

Das Wort Gottes ist ein klärendes Wort. Gott braucht unsere Ohren, Herz und Sinne, um auf sein klärendes Wort und Orientierung gebendes Gebot zu hören. Ein offenes Ohr und Herz für Gott und sein Wort wünscht uns der Wochenspruch – Worte aus dem Kapitel, aus dem auch unser Predigttext stammt: “Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, verstockt euer Herz nicht” (Hebräer 4, 7).

Damit wird deutlich: Das Wort Gottes ist Ausdruck der Zuwendung, der Nähe Gottes, die uns heilsam verändern will. Das feiern wir im Heiligen Abendmahl, im “Mahl der Gnade”. Gott will durch Jesus Christus mit mir Verbindung aufnehmen, will bei mir ankommen. Es hat einen tiefen Sinn, wenn die katholischen Christen im Zusammenhang mit dem Heiligen Abendmahl von Kommunion (Gemeinschaft), Wandlung (heilsam verändernde Kraft) und Eucharistie (Dank) sprechen.

Uns ganz persönlich zugesprochene Worte Gottes hören wir bei unserer Taufe, am Tag unserer Konfirmation, als Trauspruch und zuletzt am Grab. Das Wort Gottes will uns begleiten und heilen.

Hören wir noch einige Worte aus der Bibel (verschiedene SprecherInnen, dazu leise Orgelmusik mit einer Intonation zu “Laudate omnes gentes” EG 181.6):

So spricht Gott: Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir…

ER hat seinen Engeln befohlen über dir, daß sie dich behüten auf all deinen Wegen.

Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln…

Jesus Christus spricht: ich bin das Licht der Welt…

Selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren…

(Orgelmusik klingt aus)

Welcher Zuspruch war oder ist heilend für Dein Leben?

(Orgelmusik setzt wieder leise ein und hilft zum Nachdenken)

Rufen wir mit dem Lied “Laudate omnes gentes”/ “Lobsingt, ihr Völker alle” zum Lob Gottes auf, dankbar für das Wort Gottes, das ein heilendes Wort ist – und beten wir mit dem Propheten Jeremia: “Heile mich, HERR, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.

Amen.

zurück zum Textanfang

Ihr Kommentar zur Predigt

Ihre Emailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert.