„Ein lieblicher Geruch“ oder: Kirche, die den Namen des Vaters im Himmel heiligt
Jesu Ruf, Gottes Nachfolger zu werden als sichtbare Zeichen der Liebe Gottes
Predigttext: Epheser 5,1-8 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn ihr sollt wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das sind Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Lasst euch von niemanden verführen mit leeren Worten, denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis, nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.Exegetische und homiletische Vorbemerkungen
Im Text, aus dem paränetischen Teil eines nachpaulinischen Briefes, ist die Aufforderung zentral, Nachahmer Gottes zu werden. Die jungen Christen fühlen sich ganz nah bei Gott stehend, sie sind Gottes geliebte Kinder. Daraus folgt die Verpflichtung, nach der Weise Gottes zu wandeln, also seiner Liebe in Leben und Handeln zu entsprechen. Der Verfasser hält es für möglich, Gottes Beispiel (so die moderne Lutherübersetzung) zu folgen. Den gleichen Gedanken, nur noch pointierter formuliert, finden wir in der Bergpredigt, wie sie Matthäus überliefert. Dort mutet Jesus seinen Jüngern zu, vollkommen zu sein, wie es der Vater im Himmel ist (5,48). Auch hier ist die Ermahnung auf die Kindschaft der Christen bezogen, denen der himmlische Schöpfer ein liebender Vater sein will. Ich setze in der Predigt mit diesem Jesuswort ein, um die Provokation sowohl des Zuspruchs wie des Anspruchs zu unterstreichen. Dass es bei dieser Rollenerwartung Parallelen zwischen der Lage der jungen Christen im heidnischen Umfeld und unserer heutigen nachchristlichen Gesellschaft gibt, ist naheliegend. Vers 8 wird ganz in den Predigttext aufgenommen, denn auch da leuchten Worte Jesu aus der Bergpredigt hinein: „Ihr seid das Licht der Welt... So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Matth. 5,14.16) . Es geht um die Bewährung der Kinder Gottes, die dem Vater im Himmel Ehre machen sollen, damit sein Name geheiligt werde. (Literatur: Heinrich Schlier, Der Brief an die Epheser, 4. Aufl., Düsseldorf 1963)Psalm:
Psalm 34Lieder:
Erneure mich, o ewigs Licht, EG 390.- Tragt in die Welt nun ein Licht, EG 588 Anhang Hessen.- O Christe, Morgensterne, leucht uns mit hellem Schein, EG 158I.
In der Predigt Jesu auf dem Berge, wie sie der Evangelist Matthäus überliefert, steht ein Wort, dass einem Christen, wenn er es denn versucht ernst zu nehmen, einen Schauder über den Rücken laufen lässt. Nachdem Jesus die alten Gebote neu ausgelegt und bis zur Liebe auch dem Feind gegenüber radikalisiert hat, zieht er das Fazit: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“
Im Grunde geht es schon über unser Begreifen, dass der, der Himmel und Erde geschaffen hat, mit uns in persönlicher Verbindung stehen soll. Himmel und Erde haben für uns im Großen wie im Kleinen, im Makrokosmos wie im Mikrokosmos eine unvorstellbare, unendliche Ausdehnung. Und nun soll der, auf den das alles zurückgeführt wird, gar unser Vater sein und wir seine geliebten Kinder. Wir sind zwar von klein auf gelehrt, das Gebet Jesu zu beginnen mit „Unser Vater im Himmel“. Aber steht uns damit wirklich der Schöpfer von Milliarden von Welten vor Augen? Die Menschen damals – wenn wir mal von Ephesus ausgehen – hatten in ihrer Stadt eine große Bibliothek, darin viele Werke, die dem Grund der Welt nachsannen, den Elementen, aus denen sie gefügt ist. Nach Lukas zitiert Paulus auf dem Areopag in Athen die Philosophen mit dem Satz „Wir sind seines Geschlechts“ (Apg 17,28).
Aber sind wir mit solchen Worten bei dem Gott, der unser Vater sein will? Jesus Christus, der uns geliebt und sich selbst für uns gegeben hat, er hat das seiner christlichen Kirche, er hat es uns, die wir uns Christen nennen, gebracht: Ihr seid des Weltenschöpfers geliebte Kinder, ihr dürft ihn als Vater anrufen und davon ausgehen, dass er euch sieht, euch behütet, euch lenkt wie ein Vater seine Kinder. Er ist der Vater, der nach den Worten der Bergpredigt Jesu die Vögel unter dem Himmel nährt, das Gras auf dem Felde festlich kleidet, der weiß, was ihr braucht, ehe ihr überhaupt zu ihm betet.
II.
Als die geliebten Kinder, so dürfen Christen leben und Gott vertrauen. Denn sie haben die Liebe des einen, des über alles geliebten Kindes Gottes erfahren. So sagt es unser Text und hebt darauf ab, dass dieser Jesus mit seinem Leben dafür eingestanden ist, dass er sein Leben gegeben und damit den Namen des Vaters geheiligt hat. Hier wird vom lieblichen Geruch gesprochen, der vom Opferaltar zur Höhe Gottes heraufströmt.
Jesus hat nicht nur den Vater im Himmel verkündet, er hat sich diesem Vater anvertraut, er hat für diesen Vater gelebt, sich seinem Willen unterworfen und sein kommendes Reich vor Augen gehabt. Was das in letzter Konsequenz für ihn bedeutete, das haben wir wie jedes Jahr besonders in der Passionszeit vor Augen: Jesu Kreuzestod als der Gehorsam des Sohnes, der mit seinem Opfer den Vater verherrlicht und uns zu Schwestern und Brüdern gewinnt, die er an seinen Tisch lädt.
Das Kreuz Jesu ist zum Zeichen der Liebe Gottes geworden. Es ist die von Christus gepredigte, gelebte und im Tod bewährte Liebe. Es ist die Liebe, die auch den Feind einschließt. Es ist, weil Jesus sich auf Gott berufen darf, die Liebe Gottes und damit eine Liebe, die grenzenlos alles und uns alle umfängt. Christen, die um die unvorstellbare Größe Gottes wissen und auch für sich das Gebot des ersten Bundes gelten lassen, dass von ihm kein Bildnis noch Gleichnis gemacht werden darf, haben es doch gewagt, Gott mit dem einen Wort zu definieren: Liebe. „Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1.Joh 4,16).
III.
Von dieser Liebe leben wir. Aber dieser Liebe sollen wir nun auch entsprechen! So seid nun Gottes Nachahmer. In der Originalausgabe der Lutherübersetzung von 1545 heißt es noch deutlicher: Werdet Gottes Nachfolger. Unsere heute gültige Übersetzung klingt mir ein wenig harmloser: So folgt nun Gottes Beispiel. Es ist mehr intendiert. Wir sollen Gott ähnlich werden. Wir, die wir nach dem Bilde Gottes geschaffen sind, sollen vollkommen sein, wie der Vater im Himmel vollkommen ist. Wenigstens in der Liebe. Aber was heißt wenigstens! Was für ein großes Wort ist die Liebe. Die Liebe Gottes! Und wie groß könnte sie unter uns sein, die Liebe der Menschen, die Gottes Nachahmer werden!
Unser Predigttext weiß um die Schwierigkeiten, die uns das bereitet. Und er wechselt in kleine Münze. Er beginnt auch noch negativ, beschreibt, was nicht sein soll. Keine Unzucht, keine Unsauberkeit aller Art, keine Habsucht. Davon soll man nicht einmal hören. Die Kinder Gottes werden doch die Heiligen genannt. Darum ziemt ihnen auch kein albernes und zweideutiges Geschwätz, kein schandbares, närrisches und loses Reden.
Hier wird Menschen ins Gewissen geredet, die sich gerade aus einer zutiefst lockeren Gesellschaft gelöst hatten. Man braucht nur die Hinterlassenschaft eines Ortes wie Pompeji zu betrachten, über den Feuer und Schwefel niederging wie einst über Sodom und Gomorra. Man zeigt heute gern die dort gefundenen Beispiele antiker Pornographie und weiß beredt von den Wohlstandzuckungen des römischen Staates zu berichten, der schließlich ausgelaugt den Germanen zum Opfer fiel, zugrundegegangen doch auch am Verlust aller sittlichen Maßstäbe.
Wir wollen nicht vorschnell parallelisieren, aber dass wir nicht in einem Land leben, in dem kantische Verantwortung letzter Maßstab ist oder gar christliche Solidarität und Nächstenliebe, das ist auch für uns offenkundig. Das Zweite Reich war gewiss kein christliches Gemeinwesen, aber das sogenannte Dritte lehrte schon in seiner Ideologie nichts anderes mehr als den eigenen Vorteil, dem eine ganze Welt zum Opfer gebracht werden sollte. Es mochte noch sosehr die Vorsehung zitieren, den Vater im Himmel konnte es nicht anrufen, denn es achtete nicht die Kinder, die der Vater lieb hatte, es verachtete sie zutiefst, angefangen bei seinen ersten Söhnen und Töchtern, den Juden.
IV.
Sie hatten kein Erbteil im Reich Christi und Gottes. Aber wer hat das? Wir möchten schon Kinder des Höchsten sein und uns auf die Wohnungen in der Stadt Gottes freuen. Doch wir wissen auch, wie verlockend uns alle Reiche dieser Welt ihre Bürgerschaft antragen. Christen sollten sich bewusst bleiben, hier Gäste und Fremdlinge zu sein und der Gier nach Macht und Reichtum, dem Neid und der Habsucht widerstehen. Kind Gottes zu sein, ist das nicht mehr als alles andere?
Als die Christen sich im Römischen Reich eingerichtet hatten und nicht mehr verfolgt wurden, da währte es nicht lang, dass sie mit den Wölfen heulten. Sie übten Gewalt und brachten andere Menschen für sich zum Opfer dar. Sie ließen sich Kronen aufsetzen, die mit den Kronen dieser Welt vergleichbar waren. Sogar eine dreifache Krone, die Tiara, prangte auf dem Kopf dessen, der sich Haupt der Christenheit nennen ließ. Es entstand eine Kirche, die ihre Gegner verbrannte, ihre jüdischen Brüder wie die Heiden verfolgte und Gewalt in das Heilige Land trug. Eine solche Kirche hat den Namen des Vaters im Himmel nicht geheiligt. Nicht Kinder Gottes sondern „Kinder des Ungehorsams“ nennt unser Bibeltext die, die ihr Erbe verspielen.
V.
Aber lassen wir das. Es ist gut, dass der Kirche die Gewalt aus den Händen genommen ist. Christen müssen nicht mit den Mächtigen paktieren und sind auch nicht mehr der bestimmende Teil der Gesellschaft. Gewiss würden wir uns freuen, wenn diese Gesellschaft sich auf ihre christlichen Wurzeln wieder mehr besinnen könnte. Nur wäre es schön und wichtig, wenn wir Christen wieder das werden, was die junge Christenheit doch trotz allen einmal gewesen ist: ein sichtbares Zeichen der Liebe Gottes.
„Weil sie sich so lieb haben“, darum eroberten die Jünger Jesu nachdem Zeugnis der Zeitgenossen den damaligen Erdkreis. Es haben zu allen Zeiten Menschen als Kinder Gottes gelebt. Sie haben auf Gott vertraut und sie haben Liebe in die Welt gebracht. Sie waren Nachahmer Gottes und sie waren, wie Jesus es ihnen auch in der Bergpredigt aufgetragen hat, Licht in der Welt; ein Licht in dem Herrn, so formuliert unser Text, ein Licht, das die Welt hell und lebenswert macht.
„Ihr seid das Licht der Welt… So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Mag da viel Versuchung, mag da viel Abgleiten hin zu denen sein, die uns als ihre Mitgenossen bei Ruhmsucht und Habsucht haben wollen, es gibt sie, die Liebe Gottes, und es wäre schön, wenn sie auch uns immer mehr erfüllt.
VI.
Erfüllt hat sie vor allem den einen, von dem wir jeden Tag lernen müssen, das Kind Gottes, den eingeborenen Sohn des Vaters. Er hat den Versuchungen widerstanden, er hat keine Abstriche gemacht an den Geboten, er war gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.. Da wo es in seiner Kirche und bei jedem von uns immer wieder dunkel wird, da ist er das Licht der Welt, in dem die Liebe aufleuchten und die Christen erfüllen kann. Und so können dann viele kleine Lichter leuchten und die Finsternis durchdringen.
Nein, wir haben das Licht nicht in uns selbst, wir können es nicht erzeugen, aber wir sind – ich zitiere noch einmal – Licht in dem Herrn. Und darum sind es nicht schöne Worte, die wir wie so vieles in den Wind schlagen, sondern es ist eine Aufforderung, die einen guten Grund hat: Ihr seid Licht in dem Herrn – lebt als Kinder des Lichts! Auf diesem Grund müsste es eigentlich für uns ganz leicht sein, auch zum Lichtträger zu werden.
VII.
Wenn wir uns immer noch schwer tun, vielleicht gibt dann unser Text eine kleine Hilfestellung. Wir haben sie bisher überlesen. Wir werden gewarnt vor schandbaren und närrischen oder losen Reden, und danach kommt plötzlich ein positiver Hinweis: „sondern vielmehr Danksagung“!
Das ist es was helfen kann, dem ungeheuren Anspruch auf Vollkommenheit, wie sie den Vater im Himmel auszeichnet, näher zu kommen. Wenn wir ihm danken. Es ist ganz einfach. Wir können uns jeden Tag vergewissern, das wir sein Kind sind, indem wir für die Gaben des Tages danken. Dieser Dank bestärkt uns in unserem Kindsein, wir nehmen uns den Vater und seinen Sohn zum Vorbild, wir geben die Liebe, von der wir leben, liebend an andere weiter.
Es ist der eigentliche Schaden, an dem die Menschen – zur Zeit besonders – aber leider auch wir Christen leiden: Wir sind undankbar. Auch da wo wir beten, steht oft das Habenwollen, die Bitte an erster Stelle. Aber nur wenn wir mit dem Danken beginnen, heiligen, verherrlichen wir den Namen des Vaters. Jesu Gebet beginnt mit solcher Bitte und endet mit dem Lobpreis dessen, dem das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit zukommt. Die dankbar nehmen, was er hier schon gibt, freuen sich auf sein Reich und bergen sich in seinen Willen. Sie sind mit dem täglichen Brot zufrieden, wissen um ihre Schuld, können darum auch dem Feind vergeben, werden vor Versuchung bewahrt und von allem Bösen erlöst. Sie sind Kinder des Vaters und leben in der Liebe, die sie in Christus vor Augen haben.