Wer bin ich? Welche Wege soll ich gehen?

Ein alter Brief über Liebe, Opfer, finstere Werke und lichte Aussichten

Predigttext: Epheser 5, 1-8
Kirche / Ort: Johannes-Brenz-Kirche, Melanchthonkirche / Fellbach
Datum: 14.03.2004
Kirchenjahr: Okuli (3. Sonntag der Passionszeit)
Autor/in: Pfarrerin i. R. Stefanie Schäfer-Bossert

Predigttext: Epheser 5,1-8a (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder 2 und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. 3 Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. 4 Auch schandbare oder närrische oder lose Rede stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. 5 Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das sind Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. 6 Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten, denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. 7 Darum seid nicht ihre Mitgenossen. 8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.

Vorbemerkung

Es fällt der über Implikationen einer überstrapazierten Sühnetheologie aufgeklärten Theologin nicht sofort leicht, singen zu lassen „für unsre Sünden musstest du bezahlen“ (EG 96,2). Doch ich halte die damit verbundene Aufforderung zur Selbstkritik und Vergebungsfähigkeit für eine der wichtigen Seiten der Kreuzestheologie (vgl. EG 96,3). Da die Perikope aus dem Opfer Jesu ganz konkrete Schlüsse zieht, lässt sich mit ihr das Kreuzopfer sehr konstruktiv predigen. Rudolf Bultmann hätte an der in dieser Predigt unternommenen „Entmythologisierung“, sprich am Abschälen und historischen Verorten der Opfervorstellungen biblischer Zeit, vermutlich seine Freude gehabt. Die wirkungsgeschichtlich problematischen Implikationen der Opfertheologie werden bearbeitet, und dies mit dem Text und seiner Aussageabsicht, in den Schritten, die der Text ebenfalls geht (Die Predigt ist also durchaus eine Homilie): Grundlegung: Gottes Liebe (1,2a) Opfer: aus Liebe, aber in Jesus ist das totale Selbstopfer überwunden (2) Wider die Vernutzung anderer Menschen (3) Wider falsche/s Reden (4.6) Im Licht (8) Dazu werden die Fremdheit des Textes und auch der Lutherübersetzung bewusst stehengelassen, um den Transfer ins „Heute“ als Übersetzungs-Akt sichtbar zu machen – auch damit sollen manche Opfertheologien als „Vergangenheit“ hinter sich gelassen werden. Die „Kinder des Ungehorsams“ werden freilich weniger explizit dingfest gemacht, auf dass sie nicht in diversen „anderen“ gefunden werden können. Sie werden in Verhaltensweisen umgesetzt, die wir alle an den Tag legen können, und so V5.7. implizit aufgenommen. - „Die Morologia auf Schwäbisch“ lasse ich in Klammern für diesen Sprachraum stehen, anderen sei stattdessen der „Quatsch“ empfohlen oder die Übersetzung in ein eigenes Idiom. –

Zur Liturgie

Vorausgesetzt ist: Psalm 121 und das Wochenlied EG 96, 1-4 Du schöner Lebensbaum des Paradeises. Weitere Vorschläge: Schriftlesung: Markus 12,41-44 Scherflein der Witwe Lied nach der Predigt: EG (Regionalteil Württemberg) 650,1-3: Liebe ist nicht nur ein Wort Schlusslied: EG 295,1-4 Wohl denen, die da wandeln vor Gott in Heiligkeit

Literatur:

Das Gilgamesch-Epos hg. von Hartmut Schmökel, Stuttgart u.a.1985, zit S. 103. Frauen Magdalenen Sibyllen Riegerin/ gebohrner Weissenseein/ Eigner Lebens-Lauff, Auf Bittliches Ersuchen Vertrauter Freunde/ Von ihr selbst Poetisch entworffen, in: Frauen Magdalenen Sibyllen Riegerin, gebohrner Weissenseein, Versuch Einiger Geistlichen und Moralischen Gedichte, in den Druck übergeben, und mit einer Vorrede begleitet von Daniel Wilhelm Triller, Franckfurt am Mayn, Bey Frantz Varrentrapp, MDCCXXXXIII (1743), S. 161-198, zit. 163. Das Gedicht von Walter Jens ist dem EG Württemberg entnommen, S.749.

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Ein alter Brief für uns

Liebe Gemeinde, das Wochenlied hat uns gerade daran erinnert, dass wir, auch als Christinnen und Christen, nicht gerade Unschuldslämmer sind, und dass wir immer wieder die Kraft brauchen, zu vergeben, wenn wir Unrecht erleben – aber nicht als Schlachtlämmer, sondern um allen, uns selbst eingeschlossen, dazu zu helfen, dass man mit den anderen nicht auch sich selbst verfehlt, sondern Frieden findet, auch hier und jetzt schon. Nicht als Heilige im Sinne einer unirdischen Verklärung, sondern, ganz in alttestamentlichem und urchristlichen Sinn, als die, die versuchen, etwas von Gottes Wirklichkeit in die Welt leuchten zu lassen. Mit anderen Worten sagt dies auch unser heutiger Predigttext. Er steht im Epheserbrief und stammt zwar nicht von Paulus, aber aus den ganz frühen christlichen Gemeinden, es sind die Verse 1-8 im 5. Kapitel.

(Verlesung des Predigttexts)

Liebe Gemeinde, das ist ein Brief, geschrieben von einer christlichen Gemeinde an die anderen christlichen Gemeinden, durch die Zeiten bis zu uns. Ein fast 2000 Jahre alter Brief, und so möchte ich ihn nun mit Ihnen lesen, als ein Zeugnis, das in der Sprache seiner Zeit redet, und das wir in der Sprache der Lutherzeit haben – übersetzen wir es, setzen wir es über in unser Heute. Der Anfang ist gleich eine Grundlegung: „Lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat.“ Als Beispiel Gottes wird uns das vor Augen gemalt, als etwas, wo wir Gott gleich sein dürfen, zumindest hier kann keine Religionskritik sagen, man werde kleingemacht!

Wer bin ich?

Das ist einfach eine schöne Antwort auf die Frage, die man sich immer wieder stellt: Wer bin ich eigentlich? Der Brief an die Epheser und an uns behandelt solche Fragen: Wer bin ich? Welche Wege soll ich gehen? Am Anfang also eine Antwort. Magdalena Sibylla Riegerin geb. Weissenssein (1707-1786) hat im 18. Jahrhundert dafür gute Worte gefunden. Sie war übrigens eine anerkannte weibliche Dichterin, eine poeta laureata, also offiziell “gekrönte Dichterin” aus Stuttgart:

“Bin ich, oder bin ich nicht?
Dieses möcht Ich gern ergründen,
um dadurch zu meinem heyl einen festen Schluß zu finden (…)
Hat mich nicht ein GOtt gebildt, der ohn Anfang, Zeit und Ende
Unermeßlich ewig ist? Durch die Allmacht seiner Hände?
Ja! Ich bin’s! Und woher weiß ich’s?
Daher, dass ich denken kan;
Und das nehm ich nicht zur Regul bloß vom Hörensagen an.
Also denk ich weiter nach: Warum bin ich Mensch gebohren?
Warum gab der Schöpfer mir Mund, Nasen, Augen, Ohren?
Da ich schmecken, fühlen, riechen, sehen, hören, dencken soll
seine werke seyn fürtrefflich, wunderbarlich, Weißheit=voll.
(…)
Mir genüget, eines weiß ich, dessen ich mich ewig freu,
dass sein wesen nichts als Liebe, ja die Liebe selber sey.”

Dieser Liebe folgen, nachfolgen, nachleben, mit allen Sinnen, das ist christliches Leben, das Leben der geliebten Kinder Gottes. Nach dieser Grundlegung spricht der Predigttext aber auch von konkreten Konsequenzen.

„Opfer“ – mit dem Stichwort aufgerufene Traditionen

Zuerst macht er es und aber nicht ganz leicht: “Lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.”
Wird hier die absolute Selbstaufopferung gepredigt – heute oft und nicht nur zu Unrecht als “das stinkt ja zum Himmel” abgelehnt?

Mit dem Satz “Ein Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch” wird, quasi als Stichwort, eine ganz alte Tradition aufgerufen, und was den urchristlichen Gemeinden dazu sofort in den Sinn kam, ist uns heute nun weit weniger geläufig: Damit war im Alten Orient der Geruch der zum Himmel steigenden Räucher- oder Brandopfer gemeint. Nach den damaligen Vorstellungen waren die Götter auf diese Opfer angewiesen, gleichsam fast als Nahrung. Im Gilgamesch-Epos aus Sumer um 2000 v. Ch., für uns etwas befremdlich, kann es heißen:

Die Götter aber rochen ihren Duft,
sie rochen (dieses Opfers) süße Düfte.
Sie scharten sich alsbald den Fliegen gleich
die (hehren) Götter um den Opferstock.

Dass in solchem Denken die Gottheiten wirklich mit Fliegen vergleichbar werden, wurde schon im alten Israel langsam anstößig. So bekam das Opfer immer weniger den Charakter einer magischen Götterbeschwörung, und vor allem Menschenopfer wurden immer mehr abgelöst und abgelehnt. Was blieb, war zum einen das Bewusstsein, dass alles, was man hat, von Gott kommt. Deshalb hat man auch nicht alles selbst konsumiert, sondern teilweise Gott zurückgegeben, verbrannt und mit dem Rauch quasi zum Himmel geschickt, um dieses Bewusstsein zu zeigen. Zum andern blieb das Sühnopfer, bei dem ebenfalls das Töten von schuldigen Menschen abgeschafft wurde und stattdessen ein Tier geopfert wurde – als Zeichen dafür, dass man die Schuld eingesteht, aber nicht mehr mit seinem eigenen Leben begleichen muss.

Vorausgesetzt ist und bleibt, dass Gott zornig ist über Schuld und Verfehlungen, die nicht eingestanden werden, wo man sich nicht Mühe gibt, umzudenken und umzukehren.
Es fällt nicht immer leicht, den Zorn Gottes mit der Liebe zusammenzubringen, und es wurde im Laufe der Theologiegeschichte viel – zu viel – mit einem zornigen Gottesbild gedroht und eingeschüchtert. Aber im Kern bleibt, dass Liebe und Gerechtigkeit der Ungerechtigkeit gegenüber nicht gleichgültig bleiben können – das wäre unter dem Strich weder liebend noch gerecht.

„Opfer“- nicht aus Angst oder Pflicht, sondern freiwillig, aus Liebe

So ruft der Epheserbrief ein weiteres grundlegendes Stichwort auf, erinnert an das, was in den Glaubensbekenntnissen bereits seiner Zeit gesagt wurde: Ein für alle Mal ist das Versöhnungsopfer geschehen. Wo immer ein Opfer nötig war, um die Menschen vor der Vernichtung, Verwerfung, Verdammung durch göttlichen Zorn zu retten – Gott hat es selbst gebracht, sich selbst, in Jesus, ein für alle Mal. Damit stehen wir Menschen auf einem Grund, bei dem es keinen Grund mehr gibt zu totalen Opfern und Selbstopfern, aus Furcht vor Zorn und ewiger Verdammnis. Und wir stehen auf einem Grund, der Gaben und Opfer aus Liebe bringen kann, weil man sie nicht aus Angst bringen muss.

Das ist eine Grundhaltung, Gott und der Welt gegenüber. Gleichzeitig die christliche Freiheit: Wenn nicht einmal Gott die absolute Selbstaufoperung verlangt, wem bitte wäre man sie sonst schuldig?! Menschen etwa?!

Aber in einer solchen Grundhaltung steckt gleichzeitig, dass man im Namen der Liebe Opfer bringt, d.h. anderen zuliebe auch einmal zurücksteckt, dass man zum Beispiel sich das Rechthaben verkneift, wenn man merkt, die anderen kommen langsam an die Grenzen ihrer Nerven, seien es die Kinder oder die Eltern oder wer auch immer, dass man auch einmal anderen zuliebe auf etwas verzichtet, sei’s das billigste Sonderangebot, wenn dafür in den Entwicklungsländern die Menschen ausgebeutet werden, sei es ein eigenes Vorhaben, um stattdessen die Zeit mit anderen zu teilen.

Dafür, welchen Lebenswandel man der Liebe ganz getrost opfern kann, gibt der Epheserbrief nun ganz konkrete Beispiele: Unzucht – das Wort klingt heute als etwas altmodische und auch abgenutzte Vokabel, die schon bei einem zu kurzen Rock benutzt wurde oder dann, wenn man jemand zu lang ins Gesicht schaut, anstatt züchtig den Blick auf den Boden zu heften. Viel Moral hängt an dem Begriff, auch übertriebene. Das griechische Wort macht deutlicher, um was es eigentlich und vorrangig geht: um die porneia, Porno, um ein Verfügbarmachen anderer Menschen – womöglich noch Kinder. Um Vernutzung fern jeder Liebe, um Befriedigen nur eigener Bedürfnisse. Das rückt schon sehr in die Nähe der Habgier – die freilich braucht nicht erklärt zu werden. Ulrich Duchrow, der Heidelberger Sozialethiker, nennt es “obszön”, dass weltweit 356 Milliardäre über genauso viel Vermögen verfügen wie knapp die untere Hälfte der Weltbevölkerung. Da malt der Epheserbrief ein Ideal vor Augen, von dem wir weit weg sind, aber das dennoch nicht über Bord geworfen werden sollte: „Davon soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört“.

Die Macht der Sprache, des Redens und der Phrasen

Heilige werden wir nun wahrlich nicht einfach durch Verschweigen, auch wenn sich diese verführerische Falle immer wieder auftut, aber bekanntlich kann man Dinge auch herbeireden.
Die Macht dessen, was geredet wird, die kennt der Epheserbrief auch schon, wie es die Philosophie heute so betont: Das, worüber geredet wird, wirkt maßgeblich darauf ein, was wir als maßgebliche Wirklichkeit betrachten.

Hier ist aber wahrscheinlich die größte Kluft zwischen dem griechischen Text und dem, wie wir unsere deutsche Übersetzung heute hören: “Schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an”. So, wie es dasteht, kann es schrecklich ernst und humorlos klingen.

Die “schandbare Rede” ist wohl noch das Verständlichste; es ist weniger die, die einen selbst blamiert, sondern die, die andere schlecht behandelt. Als wir einmal im Konfirmandenunterricht die Gebote behandelt haben, stand den Konfirmandinnen und Konfirmanden das 8. Gebot besonders nahe: “Du sollst kein falsch Zeugnis reden über deinen Nächsten”. Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, geht’s euch auch so? Das kann man ganz schnell am eigenen Leibe erfahren, was es heißt, wenn Dinge über einen verbreitet werden, die einen aus der Gemeinschaft kippen. Das wird ganz schnell ungerecht einseitig und zerstörerisch.

Der Titusbrief erinnert an eine andere Möglichkeit “schändlicher Rede”: um schändlichen Gewinns willen. (1,11). Die ist uns auch nicht ganz unbekannt.

Die “närrische Rede”, die morologia (die gibt es auf Schwäbisch, das trifft den Sinn ganz genau: „a saudomms Leddagschwäds“), hieße heute wohl: „So ein Quatsch!“ Ein bisschen edler gesagt: Der Begriff wird dann benutzt, wenn das Handeln, Denken und Reden eines Menschen als nicht der Sache gemäß wirkt, als sehr dumm und unpassend, wenn gar zu wahnwitzigem Handeln verleitet werden soll, das mit Sicherheit am rechten Weg vorbeiführt.
Ähnliches gilt für die “Lose Rede”, mit der die selbstverliebte gemeint ist, egal, um was es geht. Das Ausspielen der eigenen Redegewandtheit.

Das sind alles Redeweisen, bei denen ziemlich zwangsläufig jemand zu Schaden kommen wird, übertölpelt, schlechtgemacht, ausgenutzt, kleingemacht. Das bringt schon eine dementsprechende Wirklichkeit hervor! Da empfiehlt der Text etwas ganz anderes: die Danksagung, Eucharistie, wörtlich: gute Freude und Gnade. Das ist eine andere Lebenshaltung, und das führt zu einem gedeihlicheren Umgang mit den anderen!

Deshalb heißt es weiter: “Lasst euch von niemand verführen mit leeren Worten” (6)
Das ermuntert wirklich, sich immun zu machen gegen leere Worte, Phrasen, mit möglichst viel Worten möglichst wenig sagen.

Die leeren Worte können auch Worte sein, wie sie die Werbung gerade verstärkt aus dem religiösen Bereich und aus den Fragen nach Sinn holt: “Auf diese Steine können sie bauen” verspricht die Bausparkasse und „Wir machen den Weg frei“ die Bank, überall kann man “himmlisch einkaufen”, Myriaden von Engeln bevölkern die Konsumwelt, „für alle, die es wissen wollen“, gibt es das Radio, die Zeitschrift sagt von sich „Bringt Licht ins Dunkel“, „The power to move forward“ gibt die Autofirma und „Nichts ist unmöglich“, wenn man einer anderen glaubt.

Da werden bewusst Ebenen durcheinandergebracht, die man auseinanderhalten sollte. Wenn man dem Heilsversprechen darin nicht aufsitzt, können solche Sprüche ja durchaus erheitern. Aber wenn man sich davon so beeinflussen lässt – und das wollen sie ja und machen sie sehr geschickt -, dass man sich wirkliche Hilfe verspricht, nicht nur technische Erleichterung oder Verschönerung des Alltags, dann schaffen es diese “leeren Worte” womöglich doch, sich zu Götzen aufzuschwingen oder die hinter ihnen stehenden Götzen zu inthronisieren…

Dann kann eine Kurskorrektur vonnöten sein, wie wir vorher im Psalm gebetet haben:
“Woher kommt mir Hilfe? – Meine Hilfe kommt von Gott” (Psalm 121). Neudeutsch gesprochen: Die Sehnsucht nach Transzendenz, das Suchen nach dem, was die Welt übersteigt, wird irregeleitet, wenn man sie nur auf Innerweltliches umleiten will.

Wie es auch in Psalm 25 heißt, nach dem der heutige Sonntag seinen Namen hat: “Meine Augen sehen auf Gott, denn Gott wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen” – auch aus denen, die die Konsumgesellschaft auslegt. Oder die von Gruppenzwängen: Wer dazugehören will, muss das und das tun und das und das lassen, Markenkleidung anhaben, nur die oder jene Marke macht cool, und, was besonders gefährlich ist, wer dazugehören will, darf natürlich nicht “feige” sein: “Sei nicht feige, andere knutschen beim Flaschendrehen immer!” „Andere gehen schon viel früher mit Freund oder Freundin ins Bett!” “Sei nicht feige, die Pillen kommen total gut, was soll da gefährlich sein!” Liebe Jugendliche – bitte fallt auf so etwas nicht rein. Ihr seid zu schade dazu, ihr seid schon jemand und müsst es nicht erst durch so etwas werden.

Lichte Aussichten

All das sind für den Epheserbrief ziemlich “finstere Werke”, und er setzt dagegen: So etwas soll man aufdecken, ans Licht bringen, im Licht von Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit prüfen: “Habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, deckt sie vielmehr auf” (11.9-14a). Konfliktscheu gilt hier nicht! Wer widerspricht, ist dadurch noch lange kein “Kind des Ungehorsams”, schon gar nicht, wenn man sich für Mitmenschlichkeit und die Freiheit der anderen einsetzt.

Unser Predigttext erinnert an den “Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams”, aber damit ist alles andere als ein despotischer Herrschaftswille gemeint, Gott als absolutistischer Herrscher und „Wehe man gehorcht nicht!“, sondern das meint auch eine Art göttlicher Verzweiflung, wenn die geliebten Kinder sich auf Wege locken lassen, auf denen man an sich selbst, an Gott und an den Mitmenschen vorbeirennt.

„Lebt als Kinder des Lichts“, ist unsere Verheißung, auch wenn nicht alles immer sonnig ist. Ich möchte mit Worten von Walter Jens schließen:

Leucht uns entgegen
mit deinem Licht,
Gott der Klarheit.
Befreie uns
von der düsteren Sicht.
Belebe unsere Welt
mit deinen Farben.
Amen.

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