Gottlob, wir sind bei Trost
Kirche als Ort des Trostes
Predigttext: 2. Korinther 1,3-7 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, 4 der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. 5 Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. 6 Haben wir aber Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil. Haben wir Trost, so geschieht es zu eurem Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. 7 Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben.Exegetische (I), homiletische (II) und liturgische (III) Einführung
I. Ein Mitarbeiter des Paulus, Timotheus, ist als Mitabsender des Briefes genannt. Der Brief geht an alle Christen in der römischen Provinz Achaja, deren Hauptstadt Korinth ist. Paulus gilt als Gründer der Gemeinde. Nach ihm hat Apollos, ein alexandrinischer Judenchrist, in Korinth gewirkt. Aus dem offenbar sehr viel reicheren Briefwechsel des Paulus mit der Gemeinde in Korinth sind uns nur zwei Schreiben erhalten geblieben. Der 2. Brief an die Gemeinde in Korinth ist von Mazedonien aus, wahrscheinlich im Herbst 55/56 geschrieben. Zwischen 1. und 2. Brief fällt ein Besuch des Paulus in Korinth, der wohl sehr unglücklich verlaufen sein muß. Der 2. Brief an die Korinther ist ein Selbstzeugnis des Menschen und Apostels Paulus, ein Kampf um seine Legitimation als Apostel, die ihm seine Gegner streitig machen. Es geht um die Vollmacht des Paulus. Paulus verknüpft diese Frage mit dem Gehorsam gegen Christus. Wer ihm das Apostolat streitig macht, das er von Christus hat, verweigert Christus den Gehorsam. Die Gnade Christi wird ihm gerade in seiner Schwachheit (Krankheit und Anfechtungen aller Art) zuteil. So wird seine Schwäche ein Zeichen seiner apostolischen Berufung - theologia crucis. 2.Kor 1,3-7(11) - Dank des Apostels für den Trost Gottes in seinem Leiden und die Rettung aus Todesnot. Dieser Trost soll seiner Gemeinde zugute kommen. Die Fassung dieser Danksagung unterscheidet sich von der des ersten Briefes, daß sie nur von der Begnadigung und Tröstung des Apostels und nicht der Gemeinde spricht. Gott wird gelobt in seinen Taten am Apostel. Was Christus gelitten hat, muß auch der Apostel leiden, und das kommt der Gemeinde zugute, auch wenn sie es nicht versteht, einige aus der Gemeinde ihm sogar das Apostelamt streitig machen. Paulus hofft, daß die Gemeinde, wenn sie Anteil am Leiden hat, auch Anteil am göttlichen Trost bekommt. Worin die Leiden der Gemeinde bestehen, wissen wir im Einzelnen nicht mehr genau, um welche Art von Bedrückung und Bedrohung es sich gehandelt haben mag. Aber Not schafft zwischen Apostel und Gemeinde eine Gemeinschaft, denn das Apostelamt verliert seinen Sinn, wenn es die Gemeinde aus den Augen verliert. Schwierig wird es mit der Leidensgemeinschaft, wenn die Leiden des Apostels ihm von der Gemeinde zugefügt werden (üble Nachrede, Abstreiten der Legitimation, Abfall von seiner Lehre, Verherrlichung anderer Größen). II. Wie geht Paulus mit Leiden und Trost um? Paulus muß in schlimmen Leiden, Bedrückungen, Schwierigkeiten gesteckt haben. (thlipsis, 6mal im Text). Aber auch in diesen schwierigen Lebenslagen hält er am Gotteslob fest und stürzt sich ins Vertrauen auf Gott. So kann er diese schlimmen Lebenssituationen erleidend als Getrösteter bestehen (paraklesis, 9mal im Text). Aller Trost kommt von Gott, V.3b Wo Menschen wirklich getröstet werden, auch wenn es nicht immer eigentlich christlicher Trost ist, ist Gott am Werk. Wo Gott ist, ist Trost. Die Trostlosigkeit unserer Welt hängt mit ihrer Gottlosigkeit zusammen und ihr Unwille, sich trösten zu lassen, Trost als billige Vertröstung zu verleumden. Wie überhaupt das Wort „Trost“ heute weithin einen negativen Sinn bekommen hat (Trostpreis). So kommt es, daß manche nicht ganz „bei Troste“ sind, wenn sie schädliche oder unsinnige Handlungen begehen. Wir werden getröstet, um andere trösten zu können, V.4.6b Paulus empfindet Leiden nicht als Lebenssinn, sondern als Aufgabe, um aus eigen erfahrener Tröstung der Gemeinde den Trost von Gott weitergeben zu können. Paulus entwickelt hier keine Trostlehre, sondern spricht von seiner Lebenserfahrung, die durch seinen Glauben an den Gott des Trostes eine Trosterfahrung wurde. Daraus zieht er die Konsequenz und Legitimation seines Apostelamtes, das weitgehend auch Trösteramt ist. Er gibt weiter, als persönliches Bekenntnis, was er selber erfahren hat als mächtige Wirkkraft, dem man sich nicht anschließen muß, über das man aber auch nicht theoretisch befinden kann. Paulus sagt: Bei mir ist das so. Das kann auch bei dir so sein. Ich habe den Trost des lebendigen Gottes erfahren. Das sage ich weiter. Der Fülle der Leiden entspricht die Fülle des Trostes, V.5 Soviel, wie Paulus durchzustehen hatte, soviel Trost und neue Zuversicht bekam er. Die Menge der Leiden wurden aufgewogen durch die Menge des Trostes. Hoffnung und Trost beenden jeweils die Sätze, was ihnen größeres Gewicht gegenüber Leiden und Bedrängnis gibt. An anderer Stelle drückt Paulus das so aus: Dieser Zeit Leiden sind der Herrlichkeit nicht wert, die an uns offenbart werden soll (2.Kor 4,17; Röm 8,18). Paulus erstrebt also kein stoisches Gleichgewicht zwischen Leid und Trost, sondern läßt uns an dem Kampf zwischen beiden teilhaben, einen Kampf, den der göttliche Trost gewinnt. Zuversicht, daß Leiden und Trost in der Gemeinschaft und für sie geschehen, V.6+7 Die Gemeinde ist Teilhaber (koinonoi) am Leid, aber auch am Trost. Apostel und Gemeinde brauchen einander. Sie haben sich wesentliches zu geben, auch wenn die Gemeinde in Korinth das so über Zeiten nicht sehen mochte. Auch deshalb führt Paulus hier so ausführlich aus, wie er und die Gemeinde aufeinander angewiesen sind, im Leiden und im Trost. Deshalb kann er von der feststehenden Hoffnung für die Gemeinde sprechen, die möglich ist „dia tou christou“, V.7. III. Einen anderen Zugang zur Predigt kann ich mir über den Namen des Sonntags, „Freut euch“, und seine Stellung im Kirchenjahr (in der Mitte) denken. „In dir ist Freude in allem Leide“, davon sollte die Predigt mitteilen, Freude trotz und in allem Leide, wobei ich auch an viel verdrängtes Leiden denke, Leiden am Leben, an der Kirche, an der Gemeinde, Leiden was manche Christen/innen nicht wahrhaben wollen, weil ja ein Christ/in schon ein erlöster Mensch ist. Ich denke dabei an die Leiden, die sich Christen in der Gemeinde zufügen, gerade wenn es aus Eifer um den richtigen Weg der Gemeinde geht. Dabei sind alle Formen menschlichen Fehlverhaltens vorhanden. Das ist besonders bitter und erzeugt eine eigene Form der Trostlosigkeit. Paulus muß sie gekannt haben. Wie ist er mit diesen Spannungen umgegangen? Wie ist er trotz alledem ein freudiger Bekenner Christi geblieben? Gelingt es auch uns, diese Dinge getrost beim Namen zu nennen und dann eine getröstete Gemeinschaft zu werden oder suchen wir schwarze Schafe und Sündenböcke, die wir in die Wüste schicken? Ziel der Predigt soll sein, den Hörer einzuladen, in das Gotteslob mit einzustimmen - Lätare! - daß wir getrost in die neue Woche und die weitere Passionszeit gehen können. (Als Vorwort zur Begrüßung im Gottesdienst zu verwenden, auch um den anderen Trost deutlich zu machen, der von Gott und nicht aus dem Whisky kommt: Die Frau des Farmers war beerdigt worden. Nach einigen Tagen kam der Pfarrer beim Witwer vorbei und traf ihn bei einer Flasche Whisky an. „Ist das Ihr einziger Trost?“ fragte er mit leisem Vorwurf. „Nein“, wehrte der Farmer ab, „ich habe noch vier Stück im Keller!“)Literatur
Kommentar: NTD, 7. Die Briefe an die Korinther, H.-D. Wendland, 1954 EPM, Bd. 1, 1985/86, EVA, Berlin, 1985, Lätare: E. WinklerLiebe Gemeinde!
Die Welt ist trostlos, die Zustände um uns herum deprimierend
In Politik, Wirtschaft, Kultur, Bildung, Staat, im Privaten – trostlose Zustände. Und da ist die Kirche leider keine Ausnahme. Auch da gibt es viele beklagenswerte Mißstände. Hat nicht Nietzsche immer noch recht mit seiner sezierend scharfen Bemerkung: „Die Christen müßten erlöster aussehen, wenn ich an ihren Heiland glauben sollte“? Auch das ist ein Satz der Trostlosigkeit.
Der Apostel Paulus hat unter den Zuständen, die auch Christen so unerlöst blicken ließen, gelitten, auch unter der Behandlung seiner Glaubensgeschwister in Korinth. Es war ein doppeltes Leiden, von außen und innen, wobei das innere ihm noch schmerzlicher gewesen sein mag, weil es so unnötig ist. Paulus will und sucht Trost. Er ist nicht begierig auf das Leiden. Leiden ist bei ihm kein Wert an sich, kein Lebensinhalt. Vielleicht hatte er die Aufforderung Gottes im Sinn, wie der Prophet Jesaja sie aufgeschrieben hat: Tröstet, tröstet mein Volk!“ Paulus wußte, Gott ist ein Gott des Trostes. Wo Gott ist, ist nicht nur Liebe, da ist auch Trost.
Manche Menschen haben Angst vor dem Trost. Sie fürchten billige Vertröstung, so wie ein Trostpreis eben auch kein Gewinn ist. Da wird von Trauernden manchmal ein stummer Händedruck mehr geschätzt als Worte, die einen Trost versuchen. Und doch kann die Trostlosigkeit der Welt überwunden werden, wenn wir eigenen erfahrenen Trost weitergeben. Dieser Trost kommt an, denn
Wer getröstet wurde, kann trösten
Wer Trost erfahren hat, bei „Troste ist“, kann diesen weitergeben. So wird Trost fast zum Austauschwort für Liebe, für Glaube. Paulus geht von der anderen Seite heran, immer an sein Apostelamt denkend, das er hier fast als Trösteramt definiert. „Wir werden getröstet, um andere trösten zu können.“ Wir bekommen diesen Trost unseres Lebens nicht als Besitz, den wir für uns behalten, in den Tresor legen wie einen Schatz, den wir niemandem zeigen, sondern wir bekommen ihn, um ihn weiterzugeben. Dadurch erst wird er leuchtend, wie Schmuckstücke, die immer getragen werden, glänzend bleiben. Dieser weitergegebene Trost tröstet den Tröster noch einmal beim Weitergeben. Geteilter Trost ist doppelter Trost. Er erweist seine Tragfähigkeit, er bewahrheitet sich noch einmal. Ein echter Trost verliert seine Kraft nicht.
Paulus erfährt durch seinen Glauben Trost in seinen Leiden. Er wird getrost sein Apostelamt, sein Trösteramt weiterführen. Er verflucht nicht die, die ihn so schäbig behandeln, er hofft für sie, daß auch sie die Tröstungen erfahren, die er erfahren hat. Paulus lebt die Seligpreisung: „Selig sind die Leidtragenden, denn sie sollen getröstet werden“. Als er den Brief an die Gemeinde in Korinth schrieb, war er im Stande eines Seligen. Sonst wäre wohl ein anderer Brief geschrieben worden.
Worin die Leiden an der Welt und an der Kirche bestehen, wissen wir. Wo und wie aber sind uns Tröstungen zuteil geworden? Wo und wie haben wir Gottes lebendige Wirkmacht in unserem Leben erfahren? Wo konnte ich getröstet weiterleben, obwohl sich meine Wunschträume in Nichts aufgelöst hatten, wo sich meine Familie, meine Gemeinde nicht als tragfähiger Grund für mein Leben erwiesen hatten? Wo ich an einem Grab stand, in dem mein liebster Mensch lag? Vielleicht stand da jemand neben mir, der nach oben gezeigt hat und gesagt hat: „Der da oben ist bei uns“. Und es ist angekommen bei mir, durchgedrungen durch den Nebel des Schmerzes, es hat „Klick“ gemacht, und ich konnte getröstet weiterleben.
Gott sei Dank, wir finden Trost
Zum Glück kommen solche Momente hin und wieder vor. Sie sind nicht an Intelligenz und bestimmte Leute und Orte gebunden. Daß sich Trost überall finden läßt, ist Grund zur Freude. Lätare!
Ob es wirklicher Trost ist, wird sich zeigen, wenn die Belastungen, die Trostlosigkeiten, wiederkommen. Denn auch das stimmt: Wir müssen immer wieder neu getröstet werden. Es gibt keinen „Generaltrost“.
Deshalb die Aufforderung immer wieder: Tröstet, tröstet mein Volk! Es kann einer aus erfahrenem Trost die Gewißheit ziehen, daß es Trost gibt, der hilft. Und die Zuversicht, daß er im Leiden nicht allein ist, sondern daß es eine Gemeinschaft gibt, in der Trost – als Möglichkeit – vorhanden ist.
Diese Gemeinschaft, dieser Ort des Trostes, ist die Kirche, die den Auftrag zu trösten, den Trost zu bewahren, über die Jahrhunderte und trostlose Zeiten hinweg bewahrt hat. Wir wissen, daß die Menschen in der Kirche, wir, auch alle des Trostes bedürfen. Sicher treibt uns u. a. dieses Bedürfnis Sonntag für Sonntag zum Gottesdienst.
Aber: Gott sei Dank, der durch Menschen wie Paulus diese Kirche gebaut hat, die unserer Trostbedürftigkeit einen Ort bereitet, wo es Trost gibt. Und die die Erinnerung an Menschen wie Paulus wachhält, seine Lebens- und Glaubenserfahrung bewahrt und weitergibt. Ich wünsche Ihnen eine getröstete Passionszeit.
Amen.