„Mal geht es rauf, mal geht es runter“

oder: Dunkle und helle Seiten im Leben

Predigttext: 1. Timotheus 1, 12-17
Kirche / Ort: Dossenheim
Datum: 27.06.2004
Kirchenjahr: 3. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer Manfred Billau

Predigttext: 1. Timotheus 1,12-17 (Übersetzung: Gute Nachricht Bibel 1997)

12 Ich danke Jesus Christus, unserem Herrn, der mir für meinen Auftrag die Kraft gegeben hat, dass er mich für vertrauenswürdig hielt und in seinen Dienst nahm. 13 Früher hatte ich ihn beleidigt, verfolgt und verhöhnt. Aber er hat mit mir Erbarmen gehabt, weil ich nicht wusste, was ich tat. Ich kannte ihn ja noch nicht. 14 Er, unser Herr, hat mir sein Gnade im Überfluss geschenkt und mit ihr den Glaube und die Liebe, die aus der Verbindung mit ihm erwachsen. 15 Es ist ein wahres Wort und verdient volles Vertrauen: Jesus Christus kam in die Welt, um die Sünder zu retten. Ich bin der schlimmste unter ihnen. 16 Deshalb hatte er gerade mit mir Erbarmen und wollte seine ganze Geduld an mir zeigen. Er wollte mit  mir ein lebendiges Beispiel aufstellen, was für Menschen künftig durch das Vertrauen auf ihn zum ewigen Leben kommen können. 17 Gott, der ewige König, der unsterbliche, unsichtbare und einzige Gott, sei dafür in alle Ewigkeit geehrt und gepriesen. Amen.

Vorbemerkung

Als Christ/Christin in unserer Zeit zu leben, wird emotional  nicht unbedingt als großes Glück empfunden. Für viele mag es eher eine Last oder eine „Lebens-versicherung“ sein nach der Devise: Man kann halt nie so recht wissen, ob „die da“ (die Pfarrer/innen, Theologinnen usw.) nicht doch  recht haben. Die Begeisterung des Paulus über seine Rettung durch Christus, wie der Predigttext sie schildert, ist heute so kaum mehr nachvollziehbar. Umso wichtiger scheint mir daher,  deutlich zu machen, dass das  fast 2000 Jahre alte Loblied  des Paulus auf Gott doch etwas mit mir als Mensch  im Jahr 2004 zu tun hat und vor allem: Bei Gott hat jede/r immer wieder eine Chance - auch heute noch. Dies soll in einfacher, leicht nachvollziehbarer Sprache und entsprechender Kürze  gepredigt werden. Meine Predigt fasse ich mit einer kleinen Geschichte nach Willi Hoffsümmer, Kurzgeschichten 3, Mainz 1987, 3. Auflage 1988, S. 37, Nr. 41) zusammen.

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Gott sei Dank!
Gott sei Dank, ich lebe noch!
Gott sei Dank, ich kann jeden morgen aufstehen!
Gott sei Dank, ich kann noch meinen Hauhalt machen!
Gott sei Dank, ich bin gesund!
Gott sei Dank, ich habe Arbeit!
Gott sei Dank, liebt mich meine Frau/mein Mann noch!
Gott sei Dank, ich liebe meine Frau/meinen Mann!
Gott sei Dank, ich bin zufrieden!
Gott sei Dank, ich hatte einen schönen Urlaub!
Gott sei Dank, kommt die Rente pünktlich!
Gott sei Dank, geht mit den Kindern alles gut!
Gott sei Dank, es hat geregnet!
Gott sei Dank, die Sonne scheint endlich wieder!
Gott sei Dank, ich bin Christ/Christin!

Was wäre für Sie, liebe Gemeinde,  der wichtigste Grund, Gott zu danken? Würden Sie auch sagen: Gott sie Dank, dass ich Christ, dass ich Christin bin?

Vielleicht käme uns das gar nicht gleich in den Sinn, weil es uns zu selbstverständlich ist. Klar sind wir Christen; klar gehören wir zur Kirche, klar sind wir konfirmiert und kirchlich getraut. Klar, es gehört einfach dazu zu uns, unserem Leben, unserem Lebensumfeld.

Nicht immer war es für Menschen  klar und selbstverständlich zur Kirche Jesu Christi zu gehören. Der  Predigttext für den heutigen
3.Sonntag nach Trinitatis aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an seinen Freund und Mitarbeiter Timotheus zeigt das. Hier lesen wir:

(Lesung des Predigttextes)

Dieser Lobgesang auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit zeigt mir zweierlei: Einmal verrät er viel über mich selbst und zum anderen darf ich wissen: Bei Gott bin ich nie chancenlos.

Was erfahre ich über mich selbst? Es gibt in mir immer zwei Seiten: Die schöne und die hässliche, wobei die Übergänge durchaus fließend sind. Die hässliche, die ich gerne verstecke und die nur zum Vorschein kommt, wenn ich mich nicht unter Kotrolle habe, wenn ich wütend werde wie zum Beispiel beim Autofahren oder wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft zu viele Torchancen vergibt oder der Schiedsrichter eine Fehlentscheidung nach der anderen pfeift.

Die hässliche Seite, die neidisch ist auf den Erfolg, den andere vielleicht haben, die nachtragend ist wie ein Elefant oder schlimmer, die sich am Unglück anderer freuen kann; ich höre mich sagen: Geschieht ihm recht, geschieht ihr recht, was musste er auch, was musste sie auch usw. Sie können sich das sicherlich selbst weiter ausmalen.

Die dunkle Seite, die vieles nur pessimistisch sieht, die zweifelt, die Gott in Frage stellt, die überhaupt nicht mit Gottes Wirken in meinem Leben rechnet, die sich mit der Devise in den Vordergrund drängt: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.

Die dunkle Seite, die voller Angst ist, die bei jedem Unfall, jeder schlimmen Nachricht, fragt und zittert: Wann erwischt es wohl mich oder jemanden aus meiner Familie, die fragt: Wie konnte Gott das nur zulassen?

Und dann gibt es die andere Seite in mir, die mich sagen lässt: Gott sei Dank! Die mit einem fröhlichen Lächeln auf die Menschen zugeht, für jede und jeden einen aufmunternden Satz auf den Lippen hat. Eine Seite die großzügig ist, die begeistern kann und vor allem, die von Gottes großen Taten in meinem Leben erzählen möchte, die laut singen möchte, die ihre Freude an den Himmel jubeln möchte wie die Vögel am Morgen.

Die Seite, die davon erzählt, dass ich nur durch Gottes Gnade bin, was ich bin, die sagt: Alles ist Gnade, alles ist Gottes Erbarmen, alles ist Gottes Geschenk. Ich bin sicher, es geht vielen von uns so, denn das Leben ist nun mal keine ebene Asphaltstraße, sondern eher wie ein steiniger Weg im Gebirge; mal geht es rauf, mal geht es wieder runter, mal geht es gefährlich nah  am Abhang entlang, dann wird der Weg wieder breiter, aber immer hat er ein Ziel: Das Kreuz am Gipfel. Dieses Gipfelkreuz erzählt auf der ganzen Welt dieselbe Botschaft: „Christus kam in die Welt, um die Sünder zu retten“. In diesem einfachen Satz steckt die ganze Hoffnungsbotschaft der Kirche Jesu Christi.

Die dunklen Seiten meines Lebens sind nicht wegzuwischen; sie gehören dazu. Sie sind eine Teil von mir.

Gleichzeitig aber dürfen sie nicht die Oberhand behalten, weil Christus auch für meine Sünden am Kreuz gestorben ist. Und das Licht, das vom Ostermorgen, von der Auferstehung Jesu von den Toten auf diese Welt und damit auf mein Leben fällt, macht auch mein Leben hell.

Anders gesagt: Die Botschaft von Jesus Christus, der die Sünder rettet, indem er selbst der Welt Sünde ans Kreuz trägt und den Gott von den Toten auferweckt, lässt mein Leben in neuem Licht strahlen. Immer wieder. Bei Gott bin ich nie chancenlos.

Bei Gott habe ich immer eine neue Chance, egal wie dunkel mein Leben auch gerade sein mag. Die heutige Evangelien-Lesung, welche die Geschichte vom verlorenen Sohn erzählte, hat dies sehr anschaulich unterstrichen.

Lassen Sie mich auch erzählen und das Gesagte mit der folgenden kleinen Geschichte zusammenfassen:

Es ist Herbst in den Bergen. Im Tal liegt eine dicke Nebeldecke. Eine Gruppe Urlauber und Urlauberinnen will sich nicht mit dem eintönigen Grau zufrieden geben. Also machen sie sich auf den Weg den Berg hinauf, in der Hoffnung, dass bald die Sonne durchbrechen und alles in einem hellen, freundlichen Licht erstrahlen müsse. Doch eine Viertelstunde, eine halbe Stunde, mehr als eine Stunde vergehen: Im dunklen Bergwald und um die grauen Felswände herum erscheinen die Wolkennebel nur noch dichter.

Schließlich kommt ihnen ein Einheimischer von oben her entgegen. Sie fragen ihn: Nimmt denn der Nebel gar kein Ende? Sollen wir weitersteigen oder lieber umkehren. Der Einheimische antwortet: Ihr müsst bis zum Kreuz hinauf, dort wird alles hell.

Und so war es wirklich. Am Gipfelkreuz war der Nebel, das Dunkel, zu Ende, fast wie abgeschnitten. Eine strahlende Sonne tauchte alles in freundliches, helles Licht. –

Sie verstehen: Am Kreuz wird es hell.  Der Blick auf das Kreuz Jesu und auf das Licht seiner Auferstehung helfen uns, das Dunkel dieser Welt  und des eigenen Lebens zu bewältigen, helfen uns, unser Leben zu bestehen.  Damit gilt auch für uns: Gott sei Dank, lieber Gott, dass es dich gibt in meinem Leben. Gott sei Dank, dass ich Christ, Gott sei Dank, dass ich Christin bin.

Amen.

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