“Lebt als Kinder des Lichts…” – Helligkeit, die gut tut
Wochenspruch:
Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Epheser 5,8b-9Vorbemerkung:
Die ersten Worte des Predigttextes (Eph 5,8b-14) sind zugleich der Wochenspruch (V.8b-9). Ich ergreife die Gelegenheit und konzentriere mich auf diese Anfangsworte, um einmal dem Wochenspruch, der sonst in der Regel lediglich (meist im Rahmen der Abkündigungen) verlesen wird, mehr Raum zu geben.Liebe Gemeinde,
„Lebt als Kinder des Lichts“ – diese Worte aus dem Epheserbrief stehen als Wochenspruch über der neuen Woche. Sie rufen uns zur Gestaltung des Lebens auf, zur „praxis pietatis“. Unser christlicher Glaube will im Alltag umgesetzt sein. Eine Ethik, die im Glauben an Gott ihre Wurzeln hat, ist gefragt, kurz: gelebtes Christsein.
„Lebt als Kinder des Lichts“ – Licht ist hier eine Umschreibung für Gott. Es ist das Licht, das Gott ausstrahlt und das Gott verbreitet. Mit diesem Licht ist Klarheit verbunden, der Wille hinzuschauen und klar zu erkennen, was geschieht. Es ist nicht das grelle und kalte Licht, sondern eine Helligkeit, die gut tut. Licht wie von einer Kerze, denn es berührt auch die Herzen.
Das Licht eines Funkens, der überspringt und ein wärmendes – nicht zerstörendes – Feuer anzündet. Ein Licht, das durch eine noch so große Dunkelheit nicht verdrängt oder gar ersetzt werden kann.
“Lebt als Kinder des Lichts…“ Mir fiel zu diesem Aufruf eine Stelle aus Martin Luthers Morgensegen ein: „…(ich) bitte dich, du wollest mich auch diesen Tag behüten vor Sünden und allem Übel, daß dir all mein Tun und Leben gefalle…“ Als Kinder des Lichts zu leben, bedeutet, das Leben so zu gestalten, dass Gott seine Freude daran hat.
Als Kinder des Lichts zu leben, hat etwas zu tun mit der Art und Weise meines Umgangs mit dem anderen Menschen, z. B. mit seinen Schwächen und Unzulänglichkeiten, mit Entscheidungen, die getroffen werden müssen, mit dem Schutz und In-Schutz-nehmen seiner Person, auch mit der Art und Weise, wie wir im privaten und gesellschaftlichen Bereich mit Konflikten umgehen. Denn als Kinder des Lichts wärmen wir uns an der Liebe Gottes und geben etwas von dieser Wärme weiter. So werden wir dem anderen Menschen gerecht und damit auch Gott, der Liebe ist.
Unser Leben als Kinder des Lichts hat auch etwas mit der Art und Weise zu tun, wie wir mit der Schöpfung umgehen, den anvertrauten Gaben, mit dem, was wir nicht selbst hervorgebracht haben und was es zu bewahren gilt.
„Lebt als Kinder des Lichts“ – welche lebenspraktische Bedeutung hat doch dieser Aufruf. Aber finden wir zu einer Lebensgestaltung, die sich an jenem Licht orientiert, das von Gott ausgeht? Der Apostel ermutigt im Epheserbrief die Christen: „So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder…“ Gottes Beispiel folgen – im Urtext ist wörtlich vom Nachahmen Gottes die Rede, „imitatio Dei“ – was für ein ungewöhnlicher Aufruf! Es ist die einzige Stelle im Neuen Testament, an welcher der Mensch so nahe mit Gott in Verbindung gebracht wird.
Das verführererische Versprechen „Ihr werdet sein wie Gott“ aus der biblischen Sündenfallgeschichte (1. Mose 3) kann uns dabei in den Sinn kommen. Die Versuchung des Menschen, den Platz Gottes einzunehmen, zu vergessen, Geschöpf und nicht Schöpfer zu sein. Nein, dies ist nicht der Sinn der Aufforderung. Sie steht vielmehr in einem gewichtigen Zusammenhang mit der Aussage von der Gottebenbildlichkeit des Menschen in der Schöpfungsgeschichte am Anfang der Bibel – „und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde“ (1. Mose 1,27). Diese Worte gehören zu den bedeutendsten Inhalten, die das Christentum dem Judentum verdankt. Sie sind der tragende Grund jüdisch-christlicher Ethik.
Das besondere Merkmal dieser Ethik ist, dass sie weder autonom noch libertinistisch ist, sondern in der Liebe Gottes gründet: „Als die geliebten Kinder“ sollen wir „Gottes Beispiel folgen“. Das ist keine diktatorische Forderung, sondern ein Angebot zu einer Lebensgestaltung, die in den Geboten Gottes Orientierung sucht. Als geliebte Kinder leben bedeutet: von Gott umgeben und geborgen sein – wie ein Kind von den Eltern umsorgt, behütet, beschützt sein.
Konkret benennt der Wochenspruch, was ein solches Leben als Kinder des Lichts kennzeichnet: „Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit“. Hier ist die Frage nach der Qualität wirklichen Lebens gestellt, eine Frage, die wir uns immer wieder in Frage stellt und unsere Antwort sucht.
„Lebt als Kinder des Lichts“ – der Apostel kann die christlichen Gemeinden so aufrufen, weil ihm das Beispiel Jesu Christi vor Augen steht, dessen ganzes Leben ein Leben im Licht Gottes war. Darum schauen wir auf Ihn, auf seinen Weg im Vertrauen auf Gott, den Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, besonders wenn wir merken, dass unser Weg in eine falsche Richtung führt. Dass ich so bin, wie ich heute bin, ist nicht einfach schicksalhaft gegeben – Veränderung ist möglich, das Potential dafür ist da: Es ist das Licht der Liebe Gottes, das wie am ersten Schöpfungstag in Jesus von Nazareth aufleuchtete.
“…ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit“. Mit der Erinnerung an ein „Früher“ und an ein „Heute“ betont der Apostel die radikale Wende, die unser Leben nimmt, in welches das Licht Gottes, seine Liebe in Jesus Christus, hineinscheint. Es ist seither keineswegs egal und beliebig, was und wie wir leben. Gott sucht uns. Seine Gebote sind keine lästige Pflichterfüllung, sondern ebnen uns den Weg, dass sich „Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit“ durchsetzen. Wir sind vom Licht Gottes und seiner Liebe umgeben. „Gott führt uns“, heißt es im Wochenpsalm (Palm 48,15). Unter seiner Führung leben wir als Kinder des Lichts. Den Wochensspruch höre ich so: Auch wir können an jedem Tag der vor uns liegenden Woche Licht in das Dunkel bringen. Darum bitten und singen wir jetzt mit dem Franz von Assisi zugeschriebenen Gebet: „O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens…“ (EG 416)