Veränderung – wunderbare Möglichkeit

Predigttext: Epheser 4,22-32
Kirche / Ort: Weissenkirchberg
Datum: 17.10.2004
Kirchenjahr: 19. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer Thomas Meister

Predigttext: Epeser 4,22-32

(Ich empfehle die Übersetzung von Klaus Berger und Christiane Nord, Insel Verlag, 1999 und werde auch die Verse 20-21 mitlesen)

Gedanken zur Predigt

Ich habe für die Predigt den Grundgedanken der Veränderung aufgenommen, der durch die Taufe und die Heilstat Jesu Christi nach dem Epheserbrief das christliche Leben bestimmt. Damit soll es weniger eine ethisch-moralisch-appellierende Predigt werden, sondern vielmehr den im Epheserbrief enthaltenen Indikativ betonen. Ich beginne mit einer Zeitansage, die durch einen Textausschnitt von Hans-Dieter Hüsch (aus: H.D Hüsch: Das Schwere leicht gesagt, Freiburg im Breisgau 1994, S. 26) und eine musikalische Einspielung der Gruppe Wise Guys (total egal aus CD: Wise guys. Haarige Zeiten, Text: Daniel Dickopf) unterstützt wird, um dann auf den Predigttext und seine Struktur zwischen Indikativ und Imperativ zu sprechen zu kommen. Ziel der Predigt soll sein, Veränderung als wunderbare Möglichkeit darzustellen, die wir durch Gottes Gnade verliehen bekommen haben. Die Liturgie versucht dabei die Struktur zwischen Indikativ und Imperativ nachzuvollziehen. Dank für den Neuanfang des neuen Tages (Morgenlicht leuchtet, EG 455), verknüpft mit einem hoffnungsvollen Blick darauf (Meine Hoffnung und meine Freude), zeigt schon in der Lesung (Mk 2)und im Lied vor der Predigt (Gott gab uns Atem, EG 432) die grundsätzliche Möglichkeit der Veränderung auf. Das Lied danach (Vertraut den neuen Wegen, EG 395) soll zu den neuen Wegen ermuntern, die im Fürbittengebet benannt werden. Das Schlusslied (Bewahre uns, Gott, EG 171) mit dem Segen geleitet dazu in die neue Woche hinaus.

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Liebe Gemeinde!

I. Zeitansage

Hanns Dieter Hüsch formulierte vor Jahren einmal folgende Zeitansage: „Wir leben in einer gespaltenen Welt, mit unseren geteilten Köpfen und Herzen. Wir nehmen unsre absurde Zeit schon gar nicht mehr wahr. Wir sehen alles und sehen nichts. Wir wissen alles und wissen nichts. Wir lesen drauf los um unsere Seele zu retten. Wir retten nichts, wir hören nichts. Wir hören alles und erkennen nichts.”

Diese Zeitansage ist schon gut 10 Jahre alt. Aber ich habe so das Gefühl, sie ist immer noch aktuell. Sie passt ganz gut auf die Verwirrung rund um die Reformen, die unser Land bewegen. Wir wissen sehr wohl, da muss sich was ändern, aber was und wie, ist doch heftigst umstritten. Und alle sind verunsichert, viele haben Angst, nur wenige erwarten, dass mit den Reformen sich deutlich etwas zum Besseren verändert. Ja, wir leben in einer gespaltenen Welt, mit unseren geteilten Köpfen und Herzen.

II. Rat-Geber

Die Zeitansage von H.D. Hüsch passt auch gut zu der umfassenden Ratgeber-Literatur unserer Zeit. Überall gute Tips für uns, überall Ratschläge, wo wir Defizite in uns spüren oder andere übertrumpfen wollen. Der eine verspricht den perfekten Liebhaber aus uns zu machen. Der andere unser Leben durch ein paar Tricks völlig zu vereinfachen und zu ordnen (Stichwort „Simplify your life”). Und der dritte verspricht uns gar, „die Glücksformel” gefunden zu haben. Das dokumentiert eine tiefe Sehnsucht der Menschen nach Hilfestellung für ihr Leben, nach Veränderung, nach Besserung. Und vermutlich sitzen hier ja auch unter uns viele Kurgäste, die hierher nach B.A./B.F. gekommen sind, damit sich etwas für ihr Leben zum Besseren wenden kann: gesundheitlich- im umfassenden Sinne, nämlich verstanden als körperliches und seelisches Wohlbefinden. Und darum wird ja hier in B.A./B.F. nicht nur die Krankheit therapiert, sondern es finden Gespräche statt, in denen das gesamte Umfeld zur Sprache kommt: die Arbeit, die Familie, die Belastungen, Befürchtungen und Hoffnungen.

III. Total egal?

Demgegenüber steht freilich nach wie vor eine Haltung einiger Menschen in Deutschland, die von persönlicher Veränderung nichts wissen wollen. Denen im Prinzip alles egal ist. Gerade wie es auch dem Nachbarn geht. Die Kölner A capella Gruppe Wise guys hat das so auf die Schippe genommen. Ich lade Sie ein, dieses Lied mit einem zwinkernden Auge zu hören, Refrain: Mir ist alles egal, total egal, das klingt vielleicht jetzt brutal, doch ich find’s völlig normal
Ich bin kein bisschen sozial und auch nicht kollegial
ich gehe niemals zur Wahl, denn mir ist alles egal.
Ich hab keine Hobbies, denn mir fehlt das Interesse
hab nicht allzu viele Bildung, weil ich alles vergesse.
Ich geh nie ins Theater, häng zuhaus’ vor der Glotze,
wo ich dann über alles, was gesendet wird, motze.
Ich hab’ ein paar Kumpels, die geh’n mit mir saufen,
es macht mir viel Spaß, neue Klamotten zu kaufen.
Ich steh’ echt auf Cabrios mit Funktelefon,
aber ansonsten, glaub’ ich, war’s das auch schon. (Refrain)

Ich hab’ nach der schule BWL studiert,
ich geb’ offen zu, das hat mich nie interessiert
Doch man hat mir gesagt, mehr als mit anderen Sachen
kann man da tierisch schnell ‘ne Menge Kohle mit machen.
Ich geh’ nicht zur Kirche, denn da fehlt mir der Sinn,
doch ich heirate kirchlich, das ist jetzt wieder „in”.
Ich hab’ meine Eltern beinah’ völlig vergessen,
ich fahr Weihnachten hin, dann gibt’s was Leckeres zu essen. (Refrain)

Ich kann nicht klagen, ich hab Geld genug
und lebe gut mit meinem Selbstbetrug.
Nur manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann
dann fang’ ich plötzlich mit dem Grübeln an:
Dann wünsch’ ich mir manches Mal ein Ideal
und eine gute Moral, mein Leben ist so banal …
Doch dann mach’ ich mir klar, das ist im Grunde egal,
denn Leute wie ich sind in der Überzahl.

Leute, wie der Sänger hier, sind in der Überzahl, sagt er. Ich weiß nicht. ich habe sehr wohl das Gefühl, dass sich hier etwas verändert. Die Notwendigkeit der Reformen, die Notwendigkeit, sich selbst gegen verschiedenen Risiken abzusichern, aber auch das Wissen darum, dass das bisherige soziale Solidarsystem wankt, schafft auch zunehmend Einsicht, dass sich in der Einstellung etwas ändern muss. Die Zeit ist reif für eine Neubelebung des Sozialen, der Solidarität, der Nächstenliebe.

IV. Zwischen Indikativ und Imperativ

Insofern ist der heutige Predigttext unglaublich aktuell. Er ist quasi auch ein Rat-Geber. Er spricht von Veränderung. Veränderung, die durch die Taufe bei Christen schon längst erfolgt ist. Und von Veränderung, die sich jeden Tag neu bewähren muss. Hören wir Worte aus dem Epheserbrief:

(Lesung des Predigttextes)

Es ist ein wenig die Krux bei unseren Predigttexten, dass sie immer nur einen Teil der Schriften herausnimmt und man so oft einen falschen Eindruck bekommen kann. Hier kann man meinen, dass der Epheserbrief durchsetzt ist mit Mahnungen: Tu dies, lass jenes. Und natürlich zählt der Brief auch einige Möglichkeiten auf, wie ein Mensch sich als Christ verändern kann, wie er immer wieder an sich arbeiten kann.

V. Glücksgefühle

Ein neuer Mensch werden soll man; ruhig mal böse sein aufeinander, aber immer bereit zur Versöhnung sein; freundlich zueinander sein. In der Tat sind das Tips, die zum Beispiel Stefan Klein auch in seinem Bestseller „Die Glücksformel” formuliert. Er sagt, dass es letzten Endes niemandem nutzt, die negativen Gefühle auszuleben. Ständig auf einen anderen sauer sein, nagt am eigenen Wohlgefühl, im Sumpf der Sorgen zu wühlen, lässt uns

immer tiefer darin versinken. Vielmehr ist das persönliche Glück eher zu machen, indem wir auf die positiven Dinge des Lebens achten, indem wir uns versöhnen, wo es möglich ist, indem wir mit Lob und Freundlichkeit verschwenderisch umgehen. Er formuliert darin also ureigenste Empfehlungen der Bibel.

Die Bibel  und unser Predigttext empfehlen also sehr wohl auch Veränderungen und geben konkrete Tips. Aber sie bleiben nicht bei der Forderung stehen. Denn schon im Epheserbrief ist den Mahnungen die wunderbare Botschaft vorgeschaltet, dass Gott seinen Frieden mit uns und unsrer Person längst geschlossen hat. Etwas lapidar ausgedrückt: Gott liebt uns wie wir sind. Bei ihm müssen wir uns nicht jeden Tag neu beweisen.

VI. Veränderung als Möglichkeit

Bei Gott ist so die Veränderung nicht bloße Forderung sondern die große Möglichkeit: Weil Gott uns als offenes Wesen geschaffen hat, das denken kann, können wir uns verändern. Weil Gott in Jesus Christus die Verstrickungen des Menschen in Unrecht und Schuld ein für alle mal gelöst hat, können wir neue  Wege gehen. Weil Gott uns im Heiligen Geist durch die Taufe einen Tröster und eine Hilfe zur Seite gestellt hat, haben wir die Kraft, uns immer wieder neu zu entwickeln.

Das sind die wunderbaren Möglichkeiten, die sich uns bieten. Veränderung muss in diesem Glauben nicht mit Angst besetzt sein, sondern kann besondere Erwartung freisetzen. Denn „jedem Anfang liegt ja ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.” (Hesse) Wir haben das Recht uns zu verändern. Wir haben das Recht, die Erwartungen der anderen zu enttäuschen, wenn sie uns nicht auf ein altes Bild festnageln können. Wir haben das Recht, unsere Meinung zu verändern. Dabei geht es nicht um das Lust-und-Laune-Prinzip oder um Wankelmütigkeit, sondern um das Recht, offen zu bleiben und weiterzudenken. Da haben wir das Recht, plötzlich mit einem alten Feind wieder ins Gespräch zu kommen. Da haben wir das Recht, jedem

Entwicklungsmöglichkeiten zuzuerkennen. Wir haben das Recht, langgehegte, geheime Träume in die Wirklichkeit umzusetzen. So wie die Frau, die sich, als sie krebskrank wurde, ihren größten Wunsch erfüllte und noch einmal zu malen anfing. Sie besuchte Kurse an der Volkshochschule, richtet sich ein eigenes kleines Atelier ein und nahm nicht mehr so viel Rücksicht auf die Familie wie zuvor. Die Freude dabei machte sie nicht gesund, aber sie gab ihr ungeahnte Kräfte gegen die Krankheit.

So haben wir das Recht, uns auszuprobieren, immer wieder. Wir haben das Recht, immer wieder neue Wege zu gehen. Wir haben das Recht, mal nichts zu begreifen, wie Hüsch das formuliert, aber auch das Recht, uns nach der Krise wieder klar denkend zu beweisen. Der Epheser-Brief liefert uns für diese Freiheiten die Begründung: Ihr aber habt Christus kennengelernt und das ändert alles.

Amen.

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